Bundesgerichtshof Beschluss, 19. Juli 2004 - II ZB 7/04
Bundesgerichtshof
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
Gründe:
I. Der Beschwerdeführer ist Vertreter der außenstehenden Aktionäre in einem Spruchverfahren nach § 327 f. AktG. Den ihm zu zahlenden Vorschuß hat das Landgericht auf 3.338,48 € festgesetzt. Mit der Beschwerde hat er einen Vorschuß in Höhe von 58.000,00 € begehrt. Das Oberlandesgericht hat den Vorschuß auf 10.100,00 € erhöht und im übrigen die Beschwerde zurückgewiesen. Dagegen richtet sich das als außerordentliche sofortige Beschwerde bezeichnete Rechtsmittel des Beschwerdeführers.
II. Die Beschwerde ist nicht statthaft.
Nach §§ 327 f., 306, 99 Abs. 3 AktG in der vor dem Inkrafttreten des Spruchverfahrensgesetzes vom 12. Juni 2003 (SpruchG, BGBl. I S. 838) gülti-
gen Fassung wie auch nach § 12 Abs. 2 SpruchG findet gegen die Entscheidungen der Oberlandesgerichte im Spruchverfahren in Abweichung von § 27 FGG keine weitere Beschwerde zum Bundesgerichtshof statt.
Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers ist sein Rechtsmittel auch nicht als außerordentliche Beschwerde wegen greifbarer Gesetzwidrigkeit statthaft. Nach dem Inkrafttreten der Neuregelung des Beschwerderechts durch das Zivilprozeßreformgesetz vom 27. Juli 2001 (BGBl. I S. 1887) hat der Bundesgerichtshof im Anwendungsbereich des § 574 ZPO ein außerordentliches Rechtsmittel wegen greifbarer Gesetzwidrigkeit nicht mehr zugelassen (BGHZ 150, 133; BGH, Beschl. v. 14. November 2002 - IX ZB 442/02; Beschl. v. 23. Juli 2003 - XII ZB 91/03, NJW 2003, 3137, 3138). Ob davon auch das hier einschlägige Verfahren nach dem Gesetz über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit betroffen ist (dagegen Bassenge/Herbst/Roth, FGG 9. Aufl. § 19 Rdn. 16; offen Kahl in Kuntze/Winkler, FGG 15. Aufl. § 19 Rdn. 39), kann offen bleiben. Denn jedenfalls sind die Voraussetzungen für eine außerordentliche Beschwerde wegen greifbarer Gesetzwidrigkeit hier nicht erfüllt (vgl. Sen.Beschl. v. 21. Januar 2002 - II ZB 2/01, ZIP 2002, 403, 404).
Der Gegenstandswert des Verfahrens vor dem Bundesgerichtshof wird auf 47.900,00 € festgesetzt.
Röhricht Goette Kraemer
Strohn Caliebe
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(1) Gegen die Entscheidungen nach § 11 findet die Beschwerde statt. Sie ist durch Einreichung einer Beschwerdeschrift bei dem Beschwerdegericht einzulegen; § 68 Absatz 1 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit ist nicht anzuwenden. Die Beschwerde ist zu begründen.
(2) Die Landesregierung kann die Entscheidung über die Beschwerde durch Rechtsverordnung für die Bezirke mehrerer Oberlandesgerichte einem der Oberlandesgerichte oder dem Obersten Landesgericht übertragen, wenn dies zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung dient. Die Landesregierung kann die Ermächtigung auf die Landesjustizverwaltung übertragen.
(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn
- 1.
dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder - 2.
das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.
(2) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 ist die Rechtsbeschwerde nur zulässig, wenn
- 1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder - 2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.
(3) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 ist die Rechtsbeschwerde zuzulassen, wenn die Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die Zulassung gebunden.
