Bundesgerichtshof Beschluss, 22. Feb. 2001 - III ZB 71/99

bei uns veröffentlicht am22.02.2001

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
III ZB 71/99
vom
22. Februar 2001
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
------------------------------------
Die nach der Entscheidung des Oberlandesgerichts ergangene Entscheidung
im Erlaßstaat über die Verbindlichkeit oder Aufhebung des
Schiedsspruchs kann im Verfahren der Rechtsbeschwerde berücksichtigt
werden.
BGH, Beschluß vom 22. Februar 2001 - III ZB 71/99 - OLG Rostock
Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 22. Februar 2001 durch den
Vorsitzenden Richter Dr. Rinne und die Richter Dr. Wurm, Dr. Kapsa, Dörr und
Galke

beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde der Antragstellerin wird der Beschluß des 1. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Rostock vom 28. Oktober 1999 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als der Schiedsspruch der Schiedskommission für Schiffahrtsfragen bei der Industrie- und Handelskammer der Russischen Föderation in Moskau vom 20. August 1998 - 7/1998 - im Inland nicht anerkannt worden ist.
Der vorbezeichnete Schiedsspruch, durch den die Antragsgegnerin verurteilt worden ist, an die Antragstellerin 1.171.192,78 Rubel zu zahlen, wird für vollstreckbar erklärt.
Die Antragsgegnerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Gründe


I.


Die Antragstellerin beansprucht für Instandsetzungsarbeiten an einem Motorschiff der Antragsgegnerin Werklohn, Verzugsschadensersatz sowie Erstattung von Standzeitkosten. Aufgrund einer mit der Antragsgegnerin geschlossenen Schiedsvereinbarung rief sie die Schiedskommission für Schiffahrtsfragen bei der Industrie- und Handelskammer der Russischen Föderation in M. an. Diese verurteilte die Antragsgegnerin durch Schiedsspruch vom 20. August 1998, 1.171.192,78 Rubel an die Antragstellerin zu zahlen.
Die Antragsgegnerin war der Auffassung, der Schiedsspruch sei in einem Streitfall gefaßt worden, der von dem Schiedsabkommen nicht vorgesehen sei. Sie erwirkte einen Gerichtsbescheid des M. Städtischen Gerichts vom 12. April 1999, durch den der Schiedsspruch aufgehoben wurde. Das Gerichtskollegium für Zivilsachen des Obersten Gerichts der Russischen Föderation bestätigte diese Entscheidung durch Gerichtsbescheid vom 25. Juni 1999.
Die Antragstellerin begehrt die Vollstreckbarerklärung des Schiedsspruchs. Das Oberlandesgericht hat den Schiedsspruch im Inland nicht anerkannt. Hiergegen richtet sich die Rechtsbeschwerde der Antragstellerin.
Am 24. November 1999 - nach der Entscheidung des Oberlandesgerichts - gab der Vorstand des Obersten Gerichts der Russischen Föderation
einem Protest des stellvertretenden Vorsitzenden dieses Gerichts gegen den Gerichtsbescheid vom 25. Juni 1999 statt und hob die Gerichtsbescheide des M. Städtischen Gerichts und des Gerichtskollegiums für Zivilsachen des Obersten Gerichts der Russischen Föderation auf. Die Sache wurde an das M. Städtische Gericht zurückverwiesen. Dieses wies den Aufhebungsantrag der Antragsgegnerin durch Beschluß vom 20. März 2000 zurück. Die dagegen von der Antragsgegnerin eingelegte Beschwerde blieb erfolglos.

II.


Die Rechtsbeschwerde ist begründet; der angefochtene Beschluß beruht auf einer Rechtsverletzung im Sinne des § 1065 Abs. 2 Satz 1 ZPO n.F.
1. Das Oberlandesgericht hat seine Entscheidung im wesentlichen wie folgt begründet:
Die formellen Voraussetzungen eines Antrags auf Vollstreckbarerklärung des Schiedsspruchs seien erfüllt. Die Anerkennung und Vollstreckung des Schiedsspruchs müsse jedoch aufgrund des Art. V Abs. 1 lit. e des Übereinkommens vom 10. Juni 1958 über die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche (BGBl. 1961 II S. 121, im folgenden UNÜ) versagt werden. Der Schiedsspruch sei nach seiner Aufhebung durch den Gerichtsbescheid des M. Städtischen Gerichts vom 12. April 1999 und den Gerichtsbescheid des Gerichtskollegiums für Zivilsachen des Obersten Gerichts der Russischen Föderation vom 25. Juni 1999 nicht mehr verbindlich und könne daher im Inland nicht mehr anerkannt werden.

