Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
AK 65/19
vom
9. Januar 2020
in dem Strafverfahren
gegen
wegen Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung u.a.
ECLI:DE:BGH:2020:090120BAK65.19.0

Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Angeschuldigten und seines Verteidigers am 9. Januar 2020 gemäß §§ 121, 122 StPO
beschlossen:
Die Untersuchungshaft hat fortzudauern. Eine etwa erforderliche weitere Haftprüfung durch den Bundesgerichtshof findet in drei Monaten statt. Bis zu diesem Zeitpunkt wird die Haftprüfung dem Oberlandesgericht Frankfurt am Main übertragen.

Gründe:


I.


1
Der Angeschuldigte wurde in anderer Sache am 14. November 2018 vorläufig festgenommen und befindet sich seit dem 15. November 2018 aufgrund des Haftbefehls des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs vom selben Tag (2 BGs 906/18), zuletzt ersetzt durch den Haftbefehl des Ermittlungsrichters des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 7. Mai 2019 (2 OJs 32/18), ununterbrochen in Untersuchungshaft.
2
Gegenstand des Haftbefehls vom 7. Mai 2019 ist der Vorwurf, der Angeschuldigte habe sich in der Zeit von 2013 bis 2015 in Syrien als Mitglied an der ausländischen terroristischen Vereinigung "Islamischer Staat [im Irak und in Großsyrien]" beteiligt, deren Zwecke und Tätigkeit darauf gerichtet gewesen seien, Mord (§ 211 StGB) oder Totschlag (§ 212 StGB) oder Kriegsverbrechen (§§ 8, 9, 10, 11, 12 VStGB) zu begehen, und durch dieselbe Handlung über Kriegswaffen sonst die tatsächliche Gewalt ausgeübt, ohne dass der Erwerb der tatsächlichen Gewalt auf einer Genehmigung nach dem Gesetz über die Kontrolle von Kriegswaffen (Kriegswaffenkontrollgesetz) beruht habe oder eine Anzeige nach § 12 Abs. 6 Nr. 1 oder § 26a dieses Gesetzes erstattet worden sei (§ 129a Abs. 1 Nr. 1, § 129b Abs. 1 Sätze 1 bis 3, § 52 StGB, § 22a Abs. 1 Nr. 6 KrWaffKG i.V.m. Teil B Nr. 29 Buchst. a, c und Nr. 50 der Anlage 1 zu § 1 Abs. 1 KrWaffKG [Kriegswaffenliste]).
3
Der Senat hat mit Beschlüssen vom 5. Juni 2019 (AK 26/19) und 18. September 2019 (AK 52/19) jeweils die Fortdauer der Untersuchungshaft angeordnet. Die Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt am Main hat am 29. November 2019 wegen des Tatvorwurfs, der Gegenstand des Haftbefehls ist, Anklage zum Oberlandesgericht erhoben.

II.