(4) Der Rechtsbeschwerdegegner kann sich bis zum Ablauf einer Notfrist von einem Monat nach der Zustellung der Begründungsschrift der Rechtsbeschwerde durch Einreichen der Rechtsbeschwerdeanschlussschrift beim Rechtsbeschwerdegericht anschließen, auch wenn er auf die Rechtsbeschwerde verzichtet hat, die Rechtsbeschwerdefrist verstrichen oder die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen worden ist. Die Anschlussbeschwerde ist in der Anschlussschrift zu begründen. Die Anschließung verliert ihre Wirkung, wenn die Rechtsbeschwerde zurückgenommen oder als unzulässig verworfen wird.
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
Gründe:
Die Rechtsbeschwerde ist unzulässig, weil sie nicht durch einen beim Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt eingelegt worden ist (§ 78 Abs. 1 ZPO). Die Zivilprozeßordnung ermöglicht es nicht, eine Rechtsbeschwerde durch Erklärung zu Protokoll der Geschäftsstelle zu erheben. § 569 Abs. 3 ZPO gilt nicht für das Rechtsbeschwerdeverfahren (arg. § 575 Abs. 1 ZPO). Auch als außerordentliche Beschwerde wegen "greifbarer Gesetzwidrigkeit" oder der Verletzung von Verfahrensgrundrechten ist die Rechtsbeschwerde nicht statthaft (BGHZ 150, 133 ff.). Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO.Kreft Ganter Raebel
Kayser
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
Gründe:
I.
Das Amtsgericht hat den Beklagten zur Zahlung von Kindesunterhalt verurteilt. Gegen dieses ihm am 15. Dezember 2002 zugestellte Urteil hat der Beklagte am 30. Dezember 2002 "für den Fall der Bewilligung von Prozeßkostenhilfe" Berufung eingelegt und nach Verweigerung der beantragten Prozeßkostenhilfe durch Beschluß vom 24. Januar 2003 mit Schriftsatz vom 3. Februar 2003 erklärt, daß er Berufung nicht einlege. Zuvor hatte der Kläger mit Schriftsatz vom 27. Januar 2003 beantragt, die Berufung zurückzuweisen und ihm für die Abwehr der Berufung Prozeßkostenhilfe zu bewilligen. Diesem Prozeßkostenhilfegesuch gab das Berufungsgericht mit Beschluß vom 28. Januar 2003 statt.Auf Intervention des Bezirksrevisors hob das Berufungsgericht diesen Beschluß mit erneutem Beschluß vom 1. April 2003 wieder auf und verwies zur Begründung auf die Ausführungen des Bezirksrevisors, denen zufolge die Prozeßkostenbewilligung der Aufhebung von Amts wegen unterliege, weil sie ins Leere gehe; die unter einer Bedingung eingelegte Berufung sei nämlich unzulässig , so daß zwischen den Parteien im Zeitpunkt der Bewilligung von Prozeßkostenhilfe kein Verfahren vor dem Berufungsgericht anhängig gewesen sei, für das die Bewilligung von Prozeßkostenhilfe in Betracht komme. Der Anregung des Klägers, den Beschluß vom 1. April 2003 dahingehend zu ergänzen, daß die Rechtsbeschwerde zum Bundesgerichtshof zugelassen wird, gab das Berufungsgericht mit Beschluß vom 29. April 2003 nicht statt. Zu der vom Kläger mit gleichem Schriftsatz erhobenen Gegenvorstellung verhält sich dieser Beschluß nicht. Daraufhin hat der Kläger gegen den Aufhebungsbeschluß vom 1. April 2003 das vorliegende, als außerordentliche Beschwerde bezeichnete Rechtsmittel eingelegt, mit dem er die Wiederherstellung der aufgehobenen Prozeßkostenhilfebewilligung begehrt.
II.
