vorgehend
Amtsgericht Wedding, 34 M 8029/05, 24.03.2005
Landgericht Berlin, 81 T 309/05, 13.06.2005

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
I ZB 81/05
vom
16. Juli 2009
in dem Zwangsvollstreckungsverfahren
Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 16. Juli 2009 durch den Vorsitzenden
Richter Prof. Dr. Bornkamm und die Richter Prof. Dr. Büscher, Dr. Schaffert,
Dr. Kirchhoff und Dr. Koch

beschlossen:
Es wird festgestellt, dass das Rechtsbeschwerdeverfahren in der Hauptsache erledigt ist.
Die Kosten des Erinnerungs-, des Beschwerde- und des Rechtsbeschwerdeverfahrens tragen die Schuldner.
Der Gegenstandswert der Rechtsbeschwerde wird auf 1.500 Euro festgesetzt.

Gründe:


1
I. Die Schuldner waren durch Versäumnisurteil des Amtsgerichts Wedding vom 27. Januar 2005 verurteilt, die Wohnung K. straße Berlin, zu räumen und geräumt herauszugeben.
2
Die Gläubiger erteilten dem Gerichtsvollzieher zunächst einen Auftrag zur Herausgabe - und Räumungsvollstreckung. Der Gerichtsvollzieher forderte für die Räumung dieser und einer weiteren Wohnung (Parallelverfahren I ZB 80/05) einen Kostenvorschuss in Höhe von 4.000 € an. Darauf beschränkten die Gläubiger den Vollstreckungsauftrag zur Vermeidung von Kosten auf die Herausgabe der Wohnungen und machten von ihrem Vermieterpfandrecht an sämtlichen in den Wohnungen befindlichen Sachen Gebrauch. Sie sahen einen Kostenvorschuss in Höhe von 500 € je Wohnung als ausreichend an. Der Gerichtsvollzieher weigerte sich, den beschränkten Vollstreckungsauftrag durchzuführen, weil er von dem Vorhandensein von unpfändbaren Sachen der Schuldner in den Wohnungen ausging.
3
Die gegen diese Weigerung eingelegte Erinnerung hat das Amtsgericht zurückgewiesen. Die dagegen gerichtete sofortige Beschwerde der Gläubiger hat das Landgericht zurückgewiesen. Hiergegen hat sich die zugelassene Rechtsbeschwerde gerichtet.
4
Zwischenzeitlich haben die Gläubiger den Besitz an der Mietsache durch einen gesonderten Vollstreckungsauftrag zurückerlangt und das Rechtsbeschwerdeverfahren in der Hauptsache für erledigt erklärt. Die Schuldner haben sich der Erledigungserklärung nicht angeschlossen.
5
II. Die gemäß § 574 Abs. 1 Nr. 2 ZPO statthafte Rechtsbeschwerde war zum Zeitpunkt des erledigenden Ereignisses zulässig und begründet. Erledigendes Ereignis ist die Räumung der Wohnung durch gesonderten Vollstreckungsauftrag und die Besitzerlangung durch die Gläubiger.
6
1. Das Beschwerdegericht hat angenommen, dass eine isolierte Herausgabevollstreckung gesetzlich nicht geregelt und damit nicht rechtmäßig sei. Sie liefe dem Herausgabeanspruch des Schuldners nach § 885 Abs. 3 Satz 2 ZPO zuwider. In § 885 Abs. 2 bis 4 ZPO sei vorgesehen, dass der Gerichtsvollzieher die Fortschaffung der dort genannten Sachen zu veranlassen und unpfändbare Sachen ohne weiteres an die Schuldner auf deren Verlangen herauszugeben habe. Der Gerichtsvollzieher habe zu prüfen, auf welche Sachen sich das Vermieterpfandrecht erstrecke. Diese Sachen habe er in der Wohnung zu belassen, während er die unpfändbaren Sachen einzulagern und gegebenenfalls an die Schuldner herauszugeben habe. Dieser Herausgabeanspruch der Schuldner werde vereitelt, wenn der Gerichtsvollzieher sämtliche Sachen in der Wohnung belassen müsse. Nach der Lebenserfahrung befänden sich in fast jeder Wohnung Sachen, die wegen Unpfändbarkeit von dem Vermieterpfandrecht nicht betroffen seien. Deshalb habe der Gerichtsvollzieher zu Recht die durch die Räumung mit Hilfe eines Transportunternehmens entstehenden Kosten bei der Bestimmung der Höhe des Vorschusses berücksichtigt.
7
2. Der von dem Gerichtsvollzieher verlangte, 500 € übersteigende Kostenvorschuss ist nicht gerechtfertigt, weil er die Kosten für die Räumung der Wohnung einschließlich Kosten für das Wegschaffen der beweglichen Sachen der Schuldner umfasst , obwohl die Gläubiger die Zwangsvollstreckung zulässigerweise auf eine Herausgabe der Wohnungen beschränkt haben.
8
Der Senat hat nach Erlass des angefochtenen Beschlusses entschieden, dass die Gläubiger die Zwangsvollstreckung nach § 885 ZPO auf die Herausgabe der Wohnung beschränken können, wenn sie an sämtlichen in den Räumen befindlichen Gegenständen ein Vermieterpfandrecht geltend machen (BGH, Beschl. v. 17.11.2005 – I ZB 45/05, NJW 2006, 848; Beschl. v. 10.8.2006 – I ZB 135/05, NJW 2006, 3273; zustimmend Kellner, Grundeigentum 2006, 95, 96; Körner, ZMR 2006, 201; ablehnend Flatow, NJW 2006, 1396; dies., NJW 2006, 3274; Seip, DGVZ 2006, 24).
9
Das Vermieterpfandrecht hat – worauf der Senat zur Begründung seiner Entscheidung hingewiesen hat – Vorrang gegenüber der in § 885 Abs. 2 und 3 Satz 1 ZPO bestimmten Entfernung der beweglichen Sachen, die nicht Gegenstand der Zwangsvollstreckung sind. Der Gerichtsvollzieher hat nicht zu prüfen, ob die bei Durchführung der Herausgabevollstreckung in der Wohnung befindlichen Gegenstände vom Vermieterpfandrecht erfasst werden. Er ist als Vollstreckungsorgan grundsätzlich nicht für die Klärung materiell-rechtlicher Ansprüche der Parteien im Rahmen der Zwangsvollstreckung zuständig. Dies gilt auch für die Frage, ob die in Rede stehenden Gegenstände wegen Unpfändbarkeit nach § 562 Abs. 1 Satz 2 BGB dem Vermieterpfandrecht unterliegen oder nicht. Auch hierüber haben bei Streit der Parteien die Gerichte und nicht die Vollstreckungsorgane zu entscheiden (BGH NJW 2006, 848 Tz. 14; NJW 2006, 3273 Tz. 11 ff.).
10
Wird ein Vermieterpfandrecht geltend gemacht, werden die schutzwürdigen Belange des Vollstreckungsschuldner nicht in einem Ausmaß betroffen, dass von einer auf die Herausgabe begrenzten Zwangsvollstreckung abzusehen ist (dazu im Einzelnen BGH NJW 2006, 848 Tz. 15 f.; NJW 2006, 3273 Tz. 12 ff. m.w.N.). Der Schuldner ist zunächst dadurch geschützt, dass er die unpfändbaren, dem Vermieterpfandrecht nach § 562 Abs. 1 Satz 2 BGB nicht unterliegenden Gegenstände vor Durchführung der Herausgabevollstreckung aus der noch in seinem Besitz befindlichen Wohnung entfernen kann. Auch steht dem Schuldner der Vollstreckungsschutz nach § 765a ZPO zur Verfügung. Im Anschluss an die Herausgabevollstreckung hat der Gläubiger dem Schuldner auf Verlangen die dem Vermieterpfandrecht nicht unterliegenden Gegenstände herauszugeben. Kommt er dieser Pflicht nicht nach, ist er nach Maßgabe der § 280 Abs. 1, § 823 Abs. 1 BGB zum Schadensersatz verpflichtet.
11
Dies gilt grundsätzlich auch, wenn sich ein Schuldner – wie der Schuldner zu 2 – zur Zeit der Herausgabevollstreckung in Strafhaft befindet. Er muss die unpfändbaren Gegenstände nicht persönlich aus der Wohnung entfernen, sondern kann damit auch einen Dritten beauftragen. Der Vollstreckungsschutz nach § 765a ZPO kann auch von einem in Strafhaft befindlichen Schuldner geltend gemacht werden, ebenso ein ihm nach einer Herausgabevollstreckung möglicherweise zustehender Herausgabeanspruch , der sich auf dem Vermieterpfandrecht nicht unterliegende, im Besitz der Gläubiger befindliche Gegenstände bezieht. Besondere Umstände, die zu einer abweichenden Beurteilung führen könnten, sind nicht ersichtlich.
12
3. Das Rechtsbeschwerdeverfahren ist in der Hauptsache erledigt. Die Gläubiger haben den Besitz an der Mietsache im Wege der Herausgabevollstreckung aufgrund eines weiteren Vollstreckungsauftrags zurückerlangt.
13
III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO (vgl. BGH, Beschl. v. 29.9.1988 – I ARZ 589/88, NJW-RR 1989, 125; Beschl. v. 19.5.2004 – IXa ZB 297/03, NJW 2004, 2979, 2980 f.). Soweit dem Beschluss vom 21. Februar 2008 (I ZB 53/06, MDR 2008, 832 Tz. 19) entnommen werden kann, dass im Erinnerungsverfahren nach § 766 Abs. 2 ZPO generell keine Kostenentscheidung zu Lasten des Schuldners in Betracht kommt, hält der Senat daran nicht fest.
Bornkamm Büscher Schaffert
Koch Kirchhoff
Vorinstanzen:
AG Berlin-Wedding, Entscheidung vom 24.03.2005 - 34 M 8029/05 -
LG Berlin, Entscheidung vom 13.06.2005 - 81 T 309/05 -

