Bundesgerichtshof Beschluss, 19. Feb. 2009 - IX ZA 54/08

bei uns veröffentlicht am19.02.2009
vorgehend
Amtsgericht Leer (Ostfriesland), 8 IN 220/03, 07.10.2008
Landgericht Aurich, 4 T 453/08, 24.11.2008

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
IX ZA 54/08
vom
19. Februar 2009
in dem Insolvenzverfahren
Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch den Vorsitzenden Richter
Dr. Ganter, die Richter Raebel, Prof. Dr. Kayser, Dr. Fischer und Grupp
am 19. Februar 2009

beschlossen:
Der Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe zur Durchführung der Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der 4. Zivilkammer des Landgerichts Aurich vom 24. November 2008 wird abgelehnt.

Gründe:


1
Die beabsichtigte Rechtsverfolgung hat keine hinreichende Aussicht auf Erfolg (§ 114 ZPO). Die vorgesehene Rechtsbeschwerde wäre gemäß § 574 Abs. 1, 2 ZPO nicht zulässig. Die Sache wirft keine Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung auf. Auch kommt eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts weder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung noch zur Fortbildung des Rechts in Betracht.
2
In der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sind die Anforderungen an die Annahme grober Fahrlässigkeit im Sinne des § 290 Abs. 1 Nr. 5 InsO (vgl. BGH, Beschl. v. 9. Februar 2006 - IX ZB 218/04, ZVI 2006, 258, 259; v. 7. Dezember 2006 - IX ZB 11/06, ZInsO 2007, 96, 97; v. 5. Juni 2008 - IX ZB 119/06, n.v.) geklärt. Das Beschwerdegericht hat diesen Rechtsbegriff nicht verkannt und in vom Tatrichter zu vertretender Würdigung der maßgeblichen Umstände eine grobe Fahrlässigkeit des Schuldners verneint. Auf die weiteren Erwägungen des Beschwerdegerichts, die verschwiegenen Kontoguthaben seien im Vergleich zur Höhe der Insolvenzforderungen geringfügig, wogegen Bedenken bestehen könnten, kommt es deshalb nicht an.
Ganter Raebel Kayser
Fischer Grupp

Vorinstanzen:
AG Leer (Ostfriesland), Entscheidung vom 07.10.2008 - 8 IN 220/03 -
LG Aurich, Entscheidung vom 24.11.2008 - 4 T 453/08 -

ra.de-Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Beschluss, 19. Feb. 2009 - IX ZA 54/08

Urteilsbesprechung schreiben

0 Urteilsbesprechungen zu Bundesgerichtshof Beschluss, 19. Feb. 2009 - IX ZA 54/08

Referenzen - Gesetze

Bundesgerichtshof Beschluss, 19. Feb. 2009 - IX ZA 54/08 zitiert 3 §§.

Zivilprozessordnung - ZPO | § 574 Rechtsbeschwerde; Anschlussrechtsbeschwerde


(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn1.dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder2.das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.§ 542 Ab

Zivilprozessordnung - ZPO | § 114 Voraussetzungen


(1) Eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, erhält auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Re

Insolvenzordnung - InsO | § 290 Versagung der Restschuldbefreiung


(1) Die Restschuldbefreiung ist durch Beschluss zu versagen, wenn dies von einem Insolvenzgläubiger, der seine Forderung angemeldet hat, beantragt worden ist und wenn 1. der Schuldner in den letzten fünf Jahren vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolv

Referenzen - Urteile

Urteil einreichen

Bundesgerichtshof Beschluss, 19. Feb. 2009 - IX ZA 54/08 zitiert oder wird zitiert von 2 Urteil(en).

