Bundesgerichtshof Beschluss, 22. Okt. 2009 - IX ZR 165/07

published on 22/10/2009 00:00
Bundesgerichtshof Beschluss, 22. Okt. 2009 - IX ZR 165/07
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Previous court decisions
Landgericht Karlsruhe, 10 O 346/05, 24/07/2006
Oberlandesgericht Karlsruhe, 6 U 134/06, 12/09/2007

Gericht


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
IX ZR 165/07
vom
22. Oktober 2009
in dem Rechtsstreit
Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch den Vorsitzenden Richter
Dr. Ganter, die Richter Prof. Dr. Kayser, Prof. Dr. Gehrlein, Dr. Fischer und
Grupp
am 22. Oktober 2009

beschlossen:
Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des 6. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 12. September 2007 wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.
Der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens wird auf 2.872.295,54 € festgesetzt.

Gründe:


1
Die Nichtzulassungsbeschwerde ist statthaft (§ 544 Abs. 1 Satz 1 ZPO) und zulässig (§ 544 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 ZPO). Sie hat aber keinen Erfolg. Weder hat die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung, noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts.
2
1. Soweit Zulassungsgründe auf die Frage gestützt werden, welche Folgen sich aus einer Änderung der Rechtsprechung außerhalb des Hauptsache- verfahrens für die Beurteilung der anfänglichen Rechtmäßigkeit einer einstweiligen Verfügung ergeben (§ 945 ZPO), liegen diese nicht vor.
3
In Rechtsprechung und Literatur ist nicht umstritten, dass es sich bei der Haftung nach § 945 ZPO um eine verschuldensunabhängige Schadensersatzhaftung handelt, bei der ein Vertrauen auf den Fortbestand der Rechtsprechung nicht ausschlaggebend ist (BGHZ 54, 76, 81; MünchKomm-ZPO/Drescher, 3. Aufl. § 945 Rn. 3, 9; Stein/Jonas/Grunsky, ZPO 22. Aufl. § 945 Rn. 19; Schuschke/Walker, Vollstreckung und vorläufiger Rechtsschutz, 4. Aufl. § 945 Rn. 4; Schilken in 50 Jahre Bundesgerichtshof, Festgabe aus der Wissenschaft, Bd. III 593, 604). Eine geänderte Rechtsprechung darf im Schadensersatzprozess nur dann nicht berücksichtigt werden, wenn bereits ein rechtskräftiges Urteil in der Hauptsache vorliegt (MünchKomm-ZPO/Drescher, aaO § 945 Rn. 14; Schuschke/Walker, aaO § 945 Rn. 15; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO 67. Aufl. § 945 Rn. 11; Ahrens in FS für Piper [1996], 31, 34; Gehrlein MDR 2000, 687). Die Beschwerde zeigt demgegenüber keine in Rechtsprechung oder Literatur vertretene Ansicht auf, nach der das Gericht des Schadensersatzprozesses an die zum Zeitpunkt des Erlasses der einstweiligen Verfügung herrschende Rechtsauffassung gebunden wäre. Die von ihr zitierte Kommentierung (Wieczorek/Schütze/Thümmel, ZPO 3. Aufl. § 945 Rn. 9) äußert zwar Zweifel, ob eine nach Erlass der einstweiligen Verfügung erfolgte Änderung der Rechtsprechung einen Schadensersatzanspruch nach § 945 ZPO begründen könne, sieht aber im Ergebnis unter Hinweis auf BGHZ 54, 76, 81 in solchen Fällen einen Anspruch nach § 945 ZPO gleichfalls als gegeben an.
4
2. Die hilfsweise geltend gemachten Zulassungsgründe liegen gleichfalls nicht vor.
5
a) Ob die Annahme des Berufungsgerichts, die Klägerin habe die beanstandete Werbung bis zum 12. November 1999 fortgesetzt, das rechtliche Gehör der Beklagten verletzt, kann offen bleiben, weil die Entscheidung hierauf jedenfalls nicht beruht. Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen , die Beklagte habe darzulegen und zu beweisen gehabt, dass die Verteidigung mit der Verjährungseinrede zum Zeitpunkt der Androhung einer Hauptsacheklage am 5. April 2000 für die Klägerin Aussicht auf Erfolg bot. Dies war nur dann der Fall, wenn die Klägerin die beanstandete Werbung bereits vor dem Erlass des Urteils im einstweiligen Verfügungsverfahren am 28. Oktober 1999 eingestellt hatte. Auch wenn das Berufungsgericht zu Unrecht von dem Vortrag der Klägerin ausgegangen sein sollte, wäre ein Mitverschulden auch dann nicht erwiesen gewesen, wenn es stattdessen nur zugrunde gelegt hätte, dass der Zeitpunkt der Einstellung der Werbung offen sei. Ein tauglicher Beweisantritt der Beklagten lag nicht vor.
6
b) Das Berufungsgericht hat nicht die ständige Rechtsprechung verkannt, nach der jede Einzelhandlung geeignet ist, einen Unterlassungsanspruch zu begründen (BGH, Urt. v. 14. Januar 1999 - I ZR 203/96, GRUR 1999, 751, 754 m.w.N. - Güllepumpen). Die Beklagte setzt sich nicht damit auseinander, dass nach dem Berufungsurteil Gegenstand der einstweiligen Verfügung alle bis zur mündlichen Verhandlung im Verfügungsverfahren begangenen Einzelhandlungen waren. Dann hätte die Klägerin zur Begründung eines auf die Verjährungseinrede gestützten Aufhebungsantrages (§ 927 ZPO) ihrem jetzigen - unwiderlegt wahren - Vorbringen widersprechend vortragen müssen, die beanstandete Werbung nach Abmahnung nicht mehr betrieben zu haben.
7
c) Soweit die Beschwerde bei den vom Berufungsgericht angenommenen Voraussetzungen für ein Mitverschulden bei Nichtgebrauch eines Rechts- behelfs eine Divergenz zu dem Urteil des Senats vom 23. März 2006 (IX ZR 134/04, NJW 2006, 2557, 2560 Rn. 27) annimmt, wirkt sich diese auf das Ergebnis nicht aus, weil auch nach der Rechtsprechung des Senats ein Mitverschulden nur dann berücksichtigt werden kann, wenn es sich ursächlich auf die Entstehung des Schadens ausgewirkt hat (BGHZ 168, 352, 363 Rn. 32).
8
d) Die von der Beschwerde aufgeworfene Rechtsfrage zu den Voraussetzungen der Erhebung der Verjährungseinrede bei einer auf eine konkrete Einzelhandlung gestützten einstweiligen Verfügung stellt sich nach den Feststellungen des Berufungsgerichts nicht.
9
Von 3. einer weitergehenden Begründung wird gemäß § 544 Abs. 4 Satz 2 Halbs. 2 ZPO abgesehen, weil sie nicht geeignet wäre, zur Klärung der Voraussetzungen beizutragen, unter denen eine Revision zuzulassen ist.
Ganter Kayser Gehrlein
Fischer Grupp
Vorinstanzen:
LG Karlsruhe, Entscheidung vom 24.07.2006 - 10 O 346/05 -
OLG Karlsruhe, Entscheidung vom 12.09.2007 - 6 U 134/06 -
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Lastenausgleichsgesetz - LAG

