Bundesgerichtshof Beschluss, 06. Nov. 2000 - II ZR 144/99

bei uns veröffentlicht am06.11.2000

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
II ZR 144/99
vom
6. November 2000
in dem Rechtsstreit
Der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat am 6. November 2000 durch
den Vorsitzenden Richter Dr. h.c. Röhricht und die Richter Dr. Hesselberger,
Prof. Dr. Goette, Dr. Kurzwelly und Kraemer

beschlossen:
Der Antrag des Klägers, den Wert der Beschwer auf über 60.000,-- DM festzusetzen, wird zurückgewiesen.

Gründe:


I.


Die Gesellschafterversammlung der Beklagten, einer GmbH mit einem Stammkapital von 60.000,-- DM, beschloß am 29. September 1997 die Abberufung des Klägers als Geschäftsführer aus wichtigem Grund und anschließend die Bestellung des Herrn G. zum neuen Geschäftsführer. Die Vorinstanzen haben die dagegen gerichtete Klage des Klägers abgewiesen. Das Oberlandesgericht hat Streitwert und Beschwer auf 60.000,-- DM festgesetzt. Der Kläger , der Revision eingelegt hat, beantragt die Heraufsetzung der Beschwer auf über 60.000,-- DM.

II.


Der Antrag ist nicht begründet. Durchgreifende Bewertungsfehler bei der Bemessung der Beschwer nach § 3 ZPO, die eine Heraufsetzung auf mehr als 60.000,-- DM (§ 546 Abs. 1 Satz 1 ZPO) rechtfertigen könnten, sind dem Berufungsgericht nicht unterlaufen. Mit Recht haben die Vorinstanzen hinsichtlich des Streits um die Wirksamkeit der Abberufung des Klägers als Organ der Beklagten die Wertfestsetzung ausschließlich an dem Interesse des Klägers, weiterhin Geschäftsführer der Beklagten zu sein und damit Lenkungs- und Leitungsmacht der Beklagten wieder in die Hand zu bekommen, und an dem gegenteiligen Interesse der Beklagten, ihn von der Geschäftsführung fernzuhalten , ausgerichtet (vgl. auch § 247 Abs. 1 Satz 1 AktG); das Gehaltsinteresse des Abberufenen ist nicht zu berücksichtigen (Sen.Beschl. v. 28. Mai 1990 - II ZR 245/89, GmbHR 1990, 345, 346 m.N.). Für die Bestellung des neuen Geschäftsführers G. , die in unmittelbarem Zusammenhang mit der Abberufung des Klägers steht, weil sie die Berufung eines Nachfolgers zwingend notwendig machte, ergeben sich keine weitergehenden Bemessungskriterien. Ermessensfehlerfrei hat danach das Berufungsgericht als Obergrenze für den Gesamtwert beider Streitgegenstände in Ermangelung sonstiger geeigneter Bewertungskriterien im vorliegenden Fall den Nominalwert des Stammkapitals von 60.000,-- DM angenommen. Ob - wie das Oberlandesgericht hilfsweise erwogen hat - die Beklagte nach dem ausdrücklichen Vortrag des Klägers in beiden Tatsacheninstanzen konkursgefährdet ist, kann dahinstehen, weil aus diesem Umstand hier keine weiterführenden wertrelevanten Gesichtspunkte für die nach § 3 ZPO zu berücksichtigenden Interessen der Parteien hinsichtlich der Bedeutung der Organstellung des Geschäftsführers zu gewinnen sind. Schon deshalb ist es unerheblich, wenn der Kläger nunmehr in Abweichung
von seinem bisherigen Vortrag geltend machen will, im Geschäftsjahr 1996 sei die Geschäftslage der Beklagten wegen eines Jahresgewinns von ca. 28.000,-- DM besser gewesen. Abgesehen davon würde es sich insoweit nicht um neue Tatsachen handeln, auf die der Antrag auf Heraufsetzung der Beschwer gestützt werden könnte, weil die zugrundeliegende, im April 1997 erstellte Bilanz für 1996 dem Kläger bereits vor Klageerhebung bekannt war und er gleichwohl in beiden Rechtszügen die "gerichtsbekannte" bilanzielle Überschuldung der Beklagten vorgetragen hat.
Röhricht Hesselberger Goette
Kurzwelly Kraemer

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Referenzen - Gesetze

Bundesgerichtshof Beschluss, 06. Nov. 2000 - II ZR 144/99 zitiert 4 §§.