Das Rechtsmittel ist unstatthaft. Als Rechtsbeschwerde ist es nicht zulässig, weil das Berufungsgericht sie nicht zugelassen hat (§ 574 Abs. 1 ZPO). Eine Nichtzulassungsbeschwerde ist nicht eröffnet.Auch als sogenannte außerordentliche Beschwerde wegen greifbarer Gesetzwidrigkeit ist es nicht zulässig. Es kann dahinstehen, ob die Aufhebung der Prozeßkostenhilfebewilligung hier ebenso gesetzwidrig ist wie in dem Fall, der dem Beschluß BGHZ 119, 372, 374 ff. zugrunde lag. Denn nach der Neuregelung des Beschwerderechts ist ein sogenanntes außerordentliches Rechtsmittel zum Bundesgerichtshof nicht mehr statthaft (vgl. BGH, Beschluß vom 7. März 2002 - IX ZB 11/02 - ZIP 2002, 959 f. = BGHZ 150, 133 m. zust. Anm. Prütting EWiR 2002, 835 f.). Hiervon ist entgegen der Auffassung von Zöller/Philippi ZPO 23. Aufl. § 127 Rdn. 41 auch für greifbar gesetzwidrige Entscheidungen im Prozeßkostenhilfeverfahren , gegen die weder die Rechtsbeschwerde zugelassen noch die Nichtzulassungsbeschwerde eröffnet ist, keine Ausnahme zu machen. Das Bundesverfassungsgericht hat sich mit dem Beschluß vom 7. März 2002 befaßt (ZIP 2003, 1102, 1103) und dabei Bedenken gegen diese Rechtsprechung nicht erkennen lassen, sondern lediglich ausgeführt, daß die von der Rechtsprechung bisher für zulässig erachteten außerordentlichen Rechtsbehelfe den rechtsstaatlichen Anforderungen an die Rechtsmittelklarheit nicht genügen (aaO S. 1109 unter C IV 2 b). Zugleich hat es ausgeführt, daß es dem Rechtsstaatsprinzip in Verbindung mit Art. 103 Abs. 1 GG genügt, wenn eine Verfahrensordnung zwar kein Rechtsmittel gegen eine richterliche Entscheidung zuläßt, aber eine anderweitige eigenständige gerichtliche Abhilfemöglichkeit vorsieht, die die Möglichkeit eröffnet, einen Verfahrensverstoß einer einmaligen gerichtlichen Kontrolle zu unterziehen (aaO S. 1107 unter C II 4 und 5). Dazu gehöre auch die Möglichkeit einer Selbstkontrolle der Fachgerichtsbarkeit im Wege einer Gegenvorstellung. Die Einräumung einer Rechtsschutzmöglich-
keit bei einem anderen oder gar höheren Gericht sei dann nicht zwingend geboten (aaO S. 1107 unter C III 1 a). Der Kläger ist daher auf die von ihm bereits erhobene Gegenvorstellung zu verweisen, über die das Berufungsgericht noch nicht entschieden hat.
Hahne Sprick Weber-Monecke Wagenitz Ahlt
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
Gründe:
I.
Der Kläger hat als Gesamtvollstreckungsverwalter über das Vermögen einer GmbH die Beklagten als deren Gesellschafter auf Nachzahlung ausstehender Stammeinlagen in Höhe von 27.500,00 DM und 22.500,00 DM mit der Klage in Anspruch genommen. Gegen das klageabweisende erstinstanzliche Urteil hat der Kläger Berufung eingelegt, diese mit Schriftsatz vom 26. Mai 2000 begründet und mit weiterem Schriftsatz vom selben Tage Prozeßkostenhilfe für die Berufungsinstanz beantragt. In der Berufungsverhandlung vom 5. Juli 2000 haben sich die Parteien - nach Erörterung der Sach- und Rechts-
lage - auf Zahlung eines von den Beklagten gesamtschuldnerisch zu erbringenden Betrages von 20.000,00 DM unter gegenseitiger Kostenaufhebung verglichen. Den Antrag des Klägers auf Prozeûkostenhilfe hat das Berufungsgericht - nach einem bereits anläûlich der Erörterung in der Berufungsverhandlung erfolgten entsprechenden Hinweis - durch Beschluû vom 6. Oktober 2000 mit der Begründung zurückgewiesen, der Kläger sei nach dem Erkenntnisstand zum maûgeblichen Zeitpunkt der Antragsbescheidung in der Lage, aus dem der verwalteten Vermögensmasse zuzurechnenden titulierten Vergleichsbetrag den Teil der Kosten des Berufungsverfahrens zu bestreiten, für den unter Berücksichtigung des Zeitpunkts seiner Antragstellung allenfalls hätte Prozeûkostenhilfe gewährt werden können. Dagegen hat der Kläger Gegenvorstellung erhoben, die er für den Fall ihrer abschlägigen Bescheidung als auûerordentliche Beschwerde an den Bundesgerichtshof behandelt wissen will. Das Oberlandesgericht hat der Gegenvorstellung durch Beschluû vom 15. November 2000 nicht abgeholfen und die Sache dem Bundesgerichtshof zur Entscheidung vorgelegt.
