Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
II ZB 31/03
vom
14. März 2005
in dem Rechtsbeschwerdeverfahren
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Eine Begründung der Berufung wird nicht mit einem Schriftsatz bezweckt, wenn
der Berufungskläger zwar einzelne Rügen erhebt, sich aber ausdrücklich die
weitere Prüfung vorbehält, ob das Rechtsmittel überhaupt durchgeführt wird.
ZPO §§ 233 A, 236 B
Die Partei hat ihr fehlendes Verschulden an der Nichteinhaltung einer Frist
durch eine aus sich heraus verständliche Schilderung der tatsächlichen Abläufe
darzulegen.
BGH, Beschluß vom 14. März 2005 - II ZB 31/03 - OLG München
LG München I
Der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat am 14. März 2005 durch
den Vorsitzenden Richter Dr. h.c. Röhricht und die Richter Prof. Dr. Goette,
Dr. Kurzwelly, Münke und Dr. Gehrlein

beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluß des 5. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 25. August 2003 wird auf Kosten des Klägers als unzulässig verworfen.
Beschwerdewert: 42.575,68 €

Gründe:


I. Der Kläger, ein beim Oberlandesgericht München zugelassener Rechtsanwalt, hat gegen das Endurteil des Landgerichts München I vom 23. Januar 2003 fristgerecht Berufung eingelegt. Auf Antrag des Klägers hat das Oberlandesgericht mit Verfügung vom 6. März 2003 die Berufungsbegründungsfrist bis zum 5. Mai 2003 verlängert. Die von dem Kläger am 19. April 2003 in Verbindung mit einem weiteren Antrag auf Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist beantragte Aussetzung des Verfahrens (§ 148 ZPO) hat das Oberlandesgericht mit Beschluß vom 5. Mai 2003 abgelehnt, der dem Kläger am selben Tag fernmündlich bekannt gemacht worden ist. Die abermalige Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist hat das Oberlandesgericht - nach wiederholten Hinweisen an den Kläger über die Notwendigkeit einer Zustimmung der Gegenseite - wegen des Widerspruchs der Beklagten durch Verfü-
gung vom 3. Juni 2003 versagt. Der Kläger hat die Berufungsbegründung in der Nacht vom 5. auf den 6. Mai 2003 per Telefax an das Oberlandesgericht übermittelt ; die Seiten 1 bis 11 sowie die mit der Unterschrift seiner Bevollmächtigten versehene Seite 25 gingen vor Mitternacht, die Seiten 12 bis 24 nach Mitternacht ein. Auf die gerichtliche Mitteilung, die Berufung voraussichtlich als unzulässig zu verwerfen, hat der Kläger am 19. Mai 2003 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist beantragt.
Durch Beschluß vom 25. August 2003 hat das Oberlandesgericht die Berufung des Klägers unter Zurückweisung seines Wiedereinsetzungsantrages als unzulässig verworfen. Dagegen richtet sich die Rechtsbeschwerde des Klägers.
II. Die gemäß §§ 238 Abs. 2, 522 Abs. 1 Satz 4, 574 Abs. 1 Nr. 1 ZPO statthafte Rechtsbeschwerde ist gemäß § 574 Abs. 2 ZPO unzulässig, weil die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung hat noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.
1. Die Würdigung des Oberlandesgerichts, der Schriftsatz des Klägers vom 19. April 2003 sei nicht als Berufungsbegründung zu erachten, steht in Einklang mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung.
Der Berufungsbegründungspflicht ist nicht schon genügt, wenn innerhalb der Begründungsfrist ein Schriftsatz des Berufungsklägers bei Gericht eingeht, der Berufungsrügen im Sinne von § 520 Abs. 3 Nr. 2 bis 4 ZPO enthält. Vielmehr ist erforderlich, daß der Schriftsatz auch zur Begründung bestimmt ist. Dies kann nicht angenommen werden, wenn mit dem Schriftsatz - wie im Streit-
fall - eine Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist beantragt wird (BGH, Beschl. v. 16. Oktober 1985 - VIII ZB 15/85, VersR 1986, 91; BGH, Beschl. v. 13. Juli 1988 - IVa ZR 303/87, VersR 1988, 1163). Davon abgesehen wird in dem Schriftsatz wiederholt dargelegt, daß der Verlängerungsantrag der Prüfung diene, ob die Berufung überhaupt durchgeführt werden solle. Angesichts dieses Vorbehalts verbietet sich die Annahme, daß der Schriftsatz, der zudem - wie das Berufungsgericht zutreffend ausführt - die gebotene Antragstellung vermissen läßt (§ 520 Abs. 3 Nr. 1 ZPO), die Begründung des Rechtsmittels bezweckt.
2. Ebenso entspricht es gefestigten Rechtsprechungsgrundsätzen, daß das Oberlandesgericht nur die bis um 24.00 Uhr des 5. Mai 2003 per Telefax eingegangenen Teile der Berufungsbegründung des Klägers in seine Zulässigkeitsprüfung einbezogen hat (BGH, Beschl. v. 18. November 1999 - III ZR 87/99, NJW 2000, 364; BGH, Beschl. v. 4. Mai 1994 - XII ZB 21/94, NJW 1994, 2097 f.). Die danach berücksichtigungsfähigen Ausführungen genügen nicht den Mindestanforderungen (§ 520 Abs. 3 ZPO) an den Inhalt einer Berufungsbegründung.