(1) Die Nichtzulassung der Revision durch das Berufungsgericht unterliegt der Beschwerde (Nichtzulassungsbeschwerde). (2) Die Nichtzulassungsbeschwerde ist nur zulässig, wenn1.der Wert der mit der Revision geltend zu machenden Beschwer 20 000 Eur

Erweist sich die Anordnung eines Arrestes oder einer einstweiligen Verfügung als von Anfang an ungerechtfertigt oder wird die angeordnete Maßregel auf Grund des § 926 Abs. 2 oder des § 942 Abs. 3 aufgehoben, so ist die Partei, welche die Anordnung er

Annotations

(1) Die Nichtzulassung der Revision durch das Berufungsgericht unterliegt der Beschwerde (Nichtzulassungsbeschwerde).

(2) Die Nichtzulassungsbeschwerde ist nur zulässig, wenn

1.
der Wert der mit der Revision geltend zu machenden Beschwer 20 000 Euro übersteigt oder
2.
das Berufungsgericht die Berufung als unzulässig verworfen hat.

(3) Die Nichtzulassungsbeschwerde ist innerhalb einer Notfrist von einem Monat nach Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber bis zum Ablauf von sechs Monaten nach der Verkündung des Urteils bei dem Revisionsgericht einzulegen. Mit der Beschwerdeschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des Urteils, gegen das die Revision eingelegt werden soll, vorgelegt werden.

(4) Die Beschwerde ist innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber bis zum Ablauf von sieben Monaten nach der Verkündung des Urteils zu begründen. § 551 Abs. 2 Satz 5 und 6 gilt entsprechend. In der Begründung müssen die Zulassungsgründe (§ 543 Abs. 2) dargelegt werden.

(5) Das Revisionsgericht gibt dem Gegner des Beschwerdeführers Gelegenheit zur Stellungnahme.

(6) Das Revisionsgericht entscheidet über die Beschwerde durch Beschluss. Der Beschluss soll kurz begründet werden; von einer Begründung kann abgesehen werden, wenn sie nicht geeignet wäre, zur Klärung der Voraussetzungen beizutragen, unter denen eine Revision zuzulassen ist, oder wenn der Beschwerde stattgegeben wird. Die Entscheidung über die Beschwerde ist den Parteien zuzustellen.

(7) Die Einlegung der Beschwerde hemmt die Rechtskraft des Urteils. § 719 Abs. 2 und 3 ist entsprechend anzuwenden. Mit der Ablehnung der Beschwerde durch das Revisionsgericht wird das Urteil rechtskräftig.

(8) Wird der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision stattgegeben, so wird das Beschwerdeverfahren als Revisionsverfahren fortgesetzt. In diesem Fall gilt die form- und fristgerechte Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde als Einlegung der Revision. Mit der Zustellung der Entscheidung beginnt die Revisionsbegründungsfrist.

(9) Hat das Berufungsgericht den Anspruch des Beschwerdeführers auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt, so kann das Revisionsgericht abweichend von Absatz 8 in dem der Beschwerde stattgebenden Beschluss das angefochtene Urteil aufheben und den Rechtsstreit zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverweisen.

Erweist sich die Anordnung eines Arrestes oder einer einstweiligen Verfügung als von Anfang an ungerechtfertigt oder wird die angeordnete Maßregel auf Grund des § 926 Abs. 2 oder des § 942 Abs. 3 aufgehoben, so ist die Partei, welche die Anordnung erwirkt hat, verpflichtet, dem Gegner den Schaden zu ersetzen, der ihm aus der Vollziehung der angeordneten Maßregel oder dadurch entsteht, dass er Sicherheit leistet, um die Vollziehung abzuwenden oder die Aufhebung der Maßregel zu erwirken.

(1) Auch nach der Bestätigung des Arrestes kann wegen veränderter Umstände, insbesondere wegen Erledigung des Arrestgrundes oder auf Grund des Erbietens zur Sicherheitsleistung die Aufhebung des Arrestes beantragt werden.

(2) Die Entscheidung ist durch Endurteil zu erlassen; sie ergeht durch das Gericht, das den Arrest angeordnet hat, und wenn die Hauptsache anhängig ist, durch das Gericht der Hauptsache.