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(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn

1.
dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder
2.
das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.
§ 542 Abs. 2 gilt entsprechend.

(2) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 ist die Rechtsbeschwerde nur zulässig, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.

(3) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 ist die Rechtsbeschwerde zuzulassen, wenn die Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die Zulassung gebunden.

(4) Der Rechtsbeschwerdegegner kann sich bis zum Ablauf einer Notfrist von einem Monat nach der Zustellung der Begründungsschrift der Rechtsbeschwerde durch Einreichen der Rechtsbeschwerdeanschlussschrift beim Rechtsbeschwerdegericht anschließen, auch wenn er auf die Rechtsbeschwerde verzichtet hat, die Rechtsbeschwerdefrist verstrichen oder die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen worden ist. Die Anschlussbeschwerde ist in der Anschlussschrift zu begründen. Die Anschließung verliert ihre Wirkung, wenn die Rechtsbeschwerde zurückgenommen oder als unzulässig verworfen wird.

(1) Hat der Schuldner eine unbewegliche Sache oder ein eingetragenes Schiff oder Schiffsbauwerk herauszugeben, zu überlassen oder zu räumen, so hat der Gerichtsvollzieher den Schuldner aus dem Besitz zu setzen und den Gläubiger in den Besitz einzuweisen. Der Gerichtsvollzieher hat den Schuldner aufzufordern, eine Anschrift zum Zweck von Zustellungen oder einen Zustellungsbevollmächtigten zu benennen.

(2) Bewegliche Sachen, die nicht Gegenstand der Zwangsvollstreckung sind, werden von dem Gerichtsvollzieher weggeschafft und dem Schuldner oder, wenn dieser abwesend ist, einem Bevollmächtigten des Schuldners, einem erwachsenen Familienangehörigen, einer in der Familie beschäftigten Person oder einem erwachsenen ständigen Mitbewohner übergeben oder zur Verfügung gestellt.

(3) Ist weder der Schuldner noch eine der bezeichneten Personen anwesend oder wird die Entgegennahme verweigert, hat der Gerichtsvollzieher die in Absatz 2 bezeichneten Sachen auf Kosten des Schuldners in die Pfandkammer zu schaffen oder anderweitig in Verwahrung zu bringen. Bewegliche Sachen, an deren Aufbewahrung offensichtlich kein Interesse besteht, sollen unverzüglich vernichtet werden.

(4) Fordert der Schuldner die Sachen nicht binnen einer Frist von einem Monat nach der Räumung ab, veräußert der Gerichtsvollzieher die Sachen und hinterlegt den Erlös. Der Gerichtsvollzieher veräußert die Sachen und hinterlegt den Erlös auch dann, wenn der Schuldner die Sachen binnen einer Frist von einem Monat abfordert, ohne binnen einer Frist von zwei Monaten nach der Räumung die Kosten zu zahlen. Die §§ 806, 814 und 817 sind entsprechend anzuwenden. Sachen, die nicht verwertet werden können, sollen vernichtet werden.

(5) Unpfändbare Sachen und solche Sachen, bei denen ein Verwertungserlös nicht zu erwarten ist, sind auf Verlangen des Schuldners jederzeit ohne Weiteres herauszugeben.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
I ZB 45/05
vom
17. November 2005
in der Rechtsbeschwerdesache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ : nein
BGHR : ja
Der Gläubiger kann die Zwangsvollstreckung nach § 885 ZPO auf eine Herausgabe
der Wohnung beschränken, wenn er an sämtlichen in den Räumen befindlichen
Gegenständen ein Vermieterpfandrecht geltend macht. Auch wenn in
einem solchen Fall Streit zwischen den Parteien des Vollstreckungsverfahrens
nach § 885 ZPO darüber besteht, ob alle beweglichen Sachen des Schuldners
von dem Vermieterpfandrecht erfasst werden, hat der Gerichtsvollzieher nicht
eine Räumung der Wohnung nach § 885 Abs. 2 bis 4 ZPO vorzunehmen.
BGH, Beschl. v. 17. November 2005 - I ZB 45/05 - LG Berlin
AG Neukölln
Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 17. November 2005
durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Ullmann und die Richter Prof.
Dr. Bornkamm, Dr. Büscher, Dr. Schaffert und Dr. Bergmann

beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde des Gläubigers werden die Beschlüsse des Amtsgerichts Neukölln vom 7. Dezember 2004 und des Landgerichts Berlin vom 13. April 2005 aufgehoben.
Die Gerichtsvollzieherin wird angewiesen, die Vollstreckung der Herausgabe der Wohnung R. straße in B. , 4. Obergeschoss links, nicht von der Zahlung des für den Abtransport geltend gemachten Kostenvorschusses von 3.000 € abhängig zu machen.
Die Kosten der Erinnerung und der Rechtsmittelverfahren haben die Schuldnerinnen zu tragen.
Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens wird auf 3.000 € festgesetzt.