a) Der Kläger hat lediglich pauschal Verfahrensfehler des Landgerichts geltend gemacht. Jedoch kann der Begründung die gebotene Darlegung, daß das angefochtene Urteil auf einem dieser Verfahrensmängel beruhen kann, nicht entnommen werden (Musielak/Ball, ZPO 4. Aufl. § 520 Rdn. 32).

b) Auch im Blick auf die von dem Landgericht verneinte Kausalität eines etwaigen Pflichtverstoßes für den von dem Kläger geltend gemachten Schaden fehlt es an einer ordnungsgemäßen Rechtsmittelbegründung. Ist die Klageabweisung hinsichtlich eines prozessualen Anspruchs auf mehrere voneinander unabhängige, selbständig tragende rechtliche Erwägungen gestützt, muß die
Berufungsbegründung geeignet sein, das Urteil insgesamt in Frage zu stellen, weshalb sie für jede der Erwägungen darzulegen hat, warum sie die angefochtene Entscheidung nicht trägt. Andernfalls ist das Rechtsmittel insgesamt unzulässig (BGH, Urt. v. 13. November 1997 - VII ZR 199/96, NJW 1998, 1081 f.; BGH, Urt. v. 15. Juni 1993 - XI ZR 111/92, NJW 1993, 3073 f.; BGH, Beschl. v. 25. Januar 1990 - IX ZB 89/99, NJW 1990, 1184). Das Landgericht hat den fehlenden Kausalzusammenhang auf mehrere eigenständige Umstände - Bedeutungslosigkeit des entfallenen Beherrschungsvertrages für eine Erhöhung des Aktienkurses, mangelnde Vertrautheit des Klägers mit kursbestimmenden Faktoren , kein Rückkauf der Aktien durch den Kläger nach Bekanntwerden der Beendigung des Beherrschungsvertrages trotz unveränderten Aktienkurses - gestützt. Mit diesen einzelnen Erwägungen setzt sich die Berufungsbegründung nicht ansatzweise auseinander.
3. Ferner greift ein Zulassungsgrund nicht ein, soweit das Oberlandesgericht dem Kläger die begehrte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand versagt hat.
Die Partei hat ihr fehlendes Verschulden an der Nichteinhaltung der Frist schlüssig darzulegen (BGH, Beschl. v. 21. Februar 2002 - IX ZA 10/01, NJW 2002, 2180). Durch eine aus sich heraus verständliche, geschlossene Schilderung der tatsächlichen Abläufe ist anzugeben, auf welchen konkreten Umständen die Fristversäumung beruht (Sen.Beschl. v. 17. Mai 2004 - II ZB 22/03, NJW 2004, 2525 f.: "Computer-Absturz"; BGH, Urt. v. 7. März 2002 - IX ZR 235/01, NJW 2002, 2107 f.; BGH, Beschl. v. 14. Juni 1978 - VIII ZB 6/78, VersR 1978, 942). Diesen Anforderungen hat der Kläger nicht genügt.

a) Er hat zur Begründung seines Gesuchs vorgetragen: Seine Bevollmächtigte habe ihm am 5. Mai 2003 eine Diskette übermittelt, auf welcher der von ihm zur Einarbeitung in die Berufungsbegründung vorgesehene Schriftsatz vom 31. Juli 1998 abgespeichert gewesen sei. Die Diskette habe sich nicht öffnen lassen. Vielmehr sei sogar der Entwurf der Berufungsbegründung verschwunden und total verloren gegangen. Stundenlange Bemühungen um eine Wiederherstellung seien erfolglos geblieben. Dadurch sei eine nicht geplante E-Mail-Versendung an seine Bevollmächtigte nötig geworden. Die Datei sei dort wegen einer Überlastung der Sendeanlagen ("Upload") verspätet eingetroffen.

b) Dieser Sachvortrag ist bereits in sich widersprüchlich. Konnte die Diskette nicht geöffnet werden und war überdies die Berufungsbegründung "total" verloren gegangen, war der Kläger aus tatsächlichen Gründen gehindert, Änderungen und Ergänzungen an der Berufungsbegründung vorzunehmen. Erst nach Durchführung etwaiger (objektiv nicht möglicher) Korrekturen hätte für den Kläger Veranlassung bestanden, die Endfassung der Berufungsbegründung an seine Bevollmächtigte zu mailen. Konnten aber Änderung en gar nicht vorgenommen werden, so ist es nicht nachvollziehbar, woraus sich die Notwendigkeit einer "nicht geplanten" und dadurch verzögerten E-Mail-Versendung ergab (vgl. Sen.Beschl. v. 17. Mai 2004 - II ZB 22/03, NJW 2004, 2525 f.: "ComputerAbsturz" ). Bestand andererseits zwischen dem Kläger und seiner Bevollmächtigten E-Mail-Kontakt, hätte er die verlorenen Dateien auf diesem Weg unter Vermeidung "stundenlanger Bemühungen" kurzfristig anfordern können.
Angesichts dieser Unklarheiten ist ein Wiedereinsetzungsgrund nicht schlüssig dargetan.
Röhricht Goette Kurzwelly
Münke Gehrlein

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Zivilprozessordnung - ZPO | § 574 Rechtsbeschwerde; Anschlussrechtsbeschwerde


(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn1.dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder2.das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.§ 542 Ab