4
Die Voraussetzungen für die Fortdauer der Untersuchungshaft über zwölf Monate hinaus liegen vor.
5
1. Wegen der Einzelheiten des Tatvorwurfs, der den dringenden Tatverdacht begründenden Umstände und des Haftgrundes nimmt der Senat auf die weiter geltenden Gründe seiner Haftfortdauerentscheidungen vom 5. Juni 2019 und 18. September 2019 sowie die Darstellung des wesentlichen Ergebnisses der Ermittlungen in der Anklageschrift Bezug.
6
2. Die besondere Schwierigkeit und der Umfang des Verfahrens haben ein Urteil bislang noch nicht zugelassen und rechtfertigen weiterhin die Fortdauer der Untersuchungshaft (§ 121 Abs. 1, § 122 Abs. 4 Satz 2 StPO). Das Verfahren ist auch nach der letzten Haftfortdauerentscheidung des Senats hinreichend gefördert worden. Nach Eingang des bei der vorangegangenen Haftprüfung durch den Senat noch ausstehenden Gutachtens des Sachverständigen Dr. S. am 5. November 2019 sowie verschiedenen weiteren Ermittlungen , etwa zu aktuellen Anschriften von Zeugen, hat die Generalstaatsanwaltschaft am 29. November 2019 Anklage erhoben. Deren Zustellung hat das Oberlandesgericht am 2. Dezember 2019 veranlasst. Zudem hat es bereits vorsorglich Termine für die Hauptverhandlung mit dem Verteidiger ab dem 15. Januar 2020 bis zum 20. März 2020 abgestimmt.
7
3. Die Untersuchungshaft steht nach Abwägung zwischen dem Freiheitsgrundrecht des Angeschuldigten einerseits sowie dem Strafverfolgungsinteresse der Allgemeinheit andererseits derzeit noch nicht zu der Bedeutung der Sache und der zu erwartenden Strafe außer Verhältnis (§ 120 Abs. 1 Satz 1 StPO). Zwar dauert die Untersuchungshaft inzwischen über ein Jahr an. Allerdings ist der konkrete Verbrechensvorwurf von erheblichem Gewicht. Das Oberlandesgericht ist sich mit Blick auf die bereits für Januar 2020 vorsorglich mitgeteilten Hauptverhandlungstermine der Bedeutung des Beschleunigungsgebotes in Haftsachen ersichtlich bewusst.
Schäfer Spaniol Anstötz

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Strafgesetzbuch - StGB | § 52 Tateinheit


(1) Verletzt dieselbe Handlung mehrere Strafgesetze oder dasselbe Strafgesetz mehrmals, so wird nur auf eine Strafe erkannt. (2) Sind mehrere Strafgesetze verletzt, so wird die Strafe nach dem Gesetz bestimmt, das die schwerste Strafe androht. Sie d

Strafgesetzbuch - StGB | § 211 Mord


(1) Der Mörder wird mit lebenslanger Freiheitsstrafe bestraft. (2) Mörder ist, wer aus Mordlust, zur Befriedigung des Geschlechtstriebs, aus Habgier oder sonst aus niedrigen Beweggründen, heimtückisch oder grausam oder mit gemeingefährlichen Mitt

Strafgesetzbuch - StGB | § 212 Totschlag


(1) Wer einen Menschen tötet, ohne Mörder zu sein, wird als Totschläger mit Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren bestraft. (2) In besonders schweren Fällen ist auf lebenslange Freiheitsstrafe zu erkennen.

Strafprozeßordnung - StPO | § 121 Fortdauer der Untersuchungshaft über sechs Monate


(1) Solange kein Urteil ergangen ist, das auf Freiheitsstrafe oder eine freiheitsentziehende Maßregel der Besserung und Sicherung erkennt, darf der Vollzug der Untersuchungshaft wegen derselben Tat über sechs Monate hinaus nur aufrechterhalten werden

Strafgesetzbuch - StGB | § 129a Bildung terroristischer Vereinigungen


(1) Wer eine Vereinigung (§ 129 Absatz 2) gründet, deren Zwecke oder deren Tätigkeit darauf gerichtet sind, 1. Mord (§ 211) oder Totschlag (§ 212) oder Völkermord (§ 6 des Völkerstrafgesetzbuches) oder Verbrechen gegen die Menschlichkeit (§ 7 des Völ

Strafgesetzbuch - StGB | § 129b Kriminelle und terroristische Vereinigungen im Ausland; Einziehung


(1) Die §§ 129 und 129a gelten auch für Vereinigungen im Ausland. Bezieht sich die Tat auf eine Vereinigung außerhalb der Mitgliedstaaten der Europäischen Union, so gilt dies nur, wenn sie durch eine im räumlichen Geltungsbereich dieses Gesetzes ausg

Strafprozeßordnung - StPO | § 122 Besondere Haftprüfung durch das Oberlandesgericht


