Bundesgerichtshof Beschluss, 25. Jan. 2011 - II ZR 234/06

bei uns veröffentlicht am25.01.2011
vorgehend
Landgericht Stuttgart, 20 O 664/04, 22.03.2006
Oberlandesgericht Stuttgart, 4 U 74/06, 27.09.2006

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
II ZR 234/06
vom
25. Januar 2011
in dem Rechtsstreit
Der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 25. Januar 2011 durch
den Vorsitzenden Richter Dr. Bergmann, die Richterin Caliebe und die Richter
Dr. Drescher, Born und Sunder

beschlossen:
Die Erinnerung des Beklagten gegen den Kostenansatz wird zurückgewiesen. Das Verfahren ist gerichtsgebührenfrei. Auslagen werden nicht erstattet.

Gründe:

1
Der Kostenansatz ist richtig. Die vom Beklagten gezahlten Gerichtskosten für die Revisionsinstanz sind nicht wegen einer Kostenbefreiung der Klägerin - entsprechend der Kostenverteilung im Beschluss des Senats vom 7. Januar 2008 - zu einem Siebtel zurückzuzahlen.
2
Gerichtskosten sind nicht zu erheben und bereits erhobene Kosten zurückzuzahlen , soweit eine kostenbefreite Partei nach der gerichtlichen Kostenentscheidung Kosten zu tragen hat (§ 2 Abs. 5 Satz 1 GKG).
3
Die Klägerin ist vor den Gerichten des Bundes nicht kostenbefreit. Dass sie entsprechend der dem Landgericht vorgelegten Bescheinigung als Mitglied des Diakonischen Werkes der evangelischen Kirche einem anerkannten Spitzenverband der freien Wohlfahrtspflege in Baden-Württemberg angeschlossen sein und nach § 7 Abs. 1 Nr. 4 des baden-württembergischen Landesjustizkos- tengesetzes Gebührenfreiheit genießen soll, führt nicht zur Kostenbefreiung vor dem Bundesgerichtshof. Landesrechtliche Befreiungsvorschriften gelten nur für Verfahren vor den ordentlichen Gerichten des betreffenden Landes (BGH, Beschluss vom 13. Dezember 2006 - XII ZR 83/04, NJW-RR 2007, 644 Rn. 4).
4
Für den Bund gilt die Verordnung betreffend die Gebührenfreiheit in Verfahren vor dem Reichsgericht vom 24. Dezember 1883 (RGBl 1884, I, 1, RGGebFrhV ) fort (BGH, Beschluss vom 13. Dezember 2006 - XII ZR 83/04, NJWRR 2007, 644 Rn. 5). Danach besteht keine Kostenfreiheit für die Klägerin. Von der Zahlung von Gebühren befreit sind nach § 1 Nr. 1 RG-GebFrhV öffentliche Armen-, Kranken-, Arbeits- und Besserungsanstalten, ferner Waisenhäuser und andere milde Stiftungen, insofern solche nicht einzelne Familien oder bestimmte Personen betreffen, oder in bloßen Studienstipendien bestehen. Die Klägerin betreibt weder eine der genannten Anstalten noch ist sie eine Stiftung. Sie unterhält nach dem Tatbestand des landgerichtlichen Urteils Einrichtungen der Altenhilfe, insbesondere Altenheime, in der Rechtsform einer GmbH. Nach § 1 Nr. 3 RG-GebFrhV sind Kirchen, Pfarreien, Kaplaneien, Vikarien und Küstereien kostenbefreit, deren Einnahmen die etatmäßigen Ausgaben nicht übersteigen. Unter Kirchen im Sinn dieser Vorschrift ist das mit Kirche, Pfarrei, Vikariat, Kaplanei und Küsterei näher bezeichnete Kirchengut zu verstehen. Die Gebührenfreiheit kommt nicht den Kirchengesellschaften und Religionsgemeinschaften als solchen, sondern den in ihnen bestehenden rechtlich selbständigen Trägern von Kirchen- und Kulturzwecken dienendem Vermögen zu. Aufgrund dieser Einschränkungen ist vor dem Bundesgerichtshof nur ein als rechtsfähiger Verein oder sonst in rechtsfähiger Form errichteter, bedürftiger Träger von Kirchengut von Gerichtskosten befreit (BGH, Beschluss vom 13. Dezember 2006 - XII ZR 83/04, NJW-RR 2007, 644 Rn. 8). Weder ist die Klägerin Trägerin von Kirchengut noch ist vorgetragen, dass ihre etatmäßigen Ausgaben die Einnahmen übersteigen.
Bergmann Caliebe Drescher Born Sunder
Vorinstanzen:
LG Stuttgart, Entscheidung vom 22.03.2006 - 20 O 664/04 -
OLG Stuttgart, Entscheidung vom 27.09.2006 - 4 U 74/06 -

