Bundesgerichtshof Beschluss, 14. Aug. 2008 - I ZB 20/08
Gericht
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens wird auf 1.500 € festgesetzt.
Gründe:
- 1
- I. Die Rechtsbeschwerdeführerin ist die Betreuerin der Schuldnerin bei der Vermögenssorge. Ein Einwilligungsvorbehalt gemäß § 1903 BGB ist nicht angeordnet.
- 2
- Die Gerichtsvollzieherin hat die Betreuerin wegen einer titulierten Forderung gegen die Schuldnerin zur Abgabe der eidesstattlichen Offenbarungsversicherung über deren Vermögen geladen. Die von der Betreuerin hiergegen eingelegte Erinnerung hat das Amtsgericht zurückgewiesen. Die gegen seine Entscheidung eingelegte sofortige Beschwerde der Betreuerin ist ebenfalls ohne Erfolg geblieben.
- 3
- Mit ihrer vom Beschwerdegericht zugelassenen Rechtsbeschwerde erstrebt die Betreuerin weiterhin die Aufhebung der an sie gerichteten Ladung zur Abgabe der eidesstattlichen Offenbarungsversicherung über das Vermögen der Schuldnerin.
- 4
- Die Gläubigerin hat sich im Rechtsbeschwerdeverfahren nicht geäußert.
- 5
- II. Die Rechtsbeschwerde ist zulässig, hat aber in der Sache keinen Erfolg.
- 6
- 1. Die Rechtsbeschwerde ist gemäß § 574 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3 Satz 2 ZPO statthaft und auch im Übrigen zulässig. Die Rechtsbeschwerdeführerin ist durch den angefochtenen Beschluss beschwert, weil er ihre von der Gerichtsvollzieherin und vom Amtsgericht angenommene Offenbarungspflicht bestätigt hat (vgl. BGH, Beschl. v. 28.9.2006 - I ZB 35/06, NJW-RR 2007, 185 Tz. 8 m.w.N.).
- 7
- 2. Die zulässige Rechtsbeschwerde ist jedoch in der Sache nicht begründet.
- 8
- a) Nach Auffassung des Beschwerdegerichts trifft den zur Vermögenssorge bestellten Vertreter die Verpflichtung zur Abgabe der eidesstattlichen Offenbarungsversicherung auch dann anstelle des Schuldners, wenn kein Einwilligungsvorbehalt entsprechend § 1903 BGB angeordnet ist, also auch dann, wenn der Betreute grundsätzlich noch ohne Einwilligung des Betreuers Erklä- rungen abgeben kann. Entscheidend seien die dem Betreuer, dem die Vermögenssorge obliege, von Gesetzes wegen übertragene Rechtsmacht sowie das Wesen und der Zweck der Zwangsvollstreckung. Die Bestimmung des § 53 ZPO gelte insoweit auch im Zwangsvollstreckungsverfahren. Es erscheine sachgerecht und damit auch verhältnismäßig, für die Verpflichtung zur Abgabe der eidesstattlichen Offenbarungsversicherung an die dem Betreuer von Gesetzes wegen eingeräumte Rechtsmacht anzuknüpfen, ohne dass es eines Beitritts des Betreuers zum Offenbarungsverfahren bedürfe. Zwar seien bei vermögenssorgender Betreuung ohne Einwilligungsvorbehalt Wissensdefizite auf Seiten des Betreuers nicht auszuschließen. Solche Defizite seien aber in zumindest gleichem Umfang auf Seiten des Betreuten zu erwarten.
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- b) Diese Beurteilung hält der rechtlichen Nachprüfung stand.
- 10
- aa) Die für die Vermögenssorge bei der Schuldnerin bestellte Betreuerin war, auch wenn kein Einwilligungsvorbehalt i.S. des § 1903 BGB angeordnet war, gemäß § 1902 BGB berechtigt, für die Schuldnerin die eidesstattliche Offenbarungsversicherung abzugeben (vgl. Staudinger/Bienwald, BGB [2006], § 1902 Rdn. 56 m.w.N.).
