Bundesgerichtshof Beschluss, 29. März 2012 - IX ZA 106/11

bei uns veröffentlicht am29.03.2012
vorgehend
Amtsgericht München, 1508 IN 2112/11, 30.08.2011
Landgericht München I, 14 T 22545/11, 20.10.2011

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
IX ZA 106/11
vom
29. März 2012
in dem Insolvenzeröffnungsverfahren
Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch den Vorsitzenden Richter
Prof. Dr. Kayser, die Richter Raebel, Prof. Dr. Gehrlein, Grupp und die Richterin
Möhring
am 29. März 2012

beschlossen:
Der Antrag der Schuldnerin, ihr zur Durchführung einer Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der 14. Zivilkammer des Landgerichts München vom 20. Oktober 2011 Prozesskostenhilfe zu bewilligen, wird abgelehnt.

Gründe:

1
Die Bewilligung von Prozesskostenhilfe an die Schuldnerin als Gesellschaft mit beschränkter Haftung scheitert, ohne dass es einer Prüfung der Erfolgsaussichten des beabsichtigten Rechtsmittels bedarf, bereits an der Regelung des § 116 Satz 1 Nr. 2 ZPO.
2
Diese Vorschrift knüpft die Gewährung von Prozesskostenhilfe für juristische Personen und parteifähige Vereinigungen an das spezielle Erfordernis, dass die Unterlassung der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung allgemeinen Interessen zuwiderlaufen würde. Der Anwendungsbereich der Vorschrift beschränkt sich mithin auf Sachverhalte, die größere Kreise der Bevölkerung oder des Wirtschaftslebens ansprechen und soziale Wirkungen nach sich ziehen können (BGH, Beschluss vom 10. Februar 2011 - IX ZB 145/09, WM 2011, 807 Rn. 7 ff). Eine solche Gestaltung ist im Streitfall ersichtlich nicht gegeben. Kayser Raebel Gehrlein Grupp Möhring
Vorinstanzen:
AG München, Entscheidung vom 30.08.2011 - 1508 IN 2112/11 -
LG München I, Entscheidung vom 20.10.2011 - 14 T 22545/11 -

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Zivilprozessordnung - ZPO | § 116 Partei kraft Amtes; juristische Person; parteifähige Vereinigung


Prozesskostenhilfe erhalten auf Antrag 1. eine Partei kraft Amtes, wenn die Kosten aus der verwalteten Vermögensmasse nicht aufgebracht werden können und den am Gegenstand des Rechtsstreits wirtschaftlich Beteiligten nicht zuzumuten ist, die Kosten a

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Bundesgerichtshof Beschluss, 10. Feb. 2011 - IX ZB 145/09

bei uns veröffentlicht am 10.02.2011

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS IX ZB 145/09 vom 10. Februar 2011 in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR: ja ZPO § 116 Satz 1 Nr. 2 Eine als Gesellschaft bürgerlichen Rechts geführte Rechtsanwaltssozietät ist eine partei

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Prozesskostenhilfe erhalten auf Antrag

1.
eine Partei kraft Amtes, wenn die Kosten aus der verwalteten Vermögensmasse nicht aufgebracht werden können und den am Gegenstand des Rechtsstreits wirtschaftlich Beteiligten nicht zuzumuten ist, die Kosten aufzubringen;
2.
eine juristische Person oder parteifähige Vereinigung, die im Inland, in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union oder einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum gegründet und dort ansässig ist, wenn die Kosten weder von ihr noch von den am Gegenstand des Rechtsstreits wirtschaftlich Beteiligten aufgebracht werden können und wenn die Unterlassung der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung allgemeinen Interessen zuwiderlaufen würde.
§ 114 Absatz 1 Satz 1 letzter Halbsatz und Absatz 2 ist anzuwenden. Können die Kosten nur zum Teil oder nur in Teilbeträgen aufgebracht werden, so sind die entsprechenden Beträge zu zahlen.

7
Diese Vorschrift knüpft die Gewährung von Prozesskostenhilfe für juristische Personen und parteifähige Vereinigungen an besondere rechtliche Voraussetzungen. Zu den parteifähigen Vereinigungen gehören neben der offenen Handelsgesellschaft und der Kommanditgesellschaft (§ 124 Abs. 1, § 161 Abs. 2 HGB) insbesondere die nicht rechtsfähigen Vereine (§ 50 Abs. 2 ZPO; vgl. bereits BGH, Urt. v. 2. Juli 2007 - II ZR 111/05, WM 2007, 1932 Rn. 54 ff). Infolge der ihr durch die Rechtsprechung zugebilligten Rechtsfähigkeit (BGHZ 146, 341 ff) ist auch die Gesellschaft bürgerlichen Rechts, die durch Teilnahme am Rechtsverkehr eigene Rechte und Pflichten begründet, als parteifähige Vereinigung im Sinne des § 116 Satz 1 Nr. 2 ZPO anzusehen (vgl. OLG Dresden MDR 2008, 818; MünchKomm-ZPO/Motzer, 3. Aufl. § 116 Rn. 20; Zöller/ Geimer, ZPO 27. Aufl. § 116 Rn. 11a; Musielak/Fischer, ZPO 7. Aufl. Rn. 11; P/G/Völker/Zempel, ZPO 2. Aufl. § 116 Rn. 16). Als Außengesellschaft bürgerlichen Rechts erweist sich die klagende Rechtsanwaltssozietät somit als parteifähige Vereinigung. Es wäre mit dem eindeutigen Wortlaut des § 116 Satz 1 Nr. 2 ZPO nicht zu vereinbaren, Rechtsanwaltssozietäten im Unterschied zu anderen Gesellschaften bürgerlichen Rechts - wie dies die Rechtsbeschwerde fordert - vom Geltungsbereich der Vorschrift freizustellen. Eine solche Rechtsanwendung würde überdies mit dem Gleichbehandlungsgrundsatz (Art. 3 Abs. 1 GG) kollidieren, weil selbst juristische Personen und parteifähige Vereinigungen , die gemeinnützige Zwecke verfolgen, der Regelung des § 116 Satz 1 Nr. 2 ZPO unterliegen (BGH, Beschl. v. 29. Januar 1987 - V ZR 160/85, KostRspr. ZPO § 116 Nr. 7; KG NJOZ 2007, 55, 56; Musielak/Fischer, aaO § 116 Rn. 18).