Bundesgerichtshof Beschluss, 19. Feb. 2009 - IX ZA 54/08 zitiert 2 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Bundesgerichtshof Beschluss, 07. Dez. 2006 - IX ZB 11/06

bei uns veröffentlicht am 07.12.2006

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS IX ZB 11/06 vom 7. Dezember 2006 in dem Insolvenzverfahren Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch den Vorsitzenden Richter Dr. Fischer, die Richter Raebel, Dr. Kayser, Cierniak und die Richterin Lohmann am 7

Bundesgerichtshof Beschluss, 05. Juni 2008 - IX ZB 119/06

bei uns veröffentlicht am 05.06.2008

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS IX ZB 119/06 vom 5. Juni 2008 in dem Insolvenzverfahren Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch den Vorsitzenden Richter Dr. Ganter und die Richter Raebel, Vill, Dr. Fischer und Dr. Pape am 5. Juni 2008 besc

Referenzen

(1) Eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, erhält auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Für die grenzüberschreitende Prozesskostenhilfe innerhalb der Europäischen Union gelten ergänzend die §§ 1076 bis 1078.

(2) Mutwillig ist die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung, wenn eine Partei, die keine Prozesskostenhilfe beansprucht, bei verständiger Würdigung aller Umstände von der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung absehen würde, obwohl eine hinreichende Aussicht auf Erfolg besteht.

(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn

1.
dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder
2.
das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.
§ 542 Abs. 2 gilt entsprechend.

(2) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 ist die Rechtsbeschwerde nur zulässig, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.

(3) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 ist die Rechtsbeschwerde zuzulassen, wenn die Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die Zulassung gebunden.

(4) Der Rechtsbeschwerdegegner kann sich bis zum Ablauf einer Notfrist von einem Monat nach der Zustellung der Begründungsschrift der Rechtsbeschwerde durch Einreichen der Rechtsbeschwerdeanschlussschrift beim Rechtsbeschwerdegericht anschließen, auch wenn er auf die Rechtsbeschwerde verzichtet hat, die Rechtsbeschwerdefrist verstrichen oder die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen worden ist. Die Anschlussbeschwerde ist in der Anschlussschrift zu begründen. Die Anschließung verliert ihre Wirkung, wenn die Rechtsbeschwerde zurückgenommen oder als unzulässig verworfen wird.

(1) Die Restschuldbefreiung ist durch Beschluss zu versagen, wenn dies von einem Insolvenzgläubiger, der seine Forderung angemeldet hat, beantragt worden ist und wenn

1.
der Schuldner in den letzten fünf Jahren vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder nach diesem Antrag wegen einer Straftat nach den §§ 283 bis 283c des Strafgesetzbuchs rechtskräftig zu einer Geldstrafe von mehr als 90 Tagessätzen oder einer Freiheitsstrafe von mehr als drei Monaten verurteilt worden ist,
2.
der Schuldner in den letzten drei Jahren vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder nach diesem Antrag vorsätzlich oder grob fahrlässig schriftlich unrichtige oder unvollständige Angaben über seine wirtschaftlichen Verhältnisse gemacht hat, um einen Kredit zu erhalten, Leistungen aus öffentlichen Mitteln zu beziehen oder Leistungen an öffentliche Kassen zu vermeiden,
3.
(weggefallen)
4.
der Schuldner in den letzten drei Jahren vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder nach diesem Antrag vorsätzlich oder grob fahrlässig die Befriedigung der Insolvenzgläubiger dadurch beeinträchtigt hat, daß er unangemessene Verbindlichkeiten begründet oder Vermögen verschwendet oder ohne Aussicht auf eine Besserung seiner wirtschaftlichen Lage die Eröffnung des Insolvenzverfahrens verzögert hat,
5.
der Schuldner Auskunfts- oder Mitwirkungspflichten nach diesem Gesetz vorsätzlich oder grob fahrlässig verletzt hat,
6.
der Schuldner in der nach § 287 Absatz 1 Satz 3 vorzulegenden Erklärung und in den nach § 305 Absatz 1 Nummer 3 vorzulegenden Verzeichnissen seines Vermögens und seines Einkommens, seiner Gläubiger und der gegen ihn gerichteten Forderungen vorsätzlich oder grob fahrlässig unrichtige oder unvollständige Angaben gemacht hat,
7.
der Schuldner seine Erwerbsobliegenheit nach § 287b verletzt und dadurch die Befriedigung der Insolvenzgläubiger beeinträchtigt; dies gilt nicht, wenn den Schuldner kein Verschulden trifft; § 296 Absatz 2 Satz 2 und 3 gilt entsprechend.

