Bundesgerichtshof Beschluss, 09. Okt. 2008 - IX ZR 168/07

bei uns veröffentlicht am09.10.2008
vorgehend
Landgericht Hannover, 20 O 213/06, 13.11.2006
Oberlandesgericht Celle, 16 U 291/06, 11.09.2007

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
IX ZR 168/07
vom
9. Oktober 2008
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
KO § 58 Nr. 2; InsO § 54 Nr. 2
Die Vergütung des Sequesters aus einem nicht zur Eröffnung gelangten Verfahren
gehört nicht zu den Massekosten eines auf einen späteren Antrag eröffneten Konkursverfahrens
(im Anschluss an BGHZ 59, 356; 109, 321).
BGH, Beschluss vom 9. Oktober 2008 - IX ZR 168/07 - OLG Celle
LG Hannover
Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch den Vorsitzenden Richter
Dr. Ganter und die Richter Prof. Dr. Kayser, Prof. Dr. Gehrlein, Dr. Fischer und
Grupp
am 9. Oktober 2008

beschlossen:
Der Senat beabsichtigt, die Revision des Beklagten gegen das Urteil des 16. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Celle vom 11. September 2007 gemäß § 552a ZPO zurückzuweisen.

Gründe:


I.


1
Der Kläger ist Sonderverwalter in dem Konkursverfahren über das Vermögen des Spediteurs H. R. (fortan: Schuldner).
2
Der Beklagte wurde auf den von einem Gläubiger am 14. Mai 1997 über das Vermögen des Schuldners gestellten Konkursantrag am 23. Juli 1997 zum Sequester bestellt. Nach Rücknahme des Antrags durch den Gläubiger und Aufhebung der Sequestration am 8. August 1997 setzte das Amtsgericht am 3. November 1998 die Vergütung des Beklagten auf 6.522,93 € fest.
3
Auf einen erneuten Fremdantrag vom 20. August 1997 wurde das Konkursverfahren über das Vermögen des Schuldners am 1. März 1998 eröffnet und der Beklagte zum Konkursverwalter bestellt. Der Beklagte entnahm der Masse am 2. Dezember 1998 die in dem Erstverfahren festgesetzte Sequestervergütung.
4
Der durch Beschluss des Amtsgerichts vom 4. Mai 2006 wegen der Entnahme der Sequestervergütung zum Sonderkonkursverwalter bestellte Kläger nimmt den Beklagten auf Rückzahlung von 6.522,93 € in Anspruch. Das Oberlandesgericht hat der von dem Landgericht abgewiesenen Klage stattgegeben. Mit seiner von dem Oberlandesgericht zugelassenen Revision verfolgt der Beklagte sein Klageabweisungsbegehren weiter.

II.


