Bundesgerichtshof Beschluss, 12. Feb. 2009 - IX ZB 56/08

bei uns veröffentlicht am12.02.2009
vorgehend
Amtsgericht Charlottenburg, 36m IN 4344/06, 05.11.2007
Landgericht Berlin, 86 T 919/07, 07.02.2008

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
IX ZB 56/08
vom
12. Februar 2009
in dem Insolvenzverfahren
Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch den Vorsitzenden Richter
Dr. Ganter und die Richter Raebel, Prof. Dr. Kayser, Dr. Pape und Grupp
am 12. Februar 2009

beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der Zivilkammer 86 des Landgerichts Berlin vom 7. Februar 2008 wird auf Kosten der Gläubigerin als unzulässig verworfen.
Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens wird auf 11.782,91 € festgesetzt (25 % des Nominalbetrags der Forderung aus dem Vergleich abzüglich der im Insolvenzplan vorgesehenen Quote).

Gründe:


I.


1
Die Gläubigerin und der Schuldner sind Rechtsanwälte. Die Gläubigerin arbeitete - zuletzt als Mitgesellschafterin - für die vom Schuldner und Dritten gebildete Sozietät. Über das Vermögen des Schuldners wurde am 14. November 2006 das Insolvenzverfahren eröffnet. Eine Restforderung aus einem mit dem Schuldner am 4. April 2003 geschlossenen gerichtlichen Vergleich in Höhe von 47.694,42 € wurde zur Tabelle festgestellt. Das Insolvenzgericht bestätigte mit Beschluss vom 5. November 2007 einen vom Insolvenzverwalter vorgelegten Insolvenzplan, nach dem die Gläubiger auf ihre Forderungen eine Quote von 1,18 % erhalten und im Übrigen auf ihre Forderungen verzichten sollten.
Die Gläubigerin hatte diesem Plan mit der Behauptung widersprochen, sie würde durch ihn schlechter gestellt, als sie ohne Plan stünde, weil ihre Forderung auf einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung des Schuldners beruhe und von einer späteren Restschuldbefreiung nicht erfasst werde. Die sofortige Beschwerde der Gläubigerin gegen die Bestätigung des Insolvenzplans wurde vom Beschwerdegericht zurückgewiesen. Hiergegen wendet sich die Gläubigerin mit der Rechtsbeschwerde.

II.


2
Die Rechtsbeschwerde ist zwar statthaft, jedoch unzulässig. Weder hat die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts (§ 574 Abs. 2 ZPO).
3
Die Gläubigerin hat nicht glaubhaft gemacht, dass die von ihr angemeldete und unter Ziffer 1 der Tabelle festgestellte Restforderung aus dem Vergleich vom 4. April 2003 in Höhe von 47.694,42 € aus einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung des Schuldners herrührt und deshalb ohne den Insolvenzplan nach Ablauf der Wohlverhaltensperiode vollstreckt werden kann, weil sie von einer Erteilung der Restschuldbefreiung nicht erfasst werden würde (§ 302 Nr. 1 InsO).
4
Insbesondere ist die Behauptung der Gläubigerin, die angeblich unberechtigten Entnahmen des Schuldners seien ursächlich dafür gewesen, dass sie die ihr zustehenden Gewinnanteile nicht erhielt, nicht ausreichend glaubhaft gemacht. Wie die Gläubigerin selbst vorträgt, befanden sich die Konten der Ge- sellschaft nach den Jahresabschlüssen in der Zeit der Mitgliedschaft der Gläubigerin in der Sozietät stets im Soll. Die beanstandeten Entnahmen des Schuldners erhöhten meist nur den ohnehin bestehenden Sollstand. Dass bei dieser Sachlage ohne die beanstandeten Entnahmen eine Auszahlung an die Gläubigerin möglich gewesen wäre, ist nicht überwiegend wahrscheinlich. Die von der Rechtsbeschwerde formulierte angebliche rechtliche Grundsatzfrage, ob und inwieweit Eingriffe des Gesellschafters einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts in die vermögensrechtliche Komponente des Mitgliedschaftsrechts eines anderen Gesellschafters ein eigentumsgleiches Recht dieses Gesellschafters im Sinne des § 823 Abs. 1 BGB verletzen, stellt sich deshalb nicht.
5
Soweit die Gläubigerin darüber hinaus geltend macht, ihr seien in den Jahren bis 1997 (39.766,73 €) und in der Zeit ab dem 1. April 2001 (3.687,05 €) Honorare nicht ausgezahlt worden, betrifft dies Zeiträume, in denen sie nicht der Sozietät angehörte, sondern den Status einer freien Mitarbeiterin hatte bzw. eine Bürogemeinschaft bestand. Ihr Mitgliedschaftsrecht an der Sozietät kann durch diese Vorgänge nicht verletzt worden sein.
6
Von einer weiteren Begründung wird gemäß § 577 Abs. 6 Satz 3 ZPO abgesehen.
Ganter Raebel Kayser
Pape Grupp

Vorinstanzen:
AG Berlin-Charlottenburg, Entscheidung vom 05.11.2007 - 36m IN 4344/06 -
LG Berlin, Entscheidung vom 07.02.2008 - 86 T 919/07 -