Zivilprozessordnung - ZPO | § 520 Berufungsbegründung


(1) Der Berufungskläger muss die Berufung begründen. (2) Die Frist für die Berufungsbegründung beträgt zwei Monate und beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Monaten nach der

Zivilprozessordnung - ZPO | § 233 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand


War eine Partei ohne ihr Verschulden verhindert, eine Notfrist oder die Frist zur Begründung der Berufung, der Revision, der Nichtzulassungsbeschwerde oder der Rechtsbeschwerde oder die Frist des § 234 Abs. 1 einzuhalten, so ist ihr auf Antrag Wieder

Zivilprozessordnung - ZPO | § 238 Verfahren bei Wiedereinsetzung


(1) Das Verfahren über den Antrag auf Wiedereinsetzung ist mit dem Verfahren über die nachgeholte Prozesshandlung zu verbinden. Das Gericht kann jedoch das Verfahren zunächst auf die Verhandlung und Entscheidung über den Antrag beschränken. (2) A

Zivilprozessordnung - ZPO | § 148 Aussetzung bei Vorgreiflichkeit


(1) Das Gericht kann, wenn die Entscheidung des Rechtsstreits ganz oder zum Teil von dem Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses abhängt, das den Gegenstand eines anderen anhängigen Rechtsstreits bildet oder von einer Verwaltungsbehörde

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(1) Der Berufungskläger muss die Berufung begründen.

(2) Die Frist für die Berufungsbegründung beträgt zwei Monate und beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung. Die Frist kann auf Antrag von dem Vorsitzenden verlängert werden, wenn der Gegner einwilligt. Ohne Einwilligung kann die Frist um bis zu einem Monat verlängert werden, wenn nach freier Überzeugung des Vorsitzenden der Rechtsstreit durch die Verlängerung nicht verzögert wird oder wenn der Berufungskläger erhebliche Gründe darlegt.

(3) Die Berufungsbegründung ist, sofern sie nicht bereits in der Berufungsschrift enthalten ist, in einem Schriftsatz bei dem Berufungsgericht einzureichen. Die Berufungsbegründung muss enthalten:

1.
die Erklärung, inwieweit das Urteil angefochten wird und welche Abänderungen des Urteils beantragt werden (Berufungsanträge);
2.
die Bezeichnung der Umstände, aus denen sich die Rechtsverletzung und deren Erheblichkeit für die angefochtene Entscheidung ergibt;
3.
die Bezeichnung konkreter Anhaltspunkte, die Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der Tatsachenfeststellungen im angefochtenen Urteil begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten;
4.
die Bezeichnung der neuen Angriffs- und Verteidigungsmittel sowie der Tatsachen, auf Grund derer die neuen Angriffs- und Verteidigungsmittel nach § 531 Abs. 2 zuzulassen sind.

(4) Die Berufungsbegründung soll ferner enthalten:

1.
die Angabe des Wertes des nicht in einer bestimmten Geldsumme bestehenden Beschwerdegegenstandes, wenn von ihm die Zulässigkeit der Berufung abhängt;
2.
eine Äußerung dazu, ob einer Entscheidung der Sache durch den Einzelrichter Gründe entgegenstehen.

(5) Die allgemeinen Vorschriften über die vorbereitenden Schriftsätze sind auch auf die Berufungsbegründung anzuwenden.

War eine Partei ohne ihr Verschulden verhindert, eine Notfrist oder die Frist zur Begründung der Berufung, der Revision, der Nichtzulassungsbeschwerde oder der Rechtsbeschwerde oder die Frist des § 234 Abs. 1 einzuhalten, so ist ihr auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Ein Fehlen des Verschuldens wird vermutet, wenn eine Rechtsbehelfsbelehrung unterblieben oder fehlerhaft ist.

(1) Das Gericht kann, wenn die Entscheidung des Rechtsstreits ganz oder zum Teil von dem Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses abhängt, das den Gegenstand eines anderen anhängigen Rechtsstreits bildet oder von einer Verwaltungsbehörde festzustellen ist, anordnen, dass die Verhandlung bis zur Erledigung des anderen Rechtsstreits oder bis zur Entscheidung der Verwaltungsbehörde auszusetzen sei.

(2) Das Gericht kann ferner, wenn die Entscheidung des Rechtsstreits von Feststellungszielen abhängt, die den Gegenstand eines anhängigen Musterfeststellungsverfahrens bilden, auf Antrag des Klägers, der nicht Verbraucher ist, anordnen, dass die Verhandlung bis zur Erledigung des Musterfeststellungsverfahrens auszusetzen sei.

(1) Das Verfahren über den Antrag auf Wiedereinsetzung ist mit dem Verfahren über die nachgeholte Prozesshandlung zu verbinden. Das Gericht kann jedoch das Verfahren zunächst auf die Verhandlung und Entscheidung über den Antrag beschränken.

(2) Auf die Entscheidung über die Zulässigkeit des Antrags und auf die Anfechtung der Entscheidung sind die Vorschriften anzuwenden, die in diesen Beziehungen für die nachgeholte Prozesshandlung gelten. Der Partei, die den Antrag gestellt hat, steht jedoch der Einspruch nicht zu.

(3) Die Wiedereinsetzung ist unanfechtbar.

(4) Die Kosten der Wiedereinsetzung fallen dem Antragsteller zur Last, soweit sie nicht durch einen unbegründeten Widerspruch des Gegners entstanden sind.