- 11
- bb) Wenn mehrere Vertreter des Schuldners einzeln zu seiner Vertretung bei der Abgabe der Offenbarungsversicherung berechtigt, verpflichtet und geeignet sind, kann das Gericht nach wohl überwiegender Ansicht in entsprechender Anwendung der § 455 Abs. 1 Satz 2, § 449 ZPO nach pflichtgemäßem Ermessen bestimmen, dass einer von ihnen die Offenbarungsversicherung abzugeben hat (vgl. Stein/Jonas/Münzberg, ZPO, 22. Aufl., § 807 Rdn. 52; Wieczorek /Schütze/Storz, ZPO, 3. Aufl., § 807 Rdn. 91, jeweils m.w.N.). Die Gegenauffassung , wonach in einem solchen Fall alle Vertreter das verwaltete Vermö- gen offenbaren müssen, vernachlässigt, dass die Vertreter jeweils einzeln zur Vertretung berechtigt sind.
- 12
- cc) Nicht anders zu beurteilen ist der Fall, dass sowohl der Schuldner selbst als auch ein Vertreter zur Abgabe der Offenbarungsversicherung berechtigt , verpflichtet und geeignet sind. Dies ist in Fällen der rechtlichen Betreuung i.S. der §§ 1896 ff. BGB insbesondere dann der Fall, wenn der Betreuer seinerseits in das Verfahren eingetreten ist (vgl. LG Osnabrück DGVZ 2005, 128, 129). Nichts Abweichendes hat aber auch im Streitfall zu gelten; denn die Bestimmung des § 1902 BGB begründet nicht allein eine Berechtigung, sondern zugleich auch eine Verpflichtung des Betreuers zur Vertretung des Betreuten.
- 13
- dd) Die Bestimmung der Betreuerin als derjenigen, die die eidesstattliche Offenbarungsversicherung über das Vermögen der Betreuten abzugeben hat, lässt keinen im Verfahren der Rechtsbeschwerde beachtlichen Ermessensfehler erkennen. Die Rechtsbeschwerde macht in dieser Hinsicht auch nichts geltend.
- 14
- III. Danach ist die Rechtsbeschwerde zurückzuweisen.
- 15
- Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Kirchhoff Koch
Vorinstanzen:
AG Berlin-Neukölln, Entscheidung vom 16.11.2007 - 34 M 8102/07 -
LG Berlin, Entscheidung vom 07.02.2008 - 51 T 103/08 -
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Annotations
(1) Hat der Gläubiger die Vornahme der Pfändung beim Schuldner beantragt und
- 1.
hat der Schuldner die Durchsuchung (§ 758) verweigert oder - 2.
ergibt der Pfändungsversuch, dass eine Pfändung voraussichtlich nicht zu einer vollständigen Befriedigung des Gläubigers führen wird,
(2) Der Schuldner kann einer sofortigen Abnahme widersprechen. In diesem Fall verfährt der Gerichtsvollzieher nach § 802f; der Setzung einer Zahlungsfrist bedarf es nicht.
(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn
- 1.
dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder - 2.
das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.
(2) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 ist die Rechtsbeschwerde nur zulässig, wenn
- 1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder - 2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.
(3) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 ist die Rechtsbeschwerde zuzulassen, wenn die Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die Zulassung gebunden.
(4) Der Rechtsbeschwerdegegner kann sich bis zum Ablauf einer Notfrist von einem Monat nach der Zustellung der Begründungsschrift der Rechtsbeschwerde durch Einreichen der Rechtsbeschwerdeanschlussschrift beim Rechtsbeschwerdegericht anschließen, auch wenn er auf die Rechtsbeschwerde verzichtet hat, die Rechtsbeschwerdefrist verstrichen oder die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen worden ist. Die Anschlussbeschwerde ist in der Anschlussschrift zu begründen. Die Anschließung verliert ihre Wirkung, wenn die Rechtsbeschwerde zurückgenommen oder als unzulässig verworfen wird.
(1) Ist eine Partei nicht prozessfähig, so ist vorbehaltlich der Vorschrift im Absatz 2 ihr gesetzlicher Vertreter zu vernehmen. Sind mehrere gesetzliche Vertreter vorhanden, so gilt § 449 entsprechend.
(2) Minderjährige, die das 16. Lebensjahr vollendet haben, können über Tatsachen, die in ihren eigenen Handlungen bestehen oder Gegenstand ihrer Wahrnehmung gewesen sind, vernommen und auch nach § 452 beeidigt werden, wenn das Gericht dies nach den Umständen des Falles für angemessen erachtet. Das Gleiche gilt von einer prozessfähigen Person, die in dem Rechtsstreit durch einen Betreuer oder Pfleger vertreten wird.
Besteht die zu vernehmende Partei aus mehreren Streitgenossen, so bestimmt das Gericht nach Lage des Falles, ob alle oder nur einzelne Streitgenossen zu vernehmen sind.
(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.
(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.
(3) (weggefallen)