(2) Der Antrag des Gläubigers kann bis zum Schlusstermin oder bis zur Entscheidung nach § 211 Absatz 1 schriftlich gestellt werden; er ist nur zulässig, wenn ein Versagungsgrund glaubhaft gemacht wird. Die Entscheidung über den Versagungsantrag erfolgt nach dem gemäß Satz 1 maßgeblichen Zeitpunkt.

(3) Gegen den Beschluss steht dem Schuldner und jedem Insolvenzgläubiger, der die Versagung der Restschuldbefreiung beantragt hat, die sofortige Beschwerde zu. Der Beschluss ist öffentlich bekannt zu machen.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
IX ZB 11/06
vom
7. Dezember 2006
in dem Insolvenzverfahren
Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch den Vorsitzenden Richter
Dr. Fischer, die Richter Raebel, Dr. Kayser, Cierniak und die Richterin
Lohmann
am 7. Dezember 2006

beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der 20. Zivilkammer des Landgerichts Hannover vom 8. Dezember 2005 wird auf Kosten des Schuldners als unzulässig verworfen.
Der Wert des Beschwerdegegenstandes wird auf 4.000 € festgesetzt.

Gründe:


I.


1
Der Schuldner stellte am 21. März 2002 Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens , Bewilligung der Verfahrenskostenstundung und Erteilung der Restschuldbefreiung. Mit Beschluss vom 26. Juni 2002 eröffnete das Insolvenzgericht das Insolvenzverfahren über sein Vermögen und bestellte den (weiteren) Beteiligten zu 1 zum Insolvenzverwalter. Zugleich stundete es dem Schuldner die Kosten des Insolvenzverfahrens bis zur Erteilung der Restschuldbefreiung.
2
Im Schlusstermin haben u.a. die Beteiligten zu 2 und 3 beantragt, dem Schuldner die Restschuldbefreiung zu versagen. Diesen Antrag hat das Insolvenzgericht zurückgewiesen und dem Schuldner die Erteilung der Restschuldbefreiung angekündigt. Auf die sofortige Beschwerde der Beteiligten zu 2 und 3 hat das Landgericht diesen Beschluss aufgehoben und dem Schuldner die Restschuldbefreiung versagt. Hiergegen wendet sich dieser mit seiner Rechtsbeschwerde.

II.