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Gerichtskostengesetz - GKG 2004 | § 2 Kostenfreiheit


(1) In Verfahren vor den ordentlichen Gerichten und den Gerichten der Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit sind von der Zahlung der Kosten befreit der Bund und die Länder sowie die nach Haushaltsplänen des Bundes oder eines Landes verwalteten öffentlich

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Bundesgerichtshof Beschluss, 13. Dez. 2006 - XII ZR 83/04

bei uns veröffentlicht am 13.12.2006

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS XII ZR 83/04 vom 13. Dezember 2006 in dem Rechtsstreit Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 13. Dezember 2006 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Hahne, die Richter Fuchs und Dr. Ahlt, die Richterin Dr. Vézin

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(1) In Verfahren vor den ordentlichen Gerichten und den Gerichten der Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit sind von der Zahlung der Kosten befreit der Bund und die Länder sowie die nach Haushaltsplänen des Bundes oder eines Landes verwalteten öffentlichen Anstalten und Kassen. In Verfahren der Zwangsvollstreckung wegen öffentlich-rechtlicher Geldforderungen ist maßgebend, wer ohne Berücksichtigung des § 252 der Abgabenordnung oder entsprechender Vorschriften Gläubiger der Forderung ist.

(2) Für Verfahren vor den Gerichten für Arbeitssachen nach § 2a Absatz 1, § 103 Absatz 3, § 108 Absatz 3 und § 109 des Arbeitsgerichtsgesetzes sowie nach den §§ 122 und 126 der Insolvenzordnung werden Kosten nicht erhoben.

(3) Sonstige bundesrechtliche Vorschriften, durch die für Verfahren vor den ordentlichen Gerichten und den Gerichten der Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit eine sachliche oder persönliche Befreiung von Kosten gewährt ist, bleiben unberührt. Landesrechtliche Vorschriften, die für diese Verfahren in weiteren Fällen eine sachliche oder persönliche Befreiung von Kosten gewähren, bleiben unberührt.

(4) Vor den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit und den Gerichten für Arbeitssachen finden bundesrechtliche oder landesrechtliche Vorschriften über persönliche Kostenfreiheit keine Anwendung. Vorschriften über sachliche Kostenfreiheit bleiben unberührt.

(5) Soweit jemandem, der von Kosten befreit ist, Kosten des Verfahrens auferlegt werden, sind Kosten nicht zu erheben; bereits erhobene Kosten sind zurückzuzahlen. Das Gleiche gilt, soweit eine von der Zahlung der Kosten befreite Partei Kosten des Verfahrens übernimmt.

4
2. a) In Verfahren vor dem Bundesgerichtshof können Kirchen und Religionsgemeinschaften eine Gebührenbefreiung nicht aus dem Landesrecht herleiten. Landesrechtliche Befreiungsvorschriften gelten nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nur für das Verfahren vor den (ordentlichen) Gerichten des betreffenden Landes (BGH, Beschluss vom 19. März 1998 - VII ZR 116/96 - MDR 1998, 680).