(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn

1.
dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder
2.
das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.
§ 542 Abs. 2 gilt entsprechend.

(2) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 ist die Rechtsbeschwerde nur zulässig, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.

(3) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 ist die Rechtsbeschwerde zuzulassen, wenn die Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die Zulassung gebunden.

(4) Der Rechtsbeschwerdegegner kann sich bis zum Ablauf einer Notfrist von einem Monat nach der Zustellung der Begründungsschrift der Rechtsbeschwerde durch Einreichen der Rechtsbeschwerdeanschlussschrift beim Rechtsbeschwerdegericht anschließen, auch wenn er auf die Rechtsbeschwerde verzichtet hat, die Rechtsbeschwerdefrist verstrichen oder die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen worden ist. Die Anschlussbeschwerde ist in der Anschlussschrift zu begründen. Die Anschließung verliert ihre Wirkung, wenn die Rechtsbeschwerde zurückgenommen oder als unzulässig verworfen wird.

(1) Der Berufungskläger muss die Berufung begründen.

(2) Die Frist für die Berufungsbegründung beträgt zwei Monate und beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung. Die Frist kann auf Antrag von dem Vorsitzenden verlängert werden, wenn der Gegner einwilligt. Ohne Einwilligung kann die Frist um bis zu einem Monat verlängert werden, wenn nach freier Überzeugung des Vorsitzenden der Rechtsstreit durch die Verlängerung nicht verzögert wird oder wenn der Berufungskläger erhebliche Gründe darlegt.

(3) Die Berufungsbegründung ist, sofern sie nicht bereits in der Berufungsschrift enthalten ist, in einem Schriftsatz bei dem Berufungsgericht einzureichen. Die Berufungsbegründung muss enthalten:

1.
die Erklärung, inwieweit das Urteil angefochten wird und welche Abänderungen des Urteils beantragt werden (Berufungsanträge);
2.
die Bezeichnung der Umstände, aus denen sich die Rechtsverletzung und deren Erheblichkeit für die angefochtene Entscheidung ergibt;
3.
die Bezeichnung konkreter Anhaltspunkte, die Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der Tatsachenfeststellungen im angefochtenen Urteil begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten;
4.
die Bezeichnung der neuen Angriffs- und Verteidigungsmittel sowie der Tatsachen, auf Grund derer die neuen Angriffs- und Verteidigungsmittel nach § 531 Abs. 2 zuzulassen sind.

(4) Die Berufungsbegründung soll ferner enthalten:

1.
die Angabe des Wertes des nicht in einer bestimmten Geldsumme bestehenden Beschwerdegegenstandes, wenn von ihm die Zulässigkeit der Berufung abhängt;
2.
eine Äußerung dazu, ob einer Entscheidung der Sache durch den Einzelrichter Gründe entgegenstehen.

(5) Die allgemeinen Vorschriften über die vorbereitenden Schriftsätze sind auch auf die Berufungsbegründung anzuwenden.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
IX ZA 10/01
vom
21. Februar 2002
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
ZPO §§ 233 Ha, 234 Abs. 1 A
Wenn die rechtzeitige Vornahme einer fristwahrenden Handlung - wie die Einlegung
der Revision - wegen des wirtschaftlichen Unvermögens einer Partei unterbleibt, ist
die Frist unverschuldet versäumt, sofern die Partei bis zu deren Ablauf um Bewilligung
der Prozeßkostenhilfe nachsucht oder - im Falle eines fehlenden Verschuldens
- der Antrag auf Prozeßkostenhilfe noch später (in der Frist des § 234 ZPO)
gestellt wird.
BGH, Beschluß vom 21. Februar 2002 - IX ZA 10/01 - OLG Brandenburg
LG Neuruppin
Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch den Vorsitzenden Richter
Dr. Kreft und die Richter Stodolkowitz, Dr. Ganter, Raebel und Kayser
am 21. Februar 2002

beschlossen:
Der Antrag auf Bewilligung von Prozeûkostenhilfe wird abgelehnt.

Gründe:


Der Antrag der Klägerin, ihr zur Durchführung der Revision gegen das Urteil des 7. Zivilsenats des Brandenburgischen Oberlandesgerichts vom 1. August 2001 Prozeûkostenhilfe zu gewähren, wird zurückgewiesen, weil die Rechtsverfolgung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (§ 114 ZPO).
Die Zulässigkeit der angekündigten, aber noch nicht eingelegten Revision scheitert daran, daû die Antragstellerin die Frist des § 552 ZPO a.F. für die Einlegung der Revision nicht gewahrt, innerhalb dieser Frist keinen Prozeûkostenhilfeantrag angebracht hat und diese Verspätung auch nicht unverschuldet ist (§ 233 ZPO).
1. Wenn die rechtzeitige Vornahme einer fristwahrenden Handlung - wie hier die Einlegung der Revision - wegen des wirtschaftlichen Unvermögens einer Partei unterbleibt, so ist die Frist unverschuldet versäumt, sofern die Partei bis zu deren Ablauf um Bewilligung der Prozeûkostenhilfe nachsucht
oder - im Falle eines fehlenden Verschuldens - der Antrag auf Prozeûkostenhilfe noch später (innerhalb der Frist des § 234 ZPO) gestellt wird (vgl. Stein/Jonas/Roth, ZPO, 21. Aufl., § 233 Rn. 77, Stichwort: Prozeûkostenhilfe; § 234 Rn. 7). Diese Erweiterung gegenüber dem Grundsatz, der Rechtsmittelführer müsse innerhalb der Rechtsmittelfrist um die Bewilligung der Prozeûkostenhilfe - gestützt auf einen vollständigen Antrag - nachsuchen (vgl. BGH, Beschl. v. 16. Dezember 1997 - VI ZB 48/97, NJW 1998, 1230, 1231; v. 24. Juni 1999 - IX ZB 30/99, NJW 1999, 2823), ist gerechtfertigt. Andernfalls würde die unbemittelte Partei entgegen den anerkannten verfassungsrechtlichen Vorgaben im Vergleich zur bemittelten Partei unverhältnismäûig benachteiligt.
2. Nach dem Inhalt ihres Antrages vom 2. Oktober 2001 ist ein eigenes Verschulden der Antragstellerin, das in einer mangelhaften Büroorganisation liegen kann, nicht ausgeräumt.

