Bundesgerichtshof Beschluss, 25. Mai 2005 - III ZR 409/04


Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat die Beklagte zu tragen.
Der Gegenstandswert wird auf 373.062,16 € festgesetzt.
Gründe:
I.
Die klagende Versicherung nimmt die Bundesrepublik Deut schland als Verkehrssicherungspflichtige der Bundeswasserstraße Mosel auf Ersatz von Schäden in Anspruch, die bei einer Kollision des Motorschiffs "I. " mit dem rechten Brückenpfeiler der Straßenbrücke Mehring am Abend des 21. November 2000 entstanden sind. Die Brücke war damals im Zuge von Bauarbeiten bis
auf die beiden Brückenpfeiler abgebaut. Während der rechte Pfeiler im Dunkeln lag und nur durch talwärts und bergwärts angelegte Radarbojen gekennzeichnet war, war der linke Brückenpfeiler aufgrund der Bauarbeiten zum Unfallzeitpunkt hell erleuchtet. Auf die Brückenbauarbeiten hatte die Beklagte durch eine Beschilderung am Moselufer hingewiesen. Der Schiffsführer des auf der rechten Moselseite zu Berg fahrenden Motorschiffs übersah den am Rande des Fahrwassers stehenden Brückenpfeiler. Das Schiff stieß gegen den Pfeilerstumpf und sank; es entstand Totalschaden.
Das Moselschiffahrtsgericht hat die Klage abgewiesen, das Moselschiffahrtsobergericht hat den im Berufungsverfahren auf Zahlung von 1.099.186,54 € gerichteten Leistungsantrag dem Grunde nach zu 1/3 für gerechtfertigt erklärt und die Ersatzpflicht der Beklagten für alle weiteren Schäden zu 1/3-Anteil festgestellt. Die Revision hat das Berufungsgericht nicht zugelassen. Dagegen richtet sich die Beschwerde der Beklagten.
II.
Das Rechtsmittel ist zulässig, aber unbegründet. Zulassungsg ründe im Sinne des § 543 Abs. 2 ZPO sind nicht gegeben.
1. Das Berufungsgericht, dessen Urteil in Binnenschiffahrt 2005 Nr. 1/2 S. 64 abgedruckt ist, hat im Ausgangspunkt eine Verletzung der Verkehrssicherungspflicht auf seiten der Beklagten bejaht. Es hat die Hinweise auf Brückenbauarbeiten in der Beschilderung am Moselufer und die Sicherung des rechten Brückenpfeilers durch Radartonnen nicht für ausreichend gehalten, sondern
das zusätzliche Anbringen von Lichtern oder Wahrschauflößen verlangt, um auch die bei Dunkelheit nach optischer Sicht fahrenden Verkehrsteilnehmer auf die Gefahrenstelle aufmerksam zu machen. Die Brückenbauarbeiten hätten nämlich auch zur Entfernung bis dahin von der Schiffahrt genutzter Zeichen geführt. Wegen der Straßenbeleuchtung und an der Brücke angebrachter Schiffahrtszeichen sei die Brücke zuvor selbst bei Dunkelheit sichtbar gewesen und habe damit der Schiffahrt zur Orientierung gedient. Durch den Abriß seien die Schiffsführer trotz der Baustellenhinweise vor eine überraschende Situation gestellt worden, die die Gefahr von Fehlreaktionen in sich getragen habe.
2. Das steht im Einklang mit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs und bedarf keiner weiteren grundsätzlichen Klärung in einem Revisionsverfahren.
a) Bei einer Wasserstraße hat der Verkehrssicherungspflicht ige das gesamte Fahrwasser für den durchgehenden Schiffsverkehr im Rahmen des Möglichen und Zumutbaren zu sichern, insbesondere dafür zu sorgen, daß es frei von Hindernissen ist oder daß zumindest bekannte künstliche Hindernisse genügend gekennzeichnet sind (BGHZ 37, 69, 70 ff.). Dies gilt um so mehr, wenn die Wasserstraßenverwaltung die Gefahrenlage selbst geschaffen (so im Fall des Senatsurteils vom 4. Juni 1956 - III ZR 238/54 - VersR 1956, 504, 505) oder diese - wie hier - wesentlich vergrößert hat, indem sie Merkmale, an denen sich die Schiffahrt orientieren konnte (im Streitfall Straßenbeleuchtung auf der Brücke, Schiffahrtszeichen am Brückenbogen) im Zuge von Bauarbeiten beseitigt hat. In solchen Fällen muß der Verkehrssicherungspflichtige zur Abwehr der für die Schiffahrt drohenden Gefahren Zeichen wählen und Vorkehrungen treffen, die für jeden Verkehrsteilnehmer eindeutig und unmißverständ-
lich die Art und Lage der nicht oder nicht mehr ohne weiteres erkennbaren Gefahrenstelle klarstellen und es den Verkehrsteilnehmern möglich machen, der Gefahr rechtzeitig auszuweichen (Senatsurteil vom 4. Juni 1956 aaO; BGH, Urteil vom 5. Februar 1979 - II ZR 75/77 - VersR 1979, 437).
