Bundesgerichtshof Beschluss, 22. Apr. 2004 - IX ZB 154/03
Bundesgerichtshof
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
Der Gegenstandswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren wird auf 6.000 € festgesetzt.
Gründe:
I.
Nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen d er Schuldnerin ist in der ersten Gläubigerversammlung der vom Insolvenzgericht bestellte Insolvenzverwalter auf Vorschlag der beteiligten V. bank (fortan: Gläubigerin) abgewählt und an dessen Stelle Rechtsanwalt Dr. S. zum Insolvenzverwalter gewählt worden. Rechtsanwalt Dr. S. gehört einer Anwaltssozietät an, welche in der Zeit von 1998 bis 2003 von der Gläubigerin 28 Einzelmandate erhalten hat, von denen im Zeitpunkt seiner Wahl sieben noch nicht abgeschlossen waren. In einem Fall ver-
tritt ein anderer Sozius der Kanzlei einen Mandanten in einem Verfahren gegen die Gläubigerin.
Die Vorinstanzen haben in der Häufung der Mandate ei nen Versagungsgrund nach § 57 Satz 3 InsO gesehen und die Bestellung des Gewählten versagt. Hiergegen wendet sich die Gläubigerin mit ihrer Rechtsbeschwerde.
II.
Das Rechtsmittel ist statthaft, § 574 Abs. 1 Nr. 1 ZPO i.V.m. §§ 7, 57 Satz 4 InsO. Es ist jedoch unzulässig, weil die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat (§ 574 Abs. 2 Nr. 1 ZPO) und eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts auch nicht zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung geboten ist (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO).
1. Die von der Rechtsbeschwerde aufgeworfene Rechtsfrage, ob die Bestellung des in der ersten Gläubigerversammlung gewählten, fachlich geeigneten Verwalters wegen Interessenkollision mit den Interessen eines Großgläubigers nur versagt werden kann, wenn diese "die Qualität hat, die einen Richter von der Ausübung seines Amtes ausschließen würde", wird - soweit ersichtlich - weder in der Rechtsprechung noch in der Literatur vertreten. Die Rechtsbeschwerde benennt auch nur Belegstellen für den weitergehenden Standpunkt, daß die in § 41 ZPO angeführten Ausschlußgründe eines Richters im Rahmen des § 57 Satz 3 InsO herangezogen werden können, aber nicht abschließend sind (vgl. MünchKomm-InsO/Graeber, § 57 Rn. 30; Graeber, ZIP
2000, 1465, 1469; Muscheler/Bloch, ZIP 2000, 1474, 1479). In der von der Rechtsbeschwerde als Beleg für ihren Standpunkt angeführte Abhandlung von Muscheler/Bloch wird ausdrücklich auf die konkrete Art der Verbindung (Dauer, Aktualität, wirtschaftliche Bedeutung) abgehoben, wobei eine durch Tatsachen begründete Gefahr von Interessenkollisionen bereits ausreichen soll (aaO S. 1479). Graeber (aaO S. 1469) läßt neben den Ausschlußgründen, die einer Interessenkollision im Sinne des § 41 ZPO gleichstehen, schon den Anschein einer Interessenkollision im Sinne der Besorgnis der Befangenheit ausreichen.
Von diesen Grundsätzen sind die Vorinstanzen ersichtlich au sgegangen. Die vom Landgericht vertretene Auffassung, die Möglichkeit eines Interessenkonflikts auf der Grundlage objektiv gegebener Anhaltspunkte reiche aus, hat auch im übrigen Schrifttum breite Zustimmung gefunden (vgl. z.B. Uhlenbruck, InsO 12. Aufl. § 57 Rn. 16 f; Kübler/Prütting/Lüke, InsO § 57 Rn. 5).
2. Soweit die Rechtsbeschwerde aus der Vielzahl der von d er Anwaltssozietät des gewählten Insolvenzverwalters in der Vergangenheit übernommenen , zum Teil bei seiner Wahl noch nicht abgeschlossenen Mandate die Gefahr
einer Interessenkollision folgert, welche der Eignung des Gewählten entgegensteht , beruht dies auf der Würdigung des Einzelfalls und erfordert keine rechtsgrundsätzlichen Ausführungen des Rechtsbeschwerdegerichts.