a) Sie hat ihren "Wiedereinsetzungsantrag" im Kern wie folgt begründet:
Der Prozeûkostenhilfeantrag sei am 18. September 2001 (Dienstag) von ihr per Post zur Absendung gebracht worden. Durch ein Büroversehen sei der Brief unzureichend frankiert gewesen, so daû der Bundesgerichtshof am 20. September 2001 (Donnerstag) die Annahme verweigert habe und der Schriftsatz zurückgesandt worden sei. Dies ergebe sich aus der Kopie des verwendeten Briefumschlags. Bei ihr sei der Antrag am 27. September 2001 wieder eingegangen. Zu diesem Zeitpunkt sei die Berufungsfrist (21. September 2001, Freitag) bereits abgelaufen gewesen. Entgegen den erteilten allgemeinen Anweisungen habe die zuständige Bürokraft, Frau W., die
Frist im Fristenkalender gestrichen, ohne zuvor eine telefonische Bestätigung über den Eingang des Schriftsatzes einzuholen. Frau W. habe die Frankierung einer Auszubildenden übertragen, die den Umschlag unzureichend frankiert habe. Deren Arbeiten hätte Frau W. zu überwachen und zu kontrollieren gehabt. Dennoch habe Frau W. die unzureichende Frankierung durch die Auszubildende nicht bemerkt. Die durch sie verursachte Fristversäumung infolge fehlender Kontrolle der Frankierung sowie telefonischer Eingangskontrolle sei bislang einmalig geblieben.