b) Diesen Anforderungen haben nach der zutreffenden A uffassung des Berufungsgerichts die von der Beklagten getroffenen Sicherungsmaßnahmen (Hinweisschilder am Moselufer, Radartonnen bergwärts und talwärts vor dem rechten Brückenpfeiler) nicht genügt, selbst wenn die ungefähr 2 m aus dem Wasser ragenden Pfeilerreste und die gelben Tonnen, wie die Beklagte behauptet hat, bei Dunkelheit und guter Feuersicht auch für einen nur nach optischer Sicht fahrenden Schiffsführer erkennbar waren. Infolgedessen kommt es auch auf die in diesem Zusammenhang erhobene, auf die Verletzung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) gestützte Rüge der Beschwerde, das Berufungsgericht habe diesen Sachvortrag übergangen, nicht an. Weder die verbliebenen Brückenpfeiler noch die Radarbojen fielen nach der rechtsfehlerfreien tatsächlichen Beurteilung des Berufungsgerichts bei Dunkelheit jedenfalls derart ins Auge, daß von einer eindeutigen und unmißverständlichen Kennzeichnung der Gefahrenstelle gesprochen werden könnte.
Es trifft zwar zu, daß unter solchen Umständen der Schiff sführer aufgrund seiner - bei Dunkelheit gesteigerten - allgemeinen Sorgfaltspflicht (§ 1.04 MoselSchPV) gehalten ist, auf ein ihm zur Verfügung stehendes Radargerät als Hilfsmittel zurückzugreifen, obwohl dies in § 6.30 Nr. 4 MoselSchPV ausdrücklich nur für unsichtiges Wetter bestimmt ist (vgl. dazu BGHZ 65, 304, 306 f. für die Seeschiffahrt; BGH, Urteil vom 4. März 1991 - II ZR 51/90 - VersR 1991, 605 zum Einsatz eines Sprechfunkgeräts;
Bemm/v. Waldstein, RheinSchPV, 3. Aufl., § 1.04 Rn. 4, § 6.30 Rn. 5). Hierauf durfte sich die Beklagte aber schon deshalb nicht verlassen, weil nicht gewährleistet ist, daß alle Schiffe mit modernen, leistungsfähigen Radargeräten ausgerüstet sind. Davon abgesehen mußte die Beklagte entgegen der Beschwerde auch ein Fehlverhalten der plötzlich vor eine unklare Situation gestellten Schiffsführer wie in dem vorliegenden Fall in Betracht ziehen. Aus diesen Gründen ist dem Berufungsgericht ebenso darin zuzustimmen, daß zur Sicherung des gefährlichen Brückenpfeilers hier auffällige optische Hinweise, insbesondere am Pfeiler angebrachte Lichter oder Wahrschauflöße mit entsprechenden Zeichen, erforderlich waren.
3. Ohne Erfolg wendet sich die Beschwerde schließlich vorsorglich auch gegen die vom Berufungsgericht zugrunde gelegte Haftungsquote. Die Haftungsverteilung im Rahmen des § 254 BGB ist grundsätzlich Aufgabe des Tatrichters und wäre auch in einem Revisionsverfahren nur darauf zu überprüfen, ob das Berufungsgericht alle in Betracht kommenden Umstände vollständig und richtig berücksichtigt und der Abwägung rechtlich zulässige Erwägungen zugrunde gelegt hat (BGH, Urteil vom 25. März 2003 - VI ZR 161/02 - NJW 2003, 1929, 1930 m.w.N.). Rechtsfehler dieser Art - geschweige denn zulassungsrelevante Rechtsverstöße - sind nicht ersichtlich.
Schlick Streck Kapsa
Dörr Herrmann

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(1) Wer vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt, ist dem anderen zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet.
(2) Die gleiche Verpflichtung trifft denjenigen, welcher gegen ein den Schutz eines anderen bezweckendes Gesetz verstößt. Ist nach dem Inhalt des Gesetzes ein Verstoß gegen dieses auch ohne Verschulden möglich, so tritt die Ersatzpflicht nur im Falle des Verschuldens ein.
(1) Hat bei der Entstehung des Schadens ein Verschulden des Beschädigten mitgewirkt, so hängt die Verpflichtung zum Ersatz sowie der Umfang des zu leistenden Ersatzes von den Umständen, insbesondere davon ab, inwieweit der Schaden vorwiegend von dem einen oder dem anderen Teil verursacht worden ist.
(2) Dies gilt auch dann, wenn sich das Verschulden des Beschädigten darauf beschränkt, dass er unterlassen hat, den Schuldner auf die Gefahr eines ungewöhnlich hohen Schadens aufmerksam zu machen, die der Schuldner weder kannte noch kennen musste, oder dass er unterlassen hat, den Schaden abzuwenden oder zu mindern. Die Vorschrift des § 278 findet entsprechende Anwendung.