Kreft Ganter Raebel
Kayser Cierniak
ra.de-Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Beschluss, 22. Apr. 2004 - IX ZB 154/03
Urteilsbesprechung schreiben0 Urteilsbesprechungen zu Bundesgerichtshof Beschluss, 22. Apr. 2004 - IX ZB 154/03
Referenzen - Gesetze
In der ersten Gläubigerversammlung, die auf die Bestellung des Insolvenzverwalters folgt, können die Gläubiger an dessen Stelle eine andere Person wählen. Die andere Person ist gewählt, wenn neben der in § 76 Abs. 2 genannten Mehrheit auch die Mehrheit der abstimmenden Gläubiger für sie gestimmt hat. Das Gericht kann die Bestellung des Gewählten nur versagen, wenn dieser für die Übernahme des Amtes nicht geeignet ist. Gegen die Versagung steht jedem Insolvenzgläubiger die sofortige Beschwerde zu.
(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn
- 1.
dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder - 2.
das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.
(2) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 ist die Rechtsbeschwerde nur zulässig, wenn
- 1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder - 2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.
(3) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 ist die Rechtsbeschwerde zuzulassen, wenn die Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die Zulassung gebunden.
(4) Der Rechtsbeschwerdegegner kann sich bis zum Ablauf einer Notfrist von einem Monat nach der Zustellung der Begründungsschrift der Rechtsbeschwerde durch Einreichen der Rechtsbeschwerdeanschlussschrift beim Rechtsbeschwerdegericht anschließen, auch wenn er auf die Rechtsbeschwerde verzichtet hat, die Rechtsbeschwerdefrist verstrichen oder die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen worden ist. Die Anschlussbeschwerde ist in der Anschlussschrift zu begründen. Die Anschließung verliert ihre Wirkung, wenn die Rechtsbeschwerde zurückgenommen oder als unzulässig verworfen wird.
In der ersten Gläubigerversammlung, die auf die Bestellung des Insolvenzverwalters folgt, können die Gläubiger an dessen Stelle eine andere Person wählen. Die andere Person ist gewählt, wenn neben der in § 76 Abs. 2 genannten Mehrheit auch die Mehrheit der abstimmenden Gläubiger für sie gestimmt hat. Das Gericht kann die Bestellung des Gewählten nur versagen, wenn dieser für die Übernahme des Amtes nicht geeignet ist. Gegen die Versagung steht jedem Insolvenzgläubiger die sofortige Beschwerde zu.
(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn
- 1.
dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder - 2.
das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.
(2) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 ist die Rechtsbeschwerde nur zulässig, wenn
- 1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder - 2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.
(3) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 ist die Rechtsbeschwerde zuzulassen, wenn die Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die Zulassung gebunden.
(4) Der Rechtsbeschwerdegegner kann sich bis zum Ablauf einer Notfrist von einem Monat nach der Zustellung der Begründungsschrift der Rechtsbeschwerde durch Einreichen der Rechtsbeschwerdeanschlussschrift beim Rechtsbeschwerdegericht anschließen, auch wenn er auf die Rechtsbeschwerde verzichtet hat, die Rechtsbeschwerdefrist verstrichen oder die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen worden ist. Die Anschlussbeschwerde ist in der Anschlussschrift zu begründen. Die Anschließung verliert ihre Wirkung, wenn die Rechtsbeschwerde zurückgenommen oder als unzulässig verworfen wird.