Zivilprozessordnung - ZPO | § 3 Wertfestsetzung nach freiem Ermessen


Der Wert wird von dem Gericht nach freiem Ermessen festgesetzt; es kann eine beantragte Beweisaufnahme sowie von Amts wegen die Einnahme des Augenscheins und die Begutachtung durch Sachverständige anordnen.

Zivilprozessordnung - ZPO | § 546 Begriff der Rechtsverletzung


Das Recht ist verletzt, wenn eine Rechtsnorm nicht oder nicht richtig angewendet worden ist.

Aktiengesetz - AktG | § 247 Streitwert


(1) Den Streitwert bestimmt das Prozeßgericht unter Berücksichtigung aller Umstände des einzelnen Falles, insbesondere der Bedeutung der Sache für die Parteien, nach billigem Ermessen. Er darf jedoch ein Zehntel des Grundkapitals oder, wenn dieses Ze

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Der Wert wird von dem Gericht nach freiem Ermessen festgesetzt; es kann eine beantragte Beweisaufnahme sowie von Amts wegen die Einnahme des Augenscheins und die Begutachtung durch Sachverständige anordnen.

Das Recht ist verletzt, wenn eine Rechtsnorm nicht oder nicht richtig angewendet worden ist.

(1) Den Streitwert bestimmt das Prozeßgericht unter Berücksichtigung aller Umstände des einzelnen Falles, insbesondere der Bedeutung der Sache für die Parteien, nach billigem Ermessen. Er darf jedoch ein Zehntel des Grundkapitals oder, wenn dieses Zehntel mehr als 500.000 Euro beträgt, 500.000 Euro nur insoweit übersteigen, als die Bedeutung der Sache für den Kläger höher zu bewerten ist.

(2) Macht eine Partei glaubhaft, daß die Belastung mit den Prozeßkosten nach dem gemäß Absatz 1 bestimmten Streitwert ihre wirtschaftliche Lage erheblich gefährden würde, so kann das Prozeßgericht auf ihren Antrag anordnen, daß ihre Verpflichtung zur Zahlung von Gerichtskosten sich nach einem ihrer Wirtschaftslage angepaßten Teil des Streitwerts bemißt. Die Anordnung hat zur Folge, daß die begünstigte Partei die Gebühren ihres Rechtsanwalts ebenfalls nur nach diesem Teil des Streitwerts zu entrichten hat. Soweit ihr Kosten des Rechtsstreits auferlegt werden oder soweit sie diese übernimmt, hat sie die von dem Gegner entrichteten Gerichtsgebühren und die Gebühren seines Rechtsanwalts nur nach dem Teil des Streitwerts zu erstatten. Soweit die außergerichtlichen Kosten dem Gegner auferlegt oder von ihm übernommen werden, kann der Rechtsanwalt der begünstigten Partei seine Gebühren von dem Gegner nach dem für diesen geltenden Streitwert beitreiben.

(3) Der Antrag nach Absatz 2 kann vor der Geschäftsstelle des Prozeßgerichts zur Niederschrift erklärt werden. Er ist vor der Verhandlung zur Hauptsache anzubringen. Später ist er nur zulässig, wenn der angenommene oder festgesetzte Streitwert durch das Prozeßgericht heraufgesetzt wird. Vor der Entscheidung über den Antrag ist der Gegner zu hören.

Der Wert wird von dem Gericht nach freiem Ermessen festgesetzt; es kann eine beantragte Beweisaufnahme sowie von Amts wegen die Einnahme des Augenscheins und die Begutachtung durch Sachverständige anordnen.