2. Der angefochtene Beschluß hält der rechtlichen Prüfung in einem entscheidenden Punkt nicht stand.
Die Vollstreckbarerklärung des Schiedsspruchs der Schiedskommission für Schiffahrtsfragen bei der Industrie- und Handelskammer der Russischen Föderation in M. vom 20. August 1998 richtet sich nach dem UNÜ. Das ergibt sich aus § 1061 Abs. 1 Satz 1 ZPO. Die dort bestimmte Verweisung auf das UNÜ greift Platz, weil es um die Vollstreckbarerklärung eines ausländischen Schiedsspruchs geht (§ 1025 Abs. 4 i.V.m. §§ 1061 bis 1065 ZPO). Denn der insoweit maßgebliche Schiedsort (vgl. § 1025 Abs. 1 ZPO) lag in M./Russische Föderation.

a) Das Oberlandesgericht hat im Ergebnis zutreffend angenommen, daß die Vorlageerfordernisse des Art. IV UNÜ erfüllt sind.
aa) Gemäß Art. IV Abs. 1 lit. a UNÜ hat die Partei, welche die Anerkennung und Vollstreckung nachsucht, zugleich mit ihrem Antrag die gehörig legalisierte (beglaubigte) Urschrift des Schiedsspruchs oder eine Abschrift, deren Übereinstimmung mit einer solchen Urschrift ordnungsgemäß beglaubigt ist, vorzulegen. Die Antragstellerin hat jedoch eine Abschrift des Schiedsspruchs vorgelegt, die nicht von einer gehörig legalisierten Urschrift des Schiedsspruchs genommen worden ist. Denn notariell beglaubigt ist nur die Übereinstimmung der Abschrift mit der Urschrift des Schiedsspruchs, nicht die Echtheit der Unterschriften der Schiedsrichter. Diesen Legalisationsmangel hat das Oberlandesgericht indes zu Recht für unbeachtlich gehalten. Die Vorlage einer beglaubigten, wenn auch nicht von einer legalisierten Urschrift des Schieds-
spruchs gefertigten Abschrift kann hier als den Antragsvoraussetzungen des Art. IV Abs. 1 lit. a UNÜ genügend angesehen werden. Denn die Existenz und Authentizität des Schiedsspruchs ist unstreitig (vgl. Senatsbeschluß vom 17. August 2000 - III ZB 43/99 - NJW 2000, 3650, 3651).
bb) Gemäß Art. IV Abs. 1 lit. b UNÜ hat die um Anerkennung und Vollstreckung nachsuchende Partei ferner die Urschrift der Schiedsvereinbarung oder eine Abschrift, deren Übereinstimmung mit einer solchen Urschrift ordnungsgemäß beglaubigt ist, - nebst Übersetzung (Art. IV Abs. 2 UNÜ) - vorzulegen. Das hat die Antragstellerin nicht getan.
In Anknüpfung an den oben genannten Senatsbeschluß zu Art. IV Abs. 1 lit. a UNÜ und Stein/Jonas/Schlosser (ZPO 21. Aufl. 1994 Anhang zu § 1044 Rn. 52) kann von dem Vorlageerfordernis des Art. IV Abs. 1 lit. b UNÜ aber Abstand genommen werden, wenn - wie im vorliegenden Fall - der Gegner den behaupteten Inhalt der Schiedsvereinbarung nicht bestreitet. Das Oberlandesgericht hat als unstreitig festgestellt, daß die Parteien unter Punkt 8.12 des Vertrages vom 12. Mai 1997 als Schiedsgericht für die Klärung von Streitigkeiten die Schiedskommission der Stadt M. vereinbart haben. Die Rechtsbeschwerdeerwiderung hat insoweit keine Beanstandungen erhoben, sondern ausdrücklich erklärt, die nach § 1061 Abs. 1 ZPO in Verbindung mit dem UNÜ erforderlichen Voraussetzungen für die Vollstreckbarkeitserklärung seien im Streitfall "grundsätzlich erfüllt".