(1) In den Fällen des § 121 legt das zuständige Gericht die Akten durch Vermittlung der Staatsanwaltschaft dem Oberlandesgericht zur Entscheidung vor, wenn es die Fortdauer der Untersuchungshaft für erforderlich hält oder die Staatsanwaltschaft es be

Strafprozeßordnung - StPO | § 120 Aufhebung des Haftbefehls


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Völkerstrafgesetzbuch - VStGB | § 8 Kriegsverbrechen gegen Personen


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(1) Wer im Zusammenhang mit einem internationalen oder nichtinternationalen bewaffneten Konflikt plündert oder, ohne dass dies durch die Erfordernisse des bewaffneten Konflikts geboten ist, sonst in erheblichem Umfang völkerrechtswidrig Sachen der ge

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Völkerstrafgesetzbuch - VStGB | § 10 Kriegsverbrechen gegen humanitäre Operationen und Embleme


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Völkerstrafgesetzbuch - VStGB | § 12 Kriegsverbrechen des Einsatzes verbotener Mittel der Kriegsführung


(1) Wer im Zusammenhang mit einem internationalen oder nichtinternationalen bewaffneten Konflikt 1. Gift oder vergiftete Waffen verwendet,2. biologische oder chemische Waffen verwendet oder3. Geschosse verwendet, die sich leicht im Körper des Mensche

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Bundesgerichtshof Beschluss, 05. Juni 2019 - AK 26/19

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bei uns veröffentlicht am 18.09.2019

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(1) Solange kein Urteil ergangen ist, das auf Freiheitsstrafe oder eine freiheitsentziehende Maßregel der Besserung und Sicherung erkennt, darf der Vollzug der Untersuchungshaft wegen derselben Tat über sechs Monate hinaus nur aufrechterhalten werden, wenn die besondere Schwierigkeit oder der besondere Umfang der Ermittlungen oder ein anderer wichtiger Grund das Urteil noch nicht zulassen und die Fortdauer der Haft rechtfertigen.

(2) In den Fällen des Absatzes 1 ist der Haftbefehl nach Ablauf der sechs Monate aufzuheben, wenn nicht der Vollzug des Haftbefehls nach § 116 ausgesetzt wird oder das Oberlandesgericht die Fortdauer der Untersuchungshaft anordnet.

(3) Werden die Akten dem Oberlandesgericht vor Ablauf der in Absatz 2 bezeichneten Frist vorgelegt, so ruht der Fristenlauf bis zu dessen Entscheidung. Hat die Hauptverhandlung begonnen, bevor die Frist abgelaufen ist, so ruht der Fristenlauf auch bis zur Verkündung des Urteils. Wird die Hauptverhandlung ausgesetzt und werden die Akten unverzüglich nach der Aussetzung dem Oberlandesgericht vorgelegt, so ruht der Fristenlauf ebenfalls bis zu dessen Entscheidung.

(4) In den Sachen, in denen eine Strafkammer nach § 74a des Gerichtsverfassungsgesetzes zuständig ist, entscheidet das nach § 120 des Gerichtsverfassungsgesetzes zuständige Oberlandesgericht. In den Sachen, in denen ein Oberlandesgericht nach den §§ 120 oder 120b des Gerichtsverfassungsgesetzes zuständig ist, tritt an dessen Stelle der Bundesgerichtshof.

(1) In den Fällen des § 121 legt das zuständige Gericht die Akten durch Vermittlung der Staatsanwaltschaft dem Oberlandesgericht zur Entscheidung vor, wenn es die Fortdauer der Untersuchungshaft für erforderlich hält oder die Staatsanwaltschaft es beantragt.

(2) Vor der Entscheidung sind der Beschuldigte und der Verteidiger zu hören. Das Oberlandesgericht kann über die Fortdauer der Untersuchungshaft nach mündlicher Verhandlung entscheiden; geschieht dies, so gilt § 118a entsprechend.