Gründe:


1
I. Die Schuldnerinnen sind aufgrund des Versäumnisurteils des Amtsgerichts Neukölln vom 17. August 2004 verurteilt, die Wohnung R. straße in B. im 4. Obergeschoss links zu räumen und geräumt an den Gläubiger herauszugeben.
2
Mit Schreiben vom 30. August 2004 erteilte der Gläubiger der Gerichtsvollzieherin zunächst einen Auftrag zur Herausgabe- und Räumungsvollstreckung. In dem Schreiben wies er darauf hin, dass er an sämtlichen in der Wohnung befindlichen Gegenständen der Schuldnerinnen ein Vermieterpfandrecht geltend gemacht habe und dem Abtransport der Sachen widerspreche. Den Zwangsvollstreckungsauftrag beschränkte der Gläubiger mit Schreiben vom 15. September 2004 auf eine Herausgabe der Wohnung. Die Ausführung auch dieses Auftrags machte die Gerichtsvollzieherin von der Zahlung eines Vorschusses von 3.000 € für die Vollstreckungskosten abhängig, die nach ihrer Ansicht auch die Kosten für den erforderlichen Abtransport derjenigen Gegenstände umfassten, die wegen der Unpfändbarkeit nicht dem Vermieterpfandrecht unterlägen.
3
Dagegen hat der Gläubiger Erinnerung eingelegt, mit der er geltend gemacht hat, der Kostenvorschuss sei im Hinblick auf die ausschließlich in Auftrag gegebene Herausgabevollstreckung zu hoch bemessen.
4
Das Amtsgericht hat die Erinnerung zurückgewiesen. Das Landgericht hat die sofortige Beschwerde des Gläubigers zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die zugelassene Rechtsbeschwerde des Gläubigers.
5
II. Die gemäß § 574 Abs. 1 Nr. 2 ZPO statthafte Rechtsbeschwerde ist zulässig und begründet. Sie führt zur Aufhebung der angefochtenen Beschlüsse des Amtsgerichts Neukölln und des Landgerichts Berlin und zur Anweisung der Gerichtsvollzieherin, die beantragte Herausgabevollstreckung nicht von der Zahlung eines die Kosten des Abtransports der beweglichen Sachen der Schuldnerinnen umfassenden Vorschusses abhängig zu machen.
6
1. Das Beschwerdegericht hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt :
7
Die Gerichtsvollzieherin sei nicht anzuweisen, die Herausgabevollstreckung durchzuführen. Eine isolierte Herausgabevollstreckung sei gesetzlich nicht vorgesehen. Sie liefe dem Herausgabeanspruch des Schuldners nach § 885 Abs. 3 Satz 2 ZPO zuwider. In § 885 Abs. 2 bis 4 ZPO sei vorgesehen, dass der Gerichtsvollzieher die Fortschaffung der dort genannten Sachen zu veranlassen und unpfändbare Sachen ohne weiteres an den Schuldner auf dessen Verlangen herauszugeben habe. Der Gerichtsvollzieher habe zu prüfen, auf welche Sachen sich das Vermieterpfandrecht erstrecke, und diese Sachen in der Wohnung zu belassen, während er die unpfändbaren Sachen einzulagern und gegebenenfalls an den Schuldner herauszugeben habe. Dieser Herausgabeanspruch des Schuldners werde vereitelt, wenn der Gerichtsvollzieher sämtliche Sachen in der Wohnung belassen müsse. Nach der Lebenserfahrung befänden sich in fast jeder Wohnung Sachen, die wegen Unpfändbarkeit von dem Vermieterpfandrecht nicht betroffen seien. Deshalb habe die Gerichtsvollzieherin zu Recht die durch die Räumung mit Hilfe eines Transportunternehmens entstehenden Kosten bei der Bestimmung der Höhe des Vorschusses berücksichtigt.
8
2. Der von der Gerichtsvollzieherin bestimmte Kostenvorschuss über 3.000 € ist zu hoch bemessen, weil er die Kosten für die Räumung der Wohnung durch Entfernung der beweglichen Sachen der Schuldnerinnen umfasst, obwohl der Gläubiger die Zwangsvollstreckung zulässigerweise auf eine Herausgabe der Wohnräume beschränkt hat.
9
Die Frage, ob der Gläubiger die Zwangsvollstreckung nach § 885 ZPO auf eine Herausgabe der Wohnung beschränken kann, wenn er an sämtlichen in den Räumen befindlichen Gegenständen ein Vermieterpfandrecht geltend macht, ist in Rechtsprechung und Literatur umstritten.
10
Teilweise wird die Ansicht vertreten, der Gerichtsvollzieher brauche die Räumung beweglicher Sachen aus der Wohnung nur dann nicht vorzunehmen, wenn zwischen den Beteiligten unstreitig sei, dass die in Rede stehenden beweglichen Sachen vom Vermieterpfandrecht erfasst würden, während der Gerichtsvollzieher die Räumung derjenigen beweglichen Sachen nach § 885 Abs. 2 bis 4 ZPO vorzunehmen habe, auf die sich das Vermieterpfandrecht (unstreitig) nicht beziehe oder bei denen diese Frage umstritten sei (LG Frankfurt a.M. DGVZ 1983, 173; Baumbach/Lauterbach/Hartmann, ZPO, 63. Aufl., § 885 Rdn. 19; Musielak/Lackmann, ZPO, 4. Aufl., § 885 Rdn. 17; Wieczorek/ Schütze/Storz, ZPO, 3. Aufl., § 885 Rdn. 7 f.; vgl. auch LG Düsseldorf DGVZ 1984, 79).
11
Vereinzelt wird angenommen, der Gerichtsvollzieher habe bei der Vollstreckung nach § 885 ZPO neben der Herausgabevollstreckung auch die Räumungsvollstreckung vorzunehmen und im Falle der Geltendmachung eines Vermieterpfandrechts die Sachen in entsprechender Anwendung des § 815 ZPO in Gewahrsam zu nehmen und nach § 885 Abs. 2 bis 4 ZPO zu verfahren. Unpfändbare Sachen habe der Gerichtsvollzieher nach Prüfung an den Schuld- ner gemäß § 885 Abs. 3 Satz 2 ZPO herauszugeben (MünchKomm.ZPO/ Schilken, 2. Aufl., § 885 Rdn. 23; für eine Prüfungspflicht des Gerichtsvollziehers auch: AG Königswinter MDR 1982, 1028, 1029).
12
Überwiegend wird davon ausgegangen, der Gläubiger könne den Auftrag zur Zwangsvollstreckung nach § 885 ZPO auf die Herausgabe beschränken, wenn er sich auf ein Vermieterpfandrecht an den beweglichen, in der Wohnung befindlichen Gegenständen berufe. Der Gerichtsvollzieher habe in diesem Fall die Sachen des Schuldners in der Wohnung zu belassen, auch wenn zwischen den Parteien des Vollstreckungsverfahrens umstritten sei, ob dadurch der Pfändung nicht unterworfene Gegenstände des Schuldners in der Wohnung verblieben (vgl. LG Darmstadt DGVZ 1977, 89, 90; LG Arnsberg DGVZ 1984, 31; LG Gießen DGVZ 1991, 156; LG Köln DGVZ 1996, 75; AK-ZPO/Schmidtvon Rhein, § 885 Rdn. 9; Walker in Schuschke/Walker, Vollstreckung und vorläufiger Rechtsschutz, 3. Aufl., § 885 ZPO Rdn. 15; Stein/Jonas/Brehm, ZPO, 22. Aufl., § 885 Rdn. 29; Zöller/Stöber, ZPO, 25. Aufl., § 885 Rdn. 20; E. Schneider, MDR 1982, 984, 986; ders. DGVZ 1982, 73, 74).
13
3. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann der Auftrag zur Zwangsvollstreckung nach § 885 ZPO vom Gläubiger insoweit beschränkt werden, als ansonsten Gegenstände mit zu entfernen wären, an denen ein Vermieterpfandrecht geltend gemacht wird (vgl. BGH, Beschl. v. 14.2.2003 - IXa ZB 10/03, DGVZ 2003, 88 = BGHReport 2003, 707). Das Vermieterpfandrecht ist vorrangig gegenüber der in § 885 Abs. 2 und Abs. 3 Satz 1 ZPO bestimmten Entfernung der beweglichen Sachen zu berücksichtigen, die nicht Gegenstand der Zwangsvollstreckung sind. Der Vermieter darf bei Auszug des Mieters die dem Pfandrecht unterliegenden Sachen in seinen Besitz nehmen (§ 562b Abs. 1 Satz 2 BGB). Zudem muss der Vermieter der Entfernung widersprechen , soll das Vermieterpfandrecht nicht nach § 562a BGB erlöschen.