b) Der von dem Oberlandesgericht angenommene Versagungsgrund des Art. V Abs. 1 lit. e UNÜ ist nach dem für die Entscheidung über die Rechtsbe-
schwerde maßgeblichen Sachstand nicht gegeben. Art. V Abs. 1 lit. e UNÜ lautet, soweit hier maßgeblich:
"Die Anerkennung und Vollstreckung des Schiedsspruchs darf auf Antrag der Partei, gegen die er geltend gemacht wird, nur versagt werden, wenn diese Partei ... den Beweis erbringt ..., daß der Schiedsspruch für die Parteien noch nicht verbindlich geworden ist oder daß er von einer zuständigen Behörde des Landes, in dem oder nach dessen Recht er ergangen ist, aufgehoben ... worden ist."
Dieser Versagungsgrund greift nicht durch, weil inzwischen feststeht, daß der Schiedsspruch für die Parteien verbindlich und nicht aufgehoben worden ist. Es ist nicht ersichtlich, daß er bei einer höheren schiedsrichterlichen Instanz oder mit einem Rechtsmittel bei einem staatlichen Gericht angegriffen werden könnte (vgl. Senatsurteil vom 14. April 1988 - III ZR 12/87 - NJW 1988, 3090, 3091). Das von der Antragsgegnerin bei dem M. Städtischen Gericht eingereichte Gesuch auf Aufhebung des Schiedsspruchs ist - was das Oberlandesgericht noch nicht hat berücksichtigen können - inzwischen rechtskräftig abgewiesen worden; die dem Gesuch stattgebenden Instanzentscheidungen sind durch Rechtspruch des Vorstandes des Obersten Gerichts der Russischen Föderation vom 24. November 1999 aufgehoben worden. Die Antragstellerin hat im Verfahren der Rechtsbeschwerde einen - mit der Apostille nach dem Haager Übereinkommen zur Befreiung ausländischer öffentlicher Urkunden von der Legalisation vom 5. Oktober 1961 (BGBl. 1965 II S. 875) versehenen - Abdruck der verfahrensabschließenden Entscheidung des Obersten Gerichts der Russischen Föderation vom 21. April 2000 vorgelegt. Aufgrund dieses - unstreitigen - Ausgangs des von der Antragsgegnerin angestrengten Aufhebungsverfahrens kann offenbleiben, ob schon die dem Gesuch der Antrags-
gegnerin stattgebenden Instanzentscheidungen dem Schiedsspruch die Verbindlichkeit nehmen oder ihn aufheben konnten (Art. V Abs. 1 lit. e UNÜ). Denn sie sind ihrerseits aufgehoben worden.
§ 1065 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. § 561 ZPO verbietet allerdings die Einführung neuer Tatsachen im Verfahren der Rechtsbeschwerde. Wie im Revisionsrechtszug erfährt dieser Grundsatz aber eine Ausnahme bei Tatsachen, die die prozessuale Rechtslage erst während des Verfahrens der Rechtsbeschwerde verändern (vgl. BGH, Urteil vom 10. Juli 1995 - II ZR 75/94 - WM 1995, 1806, 1807) oder vom Gericht der Rechtsbeschwerde von Amts wegen zu berücksichtigen sind (vgl. Senatsurteil vom 6. Oktober 1983 - III ZR 61/82 - VersR 1984, 77, 78 und BGH, Urteil vom 24. Juni 1980 - VI ZR 106/79 - VersR 1980, 822). Darüber hinaus können Entscheidungen Berücksichtigung finden, die eine vorgreifliche Frage rechtskräftig klären, von deren Beantwortung das Ergebnis des zur Beurteilung stehenden Rechtsstreits abhängt (vgl. BGH, Urteil vom 24. Juni 1980 aaO und Urteil vom 19. Oktober 1988 - IVb ZR 70/87 - BGHR ZPO § 561 Abs. 1 Satz 1 Durchbrechung 2; Senatsbeschluß vom 28. Februar 1991 - III ZR 252/89 - BGHR ZPO § 561 Abs. 1 Satz 1 Durchbrechung 4). Im Streitfall ist eine vergleichbare Abhängigkeit des Vollstreckbarerklärungsverfahrens von der Entscheidung im Erlaßstaat über die Verbindlichkeit oder Aufhebung des Schiedsspruchs gegeben. Ist der Schiedsspruch im Erlaßstaat noch nicht verbindlich oder ist er aufgehoben worden, dann ist ihm die Anerkennung im Vollstreckungsstaat zu versagen (Art. V Abs. 1 lit. e UNÜ); ist im Erlaßstaat ein Antrag auf Aufhebung des Schiedsspruchs gestellt, kann das Anerkennungsverfahren ausgesetzt werden (Art. VI erster Halbsatz UNÜ).