3
Die Rechtsbeschwerde ist gemäß §§ 7, 6 Abs. 1, § 289 Abs. 2 Satz 1 InsO, § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO statthaft. Sie ist jedoch unzulässig, weil die Voraussetzungen für die Zulässigkeit des Rechtsmittels in § 574 Abs. 2 ZPO nicht erfüllt sind.
4
1. Die Rechtssache hat entgegen der Auffassung des Schuldners keine grundsätzliche Bedeutung.
5
Das Beschwerdegericht hat die Versagung der Restschuldbefreiung auf § 290 Abs. 1 Nr. 5 InsO gestützt. Grundsätzliche Bedeutung könnte allenfalls die Frage haben, ob die Restschuldbefreiung danach nur dann versagt werden kann, wenn Verstöße des Schuldners gegen seine Auskunfts- und Mitwirkungspflichten die Befriedigung der Gläubiger tatsächlich negativ beeinflusst haben. Der Senat hat zu § 290 Abs. 1 Nr. 6 InsO entschieden, dass eine Verschlechterung der Befriedigungsaussichten nicht Voraussetzung für eine Versagungsentscheidung ist, dabei aber ausdrücklich offen gelassen, ob dies für § 290 Abs. 1 Nr. 5 InsO auch gilt (Beschl. v. 23. Juli 2004 - IX ZB 174/03, WM 2004, 1840, 1841). Nach der Begründung des Regierungsentwurfs zu der dem § 290 Abs. 1 Nr. 5 InsO entsprechenden Vorschrift soll die Schuldbefreiung "schließlich auch dann versagt werden, wenn der Schuldner Auskunfts- und Mitwirkungspflichten … verletzt und dadurch die Befriedigungsaussichten der Gläubiger vermindert hat" (BT-Drucks. 12/2443 S. 190).
6
Auch aus Anlass des vorliegenden Falles bedarf es keiner Entscheidung der aufgezeigten Frage. Denn durch das vom Schuldner nicht bestrittene Unterlassen , seine titulierte Forderung gegen eine Mieterin in der dem Insolvenzantrag beigefügten Forderungsaufstellung anzugeben, sind die Befriedigungsaussichten der Gläubiger vermindert worden. Für eine Verminderung der Aussichten kommt es nicht darauf an, dass der Insolvenzverwalter nach den Feststellungen der Vorinstanz später von der Rechtsanwältin der früheren Mieterin informiert wurde und den Betrag zur Insolvenzmasse ziehen konnte.
7
An diesem Ergebnis ändert sich nichts, wenn man mit dem den Feststellungen der Vorinstanz widersprechenden Vortrag des Schuldners davon ausginge , er habe den Insolvenzverwalter informiert; denn der Schuldner trägt nicht vor, dass dies noch im Eröffnungsverfahren geschehen sei (vgl. BGH, Beschl. v. 17. März 2005 - IX ZB 260/03, NZI 2005, 461 zu § 290 Abs. 1 Nr. 6 InsO).
8
In der Rechtsprechung des Senats ist geklärt, dass eine Versagung der Restschuldbefreiung dann ausscheidet, wenn sich das Verhalten des Schuldners von vornherein als ein ganz unwesentlicher Verstoß gegen seine Pflichten nach der Insolvenzordnung darstellt (vgl. BGH, Beschl. v. 20. März 2003 - IX ZB 388/02, ZVI 2003, 170, 171 f; v. 23. Juli 2004, aaO S. 1841 f; v. 17. März 2005 - IX ZB 260/03 NZI 2005, 461; s. auch BT-Drucks. 12/7302 S. 188). Diesen Grundsatz hat das Beschwerdegericht nicht verkannt, sondern das Vorliegen seiner Voraussetzungen mit einzelfallbezogenen Erwägungen verneint. Zwar handelt es sich bei dem von der ehemaligen Mieterin des Schuldners nach Insolvenzeröffnung eingezogenen Betrag von 364 € um eine relativ geringfügige Summe. Das Landgericht hat aber mit Recht darauf abgehoben, dass der Schuldner mindestens zwei weitere, an ihn abgetretene Forderungen nicht in seine Aufstellung zum Insolvenzantrag aufgenommen hat. Der Umstand, dass es sich nach Auffassung des Schuldners um schwierig beizutreibende Forderungen handelte, steht ihrer Berücksichtigung bei der Versagungsentscheidung nicht entgegen. Denn es ist nicht Sache des Schuldners, seine Aktiva zu bewerten und vermeintlich "für die Gläubiger uninteressante" Positionen zu verschweigen (vgl. BGH, Beschl. v. 17. März 2005, aaO; Kübler/ Prütting/Wenzel, InsO § 290 Rn. 20).
9
2. Die Anforderungen an die Annahme grober Fahrlässigkeit im Sinne des § 290 Abs. 1 Nr. 5 InsO sind in der Rechtsprechung des Senats geklärt (BGH, Beschl. v. 9. Februar 2006 - IX ZB 218/04, ZVI 2006, 258, 259; vgl. auch Beschl. v. 21. Juli 2005 - IX ZB 80/05, ZVI 2005, 503 zu § 290 Abs. 1 Nr. 2 InsO). Rechtsfehler des Beschwerdegerichts sind im Übrigen auch nicht ersichtlich.
10
3. Ebenso sind die Anforderungen an die Glaubhaftmachung eines Versagungsgrundes durch den antragstellenden Gläubiger geklärt (BGHZ 156, 139, 141 ff). Das Beschwerdegericht durfte die hinreichende Wahrscheinlichkeit , dass der geltend gemachte Versagungsgrund nach § 290 Abs. 1 Nr. 5 InsO vorliegt, aus dem von den Beteiligten zu 2 und 3 vorgelegten Schreiben des Insolvenzverwalters vom 27. Mai 2005 folgern.
11
4. Im Übrigen wird von einer Begründung abgesehen, weil sie nicht geeignet wäre, zur Klärung von Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung, zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung beizutragen (§ 4 InsO, § 577 Abs. 6 Satz 3 ZPO).
Fischer Raebel Kayser
Cierniak Lohmann
Vorinstanzen:
AG Hameln, Entscheidung vom 31.08.2005 - 37 IN 58/02 -
LG Hannover, Entscheidung vom 08.12.2005 - 20 T 62/05 (20 T 68/05) -