(3) Ordnet das Oberlandesgericht die Fortdauer der Untersuchungshaft an, so gilt § 114 Abs. 2 Nr. 4 entsprechend. Für die weitere Haftprüfung (§ 117 Abs. 1) ist das Oberlandesgericht zuständig, bis ein Urteil ergeht, das auf Freiheitsstrafe oder eine freiheitsentziehende Maßregel der Besserung und Sicherung erkennt. Es kann die Haftprüfung dem Gericht, das nach den allgemeinen Vorschriften dafür zuständig ist, für die Zeit von jeweils höchstens drei Monaten übertragen. In den Fällen des § 118 Abs. 1 entscheidet das Oberlandesgericht über einen Antrag auf mündliche Verhandlung nach seinem Ermessen.

(4) Die Prüfung der Voraussetzungen nach § 121 Abs. 1 ist auch im weiteren Verfahren dem Oberlandesgericht vorbehalten. Die Prüfung muß jeweils spätestens nach drei Monaten wiederholt werden.

(5) Das Oberlandesgericht kann den Vollzug des Haftbefehls nach § 116 aussetzen.

(6) Sind in derselben Sache mehrere Beschuldigte in Untersuchungshaft, so kann das Oberlandesgericht über die Fortdauer der Untersuchungshaft auch solcher Beschuldigter entscheiden, für die es nach § 121 und den vorstehenden Vorschriften noch nicht zuständig wäre.

(7) Ist der Bundesgerichtshof zur Entscheidung zuständig, so tritt dieser an die Stelle des Oberlandesgerichts.

(1) Der Mörder wird mit lebenslanger Freiheitsstrafe bestraft.

(2) Mörder ist, wer
aus Mordlust, zur Befriedigung des Geschlechtstriebs, aus Habgier oder sonst aus niedrigen Beweggründen,
heimtückisch oder grausam oder mit gemeingefährlichen Mitteln oder
um eine andere Straftat zu ermöglichen oder zu verdecken,
einen Menschen tötet.

(1) Wer einen Menschen tötet, ohne Mörder zu sein, wird als Totschläger mit Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren bestraft.

(2) In besonders schweren Fällen ist auf lebenslange Freiheitsstrafe zu erkennen.

(1) Wer im Zusammenhang mit einem internationalen oder nichtinternationalen bewaffneten Konflikt