c) Versagungsgründe außerhalb des Art. V Abs. 1 lit. e UNÜ werden nicht geltend gemacht und sind auch sonst nicht ersichtlich, so daß der Schiedsspruch für vollstreckbar zu erklären ist.
Rinne Wurm Kapsa Dörr Galke

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Lastenausgleichsgesetz - LAG

Zivilprozessordnung - ZPO | § 561 Revisionszurückweisung


Ergibt die Begründung des Berufungsurteils zwar eine Rechtsverletzung, stellt die Entscheidung selbst aber aus anderen Gründen sich als richtig dar, so ist die Revision zurückzuweisen.

Zivilprozessordnung - ZPO | § 1065 Rechtsmittel


(1) Gegen die in § 1062 Abs. 1 Nr. 2 und 4 genannten Entscheidungen findet die Rechtsbeschwerde statt. Im Übrigen sind die Entscheidungen in den in § 1062 Abs. 1 bezeichneten Verfahren unanfechtbar. (2) Die Rechtsbeschwerde kann auch darauf gestü

Zivilprozessordnung - ZPO | § 1025 Anwendungsbereich


(1) Die Vorschriften dieses Buches sind anzuwenden, wenn der Ort des schiedsrichterlichen Verfahrens im Sinne des § 1043 Abs. 1 in Deutschland liegt. (2) Die Bestimmungen der §§ 1032, 1033 und 1050 sind auch dann anzuwenden, wenn der Ort des schi

Zivilprozessordnung - ZPO | § 1061 Ausländische Schiedssprüche


(1) Die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche richtet sich nach dem Übereinkommen vom 10. Juni 1958 über die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche (BGBl. 1961 II S. 121). Die Vorschriften in anderen Staatsver

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Bundesgerichtshof Beschluss, 17. Aug. 2000 - III ZB 43/99

bei uns veröffentlicht am 17.08.2000

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS III ZB 43/99 vom 17. August 2000 in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR: ja --------------------------------- Übereinkommen vom 10. Juni 1958 über die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer.
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Bundesgerichtshof Beschluss, 25. Sept. 2008 - IX ZB 205/06

bei uns veröffentlicht am 25.09.2008

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS IX ZB 205/06 vom 25. September 2008 in dem Zwangsvollstreckungsverfahren Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR: ja InsO § 301; ZPO §§ 766, 767, 775 Der Einwand des Schuldners, aus einem gegen ihn ergangene

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(1) Gegen die in § 1062 Abs. 1 Nr. 2 und 4 genannten Entscheidungen findet die Rechtsbeschwerde statt. Im Übrigen sind die Entscheidungen in den in § 1062 Abs. 1 bezeichneten Verfahren unanfechtbar.

(2) Die Rechtsbeschwerde kann auch darauf gestützt werden, dass die Entscheidung auf einer Verletzung eines Staatsvertrages beruht. Die §§ 707, 717 sind entsprechend anzuwenden.

(1) Die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche richtet sich nach dem Übereinkommen vom 10. Juni 1958 über die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche (BGBl. 1961 II S. 121). Die Vorschriften in anderen Staatsverträgen über die Anerkennung und Vollstreckung von Schiedssprüchen bleiben unberührt.

(2) Ist die Vollstreckbarerklärung abzulehnen, stellt das Gericht fest, dass der Schiedsspruch im Inland nicht anzuerkennen ist.

(3) Wird der Schiedsspruch, nachdem er für vollstreckbar erklärt worden ist, im Ausland aufgehoben, so kann die Aufhebung der Vollstreckbarerklärung beantragt werden.

(1) Die Vorschriften dieses Buches sind anzuwenden, wenn der Ort des schiedsrichterlichen Verfahrens im Sinne des § 1043 Abs. 1 in Deutschland liegt.