14
Eine Prüfung, ob die bei Durchführung der Herausgabevollstreckung in der Wohnung befindlichen Gegenstände vom Vermieterpfandrecht erfasst werden , hat der Gerichtsvollzieher regelmäßig nicht vorzunehmen. Der Gerichtsvollzieher ist als Vollstreckungsorgan grundsätzlich nicht zuständig, materiellrechtliche Ansprüche der Parteien im Rahmen der Zwangsvollstreckung zu klären. Dies gilt auch für die Frage, ob die in Rede stehenden Gegenstände wegen Unpfändbarkeit nach § 562 Abs. 1 Satz 2 BGB dem Vermieterpfandrecht nicht unterliegen. Dieser Umstand gehört ebenfalls zur Beurteilung der Grenzen des Vermieterpfandrechts, über den bei Streit der Parteien die Gerichte und nicht die Vollstreckungsorgane zu entscheiden haben.
15
Schutzwürdige Belange des Vollstreckungsschuldners werden hierdurch nicht in einem Ausmaß betroffen, dass von einer auf die Herausgabe begrenzten Zwangsvollstreckung abzusehen ist, wenn ein Vermieterpfandrecht geltend gemacht wird. Anstelle der in § 885 Abs. 3 Satz 1 ZPO bestimmten Unterbringung der beweglichen Sachen des Schuldners durch den Gerichtsvollzieher hat der Gläubiger die in der Wohnung verbliebenen Sachen zu verwahren, §§ 1215, 1257 BGB (vgl. MünchKomm.BGB/Artz, 4. Aufl., § 562b Rdn. 6; Palandt/ Weidenkaff, BGB, 64. Aufl., § 562b Rdn. 6). Auf Verlangen des Schuldners hat er die dem Vermieterpfandrecht nicht unterliegenden Sachen herauszugeben. Kommt der Gläubiger diesen Pflichten nicht nach, macht er sich nach näherer Maßgabe des § 280 Abs. 1 BGB und des § 823 Abs. 1 BGB schadensersatzpflichtig. Zudem kann der Schuldner auf Herausgabe der unpfändbaren beweglichen Sachen klagen und zur einstweiligen Regelung der Besitzverhältnisse vorläufigen Rechtsschutz nach §§ 935 ff. ZPO in Anspruch nehmen.
16
Darüber hinaus kann der Gerichtsvollzieher nach § 765a Abs. 2 ZPO die auf die Herausgabe der Wohnung beschränkte Vollstreckung nach § 885 Abs. 1 ZPO für die Dauer einer Woche aufschieben, wenn der Schuldner glaubhaft macht, dass die Vollstreckungsmaßnahme gemäß § 765a Abs. 1 Satz 1 ZPO mit den guten Sitten nicht vereinbar ist und die rechtzeitige Anrufung des Vollstreckungsgerichts nicht möglich war. Dies kann etwa in Betracht kommen, wenn ansonsten in der herauszugebenden Wohnung bewegliche Sachen des Schuldners verbleiben würden, die offensichtlich unpfändbar sind, und er glaubhaft macht, nicht in der Lage gewesen zu sein, für ihre Entfernung und Unterbringung zu sorgen.
17
4. Für die ausschließlich auf Herausgabe gerichtete Zwangsvollstreckung , zu deren isolierter Durchführung die Gerichtsvollzieherin verpflichtet ist, kann sie einen Vorschuss für Kosten des Abtransports der Möbel nicht verlangen.
18
5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.
Ullmann Bornkamm Büscher
Bergmann Schaffert
Vorinstanzen:
AG Neukölln, Entscheidung vom 07.12.2004 - 34 M 8102/04 -
LG Berlin, Entscheidung vom 13.04.2005 - 81 T 139/05 -

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
I ZB 135/05
vom
10. August 2006
in der Rechtsbeschwerdesache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ : nein
BGHR : ja
Zur Beschränkung der Zwangsvollstreckung auf die Herausgabe der Wohnung
bei Geltendmachung des Vermieterpfandrechts (Bestätigung von BGH, Beschl.
v. 17.11.2005 - I ZB 45/05, NZM 2006, 149).
BGH, Beschl. v. 10. August 2006 - I ZB 135/05 - LG Berlin
AG Wedding
w
Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 10. August 2006 durch
den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Ullmann und die Richter Prof. Dr. Bornkamm,
Dr. Büscher, Dr. Schaffert und Dr. Bergmann

beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde der Gläubigerin wird der Beschluss der Zivilkammer 81 des Landgerichts Berlin vom 22. Juli 2005 aufgehoben.
Die sofortige Beschwerde der Schuldner gegen den Beschluss des Amtsgerichts Wedding vom 15. Juni 2005 wird zurückgewiesen.
Die Kosten der Rechtsmittelverfahren haben die Schuldner zu tragen.
Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens wird auf 6.100 € festgesetzt.

Gründe:


1
I. Die Schuldner sind aufgrund des Teilurteils des Landgerichts Berlin vom 10. März 2005 verurteilt, die Wohnung W. in B. im 1. Obergeschoss zu räumen.
2
Mit Schreiben vom 12. April 2005 erteilte die Gläubigerin dem Gerichtsvollzieher unter Benennung eines Kostenvorschusses in Höhe von 400 € einen Räumungsauftrag, wobei sie zugleich an sämtlichen in der Wohnung befindlichen Gegenständen der Schuldner ein Vermieterpfandrecht geltend machte. Die Ausführung dieses Auftrags machte der Gerichtsvollzieher von der Zahlung eines Vorschusses in Höhe von 6.500 € für die Vollstreckungskosten abhängig.
3
Auf die dagegen von der Gläubigerin eingelegte Erinnerung hat das Amtsgericht den Gerichtsvollzieher angewiesen, die Räumungsvollstreckung auftragsgemäß nach Erhalt eines Kostenvorschusses in Höhe von 400 € ohne Hinzuziehung eines Transportunternehmens durchzuführen und dabei alle Gegenstände , an denen die Gläubigerin ein Vermieterpfandrecht geltend gemacht hat, in der Wohnung zu belassen.
4
Das Landgericht hat auf die sofortige Beschwerde der Schuldner den Beschluss des Amtsgerichts aufgehoben, soweit der Gerichtsvollzieher angewiesen worden ist. Hiergegen richtet sich die zugelassene Rechtsbeschwerde der Gläubigerin.
5
II. Die gemäß § 574 Abs. 1 Nr. 2 ZPO statthafte Rechtsbeschwerde ist zulässig und begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Zurückweisung der sofortigen Beschwerde der Schuldner.
6
1. Das Beschwerdegericht hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt :
7
Das Amtsgericht gehe zu Unrecht davon aus, dass wegen der Ausübung des Vermieterpfandrechts kein Transportunternehmen bereit zu stellen sei. Eine isolierte Herausgabevollstreckung sei im Gesetz nicht vorgesehen. Sie liefe dem Herausgabeanspruch des Schuldners nach § 885 Abs. 3 Satz 2 ZPO zuwider. In § 885 Abs. 2 bis 4 ZPO sei vorgesehen, dass der Gerichtsvollzieher die Fortschaffung der dort genannten Sachen zu veranlassen und unpfändbare Sachen ohne weiteres an den Schuldner auf dessen Verlangen herauszugeben habe. Der Gerichtsvollzieher habe zu prüfen, auf welche Sachen sich das Vermieterpfandrecht erstrecke, und diese Sachen in der Wohnung zu belassen, während er die unpfändbaren Sachen einzulagern und gegebenenfalls an den Schuldner herauszugeben habe. Dieser Herausgabeanspruch des Schuldners werde vereitelt, wenn der Gerichtsvollzieher sämtliche Sachen in der Wohnung belassen müsse. Nach der Lebenserfahrung befänden sich in fast jeder Wohnung Sachen, die wegen Unpfändbarkeit von dem Vermieterpfandrecht nicht betroffen seien. Deshalb habe der Gerichtsvollzieher zu Recht die durch die Räumung mit Hilfe eines Transportunternehmens entstehenden Kosten bei der Bestimmung der Höhe des Vorschusses in Ansatz gebracht.
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2. Der von dem Gerichtsvollzieher verlangte, 400 € übersteigende Kostenvorschuss für die Hinzuziehung eines Transportunternehmens ist nicht gerechtfertigt. Die Gläubigerin begehrt zulässigerweise nur die Herausgabe der Wohnräume ohne Wegschaffung der beweglichen Sachen.
9
Der Senat hat nach Erlass des angefochtenen Beschlusses entschieden, dass der Gläubiger die Zwangsvollstreckung nach § 885 ZPO auf die Herausgabe der Wohnung beschränken kann, wenn er an sämtlichen in den Räumen befindlichen Gegenständen ein Vermieterpfandrecht geltend macht (BGH, Beschl. v. 17.11.2005 - I ZB 45/05, NZM 2006, 149 = WuM 2006, 50 = Grundeigentum 2006, 110 = Rpfleger 2006, 143 = ZMR 2006, 199; zustimmend Kellner , Grundeigentum 2006, 95, 96; Körner, ZMR 2006, 201; ablehnend Flatow, NJW 2006, 1396; Seip, DGVZ 2006, 24).
10
Zur Begründung hat der Senat darauf abgestellt, dass das Vermieterpfandrecht Vorrang hat gegenüber der in § 885 Abs. 2 und Abs. 3 Satz 1 ZPO bestimmten Entfernung der beweglichen Sachen, die nicht Gegenstand der Zwangsvollstreckung sind. Eine Prüfung, ob die bei Durchführung der Herausgabevollstreckung in der Wohnung befindlichen Gegenstände vom Vermieterpfandrecht erfasst werden, ist vom Gerichtsvollzieher nicht vorzunehmen.
11
Der Gerichtsvollzieher ist als Vollstreckungsorgan grundsätzlich nicht dafür zuständig, materiell-rechtliche Ansprüche der Parteien im Rahmen der Zwangsvollstreckung zu klären. Dies gilt auch für die Frage, ob die in Rede stehenden Gegenstände wegen Unpfändbarkeit nach § 562 Abs. 1 Satz 2 BGB dem Vermieterpfandrecht nicht unterliegen. Auch hierüber haben bei Streit der Parteien die Gerichte und nicht die Vollstreckungsorgane zu entscheiden (BGH NZM 2006, 149 Tz 14).
12
Schutzwürdige Belange des Vollstreckungsschuldners werden nicht in einem Ausmaß betroffen, dass von einer auf die Herausgabe begrenzten Zwangsvollstreckung abzusehen ist, wenn ein Vermieterpfandrecht geltend gemacht wird (BGH NZM 2006, 149 Tz 15/16).
13
Die Vollstreckung des Räumungstitels wird gemäß § 885 Abs. 1 Satz 1 ZPO in der Weise durchgeführt, dass der Gerichtsvollzieher den Schuldner aus dem Besitz der zu räumenden Wohnung setzt und den Gläubiger in deren Besitz einweist. Bewegliche Sachen, die nicht Zubehör (§§ 97, 98 BGB) sind und auf die sich der Räumungstitel somit nicht erstreckt, werden vom Gerichtsvollzieher grundsätzlich weggeschafft, weil sie nicht Gegenstand der Zwangsvollstreckung sind, § 885 Abs. 2 und 3 ZPO. Dieser Entfernung kann der Gläubiger eines Pfand- oder Zurückbehaltungsrechts an den Sachen widersprechen. Der Vermieter kann sein gesetzliches Vermieterpfandrecht (§ 562 BGB) auch ohne Anrufen des Gerichts geltend machen, § 562b Abs. 1 Satz 1 BGB. Er benötigt daher, wenn er sein Vermieterpfandrecht durch Beschränkung des Vollstreckungsauftrags aus dem Räumungstitel ausübt, keinen Vollstreckungstitel hinsichtlich der Gegenstände in der zu räumenden Wohnung (vgl. Zöller/Stöber, ZPO, 25. Aufl., § 885 Rdn. 20; Stein/Jonas/Brehm, ZPO, 22. Aufl., § 885 Rdn. 29; Hk-ZPO/Pukall, § 885 Rdn. 16; a.A. Flatow, NJW 2006, 1396, 1397). Die Frage, ob sich das geltend gemachte Vermieterpfandrecht auf alle in der Wohnung befindlichen Gegenstände erstreckt, ist materiell-rechtlicher Natur und daher nicht vom Gerichtsvollzieher zu entscheiden. Dies gilt auch für unpfändbare Sachen (§ 811 ZPO), die nicht dem Vermieterpfandrecht unterfallen, § 562 Abs. 1 Satz 2 BGB (vgl. Schuschke, NZM 2005, 681, 682 m.w.N.). Die Bestimmung des § 811 ZPO betrifft die Zwangsvollstreckung in das bewegliche Vermögen (Pfändung). Sie ist daher bei der Räumungsvollstreckung nach § 885 ZPO nicht anwendbar (vgl. Stein/Jonas/Brehm aaO § 885 Rdn. 29; Schneider, MDR 1982, 984, 985). Der Herausgabeanspruch nach § 885 Abs. 3 Satz 2 ZPO entsteht erst, wenn der Gerichtsvollzieher die Sachen nach § 885 Abs. 3 Satz 1 ZPO weggeschafft hat. Der Schuldner ist dadurch hinreichend geschützt, dass er die unpfändbaren, nicht dem Vermieterpfandrecht unterfallenden Gegenstände vor Durchführung der Herausgabevollstreckung aus der Wohnung entfernen kann, solange er noch nicht aus deren Besitz gesetzt ist. Die Beschränkung des Vollstreckungsauftrags des Gläubigers auf die Herausgabe der Wohnung hat lediglich zur Folge, dass der Gerichtsvollzieher von der Entfernung der nicht der Zwangsvollstreckung unterliegenden Sachen gemäß § 885 Abs. 2 und 3 ZPO abzusehen hat. Sie berechtigt ihn dagegen nicht, den Schuldner daran zu hindern, Sachen aus der Wohnung zu entfernen, die nicht Gegenstand der Zwangsvollstreckung sind.
14
3. Das Amtsgericht hat daher richtig entschieden, dass der Gerichtsvollzieher zu der Zwangsvollstreckung verpflichtet ist und keinen Vorschuss für Kosten des Abtransports der Möbel verlangen kann.
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4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1, § 97 Abs. 1 ZPO.
Ullmann Bornkamm Büscher
Schaffert Bergmann
Vorinstanzen:
AG Berlin-Wedding, Entscheidung vom 15.06.2005 - 36 M 8059/05 -
LG Berlin, Entscheidung vom 22.07.2005 - 81 T 599/05 -

(1) Hat der Schuldner eine unbewegliche Sache oder ein eingetragenes Schiff oder Schiffsbauwerk herauszugeben, zu überlassen oder zu räumen, so hat der Gerichtsvollzieher den Schuldner aus dem Besitz zu setzen und den Gläubiger in den Besitz einzuweisen. Der Gerichtsvollzieher hat den Schuldner aufzufordern, eine Anschrift zum Zweck von Zustellungen oder einen Zustellungsbevollmächtigten zu benennen.