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
IX ZB 119/06
vom
5. Juni 2008
in dem Insolvenzverfahren
Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch den Vorsitzenden Richter
Dr. Ganter und die Richter Raebel, Vill, Dr. Fischer und Dr. Pape
am 5. Juni 2008

beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der 86. Zivilkammer des Landgerichts Berlin vom 20. Juni 2006 wird auf Kosten der Schuldnerin als unzulässig verworfen.
Der Gegenstandswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren wird auf 5.000 € festgesetzt.

Gründe:


I.


1
Aufgrund eines Gläubigerantrags vom 2. November 1999 eröffnete das Amtsgericht Charlottenburg mit Beschluss vom 19. Juli 2000 das (Regel -)Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin, in dem diese die Erteilung der Restschuldbefreiung beantragt hat. Aus dem Schlussbericht des Insolvenzverwalters vom 22. April 2005 ergibt sich, dass die Schuldnerin, die während des Insolvenzverfahrens einer selbständigen wirtschaftlichen Tätigkeit als Inhaberin eines Büroservice-Unternehmens nachgegangen ist, ihren Mitwirkungspflichten nur unvollkommen genügt und dem Insolvenzverwalter - teilweise unvollständige - Auswertungen aus der Buchhaltung ihrer selbständi- gen Tätigkeit nur bis einschließlich September 2003 überlassen hat. Danach kam die Schuldnerin ihrer Mitwirkungspflicht bis zur Abfassung des Schlussberichts gar nicht mehr nach, sondern kündigte lediglich an, dem Insolvenzverwalter weitere Einnahme-Überschussrechnungen zur Verfügung zu stellen. Nachdem diese Auswertungen auch bis zum Schlusstermin am 16. August 2005 noch nicht vorlagen, beantragte der weitere Beteiligte die Versagung der Restschuldbefreiung. Erst im September 2005 stellte die Schuldnerin dem Insolvenzverwalter Einnahme-Überschussrechnungen für den Zeitraum August 2003 bis August 2005 zur Verfügung, aufgrund derer der Verwalter einen an die Insolvenzmasse abzuführenden Gesamtbetrag von 348 € errechnete, den die Schuldnerin am 7. Oktober 2005 an ihn leistete.
2
Mit Beschluss vom 30. März 2006 hat das Insolvenzgericht den Antrag des weiteren Beteiligten auf Versagung der Restschuldbefreiung abgewiesen. Auf die sofortige Beschwerde des weiteren Beteiligten hat das Landgericht diesen Beschluss aufgehoben und der Schuldnerin die Restschuldbefreiung versagt. Hiergegen wendet sich die Schuldnerin mit ihrer Rechtsbeschwerde.