1.
eine nach dem humanitären Völkerrecht zu schützende Person tötet,
2.
eine nach dem humanitären Völkerrecht zu schützende Person als Geisel nimmt,
3.
eine nach dem humanitären Völkerrecht zu schützende Person grausam oder unmenschlich behandelt, indem er ihr erhebliche körperliche oder seelische Schäden oder Leiden zufügt, insbesondere sie foltert oder verstümmelt,
4.
eine nach dem humanitären Völkerrecht zu schützende Person sexuell nötigt oder vergewaltigt, sie zur Prostitution nötigt, der Fortpflanzungsfähigkeit beraubt oder in der Absicht, die ethnische Zusammensetzung einer Bevölkerung zu beeinflussen, eine unter Anwendung von Zwang geschwängerte Frau gefangen hält,
5.
Kinder unter 15 Jahren für Streitkräfte zwangsverpflichtet oder in Streitkräfte oder bewaffnete Gruppen eingliedert oder sie zur aktiven Teilnahme an Feindseligkeiten verwendet,
6.
eine nach dem humanitären Völkerrecht zu schützende Person, die sich rechtmäßig in einem Gebiet aufhält, vertreibt oder zwangsweise überführt, indem er sie unter Verstoß gegen eine allgemeine Regel des Völkerrechts durch Ausweisung oder andere Zwangsmaßnahmen in einen anderen Staat oder in ein anderes Gebiet verbringt,
7.
gegen eine nach dem humanitären Völkerrecht zu schützende Person eine erhebliche Strafe, insbesondere die Todesstrafe oder eine Freiheitsstrafe verhängt oder vollstreckt, ohne dass diese Person in einem unparteiischen ordentlichen Gerichtsverfahren, das die völkerrechtlich erforderlichen Rechtsgarantien bietet, abgeurteilt worden ist,
8.
eine nach dem humanitären Völkerrecht zu schützende Person in die Gefahr des Todes oder einer schweren Gesundheitsschädigung bringt, indem er
a)
an einer solchen Person Versuche vornimmt, in die sie nicht zuvor freiwillig und ausdrücklich eingewilligt hat oder die weder medizinisch notwendig sind noch in ihrem Interesse durchgeführt werden,
b)
einer solchen Person Gewebe oder Organe für Übertragungszwecke entnimmt, sofern es sich nicht um die Entnahme von Blut oder Haut zu therapeutischen Zwecken im Einklang mit den allgemein anerkannten medizinischen Grundsätzen handelt und die Person zuvor nicht freiwillig und ausdrücklich eingewilligt hat, oder
c)
bei einer solchen Person medizinisch nicht anerkannte Behandlungsmethoden anwendet, ohne dass dies medizinisch notwendig ist und die Person zuvor freiwillig und ausdrücklich eingewilligt hat, oder
9.
eine nach dem humanitären Völkerrecht zu schützende Person in schwerwiegender Weise entwürdigend oder erniedrigend behandelt,
wird in den Fällen der Nummer 1 mit lebenslanger Freiheitsstrafe, in den Fällen der Nummer 2 mit Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren, in den Fällen der Nummern 3 bis 5 mit Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren, in den Fällen der Nummern 6 bis 8 mit Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren und in den Fällen der Nummer 9 mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr bestraft.

(2) Wer im Zusammenhang mit einem internationalen oder nichtinternationalen bewaffneten Konflikt einen Angehörigen der gegnerischen Streitkräfte oder einen Kämpfer der gegnerischen Partei verwundet, nachdem dieser sich bedingungslos ergeben hat oder sonst außer Gefecht ist, wird mit Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren bestraft.

(3) Wer im Zusammenhang mit einem internationalen bewaffneten Konflikt

1.
eine geschützte Person im Sinne des Absatzes 6 Nr. 1 rechtswidrig gefangen hält oder ihre Heimschaffung ungerechtfertigt verzögert,
2.
als Angehöriger einer Besatzungsmacht einen Teil der eigenen Zivilbevölkerung in das besetzte Gebiet überführt,
3.
eine geschützte Person im Sinne des Absatzes 6 Nr. 1 mit Gewalt oder durch Drohung mit einem empfindlichen Übel zum Dienst in den Streitkräften einer feindlichen Macht nötigt oder
4.
einen Angehörigen der gegnerischen Partei mit Gewalt oder durch Drohung mit einem empfindlichen Übel nötigt, an Kriegshandlungen gegen sein eigenes Land teilzunehmen,
wird mit Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren bestraft.

(4) Verursacht der Täter durch eine Tat nach Absatz 1 Nr. 2 bis 6 den Tod des Opfers, so ist in den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 die Strafe lebenslange Freiheitsstrafe oder Freiheitsstrafe nicht unter zehn Jahren, in den Fällen des Absatzes 1 Nr. 3 bis 5 Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren, in den Fällen des Absatzes 1 Nr. 6 Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren. Führt eine Handlung nach Absatz 1 Nr. 8 zum Tod oder zu einer schweren Gesundheitsschädigung, so ist die Strafe Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren.

(5) In minder schweren Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 ist die Strafe Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren, in minder schweren Fällen des Absatzes 1 Nr. 3 und 4 und des Absatzes 2 Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr, in minder schweren Fällen des Absatzes 1 Nr. 6 und des Absatzes 3 Nr. 1 Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren.