(2) Bewegliche Sachen, die nicht Gegenstand der Zwangsvollstreckung sind, werden von dem Gerichtsvollzieher weggeschafft und dem Schuldner oder, wenn dieser abwesend ist, einem Bevollmächtigten des Schuldners, einem erwachsenen Familienangehörigen, einer in der Familie beschäftigten Person oder einem erwachsenen ständigen Mitbewohner übergeben oder zur Verfügung gestellt.

(3) Ist weder der Schuldner noch eine der bezeichneten Personen anwesend oder wird die Entgegennahme verweigert, hat der Gerichtsvollzieher die in Absatz 2 bezeichneten Sachen auf Kosten des Schuldners in die Pfandkammer zu schaffen oder anderweitig in Verwahrung zu bringen. Bewegliche Sachen, an deren Aufbewahrung offensichtlich kein Interesse besteht, sollen unverzüglich vernichtet werden.

(4) Fordert der Schuldner die Sachen nicht binnen einer Frist von einem Monat nach der Räumung ab, veräußert der Gerichtsvollzieher die Sachen und hinterlegt den Erlös. Der Gerichtsvollzieher veräußert die Sachen und hinterlegt den Erlös auch dann, wenn der Schuldner die Sachen binnen einer Frist von einem Monat abfordert, ohne binnen einer Frist von zwei Monaten nach der Räumung die Kosten zu zahlen. Die §§ 806, 814 und 817 sind entsprechend anzuwenden. Sachen, die nicht verwertet werden können, sollen vernichtet werden.

(5) Unpfändbare Sachen und solche Sachen, bei denen ein Verwertungserlös nicht zu erwarten ist, sind auf Verlangen des Schuldners jederzeit ohne Weiteres herauszugeben.

(1) Der Vermieter hat für seine Forderungen aus dem Mietverhältnis ein Pfandrecht an den eingebrachten Sachen des Mieters. Es erstreckt sich nicht auf die Sachen, die der Pfändung nicht unterliegen.

(2) Für künftige Entschädigungsforderungen und für die Miete für eine spätere Zeit als das laufende und das folgende Mietjahr kann das Pfandrecht nicht geltend gemacht werden.

(1) Auf Antrag des Schuldners kann das Vollstreckungsgericht eine Maßnahme der Zwangsvollstreckung ganz oder teilweise aufheben, untersagen oder einstweilen einstellen, wenn die Maßnahme unter voller Würdigung des Schutzbedürfnisses des Gläubigers wegen ganz besonderer Umstände eine Härte bedeutet, die mit den guten Sitten nicht vereinbar ist. Es ist befugt, die in § 732 Abs. 2 bezeichneten Anordnungen zu erlassen. Betrifft die Maßnahme ein Tier, so hat das Vollstreckungsgericht bei der von ihm vorzunehmenden Abwägung die Verantwortung des Menschen für das Tier zu berücksichtigen.

(2) Eine Maßnahme zur Erwirkung der Herausgabe von Sachen kann der Gerichtsvollzieher bis zur Entscheidung des Vollstreckungsgerichts, jedoch nicht länger als eine Woche, aufschieben, wenn ihm die Voraussetzungen des Absatzes 1 Satz 1 glaubhaft gemacht werden und dem Schuldner die rechtzeitige Anrufung des Vollstreckungsgerichts nicht möglich war.

(3) In Räumungssachen ist der Antrag nach Absatz 1 spätestens zwei Wochen vor dem festgesetzten Räumungstermin zu stellen, es sei denn, dass die Gründe, auf denen der Antrag beruht, erst nach diesem Zeitpunkt entstanden sind oder der Schuldner ohne sein Verschulden an einer rechtzeitigen Antragstellung gehindert war.

(4) Das Vollstreckungsgericht hebt seinen Beschluss auf Antrag auf oder ändert ihn, wenn dies mit Rücksicht auf eine Änderung der Sachlage geboten ist.

(5) Die Aufhebung von Vollstreckungsmaßregeln erfolgt in den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 und des Absatzes 4 erst nach Rechtskraft des Beschlusses.

(1) Verletzt der Schuldner eine Pflicht aus dem Schuldverhältnis, so kann der Gläubiger Ersatz des hierdurch entstehenden Schadens verlangen. Dies gilt nicht, wenn der Schuldner die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat.

(2) Schadensersatz wegen Verzögerung der Leistung kann der Gläubiger nur unter der zusätzlichen Voraussetzung des § 286 verlangen.

(3) Schadensersatz statt der Leistung kann der Gläubiger nur unter den zusätzlichen Voraussetzungen des § 281, des § 282 oder des § 283 verlangen.

(1) Wer vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt, ist dem anderen zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet.

(2) Die gleiche Verpflichtung trifft denjenigen, welcher gegen ein den Schutz eines anderen bezweckendes Gesetz verstößt. Ist nach dem Inhalt des Gesetzes ein Verstoß gegen dieses auch ohne Verschulden möglich, so tritt die Ersatzpflicht nur im Falle des Verschuldens ein.

(1) Auf Antrag des Schuldners kann das Vollstreckungsgericht eine Maßnahme der Zwangsvollstreckung ganz oder teilweise aufheben, untersagen oder einstweilen einstellen, wenn die Maßnahme unter voller Würdigung des Schutzbedürfnisses des Gläubigers wegen ganz besonderer Umstände eine Härte bedeutet, die mit den guten Sitten nicht vereinbar ist. Es ist befugt, die in § 732 Abs. 2 bezeichneten Anordnungen zu erlassen. Betrifft die Maßnahme ein Tier, so hat das Vollstreckungsgericht bei der von ihm vorzunehmenden Abwägung die Verantwortung des Menschen für das Tier zu berücksichtigen.

(2) Eine Maßnahme zur Erwirkung der Herausgabe von Sachen kann der Gerichtsvollzieher bis zur Entscheidung des Vollstreckungsgerichts, jedoch nicht länger als eine Woche, aufschieben, wenn ihm die Voraussetzungen des Absatzes 1 Satz 1 glaubhaft gemacht werden und dem Schuldner die rechtzeitige Anrufung des Vollstreckungsgerichts nicht möglich war.

(3) In Räumungssachen ist der Antrag nach Absatz 1 spätestens zwei Wochen vor dem festgesetzten Räumungstermin zu stellen, es sei denn, dass die Gründe, auf denen der Antrag beruht, erst nach diesem Zeitpunkt entstanden sind oder der Schuldner ohne sein Verschulden an einer rechtzeitigen Antragstellung gehindert war.

(4) Das Vollstreckungsgericht hebt seinen Beschluss auf Antrag auf oder ändert ihn, wenn dies mit Rücksicht auf eine Änderung der Sachlage geboten ist.

(5) Die Aufhebung von Vollstreckungsmaßregeln erfolgt in den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 und des Absatzes 4 erst nach Rechtskraft des Beschlusses.

(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung umfasst auch die Entschädigung des Gegners für die durch notwendige Reisen oder durch die notwendige Wahrnehmung von Terminen entstandene Zeitversäumnis; die für die Entschädigung von Zeugen geltenden Vorschriften sind entsprechend anzuwenden.

(2) Die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts der obsiegenden Partei sind in allen Prozessen zu erstatten, Reisekosten eines Rechtsanwalts, der nicht in dem Bezirk des Prozessgerichts niedergelassen ist und am Ort des Prozessgerichts auch nicht wohnt, jedoch nur insoweit, als die Zuziehung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig war. Die Kosten mehrerer Rechtsanwälte sind nur insoweit zu erstatten, als sie die Kosten eines Rechtsanwalts nicht übersteigen oder als in der Person des Rechtsanwalts ein Wechsel eintreten musste. In eigener Sache sind dem Rechtsanwalt die Gebühren und Auslagen zu erstatten, die er als Gebühren und Auslagen eines bevollmächtigten Rechtsanwalts erstattet verlangen könnte.