Ein Richter ist von der Ausübung des Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen:
- 1.
in Sachen, in denen er selbst Partei ist oder bei denen er zu einer Partei in dem Verhältnis eines Mitberechtigten, Mitverpflichteten oder Regresspflichtigen steht; - 2.
in Sachen seines Ehegatten, auch wenn die Ehe nicht mehr besteht; - 2a.
in Sachen seines Lebenspartners, auch wenn die Lebenspartnerschaft nicht mehr besteht; - 3.
in Sachen einer Person, mit der er in gerader Linie verwandt oder verschwägert, in der Seitenlinie bis zum dritten Grad verwandt oder bis zum zweiten Grad verschwägert ist oder war; - 4.
in Sachen, in denen er als Prozessbevollmächtigter oder Beistand einer Partei bestellt oder als gesetzlicher Vertreter einer Partei aufzutreten berechtigt ist oder gewesen ist; - 5.
in Sachen, in denen er als Zeuge oder Sachverständiger vernommen ist; - 6.
in Sachen, in denen er in einem früheren Rechtszug oder im schiedsrichterlichen Verfahren bei dem Erlass der angefochtenen Entscheidung mitgewirkt hat, sofern es sich nicht um die Tätigkeit eines beauftragten oder ersuchten Richters handelt; - 7.
in Sachen wegen überlanger Gerichtsverfahren, wenn er in dem beanstandeten Verfahren in einem Rechtszug mitgewirkt hat, auf dessen Dauer der Entschädigungsanspruch gestützt wird; - 8.
in Sachen, in denen er an einem Mediationsverfahren oder einem anderen Verfahren der außergerichtlichen Konfliktbeilegung mitgewirkt hat.
In der ersten Gläubigerversammlung, die auf die Bestellung des Insolvenzverwalters folgt, können die Gläubiger an dessen Stelle eine andere Person wählen. Die andere Person ist gewählt, wenn neben der in § 76 Abs. 2 genannten Mehrheit auch die Mehrheit der abstimmenden Gläubiger für sie gestimmt hat. Das Gericht kann die Bestellung des Gewählten nur versagen, wenn dieser für die Übernahme des Amtes nicht geeignet ist. Gegen die Versagung steht jedem Insolvenzgläubiger die sofortige Beschwerde zu.
Ein Richter ist von der Ausübung des Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen:
- 1.
in Sachen, in denen er selbst Partei ist oder bei denen er zu einer Partei in dem Verhältnis eines Mitberechtigten, Mitverpflichteten oder Regresspflichtigen steht; - 2.
in Sachen seines Ehegatten, auch wenn die Ehe nicht mehr besteht; - 2a.
in Sachen seines Lebenspartners, auch wenn die Lebenspartnerschaft nicht mehr besteht; - 3.
in Sachen einer Person, mit der er in gerader Linie verwandt oder verschwägert, in der Seitenlinie bis zum dritten Grad verwandt oder bis zum zweiten Grad verschwägert ist oder war; - 4.
in Sachen, in denen er als Prozessbevollmächtigter oder Beistand einer Partei bestellt oder als gesetzlicher Vertreter einer Partei aufzutreten berechtigt ist oder gewesen ist; - 5.
in Sachen, in denen er als Zeuge oder Sachverständiger vernommen ist; - 6.
in Sachen, in denen er in einem früheren Rechtszug oder im schiedsrichterlichen Verfahren bei dem Erlass der angefochtenen Entscheidung mitgewirkt hat, sofern es sich nicht um die Tätigkeit eines beauftragten oder ersuchten Richters handelt; - 7.
in Sachen wegen überlanger Gerichtsverfahren, wenn er in dem beanstandeten Verfahren in einem Rechtszug mitgewirkt hat, auf dessen Dauer der Entschädigungsanspruch gestützt wird; - 8.
in Sachen, in denen er an einem Mediationsverfahren oder einem anderen Verfahren der außergerichtlichen Konfliktbeilegung mitgewirkt hat.
In der ersten Gläubigerversammlung, die auf die Bestellung des Insolvenzverwalters folgt, können die Gläubiger an dessen Stelle eine andere Person wählen. Die andere Person ist gewählt, wenn neben der in § 76 Abs. 2 genannten Mehrheit auch die Mehrheit der abstimmenden Gläubiger für sie gestimmt hat. Das Gericht kann die Bestellung des Gewählten nur versagen, wenn dieser für die Übernahme des Amtes nicht geeignet ist. Gegen die Versagung steht jedem Insolvenzgläubiger die sofortige Beschwerde zu.