(2) Die Bestimmungen der §§ 1032, 1033 und 1050 sind auch dann anzuwenden, wenn der Ort des schiedsrichterlichen Verfahrens im Ausland liegt oder noch nicht bestimmt ist.

(3) Solange der Ort des schiedsrichterlichen Verfahrens noch nicht bestimmt ist, sind die deutschen Gerichte für die Ausübung der in den §§ 1034, 1035, 1037 und 1038 bezeichneten gerichtlichen Aufgaben zuständig, wenn der Beklagte oder der Kläger seinen Sitz oder seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland hat.

(4) Für die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche gelten die §§ 1061 bis 1065.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
III ZB 43/99
vom
17. August 2000
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
---------------------------------
Übereinkommen vom 10. Juni 1958 über die Anerkennung und Vollstreckung
ausländischer Schiedssprüche (BGBl. 1961 II S. 121) Art. 4
Art. 4 des Übereinkommens vom 10. Juni 1958 ist als Beweismittelregelung zu
verstehen.
Der Beweis der Authentizität des Schiedsspruchs (Art. 4 Abs. 1 lit. a des Übereinkommens
) kann nur mit den in Art. 4 Abs. 1 des Übereinkommens bezeichneten
Urkunden geführt werden. Er muß aber nicht erbracht werden, wenn die
Authentizität des Schiedsspruches unstreitig ist.
BGH, Beschluß vom 17. August 2000 - III ZB 43/99 - OLG Frankfurt am Main
Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 17. August 2000 durch den
Vorsitzenden Richter Dr. Rinne und die Richter Dr. Wurm, Dr. Kapsa, Dörr und
Galke

beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluß des 10. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 8. Juli 1999 - 10 Sch 1/98 - wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, daß der Schiedsspruch für vollstreckbar (nicht: "vorläufig vollstreckbar") erklärt wird.
Die Antragsgegnerin hat die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens zu tragen.
Streitwert: 2.300.000 DM.

Gründe


I.


Die Antragstellerin begehrt von der Antragsgegnerin, der Republik Polen , Entschädigung für Nachteile, die ihr in Polen ansässiger Gewerbebetrieb durch ein von der Antragsgegnerin erlassenes Importverbot für Papiermakula-
tur erlitt. Die Antragsgegnerin wurde im Schiedsverfahren gemäß Art. 11 des Vertrages zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Volksrepublik Polen über die Förderung und den gegenseitigen Schutz von Kapitalanlagen vom 10. November 1989 (BGBl. 1990 II S. 607) von einem Schiedsgericht in Zürich verurteilt, an die Antragstellerin 2,3 Mio. DM nebst Zinsen zu zahlen. Das Oberlandesgericht hat den Schiedsspruch entsprechend dem Ersuchen der Antragstellerin für vollstreckbar erklärt. Hiergegen richtet sich die Rechtsbeschwerde der Antragsgegnerin.

II.