(3) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne der Absätze 1, 2 gehören auch die Gebühren, die durch ein Güteverfahren vor einer durch die Landesjustizverwaltung eingerichteten oder anerkannten Gütestelle entstanden sind; dies gilt nicht, wenn zwischen der Beendigung des Güteverfahrens und der Klageerhebung mehr als ein Jahr verstrichen ist.

(4) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne von Absatz 1 gehören auch Kosten, die die obsiegende Partei der unterlegenen Partei im Verlaufe des Rechtsstreits gezahlt hat.

(5) Wurde in einem Rechtsstreit über einen Anspruch nach Absatz 1 Satz 1 entschieden, so ist die Verjährung des Anspruchs gehemmt, bis die Entscheidung rechtskräftig geworden ist oder der Rechtsstreit auf andere Weise beendet wird.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
I ZB 53/06
vom
21. Februar 2008
in der Rechtsbeschwerdesache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Bei den Kosten, die nach Ablauf der zweimonatigen Aufbewahrungsfrist des
§ 885 Abs. 4 Satz 1 ZPO für die weitere Einlagerung der dem Vollstreckungsschuldner
gehörenden aufbewahrungspflichtigen Geschäftsunterlagen entstehen
, handelt es sich nicht um notwendige Zwangsvollstreckungskosten, für die
der Vollstreckungsgläubiger nach § 13 Abs. 1 Nr. 1 GVKostG als Kostenschuldner
einzustehen hat.
BGH, Beschl. v. 21. Februar 2008 - I ZB 53/06 - LG Kleve
AG Moers
Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 21. Februar 2008 durch
die Richter Dr. Bergmann, Pokrant, Dr. Schaffert, Dr. Kirchhoff und Dr. Koch

beschlossen:
Auf die Rechtsmittel der Gläubigerin werden der Beschluss der 4. Zivilkammer des Landgerichts Kleve vom 26. Juni 2006 und der Beschluss des Amtsgerichts Moers vom 8. Mai 2006 aufgehoben.
Auf die Erinnerung der Gläubigerin wird die Gerichtsvollzieherin angewiesen, die für die Einlagerung der Geschäftsunterlagen der Schuldnerin entstandenen Kosten, soweit diese nach Ablauf der Frist des § 885 Abs. 4 Satz 1 ZPO angefallen sind, nicht dem von der Gläubigerin gezahlten Kostenvorschuss zu entnehmen.
Der Gegenstandswert der Rechtsbeschwerde wird auf 2.500 € festgesetzt.

Gründe:


1
I. Die Gläubigerin hat gegen die Schuldnerin einen Räumungstitel erwirkt. Bei der im November 2004 im Auftrag der Gläubigerin durchgeführten Zwangsräumung der Geschäftsräume der Schuldnerin fand die Gerichtsvollzieherin auch Geschäftsunterlagen vor, die nach § 257 Abs. 1 HGB, § 147 Abs. 1 AO einer mehrjährigen Aufbewahrungspflicht unterliegen. Diese Unterlagen lagerte die Gerichtsvollzieherin für 90 € netto monatlich bei einer Spedition ein. Am 15. März 2006 teilte die Gerichtsvollzieherin der Gläubigerin mit, sie habe dem von der Gläubigerin geleisteten Kostenvorschuss (insgesamt 7.000 €) einen Betrag von 1.461,60 € zur Begleichung der bis März 2006 angefallenen Einlagerungskosten entnommen.
2
Die von der Gläubigerin gegen die Verwendung des Kostenvorschusses für Lagerkosten eingelegte Erinnerung hat das Vollstreckungsgericht zurückgewiesen. Die dagegen gerichtete sofortige Beschwerde der Gläubigerin ist erfolglos geblieben.
3
Mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde erstrebt die Gläubigerin die Aufhebung der vorinstanzlichen Beschlüsse sowie eine Anweisung an die Gerichtsvollzieherin , die für die Einlagerung der Geschäftsunterlagen der Schuldnerin entstandenen Kosten, soweit diese nach Ablauf der Frist des § 885 Abs. 4 ZPO angefallen sind, nicht dem von der Gläubigerin gezahlten Kostenvorschuss zu entnehmen.
4
II. Die gemäß § 574 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3 Satz 2 ZPO statthafte und auch im Übrigen zulässige Rechtsbeschwerde ist begründet.
5
1. Das Beschwerdegericht hat angenommen, die Gläubigerin sei gemäß § 13 Abs. 1 Nr. 1 GVKostG Schuldnerin der weiteren Einlagerungskosten. Die Räumungsvollstreckung sei für die Gläubigerin mit Ablauf der Aufbewahrungsfrist des § 885 Abs. 4 ZPO noch nicht abgeschlossen. Eine Kostentragungspflicht des Staates komme nicht in Betracht, da es hierfür an einer rechtlichen Grundlage fehle.
6
Eine Vernichtung der Geschäftsunterlagen vor Ablauf der gesetzlichen Aufbewahrungsfristen scheide aus, weil dadurch eine Strafbarkeit nach § 283 Abs. 1 Nr. 6 StGB begründet werden könne. Dieser Gefahr dürfe ein Gerichtsvollzieher nicht ausgesetzt werden. Unerheblich sei, ob die Schuldnerin die Geschäftspapiere bei sich einlagern könnte, da sie dies nicht tue und die Gerichtsvollzieherin die Schuldnerin dazu nicht zwingen könne.
7
2. Diese Beurteilung hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Die Gläubigerin haftet nach Ablauf der zweimonatigen Aufbewahrungsfrist gemäß § 885 Abs. 4 ZPO nicht für die Kosten der Einlagerung der Geschäftsunterlagen der Schuldnerin.
8
a) Für die Aufbewahrung von Räumungsgut gilt § 885 Abs. 4 ZPO. Danach kann der Schuldner seine Sachen innerhalb von zwei Monaten nach Beendigung der Räumung abholen, wobei ihm unpfändbare Sachen, zu denen auch Geschäftspapiere zählen (§ 811 Abs. 1 Nr. 11 ZPO), gemäß § 885 Abs. 4 Satz 1, Halbs. 2, Abs. 3 Satz 2 ZPO ohne Weiteres herauszugeben sind. Nach fruchtlosem Ablauf dieser Frist hat der Gerichtsvollzieher die verwertbaren Sachen zu verkaufen. Unverwertbare Gegenstände sollen vernichtet werden, § 885 Abs. 4 Satz 2 ZPO.
9
Maßnahmen nach § 885 Abs. 4 ZPO sind allerdings unzulässig, wenn es sich bei den eingelagerten Sachen um Geschäftsunterlagen handelt, für die der Schuldner gemäß § 257 Abs. 1 HGB, § 147 Abs. 1 AO aufbewahrungspflichtig ist (LG Koblenz DGVZ 2006, 27 f.; Musielak/Lackmann, ZPO, 5. Aufl., § 885 Rdn. 16; Stein/Jonas/Brehm, ZPO, 22. Aufl., § 885 Rdn. 44; Gilleßen, DGVZ 2006, 165, 167; Schultes, DGVZ 1999, 1, 7).
10
b) Nach § 13 Abs. 1 Nr. 1 GVKostG haftet der Vollstreckungsgläubiger als Auftraggeber (§ 3 GVKostG) neben dem Vollstreckungsschuldner für die notwendigen Kosten der Zwangsvollstreckung. Der Regelung in § 13 Abs. 1 Nr. 1 GVKostG liegt das sogenannte Veranlassungsprinzip zugrunde. Danach haftet ein Gläubiger, der zur Durchsetzung eines Räumungstitels die Hilfe eines Gerichtsvollziehers in Anspruch nimmt, grundsätzlich für alle Kosten, die durch eine ordnungsgemäße und zweckmäßige Durchführung des Auftrags notwendigerweise entstehen (vgl. Hartmann, Kostengesetze, 37. Aufl., § 13 GVKostG Rdn. 4 m.w.N.).
11
c) Umstritten ist allerdings, wer die Kosten der weiteren Verwahrung von aufbewahrungspflichtigen Geschäftsunterlagen nach Ablauf der zweimonatigen Frist des § 885 Abs. 4 Satz 1 ZPO zu tragen hat.
12
aa) Teilweise wird angenommen, dass es sich bei den für die Dauer der Aufbewahrungspflicht von Geschäftsunterlagen entstehenden Lagerkosten um notwendige Kosten der Räumung handele, so dass der Gläubiger für diese Kosten aufzukommen habe (LG Koblenz DGVZ 2006, 27 f.; AG HamburgHarburg DGVZ 2004, 173, 174; AG Bad Schwalbach DGVZ 2002, 189; vgl. auch MünchKomm.ZPO/Gruber, 3. Aufl., § 885 Rdn. 57).
13
bb) Nach anderer Ansicht ist der Vollstreckungsauftrag nach Ablauf der Abholungsfrist des § 885 Abs. 4 Satz 1 ZPO beendet. Das Vollstreckungsgericht habe dann zu entscheiden, ob die Geschäftsunterlagen auf Staatskosten weiterhin bei einem Dritten eingelagert blieben oder zu vernichten seien. Die weitere Verfahrensweise gehe den Gläubiger nichts mehr an, weshalb er für die Kosten der Verwahrung von Geschäftsunterlagen des Schuldners über die in § 885 Abs. 4 Satz 1 ZPO festgelegte Frist hinaus nicht hafte (LG Berlin DGVZ 2004, 431; LG Frankfurt a.M. DGVZ 2002, 76; Zöller/Stöber, ZPO, 26. Aufl., § 885 Rdn. 26; Wieczorek/Schütze/Storz, ZPO, 3. Aufl., § 885 Rdn. 66, 75 f.; Stein/Jonas/Brehm aaO § 885 Rdn. 44; Gilleßen, DGVZ 2006, 165, 167).
14
d) Der Senat schließt sich der zweiten Auffassung an. Bei den Kosten, die nach Ablauf der zweimonatigen Aufbewahrungsfrist des § 885 Abs. 4 Satz 1 ZPO für die weitere Einlagerung der dem Vollstreckungsschuldner gehörenden Geschäftsunterlagen entstehen, handelt es sich nicht um notwendige Zwangsvollstreckungskosten , für die der Vollstreckungsgläubiger nach § 13 Abs. 1 Nr. 1 GVKostG als Kostenschuldner einzustehen hat.
15
Nach § 885 Abs. 4 Satz 1 ZPO ist der zur Räumung verurteilte Schuldner berechtigt, seine von dem Gerichtsvollzieher in Verwahrung gebrachten Sachen binnen einer Frist von zwei Monaten nach der Räumung gegen Zahlung der dafür entstandenen Kosten abzufordern. Nach fruchtlosem Ablauf dieser Frist hat der Gerichtsvollzieher die eingelagerten Sachen zu verkaufen oder zu vernichten (§ 885 Abs. 4 ZPO). Dementsprechend ist eine Einlagerung grundsätzlich nur für die Dauer der Abholungsfrist zuzüglich einer angemessenen Frist, die der Gerichtsvollzieher gegebenenfalls benötigt, um nach Ablauf der zwei Monate den Verkauf oder die Vernichtung zu veranlassen, notwendig.
16
Die Regelungen gemäß § 885 Abs. 3 und 4 ZPO gehen davon aus, dass Räumung und anschließende Verwahrung innerhalb des durch § 885 Abs. 4 ZPO vorgegebenen Zeitraums auch im Kosteninteresse des Gläubigers beendet sind (Regierungsentwurf zur 2. Zwangsvollstreckungsnovelle v. 27.1.1995, BT-Drucks. 13/341, S. 39). Ein darüber hinausgehender Verwertungsaufschub soll als unrichtige Sachbehandlung einen Kostenanspruch des Gerichtsvollziehers ausschließen (BT-Drucks. 13/341, S. 39).
17
Das gilt auch dann, wenn es sich bei den eingelagerten Sachen um Geschäftsunterlagen handelt, für die der Schuldner (etwa gemäß § 257 HGB oder § 147 AO) aufbewahrungspflichtig ist. In diesem Fall scheidet zwar eine Verwertung durch Veräußerung von vornherein aus. Eine Vernichtung kommt nicht in Betracht, sofern dadurch einem gesetzlichen Verbot zuwidergehandelt würde. Es ist jedoch zu berücksichtigen, dass die Aufbewahrungspflicht nach § 257 HGB, § 147 AO nicht den Gläubiger, sondern allein den Vollstreckungsschuldner trifft. Er hat für die ordnungsgemäße Erfüllung der ihm obliegenden Aufbewahrungspflichten zu sorgen. Wurden die Geschäftsunterlagen nach Durchführung der Räumungsvollstreckung zunächst bei einem Dritten eingelagert, so kann der Gerichtsvollzieher den Schuldner nach Ablauf der zweimonatigen Aufbewahrungsfrist des § 885 Abs. 4 Satz 1 ZPO auffordern, die Unterlagen binnen einer angemessenen Frist abzuholen. Sofern die Aufforderung des Gerichtsvollziehers an den Schuldner erfolglos bleibt, hat der Gerichtsvollzieher seinen Vollstreckungsauftrag nach § 885 Abs. 4 Satz 1 und 2 ZPO zu beenden. Die Fassung des § 885 Abs. 4 Satz 2 ZPO ("sollen") beruht nach der Gesetzesbegründung darauf, dass dem Gerichtsvollzieher ermöglicht werden soll, in Ausnahmefällen von einer Vernichtung abzusehen. Dabei hat der Gesetzgeber den Fall, dass zum Räumungsgut gehörende Geschäftsunterlagen für die Dauer einer gesetzlichen Aufbewahrungsfrist auf Kosten der Staatskasse aufbe- wahrt werden müssen, wenn der Schuldner sie nicht abfordert, im Blick gehabt (vgl. BT-Drucks. 13/341, S. 40).
18
III. Danach sind die Beschlüsse des Vollstreckungsgerichts und des Beschwerdegerichts aufzuheben. Auf die Erinnerung der Gläubigerin ist die Gerichtsvollzieherin wie aus dem Tenor ersichtlich anzuweisen.
19
Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst. Im einseitigen Erinnerungsverfahren nach § 766 Abs. 2 ZPO kommt eine Kostenentscheidung zu Lasten eines Beteiligten des Vollstreckungsverfahrens nicht in Betracht (vgl. OLG Hamm DGVZ 1994, 27; Zöller/Stöber aaO § 766 Rdn. 27, 34 m.w.N.).
Bergmann Pokrant Schaffert
Koch Kirchhoff
Vorinstanzen:
AG Moers, Entscheidung vom 08.05.2006 - 502 M 499/06 -
LG Kleve, Entscheidung vom 26.06.2006 - 4 T 189/06 -

(1) Über Anträge, Einwendungen und Erinnerungen, welche die Art und Weise der Zwangsvollstreckung oder das vom Gerichtsvollzieher bei ihr zu beobachtende Verfahren betreffen, entscheidet das Vollstreckungsgericht. Es ist befugt, die im § 732 Abs. 2 bezeichneten Anordnungen zu erlassen.

(2) Dem Vollstreckungsgericht steht auch die Entscheidung zu, wenn ein Gerichtsvollzieher sich weigert, einen Vollstreckungsauftrag zu übernehmen oder eine Vollstreckungshandlung dem Auftrag gemäß auszuführen, oder wenn wegen der von dem Gerichtsvollzieher in Ansatz gebrachten Kosten Erinnerungen erhoben werden.