II.


3
Die Rechtsbeschwerde ist gemäß §§ 7, 6 Abs. 1, § 289 Abs. 2 Satz 1 InsO, § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO statthaft. Sie ist jedoch unzulässig (§ 574 Abs. 2 ZPO). Die Sache hat keine grundsätzliche Bedeutung. Eine Zulassung zur Fortbildung des Rechts und zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung ist nicht erforderlich.
4
1. Die Rüge, die sofortige Beschwerde des weiteren Beteiligten sei unzulässig gewesen, weil für die Besteuerung der Schuldnerin und damit auch die Stellung eines Versagungsantrags und die Einlegung eines Rechtsmittels gegen die Zurückweisung des Antrags auf Versagung der Restschuldbefreiung das aktuelle Wohnsitzfinanzamt des Schuldners zuständig sei und nicht das Finanzamt, bei dem die Schuldnerin zum Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens ihren Sitz gehabt habe, greift aus mehreren Gründen nicht durch.
5
Der Insolvenzverwalter hat dem Insolvenzgericht unter dem 9. Januar 2006 berichtet, die Schuldnerin habe ihren während des Insolvenzverfahrens geführten Gewerbebetrieb am 1. April 2000 im Zuständigkeitsbereich des weiteren Beteiligten angemeldet, eine Ummeldung sei bis zum Tage der Abfassung der Stellungnahme nicht erfolgt. Dem hat die Schuldnerin nicht widersprochen, und die Rechtsbeschwerde geht darauf nicht ein. Schon deshalb ist die Zuständigkeit des weiteren Beteiligten für das Restschuldbefreiungsversagungsverfahren bestehen geblieben.
6
Die Frage, ob ein Wohnsitzwechsel des Schuldners nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens über sein Vermögen bewirkt, dass die Zuständigkeit auf das Finanzamt übergeht, bei dem der Schuldner den neuen Wohnsitz begründet , stellt sich deshalb nicht. Davon abgesehen hat der Gesetzgeber durch das Jahressteuergesetz 2008 (Art. 14 Nr. 1 des Gesetzes vom 20. Dezember 2007, BGBl. I 3850, 3171) § 26 AO um einen Satz 3 erweitert, demzufolge ein Zuständigkeitswechsel nach § 26 Satz 1 AO so lange nicht eintritt, als ein eröffnetes Insolvenzverfahren noch nicht aufgehoben wurde. Obgleich diese Vorschrift hier noch nicht anwendbar ist, hat die oben bezeichnete Frage dadurch ihre grundsätzliche Bedeutung verloren.