5
Ein Zulassungsgrund ist, zumal es sich um auslaufendes Recht handelt, nicht gegeben. Die Revision hat auch nach dem eindeutigen Inhalt der hier maßgeblichen Regelung des § 58 Nr. 2 KO in der Sache keine Aussicht auf Erfolg (§ 552a Satz 1 ZPO). Der auf § 812 Abs. 1 Satz 1 BGB gestützte Klageanspruch ist begründet, weil der Beklagte nicht berechtigt war, seine in einem anderen Verfahren verdiente Sequestervergütung als Massekosten (§ 58 Nr. 2 KO) in dem später eröffneten Konkursverfahren der Masse zu entnehmen. Der Verwalter darf nur eine solche Vergütung an sich selbst entrichten, die er in dem eröffneten Verfahren gemäß § 58 Nr. 2 KO als Massegläubiger zu beanspruchen hat (vgl. Jaeger/Weber, KO 8. Aufl. § 78 Rn. 6, § 85 Rn. 4).
6
1. Für den Bereich der Insolvenzordnung hat der Bundesgerichtshof bereits zu erkennen gegeben, dass Vergütungsansprüche eines vorläufigen Verwalters aus einem abgeschlossenen Verfahren in einem neuen Insolvenzver- fahren keine Massekosten im Sinne des § 54 Nr. 2 InsO darstellen (BGH, Beschl. v. 20. September 2007 - IX ZB 239/06).
7
2. Ebenso gehört die Vergütung des Sequesters aus einem nicht zur Eröffnung gelangten Verfahren nicht zu den Massekosten (§ 58 Nr. 2 KO) eines auf einen späteren Antrag eröffneten Konkursverfahrens.
8
a) Wird auf einen Konkursantrag ein Sequester eingesetzt, so bildet seine Vergütung einen Bestandteil der Massekosten des später antragsgemäß eröffneten Konkursverfahrens. Die im Konkurseröffnungsverfahren entstandene Sequestervergütung ist im Sinne des § 58 Nr. 2 KO den Ausgaben für die Verwaltung der Insolvenzmasse zuzurechnen (Kuhn/Uhlenbruck, KO 11. Aufl. § 58 Rn. 8a, § 106 Rn. 22g; Kilger/K. Schmidt, Insolvenzgesetze 17. Aufl. KO § 58 Anm. 3a, § 106 Anm. 4). Dies soll auch dann gelten, wenn das Gericht, das den Sequester bestellt hat, später wegen örtlicher Unzuständigkeit den Konkursantrag abweist und das Konkursverfahren auf einen erneuten inhaltsgleichen Antrag durch das örtlich zuständige Gericht eröffnet wird (vgl. LG Hamburg ZIP 1991, 116; AG Hamburg-Altona ZIP 1989, 458, 459).
9
b) Folgt einem Vergleichsverfahren ein Anschlusskonkursverfahren, gehört die für den vorläufigen Verwalter und den Vergleichsverwalter festgesetzte Vergütung gemäß §§ 105, 102 Abs. 2 VglO zu den Massekosten. Wird nach dem Vergleichsverfahren hingegen ein selbständiges Konkursverfahren eröffnet , sind § 103 bis 107 VglO generell unanwendbar (BGHZ 59, 356, 361; 109, 321, 323 f). Darum wird - was hier nicht zu entscheiden ist - mit Grund bezweifelt , dass die in einem Vergleichsverfahren entstandenen Vergütungsansprüche im Falle eines nachfolgenden selbständigen Konkursverfahrens Massekosten darstellen (Kilger/K. Schmidt, aaO VglO § 105 Anm. 3; ebenso Bley/Mohrbutter, VglO 4. Aufl. § 105 Rn. 5 unter b, falls das Konkursverfahren auf derselben Zahlungsunfähigkeit beruht; a.A. LG Hamburg, aaO; AG Hamburg, aaO).
10
c) Vor diesem rechtlichen Hintergrund kann jedenfalls die Vergütung des Sequesters aus einem abgeschlossenen Verfahren nicht den Massekosten eines späteren Konkursverfahrens (§ 58 Nr. 2 KO) zugeordnet werden.
11
Im Verhältnis von zwei aufeinander folgenden Konkursverfahren fehlt es - worauf das Berufungsgericht zutreffend hinweist und was auch die von der Revision angeführte Gegenauffassung (Ries ZInsO 2005, 414, 415; ders. ZInsO 2007, 1102, 1104: Einbeziehung der Vergütung keine Regel, sondern Ausnahme) einräumt - an einer gesetzlichen Grundlage, welche die Behandlung früherer Kosten als Massekosten des späteren Verfahrens rechtfertigen könnte. Im Unterschied zu §§ 105, 102 Abs. 2 VglO, deren Anwendbarkeit im Falle der Eröffnung eines selbständigen Konkursverfahrens - wie oben dargelegt - im Streit steht, beschränkt sich § 58 Nr. 2 KO auf die im selben Verfahren entstandenen Kosten. Da § 58 Nr. 2 KO eine Festsetzung der Vergütung durch das Konkursgericht nach § 85 KO voraussetzt (Kuhn/Uhlenbruck, aaO), werden in einem anderen Verfahren von einem anderen Konkursgericht festgesetzte Beträge nicht erfasst. Auch der an ein übergreifendes Konkursereignis anknüpfende Gesichtspunkt der materiellen Verfahrenseinheit (Ries aaO 2005, S. 415; ders. aaO 2007, S. 1104) ist nicht geeignet, den Vergütungsanspruch des Sequesters auf die Masse eines später eröffneten Konkursverfahrens zu verlagern. Ein dieser Bewertung entsprechender allgemeiner Grundsatz, dass die Kosten einer den Interessen der Gläubiger dienenden Verwaltung aus dem verwalteten Vermögen vorweg zu decken sind, ist der Konkursordnung fremd (Kilger/K. Schmidt, aaO § 105 VglO Anm. 3). Vielmehr sind Massekosten aus einem Erstkonkurs in einem späteren Konkurs einfache Konkursforderungen.
Die gegenteilige Betrachtungsweise würde zu einer mit dem Gesetz nicht zu vereinbarenden unzulässigen Vorwegbefriedigung des Beklagten als Altgläubiger führen (vgl. BAG, Urt. v. 29. November 1990 - 2 AZR 312/90, ZIP 1991, 381, 382). Die daraus folgenden Härten kann der Sequester durch die Anforderung eines Vorschusses vermeiden.
Ganter Kayser Gehrlein
Fischer Grupp