b) Die Voraussetzungen für eine Wiedereinsetzung liegen danach nicht vor; ein mögliches Organisationsverschulden ist nicht ausgeräumt.
aa) Unschädlich ist es, daû die Klägerin den unterfrankierten Prozeûkostenhilfeantrag mit dem Zusatz "Rechtsanwalt als Verwalter" unterzeichnet hat. Denn die besonderen prozessualen Zurechnungsnormen für das Verschulden des gesetzlichen Vertreters der Partei (§ 51 Abs. 2 ZPO) und seines Bevollmächtigten (§ 85 Abs. 2 ZPO) im Rahmen der Prozeûführung sind abschlieûend. Vertreter des Bevollmächtigten fallen nach allgemeiner Rechtsauffassung nur unter diese Vorschriften, wenn sie in eigenverantwortlicher Weise für die Partei in einem Rechtsstreit tätig werden. Dazu gehört insbesondere das Büropersonal nicht, weil die ZPO keine dem § 278 BGB entsprechende Vorschrift kennt (BAG NJW 1990, 2707; Zöller/Vollkommer, ZPO, 22. Aufl., § 85 Rn. 20; Zöller/Greger aaO, § 233 Rn. 20).
Der ursprüngliche - unterfrankierte - Prozeûkostenhilfeantrag vom 18. September 2001 genügte auch den Anforderungen, die der Bundesgerichtshof in ständiger Rechtsprechung an ein vollständiges Prozeûkostenhilfe-
gesuch stellt (vgl. BGH, Beschl. v. 13. Januar 1999 - XII ZB 166/98, VersR 2000, 252 f; v. 12. Juni 2001 - XI ZR 161/01, MDR 2001, 1312 f = VersR 2001, 1305). Insbesondere wird unter Bezugnahme auf der Antragsschrift beigefügte Anlagen die Masseunzulänglichkeit im einzelnen dargelegt. Von der Verwendung des Vordrucks stellt § 1 Abs. 2 PKHVV vom 17. Oktober 1994 (BGBl. I 3001) den Verwalter als Partei kraft Amtes frei.
bb) Die Antragstellerin hat aber ein mögliches Organisations- und Überwachungsverschulden nicht dadurch ausgeräumt, daû sie den doppelten Fehler ihrer Sekretärin als "einmaliges Versehen" dargestellt und das Vorhandensein von allgemeinen Anweisungen zur Ausgangs- und Fristenkontrolle behauptet hat.
Zunächst fällt auf, daû sich aus dem glaubhaft gemachten Vorbringen der Antragstellerin kein einer Beweisaufnahme zugänglicher Ablauf der Ereignisse im Hinblick auf die Frankierung und Absendung des Prozeûkostenhilfeantrags ergibt. Dies beginnt schon damit, daû die Antragstellerin eingangs vorträgt , daû sie ("die Antragstellerin") den Prozeûkostenhilfeantrag, der einschlieûlich Anlagen aus 75 Seiten bestanden habe, "per Post zur Absendung gebracht" habe. Frankiert war der Brief mit 3 DM. Wenn dies wörtlich zu nehmen ist, hätte der Antragstellerin möglicherweise selbst auffallen müssen, daû die Sendung die Gewichtsgrenze von 500 g für den "Maxibrief", der - wie geschehen - mit 3 DM zu frankieren ist, deutlich überschritt. Sie hätte deshalb darlegen müssen, welches Gewicht die streitgegenständliche Sendung tatsächlich hatte, woran es fehlt. Aus der vorgelegten Kopie des verwendeten Umschlags geht hervor, daû auf dem Umschlag ein Gewicht von 822 g notiert worden ist. Diese erhebliche Gewichtsüberschreitung hätte für die Antragstelle-
rin, falls sie den Brief persönlich in den Händen gehalten hätte, Anlaû sein müssen, ihren Überwachungspflichten gegenüber dem Büropersonal nachzukommen und das Porto zu überprüfen. Schon deshalb kann von einem fehlenden Verschulden, welches von der Prozeûpartei darzutun und glaubhaft zu machen ist, nicht ausgegangen werden.
Die streitgegenständliche Sendung ist Mitte September des Jahres 2001 zur Post gegeben worden, mithin zu Beginn des Lehrjahres. In dem Wiedereinsetzungsantrag fehlen jegliche Angaben zu der Identität, dem Ausbildungsstand und der Zuverlässigkeit der Kraft, welche die Frankierung vorgenommen hat; sie wird lediglich als "Auszubildende" bezeichnet. Der Bundesgerichtshof hat in der Vergangenheit bereits erhebliche Zweifel daran geäuûert, ob eine Auszubildende im dritten Lehrjahr schon als bewährte Bürokraft angesehen werden kann (Beschl. v. 22. Dezember 1983 - VII ZR 17/83, VersR 1984, 240). Jedenfalls ist der Umfang der Überwachungs- und Kontrollpflichten, die die Antragstellerin zu organisieren hatte, maûgebend davon abhängig, über welchen Ausbildungsstand die zu Hilfsarbeiten herangezogene Auszubildende verfügte. Mit der floskelhaften Bemerkung in der Antragsschrift, die Sekretärin, Frau W., sei auch dafür zuständig, unterzeichnete Schriftsätze zur Aufgabe an die Post mit Briefumschlägen zu versehen und entsprechend zu frankieren sowie , falls sie einfache Tätigkeiten dieser Art Auszubildenden übertrage, deren Arbeiten zu überwachen und zu kontrollieren, kann die Antragstellerin ein mögliches Organisationsverschulden bezüglich der Auszubildenden nicht ausräumen. Es bleibt völlig offen, ob diese am Anfang ihrer Ausbildung stand und ob sie mit der Entgeltordnung der Post überhaupt vertraut war. War sie unerfahren , hätte die Antragstellerin durch entsprechende Anordnungen sicherstellen müssen, daû die Arbeiten der Auszubildenden nicht nur stichprobenhaft über-
prüft wurden. Bei Fehlen derartiger, auf die konkrete Auszubildende bezogener Anordnungen war die Büroorganisation nicht ausreichend. Alles das läût die Antragsschrift im Dunkeln. Ob die namentlich nicht bezeichnete Auszubildende in der Vergangenheit zuverlässig gearbeitet hat oder aber ob ihr laufend Fehler unterlaufen sind, wird gleichfalls weder dargelegt noch glaubhaft gemacht.
Schlieûlich fehlt bezüglich der Fristenführung ein zusammenhängender, auf den hier zu beurteilenden Fall zugeschnittener Sachvortrag. Es bleibt offen, zu welchem Zeitpunkt die Frist im Fristenbuch gestrichen worden ist und wie die Handhabung der Fristenstreichung generell aussah. Es wird nicht einmal vorgetragen und glaubhaft gemacht, daû Frau W. regelmäûig nach der Anweisung gehandelt hat, eine Frist erst zu streichen, wenn über den Eingang des Schriftsatzes Gewiûheit bestand.
Die Nachholung dieser fehlenden Angaben nach Ablauf der Frist des § 234 ZPO ist nicht möglich (vgl. BGH, Beschl. v. 5. Oktober 1999 - VI ZB 22/99, NJW 2000, 365, 366). Die Klägerin müûte zu ihrer Büroorganisation und zu den Ereignissen am 18. September 2001 einen geschlossenen Sachverhalt vortragen. Daran fehlt es. Hieran war die Antragstellerin auch nicht nach § 139 ZPO zu erinnern. Die Schilderung der Antragstellerin vermeidet es, die entscheidenden Punkte anzusprechen. Daran ist sie festzuhalten.
3. Da die Voraussetzungen der Wiedereinsetzung im Rahmen des Prozeûkostenhilfeverfahrens inzident zu prüfen waren, hat der weitere Antrag der Antragstellerin, ihr in die am 21. September 2001 abgelaufene Frist für die Revision Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, keine selbständi-
ge Bedeutung. Von einer förmlichen Bescheidung dieses Antrages hat der Senat
deshalb abgesehen. Im übrigen hätte der Antrag in der Form der versäumten Prozeûhandlung (Revision) gestellt und mit der Nachholung der Prozeûhandlung verbunden werden müssen (vgl. § 236 Abs. 1 und 2 Satz 2 ZPO).
Kreft Stodolkowitz Ganter Raebel Kayser

