Bundesgerichtshof Beschluss, 28. Sept. 2006 - IX ZB 232/04


Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens und des Rechtsbeschwerdeverfahrens werden der Beklagten auferlegt.
Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens beträgt 860,64 €.
Gründe:
I.
- 1
- Der Kläger ist Verwalter in dem Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin, die einen Gebäudedienst betrieb. Er nahm die beklagte Krankenkasse aus Insolvenzanfechtung (§ 130 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 InsO) auf Rück- zahlung von Sozialversicherungsbeiträgen in Anspruch, welche die Schuldnerin in der kritischen Zeit durch Banküberweisung erbracht hatte. Die Beklagte trat den vorprozessualen Zahlungsaufforderungen vom 4. September 2003 und 2. Oktober 2003 mit Anwaltsschreiben vom 23. September 2003 und 17. Oktober 2003 entgegen. Nach Ablauf der bis zum 17. Oktober 2003 verlängerten Zahlungsfrist reichte der Kläger am 14. Januar 2004 die Klageschrift über 1.079,67 € zuzüglich Zinsen ein, die am 18. Februar 2004 zugestellt wurde.
- 2
- Die Beklagte hat die Hauptforderung nach Ankündigung eines auf Abweisung der Klage gerichteten Sachantrages mit am 14. April 2004 eingegangenem Schriftsatz seiner Verfahrensbevollmächtigten vom 31. März 2004 unter Verwahrung gegen die Kostenlast anerkannt. Das Amtsgericht hat insoweit Anerkenntnisurteil erlassen; durch Schlussurteil hat es über den Zinsanspruch entschieden und dem Kläger die Kosten des Rechtsstreits auferlegt. Die hiergegen gerichtete sofortige Beschwerde hat das Landgericht zurückgewiesen. Mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde erstrebt der Kläger eine Überbürdung der Kosten auf die Beklagte.
II.
- 3
- 1. Die Rechtsbeschwerde ist nach § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO statthaft und auch im Übrigen zulässig.
- 4
- 2. Das Rechtsmittel hat auch in der Sache Erfolg. Die Voraussetzungen, unter denen im Falle des prozessualen Anerkenntnisses die Prozesskosten nach § 93 ZPO dem Kläger zur Last fallen, sind nicht gegeben.
- 5
- a) Das Landgericht meint: Die Beklagte habe dem Kläger keine Veranlassung zur Klage gegeben. Sie habe vor der Zahlung die Anspruchsvoraussetzungen des Anfechtungsanspruchs prüfen dürfen. Dazu gehöre die objektive Gläubigerbenachteiligung. Es spreche einiges dafür, dass die Zahlung eines Schuldners unter Ausnutzung einer bloß geduldeten Kontoüberziehung nicht aus dem haftenden Vermögen des Schuldners erfolge und in diesem Fall ein bloßer Gläubigerwechsel vorliege, der die Gläubiger nicht gemäß § 129 Abs. 1 InsO benachteilige. Die vorprozessual nicht beantwortete Frage der Beklagten, ob das Schuldnerkonto nach Abbuchung der angefochtenen Zahlung außerhalb einer eingeräumten "offenen" Kreditlinie geführt worden sei, habe deshalb ihre Berechtigung gehabt. Die Beklagte habe den Klageanspruch auch sofort nach Erteilung dieser Informationen anerkannt. Dass der Betrag dem Kläger erst am 3. Mai 2004 gutgeschrieben worden sei, schade nicht.
- 6
- Diese b) Erwägungen tragen die angefochtene Kostenentscheidung nicht.
- 7
- aa) Nach § 93 ZPO fallen dem Kläger die Prozesskosten zur Last, wenn der Beklagte den Anspruch sofort anerkennt und nicht durch sein Verhalten zur Erhebung der Klage Veranlassung gegeben hat. Veranlassung wird durch ein Verhalten gegeben, welches vernünftigerweise den Schluss auf die Notwendigkeit eines Prozesses rechtfertigt (BGH, Urt. v. 27. Juni 1979 - VIII ZR 233/78, WM 1979, 884, 885; vgl. Bork, in Stein/Jonas, ZPO 22. Aufl. § 93 Rn. 13; MünchKomm-ZPO/Belz, 2. Aufl. § 93 Rn. 7; Hk-ZPO/Gierl, § 93 Rn. 8). Daraus folgt, dass es für die Frage, ob der Beklagte Anlass zur Klage gegeben hat, auf sein Verhalten vor dem Prozess ankommt (BGH, Urt. v. 27. Juni 1979, aaO).