Die Rechtsbeschwerde ist gemäß §§ 1065 Abs. 2 Satz 2, 554 b ZPO anzunehmen, weil die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat; sie ist nicht begründet.
1. Die zwischen den Parteien entstandene Streitigkeit unterlag der Schiedsklausel des Art. 11 Abs. 2 i.V.m. Art. 4 Abs. 2 des deutsch/polnischen Vertrages. Denn die Antragstellerin forderte Entschädigung wegen einer der Enteignung gleichkommenden Maßnahme, und diese Streitigkeit wurde nicht binnen sechs Monaten beigelegt. Damit stand der Antragstellerin gemäß Art. 11 Abs. 2 des deutsch/polnischen Vertrages - neben dem Rechtsweg zu den staatlichen Gerichten (vgl. Art. 4 Abs. 2 Satz 5 des deutsch/polnischen Vertrages) - die Schiedsklage offen.
2. Die Anerkennung und Vollstreckung des Schiedsspruchs richtet sich gemäß Art. 11 Abs. 4 Satz 2 des deutsch/polnischen Vertrages nach dem Übereinkommen vom 10. Juni 1958 über die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche (BGBl. 1961 II S. 121, im folgenden: UNÜ).
Die Vollstreckbarerklärung nach dem UNÜ setzt voraus, daß dessen Vorlageerfordernissen (Art. 4 UNÜ) Genüge getan ist. Diese beschränken sich hier auf den Schiedsspruch. Die in Art. 4 Abs. 1 lit. b und Abs. 2 UNÜ bestimmte Vorlage der Urschrift oder einer beglaubigten Abschrift der Schiedsvereinbarung nebst Übersetzung kann nicht verlangt werden, weil dieses Schiedsverfahren nicht auf einer (privatrechtlichen) Schiedsvereinbarung der Parteien, sondern auf dem deutsch/polnischen Vertrag beruht.
Gemäß Art. 4 Abs. 1 lit. a UNÜ hat die Partei, welche die Anerkennung und Vollstreckung nachsucht, zugleich mit ihrem Antrag die gehörig legalisierte (beglaubigte) Urschrift des Schiedsspruchs oder eine Abschrift, deren Übereinstimmung mit einer solchen Urschrift ordnungsgemäß beglaubigt ist, vorzulegen. Die Rechtsbeschwerde macht geltend, die von der Antragstellerin vorgelegten Urkunden seien nicht hinreichend legalisiert; damit fehle eine von Amts wegen zu prüfende Prozeßvoraussetzung.
Die Rüge ist nicht begründet.
Es kann dahingestellt bleiben, ob der behauptete Legalisationsmangel besteht. Denn Art. 4 UNÜ ist als bloße Beweismittelregelung zu interpretieren (Stein/Jonas/Schlosser, ZPO 21. Aufl. 1994 Anh. zu § 1044 Rdn. 48, 52 und Bredow in Bülow/Böckstiegel/Geimer/Schütze, Der internationale Rechtsver-
kehr in Zivil- und Handelssachen Art. 4 UNÜ Erl. 1). Die Vorschrift greift - im Fall des Art. 4 Abs. 1 lit. a UNÜ - ein, wenn die Authentizität des Schiedsspruchs bestritten ist. Dann kann der Beweis nur mit den in Art. 4 Abs. 1 lit. a UNÜ näher gekennzeichneten Urkunden geführt werden.
Hier hat die Antragsgegnerin nicht in Zweifel gezogen, daß der von der Antragstellerin vorgelegten Abschrift des Schiedsspruchs eine damit übereinstimmende authentische Urschrift zugrunde liegt. Es wäre eine leere Förmelei, von der Antragstellerin dennoch zu verlangen, daß sie die - unstreitige - Existenz und Authentizität des abschriftlich mitgeteilten Schiedsspruchs zusätzlich mittels der in Art. 4 Abs. 1 lit. a UNÜ genannten Urkunden nachweist. Die Vorlage einer beglaubigten, wenn auch nicht von einer legalisierten Urschrift des Schiedsspruchs gefertigten, Abschrift muß als den Antragsvoraussetzungen des Art. 4 Abs. 1 lit. a UNÜ genügend angesehen werden.
3. Die Antragstellerin legte eine deutsche Übersetzung des in Englisch abgefaßten Schiedsspruchs vor (Art. 4 Abs. 2 UNÜ).
4. Gründe, die gemäß Art. 5 UNÜ die Versagung der Vollstreckung rechtfertigen könnten, sind nicht gegeben, so daß das Oberlandesgericht den Schiedsspruch zu Recht für vollstreckbar erklärt hat.
Rinne Wurm
Die Richter am Bundesgerichtshof Dr. Kapsa und Dörr sind im Urlaub und k önnen deshalb nicht unterschreiben. Rinne Galke

(1) Die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche richtet sich nach dem Übereinkommen vom 10. Juni 1958 über die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche (BGBl. 1961 II S. 121). Die Vorschriften in anderen Staatsverträgen über die Anerkennung und Vollstreckung von Schiedssprüchen bleiben unberührt.

(2) Ist die Vollstreckbarerklärung abzulehnen, stellt das Gericht fest, dass der Schiedsspruch im Inland nicht anzuerkennen ist.

(3) Wird der Schiedsspruch, nachdem er für vollstreckbar erklärt worden ist, im Ausland aufgehoben, so kann die Aufhebung der Vollstreckbarerklärung beantragt werden.

Ergibt die Begründung des Berufungsurteils zwar eine Rechtsverletzung, stellt die Entscheidung selbst aber aus anderen Gründen sich als richtig dar, so ist die Revision zurückzuweisen.