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
II ZB 22/03
vom
17. Mai 2004
in der Rechtsbeschwerdesache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja

a) Wird ein Wiedereinsetzungsantrag auf die unerwartet lange Dauer einer Telefaxübermittlung
gestützt, hat das Gericht die zum Vergleich vorgelegten
Sendeberichte zu würdigen (vgl. BGH, Beschl. v. 1. Februar 2001 - V ZB
33/00, NJW-RR 2001, 916).

b) Ein auf einen vorübergehenden "Computer-Defekt" oder "Computer-Absturz"
gestützter Wiedereinsetzungsantrag bedarf näherer Darlegungen zur Art des
Defekts und seiner Behebung.
BGH, Beschluß vom 17. Mai 2004 - II ZB 22/03 - OLG München
LG München I
Der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat am 17. Mai 2004 durch
die Richter Prof. Dr. Goette, Kraemer, Münke, Dr. Strohn und Caliebe

beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde des Klägers wird der Beschluß des 23. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 23. Juli 2003 aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Oberlandesgericht zurückverwiesen.

Gründe:


I. Die von dem Kläger einzuhaltende Berufungsbegründungsfrist lief am 3. März 2003 ab. Die letzte, u.a. die Unterschrift des Prozeßbevollmächtigten des Klägers enthaltende Seite der per Fax an das Oberlandesgericht übermittelten Berufungsbegründung wurde nach den automatischen Aufzeichnungen des Empfangsgerätes, das über eine funkgesteuerte Zeitmessung verfügt, am 4. März 2003 00.01 Uhr empfangen und elektronisch abgespeichert. Die Übertragungszeit für 34 Seiten betrug nach dem Sendebericht des Klägers 17,51 Min., nach den Aufzeichnungen des Empfangsgeräts 17,55 Min., bei einer Übertragungsgeschwindigkeit von 9.600 Baud. Kurz darauf wurden 2 von bisher fehlenden 5 Seiten der insgesamt 39 seitigen Berufungsbegründung
nachübermittelt und von dem Empfangsgerät um 00.05 Uhr abgespeichert. Der Kläger meint, der Text der nur knapp halbseitig beschriebenen S. 39 mit der Unterschrift müsse von dem Empfangsgerät vor 00.00 Uhr empfangen worden sein. Hilfsweise hat der Kläger, der Rechtsanwalt ist, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt und dazu vorgetragen, er habe die Berufungsbegründung am 3. März vor 24.00 Uhr in der Kanzlei seines Prozeßbevollmächtigten selbst "(fertig-)geschrieben". Dieser habe sie nach Prüfung unterzeichnet. Sie habe wegen eines "nicht nachvollziehbaren Computerdefektes (Abstürzen der Anlage)" erst um 23.40 Uhr mit ca. 1,5 Std. Verspätung ausgedruckt werden können. Der Defekt der seit mindestens 1,5 Jahren störungsfrei arbeitenden Computeranlage sei nicht vorhersehbar gewesen. Im übrigen hätten der Kläger und sein Prozeßbevollmächtigter aufgrund ihrer bisherigen, durch vorgelegte Sendeberichte belegten Erfahrungen darauf vertraut, daß nicht nur ca. 2, sondern knapp 4 Seiten/Min. "durchgefaxt" werden könnten. Mit der ungewöhnlich langen Übertragungsdauer hätten sie nicht rechnen müssen. Die Richtigkeit dieses Vortrags haben beide anwaltlich versichert.
Das Berufungsgericht hat die Berufungsbegründung für verspätet erachtet und die Berufung des Klägers unter Zurückweisung seines Wiedereinsetzungsantrages als unzulässig verworfen. Dagegen richtet sich die Rechtsbeschwerde des Klägers.
II. Die Rechtsbeschwerde ist gemäß §§ 238 Abs. 2, 522 Abs. 1 Satz 4, 574 Abs. 1 Nr. 1 ZPO statthaft und auch im übrigen gemäß § 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO zulässig, weil die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.
1. Soweit das Berufungsgericht den Eingang der Berufungsbegründung für verspätet erachtet hat, wird dies von dem Beschwerdeführer nicht gemäß § 575 Abs. 3 Nr. 2, 3 ZPO gerügt. Eine Prüfung von Amts wegen findet insoweit in vorliegenden Rechtsbeschwerdeverfahren nicht statt, weil dessen Gegenstand allein die gegen den Verwerfungsbeschluß des Berufungsgerichts erhobenen Rügen sind (vgl. BGH, Beschl. v. 18. September 2003 - IX ZB 40/03, Umdr. S. 6, 7). Im übrigen ist die angefochtene Entscheidung in diesem Punkt auch nicht zu beanstanden, weil der Kläger den von ihm zu führenden Nachweis des rechtzeitigen Eingangs seiner Berufungsbegründung mit der die Unterschrift seines Prozeßbevollmächtigten enthaltenden letzten Seite nicht geführt hat und eine Störung des Empfangsgerätes oder eine im technischen Verantwortungsbereich der Empfangsstelle liegende Ungenauigkeit der Zeitmessung nicht ersichtlich ist (vgl. BGH, Beschl. v. 4. Mai 1994 - XII ZB 21/94, WM 1994, 1349). Daß gemäß der vorliegenden Praxis des Oberlandesgerichts München der Zeitpunkt des nächtlichen Eingangs von Faxsendungen wegen der Verwendung eines mit Faxkarte ausgestatteten PC nicht nach demjenigen ihres Ausdrucks, sondern ihrer elektronischen Speicherung bestimmt wird und der Ausdruck regelmäßig erst am nächsten Morgen erfolgt, gereicht dem Kläger jedenfalls nicht zum Nachteil.