(6) Nach dem humanitären Völkerrecht zu schützende Personen sind

1.
im internationalen bewaffneten Konflikt: geschützte Personen im Sinne der Genfer Abkommen und des Zusatzprotokolls I (Anlage zu diesem Gesetz), namentlich Verwundete, Kranke, Schiffbrüchige, Kriegsgefangene und Zivilpersonen;
2.
im nichtinternationalen bewaffneten Konflikt: Verwundete, Kranke, Schiffbrüchige sowie Personen, die nicht unmittelbar an den Feindseligkeiten teilnehmen und sich in der Gewalt der gegnerischen Partei befinden;
3.
im internationalen und im nichtinternationalen bewaffneten Konflikt: Angehörige der Streitkräfte und Kämpfer der gegnerischen Partei, welche die Waffen gestreckt haben oder in sonstiger Weise wehrlos sind.

(1) Wer im Zusammenhang mit einem internationalen oder nichtinternationalen bewaffneten Konflikt plündert oder, ohne dass dies durch die Erfordernisse des bewaffneten Konflikts geboten ist, sonst in erheblichem Umfang völkerrechtswidrig Sachen der gegnerischen Partei, die der Gewalt der eigenen Partei unterliegen, zerstört, sich aneignet oder beschlagnahmt, wird mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren bestraft.

(2) Wer im Zusammenhang mit einem internationalen bewaffneten Konflikt völkerrechtswidrig anordnet, dass Rechte und Forderungen aller oder eines wesentlichen Teils der Angehörigen der gegnerischen Partei aufgehoben oder ausgesetzt werden oder vor Gericht nicht einklagbar sind, wird mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren bestraft.

(1) Wer im Zusammenhang mit einem internationalen oder nichtinternationalen bewaffneten Konflikt

1.
einen Angriff gegen Personen, Einrichtungen, Material, Einheiten oder Fahrzeuge richtet, die an einer humanitären Hilfsmission oder an einer friedenserhaltenden Mission in Übereinstimmung mit der Charta der Vereinten Nationen beteiligt sind, solange sie Anspruch auf den Schutz haben, der Zivilpersonen oder zivilen Objekten nach dem humanitären Völkerrecht gewährt wird, oder
2.
einen Angriff gegen Personen, Gebäude, Material, Sanitätseinheiten oder Sanitätstransportmittel richtet, die in Übereinstimmung mit dem humanitären Völkerrecht mit den Schutzzeichen der Genfer Abkommen gekennzeichnet sind,
wird mit Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren bestraft. In minder schweren Fällen, insbesondere wenn der Angriff nicht mit militärischen Mitteln erfolgt, ist die Strafe Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr.

(2) Wer im Zusammenhang mit einem internationalen oder nichtinternationalen bewaffneten Konflikt die Schutzzeichen der Genfer Abkommen, die Parlamentärflagge oder die Flagge, die militärischen Abzeichen oder die Uniform des Feindes oder der Vereinten Nationen missbraucht und dadurch den Tod oder die schwere Verletzung eines Menschen (§ 226 des Strafgesetzbuches) verursacht, wird mit Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren bestraft.

(1) Wer im Zusammenhang mit einem internationalen oder nichtinternationalen bewaffneten Konflikt