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Referenzen - Gesetze

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Zivilprozessordnung - ZPO | § 574 Rechtsbeschwerde; Anschlussrechtsbeschwerde


(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn1.dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder2.das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.§ 542 Ab

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 823 Schadensersatzpflicht


(1) Wer vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt, ist dem anderen zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet. (2) Di

Zivilprozessordnung - ZPO | § 577 Prüfung und Entscheidung der Rechtsbeschwerde


(1) Das Rechtsbeschwerdegericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Rechtsbeschwerde an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Rechtsbeschwerde a

Insolvenzordnung - InsO | § 302 Ausgenommene Forderungen


Von der Erteilung der Restschuldbefreiung werden nicht berührt: 1. Verbindlichkeiten des Schuldners aus einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung, aus rückständigem gesetzlichen Unterhalt, den der Schuldner vorsätzlich pflichtwidrig nicht gew

Referenzen

(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn

1.
dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder
2.
das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.
§ 542 Abs. 2 gilt entsprechend.

(2) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 ist die Rechtsbeschwerde nur zulässig, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.

(3) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 ist die Rechtsbeschwerde zuzulassen, wenn die Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die Zulassung gebunden.

(4) Der Rechtsbeschwerdegegner kann sich bis zum Ablauf einer Notfrist von einem Monat nach der Zustellung der Begründungsschrift der Rechtsbeschwerde durch Einreichen der Rechtsbeschwerdeanschlussschrift beim Rechtsbeschwerdegericht anschließen, auch wenn er auf die Rechtsbeschwerde verzichtet hat, die Rechtsbeschwerdefrist verstrichen oder die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen worden ist. Die Anschlussbeschwerde ist in der Anschlussschrift zu begründen. Die Anschließung verliert ihre Wirkung, wenn die Rechtsbeschwerde zurückgenommen oder als unzulässig verworfen wird.

Von der Erteilung der Restschuldbefreiung werden nicht berührt:

1.
Verbindlichkeiten des Schuldners aus einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung, aus rückständigem gesetzlichen Unterhalt, den der Schuldner vorsätzlich pflichtwidrig nicht gewährt hat, oder aus einem Steuerschuldverhältnis, sofern der Schuldner im Zusammenhang damit wegen einer Steuerstraftat nach den §§ 370, 373 oder § 374 der Abgabenordnung rechtskräftig verurteilt worden ist; der Gläubiger hat die entsprechende Forderung unter Angabe dieses Rechtsgrundes nach § 174 Absatz 2 anzumelden;
2.
Geldstrafen und die diesen in § 39 Abs. 1 Nr. 3 gleichgestellten Verbindlichkeiten des Schuldners;
3.
Verbindlichkeiten aus zinslosen Darlehen, die dem Schuldner zur Begleichung der Kosten des Insolvenzverfahrens gewährt wurden.

(1) Wer vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt, ist dem anderen zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet.

(2) Die gleiche Verpflichtung trifft denjenigen, welcher gegen ein den Schutz eines anderen bezweckendes Gesetz verstößt. Ist nach dem Inhalt des Gesetzes ein Verstoß gegen dieses auch ohne Verschulden möglich, so tritt die Ersatzpflicht nur im Falle des Verschuldens ein.

(1) Das Rechtsbeschwerdegericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Rechtsbeschwerde an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Rechtsbeschwerde als unzulässig zu verwerfen.

(2) Der Prüfung des Rechtsbeschwerdegerichts unterliegen nur die von den Parteien gestellten Anträge. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die geltend gemachten Rechtsbeschwerdegründe nicht gebunden. Auf Verfahrensmängel, die nicht von Amts wegen zu berücksichtigen sind, darf die angefochtene Entscheidung nur geprüft werden, wenn die Mängel nach § 575 Abs. 3 und § 574 Abs. 4 Satz 2 gerügt worden sind. § 559 gilt entsprechend.

(3) Ergibt die Begründung der angefochtenen Entscheidung zwar eine Rechtsverletzung, stellt die Entscheidung selbst aber aus anderen Gründen sich als richtig dar, so ist die Rechtsbeschwerde zurückzuweisen.

(4) Wird die Rechtsbeschwerde für begründet erachtet, ist die angefochtene Entscheidung aufzuheben und die Sache zur erneuten Entscheidung zurückzuverweisen. § 562 Abs. 2 gilt entsprechend. Die Zurückverweisung kann an einen anderen Spruchkörper des Gerichts erfolgen, das die angefochtene Entscheidung erlassen hat. Das Gericht, an das die Sache zurückverwiesen ist, hat die rechtliche Beurteilung, die der Aufhebung zugrunde liegt, auch seiner Entscheidung zugrunde zu legen.

(5) Das Rechtsbeschwerdegericht hat in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Aufhebung der Entscheidung nur wegen Rechtsverletzung bei Anwendung des Rechts auf das festgestellte Sachverhältnis erfolgt und nach letzterem die Sache zur Endentscheidung reif ist. § 563 Abs. 4 gilt entsprechend.

(6) Die Entscheidung über die Rechtsbeschwerde ergeht durch Beschluss. § 564 gilt entsprechend. Im Übrigen kann von einer Begründung abgesehen werden, wenn sie nicht geeignet wäre, zur Klärung von Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung, zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung beizutragen.