- 8
- bb) Im Streitfall hat die Beklagte durch die vorprozessualen Schreiben ihres damaligen anwaltlichen Vertreters keineswegs in Aussicht gestellt, den ihr zur Zahlung aufgegebenen Betrag alsbald auszugleichen, falls sich die Überweisungen der Schuldnerin innerhalb der Kreditlinie gehalten habe, die Ansprüche der Schuldnerin gegen das Kreditinstitut also pfändbar gewesen seien (vgl. BGHZ 147, 193, 196 ff; 157, 350, 355 f) und damit zur Insolvenzmasse der Schuldnerin gehörten (vgl. BGH, Urt. v. 7. Februar 2002 - IX ZR 115/99, WM 2002, 561, 562 f). In beiden anwaltlichen Schreiben ist vielmehr nur davon die Rede, dass es auf die besonderen Voraussetzungen der Insolvenzanfechtung nicht ankomme, wenn es schon an der allgemeinen Anfechtungsvoraussetzung der objektiven Gläubigerbenachteiligung fehle. In dem zweiten Schreiben wird sogar der Eintritt in die Prüfung, ob ein Anfechtungstatbestand nach § 130 oder § 131 InsO gegeben sei, abgelehnt. Hinsichtlich des Erfordernisses der objektiven Gläubigerbenachteiligung hielt sich die Beklagte ebenfalls alle Verteidigungsmöglichkeiten offen, indem sie in beiden Schreiben die erwünschte Auskunft , ob die fragliche Zahlung "aus dem freien und pfändbaren Vermögen" der Schuldnerin stamme, ausdrücklich als eine von mehreren Voraussetzungen des § 129 Abs. 1 InsO bezeichnet hat. Angesichts der von den Sozialversicherern in diesem Zusammenhang üblicherweise vorgebrachten weiteren Einwendungen (vgl. BGH, Urt. v. 10. Juli 2003 - IX ZR 89/02, WM 2003, 1776; v. 12. Februar 2004 - IX ZR 70/03, WM 2004, 899; v. 8. Dezember 2005 - IX ZR 182/01, WM 2006, 190; Beschl. v. 3. November 2005 - IX ZR 35/05, ZIP 2005, 2217) brauchte der Kläger zum Zeitpunkt der Klageeinreichung nicht damit zu rechnen, dass die Beklagte auf die von ihr zunächst offen gelassenen "anderen Aspekte" des § 129 InsO nicht mehr zurückkommen würde. Seine Klage war daher nicht verfrüht.
Cierniak Fischer
Vorinstanzen:
AG Hamburg-St. Georg , Entscheidung vom 03.06.2004 - 910 C 32/04 -
LG Hamburg, Entscheidung vom 22.09.2004 - 303 T 17/04 -

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(1) Anfechtbar ist eine Rechtshandlung, die einem Insolvenzgläubiger eine Sicherung oder Befriedigung gewährt oder ermöglicht hat,
- 1.
wenn sie in den letzten drei Monaten vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorgenommen worden ist, wenn zur Zeit der Handlung der Schuldner zahlungsunfähig war und wenn der Gläubiger zu dieser Zeit die Zahlungsunfähigkeit kannte oder - 2.
wenn sie nach dem Eröffnungsantrag vorgenommen worden ist und wenn der Gläubiger zur Zeit der Handlung die Zahlungsunfähigkeit oder den Eröffnungsantrag kannte.
(2) Der Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit oder des Eröffnungsantrags steht die Kenntnis von Umständen gleich, die zwingend auf die Zahlungsunfähigkeit oder den Eröffnungsantrag schließen lassen.
(3) Gegenüber einer Person, die dem Schuldner zur Zeit der Handlung nahestand (§ 138), wird vermutet, daß sie die Zahlungsunfähigkeit oder den Eröffnungsantrag kannte.
(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn
- 1.
dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder - 2.
das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.