1.
mit militärischen Mitteln einen Angriff gegen die Zivilbevölkerung als solche oder gegen einzelne Zivilpersonen richtet, die an den Feindseligkeiten nicht unmittelbar teilnehmen,
2.
mit militärischen Mitteln einen Angriff gegen zivile Objekte richtet, solange sie durch das humanitäre Völkerrecht als solche geschützt sind, namentlich Gebäude, die dem Gottesdienst, der Erziehung, der Kunst, der Wissenschaft oder der Wohltätigkeit gewidmet sind, geschichtliche Denkmäler, Krankenhäuser und Sammelplätze für Kranke und Verwundete, unverteidigte Städte, Dörfer, Wohnstätten oder Gebäude oder entmilitarisierte Zonen sowie Anlagen und Einrichtungen, die gefährliche Kräfte enthalten,
3.
mit militärischen Mitteln einen Angriff durchführt und dabei als sicher erwartet, dass der Angriff die Tötung oder Verletzung von Zivilpersonen oder die Beschädigung ziviler Objekte in einem Ausmaß verursachen wird, das außer Verhältnis zu dem insgesamt erwarteten konkreten und unmittelbaren militärischen Vorteil steht,
4.
eine nach dem humanitären Völkerrecht zu schützende Person als Schutzschild einsetzt, um den Gegner von Kriegshandlungen gegen bestimmte Ziele abzuhalten,
5.
das Aushungern von Zivilpersonen als Methode der Kriegsführung einsetzt, indem er ihnen die für sie lebensnotwendigen Gegenstände vorenthält oder Hilfslieferungen unter Verstoß gegen das humanitäre Völkerrecht behindert,
6.
als Befehlshaber anordnet oder androht, dass kein Pardon gegeben wird, oder
7.
einen Angehörigen der gegnerischen Streitkräfte oder einen Kämpfer der gegnerischen Partei meuchlerisch tötet oder verwundet,
wird mit Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren bestraft. In minder schweren Fällen der Nummer 2 ist die Strafe Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr.

(2) Verursacht der Täter durch eine Tat nach Absatz 1 Nr. 1 bis 6 den Tod oder die schwere Verletzung einer Zivilperson (§ 226 des Strafgesetzbuches) oder einer nach dem humanitären Völkerrecht zu schützenden Person, wird er mit Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren bestraft. Führt der Täter den Tod vorsätzlich herbei, ist die Strafe lebenslange Freiheitsstrafe oder Freiheitsstrafe nicht unter zehn Jahren.

(3) Wer im Zusammenhang mit einem internationalen bewaffneten Konflikt mit militärischen Mitteln einen Angriff durchführt und dabei als sicher erwartet, dass der Angriff weit reichende, langfristige und schwere Schäden an der natürlichen Umwelt verursachen wird, die außer Verhältnis zu dem insgesamt erwarteten konkreten und unmittelbaren militärischen Vorteil stehen, wird mit Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren bestraft.

(1) Wer im Zusammenhang mit einem internationalen oder nichtinternationalen bewaffneten Konflikt

1.
Gift oder vergiftete Waffen verwendet,
2.
biologische oder chemische Waffen verwendet oder
3.
Geschosse verwendet, die sich leicht im Körper des Menschen ausdehnen oder flachdrücken, insbesondere Geschosse mit einem harten Mantel, der den Kern nicht ganz umschließt oder mit Einschnitten versehen ist,
wird mit Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren bestraft.

(2) Verursacht der Täter durch eine Tat nach Absatz 1 den Tod oder die schwere Verletzung einer Zivilperson (§ 226 des Strafgesetzbuches) oder einer nach dem humanitären Völkerrecht zu schützenden Person, wird er mit Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren bestraft. Führt der Täter den Tod vorsätzlich herbei, ist die Strafe lebenslange Freiheitsstrafe oder Freiheitsstrafe nicht unter zehn Jahren.

(1) Wer eine Vereinigung (§ 129 Absatz 2) gründet, deren Zwecke oder deren Tätigkeit darauf gerichtet sind,

1.
Mord (§ 211) oder Totschlag (§ 212) oder Völkermord (§ 6 des Völkerstrafgesetzbuches) oder Verbrechen gegen die Menschlichkeit (§ 7 des Völkerstrafgesetzbuches) oder Kriegsverbrechen (§§ 8, 9, 10, 11 oder § 12 des Völkerstrafgesetzbuches) oder
2.
Straftaten gegen die persönliche Freiheit in den Fällen des § 239a oder des § 239b
3.
(weggefallen)
zu begehen, oder wer sich an einer solchen Vereinigung als Mitglied beteiligt, wird mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren bestraft.