Vorinstanzen:
LG Hannover, Entscheidung vom 13.11.2006 - 20 O 213/06 -
OLG Celle, Entscheidung vom 11.09.2007 - 16 U 291/06 -

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Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 812 Herausgabeanspruch


(1) Wer durch die Leistung eines anderen oder in sonstiger Weise auf dessen Kosten etwas ohne rechtlichen Grund erlangt, ist ihm zur Herausgabe verpflichtet. Diese Verpflichtung besteht auch dann, wenn der rechtliche Grund später wegfällt oder der mi

Zivilprozessordnung - ZPO | § 552a Zurückweisungsbeschluss


Das Revisionsgericht weist die von dem Berufungsgericht zugelassene Revision durch einstimmigen Beschluss zurück, wenn es davon überzeugt ist, dass die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision nicht vorliegen und die Revision keine Aussicht auf

Insolvenzordnung - InsO | § 54 Kosten des Insolvenzverfahrens


Kosten des Insolvenzverfahrens sind: 1. die Gerichtskosten für das Insolvenzverfahren;2. die Vergütungen und die Auslagen des vorläufigen Insolvenzverwalters, des Insolvenzverwalters und der Mitglieder des Gläubigerausschusses.

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Bundesgerichtshof Beschluss, 20. Sept. 2007 - IX ZB 239/06

bei uns veröffentlicht am 20.09.2007

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS IX ZB 239/06 vom 20. September 2007 in dem Insolvenzverfahren Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch den Vorsitzenden Richter Dr. Fischer, die Richter Raebel, Vill, Cierniak und die Richterin Lohmann am 20.

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Kosten des Insolvenzverfahrens sind:

1.
die Gerichtskosten für das Insolvenzverfahren;
2.
die Vergütungen und die Auslagen des vorläufigen Insolvenzverwalters, des Insolvenzverwalters und der Mitglieder des Gläubigerausschusses.

Das Revisionsgericht weist die von dem Berufungsgericht zugelassene Revision durch einstimmigen Beschluss zurück, wenn es davon überzeugt ist, dass die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision nicht vorliegen und die Revision keine Aussicht auf Erfolg hat. § 522 Abs. 2 Satz 2 und 3 gilt entsprechend.

(1) Wer durch die Leistung eines anderen oder in sonstiger Weise auf dessen Kosten etwas ohne rechtlichen Grund erlangt, ist ihm zur Herausgabe verpflichtet. Diese Verpflichtung besteht auch dann, wenn der rechtliche Grund später wegfällt oder der mit einer Leistung nach dem Inhalt des Rechtsgeschäfts bezweckte Erfolg nicht eintritt.

(2) Als Leistung gilt auch die durch Vertrag erfolgte Anerkennung des Bestehens oder des Nichtbestehens eines Schuldverhältnisses.

Kosten des Insolvenzverfahrens sind:

1.
die Gerichtskosten für das Insolvenzverfahren;
2.
die Vergütungen und die Auslagen des vorläufigen Insolvenzverwalters, des Insolvenzverwalters und der Mitglieder des Gläubigerausschusses.

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BESCHLUSS
IX ZB 239/06
vom
20. September 2007
in dem Insolvenzverfahren
Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch den Vorsitzenden Richter
Dr. Fischer, die Richter Raebel, Vill, Cierniak und die Richterin Lohmann
am 20. September 2007

beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der 2. Zivilkammer des Landgerichts Regensburg vom 23. November 2006 wird auf Kosten des weiteren Beteiligten zu 2 als unzulässig verworfen.
Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens wird auf 21.119,28 Euro festgesetzt.