(2) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 ist die Rechtsbeschwerde nur zulässig, wenn
- 1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder - 2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.
(3) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 ist die Rechtsbeschwerde zuzulassen, wenn die Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die Zulassung gebunden.
(4) Der Rechtsbeschwerdegegner kann sich bis zum Ablauf einer Notfrist von einem Monat nach der Zustellung der Begründungsschrift der Rechtsbeschwerde durch Einreichen der Rechtsbeschwerdeanschlussschrift beim Rechtsbeschwerdegericht anschließen, auch wenn er auf die Rechtsbeschwerde verzichtet hat, die Rechtsbeschwerdefrist verstrichen oder die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen worden ist. Die Anschlussbeschwerde ist in der Anschlussschrift zu begründen. Die Anschließung verliert ihre Wirkung, wenn die Rechtsbeschwerde zurückgenommen oder als unzulässig verworfen wird.
Hat der Beklagte nicht durch sein Verhalten zur Erhebung der Klage Veranlassung gegeben, so fallen dem Kläger die Prozesskosten zur Last, wenn der Beklagte den Anspruch sofort anerkennt.
(1) Rechtshandlungen, die vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorgenommen worden sind und die Insolvenzgläubiger benachteiligen, kann der Insolvenzverwalter nach Maßgabe der §§ 130 bis 146 anfechten.
(2) Eine Unterlassung steht einer Rechtshandlung gleich.
Hat der Beklagte nicht durch sein Verhalten zur Erhebung der Klage Veranlassung gegeben, so fallen dem Kläger die Prozesskosten zur Last, wenn der Beklagte den Anspruch sofort anerkennt.
(1) Anfechtbar ist eine Rechtshandlung, die einem Insolvenzgläubiger eine Sicherung oder Befriedigung gewährt oder ermöglicht hat,
- 1.
wenn sie in den letzten drei Monaten vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorgenommen worden ist, wenn zur Zeit der Handlung der Schuldner zahlungsunfähig war und wenn der Gläubiger zu dieser Zeit die Zahlungsunfähigkeit kannte oder - 2.
wenn sie nach dem Eröffnungsantrag vorgenommen worden ist und wenn der Gläubiger zur Zeit der Handlung die Zahlungsunfähigkeit oder den Eröffnungsantrag kannte.
(2) Der Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit oder des Eröffnungsantrags steht die Kenntnis von Umständen gleich, die zwingend auf die Zahlungsunfähigkeit oder den Eröffnungsantrag schließen lassen.
(3) Gegenüber einer Person, die dem Schuldner zur Zeit der Handlung nahestand (§ 138), wird vermutet, daß sie die Zahlungsunfähigkeit oder den Eröffnungsantrag kannte.
(1) Anfechtbar ist eine Rechtshandlung, die einem Insolvenzgläubiger eine Sicherung oder Befriedigung gewährt oder ermöglicht hat, die er nicht oder nicht in der Art oder nicht zu der Zeit zu beanspruchen hatte,
- 1.
wenn die Handlung im letzten Monat vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder nach diesem Antrag vorgenommen worden ist, - 2.
wenn die Handlung innerhalb des zweiten oder dritten Monats vor dem Eröffnungsantrag vorgenommen worden ist und der Schuldner zur Zeit der Handlung zahlungsunfähig war oder - 3.
wenn die Handlung innerhalb des zweiten oder dritten Monats vor dem Eröffnungsantrag vorgenommen worden ist und dem Gläubiger zur Zeit der Handlung bekannt war, daß sie die Insolvenzgläubiger benachteiligte.
(2) Für die Anwendung des Absatzes 1 Nr. 3 steht der Kenntnis der Benachteiligung der Insolvenzgläubiger die Kenntnis von Umständen gleich, die zwingend auf die Benachteiligung schließen lassen. Gegenüber einer Person, die dem Schuldner zur Zeit der Handlung nahestand (§ 138), wird vermutet, daß sie die Benachteiligung der Insolvenzgläubiger kannte.
(1) Rechtshandlungen, die vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorgenommen worden sind und die Insolvenzgläubiger benachteiligen, kann der Insolvenzverwalter nach Maßgabe der §§ 130 bis 146 anfechten.
(2) Eine Unterlassung steht einer Rechtshandlung gleich.