II.
Gegen Entscheidungen der Oberlandesgerichte ist - abgesehen von hier nicht vorliegenden Ausnahmen - eine Beschwerde nicht zulässig (§ 567 Abs. 4 ZPO). Die Voraussetzungen, unter denen die Rechtsprechung ausnahmsweise eine im Gesetz nicht vorgesehene "auûerordentliche Beschwerde" zuläût, sind im vorliegenden Fall nicht erfüllt. Hierzu müûte die angefochtene Entscheidung "greifbar gesetzwidrig", d.h. mit der geltenden Rechtsordnung schlechthin unvereinbar sein, weil sie jeder Grundlage entbehrt und inhaltlich dem Gesetz fremd ist (vgl. Sen.Beschl. v. 7. Juli 1997 - II ZB 7/97, ZIP 1997, 1553 f.
m.w.N.). Dafür fehlen nach Aktenlage zureichende Anhaltspunkte. Soweit das Oberlandesgericht annimmt, dem Kläger sei die Aufbringung der im vorliegenden Fall noch relevanten Kosten des Berufungsverfahrens aus der verwalteten Vermögensmasse möglich (§ 116 Abs. 1 Nr. 1 ZPO), geht es offensichtlich davon aus, daû bezüglich des Einsatzes und der Verwertung des Vermögens auch im Rahmen des § 116 Abs. 1 Nr. 1 ZPO mindestens die Anforderungen des § 115 ZPO anzulegen sind (vgl. Musielak/Fischer, ZPO 2. Aufl. § 116 Rdn. 4 m.N.). Dabei hat zwar nach wohl überwiegender Ansicht in Rechtsprechung und Schrifttum die Forderung, zu deren Durchsetzung Prozeûkostenhilfe begehrt wird, im Rahmen der Vermögensprüfung grundsätzlich auûer Betracht zu bleiben (vgl. Kalthoener/Büttner, Prozeûkostenhilfe und Beratungshilfe Rdn. 234 m.N.), jedoch wird nach teilweise vertretener Auffassung auch die zugesprochene Klageforderung dem in zumutbarer Weise einzusetzenden
Vermögen zugerechnet (vgl. OLG Bamberg, FamRZ 1999, 996, 997 m.N.). Dem hat sich offenbar das Berufungsgericht mit der Erwägung angeschlossen, daû sich mit der Titulierung der Forderung von 20.000,00 DM durch den gerichtlichen Vergleich der entsprechende Zufluû zu dem vom Kläger verwalteten Vermögen abgezeichnet hat. Das ist im Hinblick auf nachträgliche Änderungsmöglichkeiten des Gerichts (§ 120 Abs. 4 ZPO) immerhin konsequent. Damit aber erweist sich die angefochtene Entscheidung jedenfalls nicht als mit der geltenden Rechtsordnung schlechthin unvereinbar.
Röhricht Henze Goette
Kurzwelly Münke