Gründe:


1
Über das Vermögen der Schuldnerin wurde am 22. August 2003 das Insolvenzverfahren eröffnet. Der (weitere) Beteiligte zu 2 war in einem früheren Insolvenzeröffnungsverfahren, das durch Antragsrücknahme beendet wurde, zum vorläufigen Insolvenzverwalter bestellt worden; die festgesetzte Vergütung von 21.119,28 Euro hat die Schuldnerin nicht gezahlt. Im vorliegenden Verfahren wurde der Beteiligte zu 2 erneut zum vorläufigen Insolvenzverwalter bestellt. Endgültiger Verwalter wurde jedoch der (weitere) Beteiligte zu 1. Der Beteiligte zu 2 meldete eine Forderung von 21.119,28 Euro zur Tabelle an. Der Beteiligte zu 1 bestritt diese Forderung nicht.
2
Mit Schreiben vom 22. März 2006 hat der Beteiligte zu 2 die Bestellung eines Sonderverwalters zur Prüfung der Frage beantragt, ob die Vergütung aus dem früheren Eröffnungsverfahren im vorliegenden Verfahren eine Masseverbindlichkeit darstelle. Mit Beschluss vom 8. August 2006 hat das Amtsgericht - Rechtspfleger - den Antrag zurückgewiesen. Auf die sofortige Beschwerde des Beteiligten zu 2 hin hat der Rechtspfleger die Sache dem Abteilungsrichter vorgelegt, der den eingelegten Rechtsbehelf als Erinnerung behandelt und zurückgewiesen hat. Die sofortige Beschwerde des Beteiligten zu 2 gegen diesen Beschluss ist als unbegründet zurückgewiesen worden. Mit seiner Rechtsbeschwerde will der weitere Beteiligte zu 2 die Zurückverweisung der Sache an das Beschwerdegericht erreichen.

II.


3
Rechtsbeschwerde Die ist unstatthaft. Die Befugnis zur Rechtsbeschwerde setzt die Statthaftigkeit der sofortigen Beschwerde voraus (BGHZ 144, 78, 82; BGH, Beschl. v. 25. Januar 2007 - IX ZB 240/05, NZI 2007, 284). Schließt das Gesetz die Anfechtung einer gerichtlichen Entscheidung im Wege der sofortigen Beschwerde aus, ist auch die Rechtsbeschwerde unzulässig. So liegt der Fall hier. Die Entscheidungen des Insolvenzgerichts unterliegen nur in den Fällen einem Rechtsmittel, in denen die Insolvenzordnung dies ausdrücklich vorschreibt (§ 6 Abs. 1 InsO). Auf die in der Insolvenzordnung nicht geregelte Bestellung eines Sonderinsolvenzverwalters finden grundsätzlich die §§ 56 bis 59 InsO Anwendung (BGH, Beschl. v. 25. Januar 2007, aaO S. 285). Ein Recht eines einzelnen Gläubigers, die Bestellung eines Sonderinsolvenzverwalters zu beantragen, ist ebenso wenig vorgesehen wie ein Beschwerderecht gegen die Entscheidung des Insolvenzgerichts, keinen Sonderinsolvenz- verwalter einzusetzen. Ob ein Antragsrecht gleichwohl dann zu bejahen ist, wenn es um die einem (Sonder-)Insolvenzverwalter vorbehaltene Geltendmachung eines Gesamtschadens (§ 92 InsO) geht (Lüke, ZIP 2004, 1693, 1696), und ob dem Antragsteller in einem solchen Fall analog § 59 Abs. 2 InsO die sofortige Beschwerde gegen die Ablehnung seines Antrags zusteht (Lüke, aaO S. 1697), bedarf hier keiner Entscheidung. Der Beteiligte zu 2 könnte die - nach Ansicht des Senats zu verneinende - Frage, ob Vergütungsansprüche des vorläufigen Verwalters aus anderen, bereits abgeschlossenen Verfahren Massekosten im Sinne von § 54 Nr. 2 InsO darstellen, im Wege einer Klage gegen den Beteiligten zu 1 von den ordentlichen Gerichten klären lassen.
4
Von einer weiteren Begründung wird gemäß § 577 Abs. 6 Satz 2 ZPO abgesehen.
Fischer Raebel Vill
Cierniak Lohmann

Vorinstanzen:
AG Straubing, Entscheidung vom 15.09.2006 - IN 23/03 -
LG Regensburg, Entscheidung vom 23.11.2006 - 2 T 540/06 -