7
2. Die Voraussetzungen der Glaubhaftmachung eines Versagungsgrundes gemäß § 290 Abs. 2 InsO sind in der Rechtsprechung des Senats geklärt (vgl. BGHZ 156, 139, 141 ff; BGH, Beschl. v. 20. März 2003 - IX ZB 388/02, WM 2003, 980, 983; v. 29. September 2005 - IX ZB 178/02, ZVI 2005, 614 Rn. 3). Die vom Insolvenzverwalter in seinem Schlussbericht mitgeteilten Verstöße der Schuldnerin gegen ihre Mitwirkungspflichten, die den Antrag auf Versagung der Restschuldbefreiung rechtfertigen, sind unstreitig. Der weitere Beteiligte hat sich in zulässiger Art und Weise darauf berufen (dazu HmbKInsO /Streck, 2. Aufl. § 290 Rn. 2; Kübler/Prütting/Wenzel, InsO § 290 Rn. 4a). Weiteren Vortrags zur Darstellung des - allein in Betracht kommenden - Versagungsgrundes des § 290 Abs. 1 Nr. 5 InsO bedurfte es nicht.
8
3. Die Schuldnerin hat ihre Auskunfts- und Mitwirkungspflichten im Sinne von § 290 Abs. 1 Nr. 5 InsO verletzt, indem sie dem Treuhänder trotz wiederholter Aufforderungen die Einnahmen aus ihrer selbständigen wirtschaftlichen Tätigkeit entweder nur schleppend oder gar nicht mitgeteilt hat. Dass sie nach dem Ende des Schlusstermins dem Insolvenzverwalter eine detaillierte Einnahme -Überschussrechnung für die Jahre 2003 bis 2005 überlassen und an ihn den Betrag von 348 € abgeführt hat, führt nicht zur Heilung des Verstoßes gegen ihre Mitwirkungspflicht (vgl. BGH, Beschl. v. 7. Dezember 2006 - IX ZB 11/06, ZInsO 2007, 96, 97 Rn. 6, 7; v. 29. Mai 2008 - IX ZB 197/07).
9
4. In der Rechtsprechung des Senats ist geklärt, dass eine Versagung der Restschuldbefreiung dann ausscheidet, wenn sich das Verhalten des Schuldners von vornherein als ganz unwesentlicher Verstoß gegen seine Pflichten nach der Insolvenzordnung darstellt (vgl. BGH, Beschl. v. 20. März 2003 - IX ZB 388/02, ZVI 2003, 170, 171 f; v. 23. Juli 2004 - IX ZB 174/03, WM 2004, 1840, 1841; v. 17. März 2005 - IX ZB 260/03, NZI 2005, 461; v. 7. Dezember 2006 - IX ZB 11/06, ZInsO 2007, 96; siehe auch BT-Drucks. 12/7302 S. 188). Diesen Grundsatz hat das Beschwerdegericht indes nicht verkannt, sondern das Vorliegen seiner Voraussetzungen mit einzelfallbezogenen Erwägungen verneint.
10
5. Geklärt sind auch die Anforderungen an die Annahme grober Fahrlässigkeit im Sinne des § 290 Abs. 1 Nr. 5 InsO (vgl. BGH, Beschl. v. 7. Dezember 2006 - IX ZB 11/06, ZInsO 2007, 96, 97 Rn. 9; Beschl. v. 9. Februar 2006 - IX ZB 218/04, ZVI 2006, 258, 259 Rn. 10). Das Beschwerdegericht hat sie seiner Entscheidung zugrunde gelegt; seine tatrichterliche Würdigung ist offensichtlich zutreffend. Dies folgt schon aus der beharrlichen Weigerung der Schuldnerin, ihren Mitwirkungspflichten im Verfahren nachzukommen. Diese können durch schwierige persönliche Umstände zu Beginn des Insolvenzverfahrens und im Jahr 2003 nicht entschuldigt werden, denn die Schuldnerin hat auch in den Jahren 2004 und 2005 ihren Mitwirkungspflichten nicht genügt.
11
6. Die in der Rechtsprechung des Senats noch offene Frage, ob der Versagungsgrund des § 290 Abs. 1 Nr. 5 InsO eine Verschlechterung der Befriedigungsmöglichkeiten der Gläubiger voraussetzt, muss auch im vorliegenden Fall nicht beantwortet werden. Durch die von der Schuldnerin unterlassenen Mitteilungen des Einnahmeüberschusses aus ihrer selbständigen wirtschaftlichen Betätigung sind die Befriedigungsaussichten der Gläubiger beeinträchtigt worden. Die jahrelange Untätigkeit der Schuldnerin hat dazu geführt, dass der In- solvenzverwalter die Einnahmen der Schuldnerin nicht überprüfen und pfändbare Beträge nicht zur Masse ziehen konnte.
Ganter Raebel Vill
Fischer Pape

Vorinstanzen:
AG Berlin-Charlottenburg, Entscheidung vom 30.03.2006 - 105 IN 3713/99 -
LG Berlin, Entscheidung vom 20.06.2006 - 86 T 282/06 -