2. Das Berufungsgericht meint, die für die Faxübermittlung benötigte Zeit von 17,55 Min. sei für den Kläger oder dessen Prozeßbevollmächtigten vorhersehbar gewesen und ergebe daher keinen Wiedereinsetzungsgrund i.S. von § 233 ZPO. Die Sendezeit hänge von der Zahl der übermittelten Signale, d.h. der Schriftzeichen, ab. Die vorgetragene Differenz von 2 gegenüber 3 Seiten /Min. (= Minimaldifferenz) halte sich im erwartbaren Variationsbereich und sei als Sicherheitskarenz zu berücksichtigen gewesen.
Diese Begründung steht mit den im Beschluß des Bundesgerichtshofs vom 1. Februar 2001 (V ZB 33/00, NJW-RR 2001, 916) aufgestellten Grundsätzen nicht in Einklang und verkürzt den Anspruch des Klägers auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes (Art. 2 Abs. 1 GG), was die Rechtsbeschwerde nach § 574 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 ZPO eröffnet (vgl. BGHZ 151, 221; BGH, Beschl. v. 30. April 2003 - V ZB 71/02, NJW 2003, 2388). Abgesehen davon, daß der Kläger eine Differenz von mehr als 1 Seite/Min. geltend gemacht hat, hätte das Berufungsgericht nach dem Beschluß vom 1. Februar 2001 aaO prüfen müssen , ob die mit dem Wiedereinsetzungsantrag und später zur Glaubhaftmachung (§ 236 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 ZPO) vorgelegten Sendeberichte nach Art und Empfänger der Sendungen mit der hier maßgeblichen Sendung vergleichbar sind. Den Ausführungen des Berufungsgerichts ist nicht zu entnehmen, worauf sich seine Annahme stützt, die vorgetragene Differenz von 2 zu ca. 3,5 Seiten/Min. (75 %) halte sich im vorhersehbaren Variationsbereich (vgl. auch BVerfG, Beschl. v. 25. September 2000 - 1 BvR 2104/99, NJW 2001, 1566 f.). Dies hängt, wie bei dem erkennenden Senat gerichtsbekannt ist, nicht nur von der Anzahl der übermittelten (mit den Schriftzeichen nicht identischen) Signale, sondern auch von der zu erwartenden Übertragungsgeschwindigkeit ab. Andererseits schließt das nicht aus, daß bei der Faxübermittlung eine gewisse Zeitreserve einzukalkulieren ist (vgl. BVerfG, Beschl. v. 19. November 1999 - 2 BvR 565/98, NJW 2000, 574).
Eine eigene Sachentscheidung hierüber ist dem Senat verwehrt, weil es dazu noch tatrichterlicher Feststellungen bedarf (§ 577 Abs. 4 ZPO).
3. Zugunsten des Klägers zu entscheiden (§ 577 Abs. 5 ZPO) ist die Sache nicht schon im Hinblick auf den von ihm zusätzlich geltend gemachten Wiedereinsetzungsgrund des "plötzlichen Abstürzens der Computeranlage".
Das Berufungsgericht hat das Vorbringen des Klägers hierzu im Ergebnis zu Recht für nicht hinreichend erachtet, um eine Wiedereinsetzung gemäß § 233 ZPO zu rechtfertigen. Darin liegt - entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde - keine Divergenz gegenüber dem Beschluß des Bundesgerichtshofs vom 4. Mai 1994 (XII ZB 21/94, NJW 1994, 2097 f. zu 4). Denn dort konnte offenbleiben , ob ein entsprechender Sachvortrag ausreicht, weil er zum einen verspätet vorgebracht (§§ 234 Abs. 1, 236 Abs. 2 ZPO) und zum anderen nicht glaubhaft gemacht (§ 236 Abs. 2 ZPO) war. Das Berufungsgericht vermißt zu Recht den Vortrag der näheren Umstände des angeblichen Computerdefekts. Insbesondere fehlt jeglicher Vortrag dazu, wann, wie oder bei welcher Verrichtung sich der "nicht nachvollziehbare" Computerdefekt bemerkbar machte und wie es dennoch gelang, ihn nach 1,5 Std. bis 23.40 Uhr wieder zu beheben. Unklar ist weiter, ob mit dem "Abstürzen" ein (teilweiser) Verlust des bisher geschriebenen Textes verbunden war oder z.B. schlicht die Druckerfunktion nicht in Gang gesetzt werden konnte. In diesem Zusammenhang wäre gerade auch Vortrag dazu erforderlich gewesen, ob der Kläger und/oder sein Prozeßbevollmächtigter in die Bedienung des Computers und des Druckers so eingeübt waren , daß sie diese bei ihrer nächtlichen Arbeit ohne Schreibkraft sicher bedienen konnten.
4. Nach allem hängt die Entscheidung der Sache davon ob, ob der Kläger unter den gegebenen Umständen noch mit einer fristgerechten Faxübermittlung rechnen durfte (vgl. oben 2). Zu weiterer Aufklärung dieser Frage ist die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 577 Abs. 4 Satz 1 ZPO).
Goette Kraemer Münke Strohn Caliebe