(2) Ebenso wird bestraft, wer eine Vereinigung gründet, deren Zwecke oder deren Tätigkeit darauf gerichtet sind,

1.
einem anderen Menschen schwere körperliche oder seelische Schäden, insbesondere der in § 226 bezeichneten Art, zuzufügen,
2.
Straftaten nach den §§ 303b, 305, 305a oder gemeingefährliche Straftaten in den Fällen der §§ 306 bis 306c oder 307 Abs. 1 bis 3, des § 308 Abs. 1 bis 4, des § 309 Abs. 1 bis 5, der §§ 313, 314 oder 315 Abs. 1, 3 oder 4, des § 316b Abs. 1 oder 3 oder des § 316c Abs. 1 bis 3 oder des § 317 Abs. 1,
3.
Straftaten gegen die Umwelt in den Fällen des § 330a Abs. 1 bis 3,
4.
Straftaten nach § 19 Abs. 1 bis 3, § 20 Abs. 1 oder 2, § 20a Abs. 1 bis 3, § 19 Abs. 2 Nr. 2 oder Abs. 3 Nr. 2, § 20 Abs. 1 oder 2 oder § 20a Abs. 1 bis 3, jeweils auch in Verbindung mit § 21, oder nach § 22a Abs. 1 bis 3 des Gesetzes über die Kontrolle von Kriegswaffen oder
5.
Straftaten nach § 51 Abs. 1 bis 3 des Waffengesetzes
zu begehen, oder wer sich an einer solchen Vereinigung als Mitglied beteiligt, wenn eine der in den Nummern 1 bis 5 bezeichneten Taten bestimmt ist, die Bevölkerung auf erhebliche Weise einzuschüchtern, eine Behörde oder eine internationale Organisation rechtswidrig mit Gewalt oder durch Drohung mit Gewalt zu nötigen oder die politischen, verfassungsrechtlichen, wirtschaftlichen oder sozialen Grundstrukturen eines Staates oder einer internationalen Organisation zu beseitigen oder erheblich zu beeinträchtigen, und durch die Art ihrer Begehung oder ihre Auswirkungen einen Staat oder eine internationale Organisation erheblich schädigen kann.

(3) Sind die Zwecke oder die Tätigkeit der Vereinigung darauf gerichtet, eine der in Absatz 1 und 2 bezeichneten Straftaten anzudrohen, ist auf Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren zu erkennen.

(4) Gehört der Täter zu den Rädelsführern oder Hintermännern, so ist in den Fällen der Absätze 1 und 2 auf Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren, in den Fällen des Absatzes 3 auf Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren zu erkennen.

(5) Wer eine in Absatz 1, 2 oder Absatz 3 bezeichnete Vereinigung unterstützt, wird in den Fällen der Absätze 1 und 2 mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren, in den Fällen des Absatzes 3 mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. Wer für eine in Absatz 1 oder Absatz 2 bezeichnete Vereinigung um Mitglieder oder Unterstützer wirbt, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.

(6) Das Gericht kann bei Beteiligten, deren Schuld gering und deren Mitwirkung von untergeordneter Bedeutung ist, in den Fällen der Absätze 1, 2, 3 und 5 die Strafe nach seinem Ermessen (§ 49 Abs. 2) mildern.

(7) § 129 Absatz 7 gilt entsprechend.

(8) Neben einer Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten kann das Gericht die Fähigkeit, öffentliche Ämter zu bekleiden, und die Fähigkeit, Rechte aus öffentlichen Wahlen zu erlangen, aberkennen (§ 45 Abs. 2).

(9) In den Fällen der Absätze 1, 2, 4 und 5 kann das Gericht Führungsaufsicht anordnen (§ 68 Abs. 1).

(1) Die §§ 129 und 129a gelten auch für Vereinigungen im Ausland. Bezieht sich die Tat auf eine Vereinigung außerhalb der Mitgliedstaaten der Europäischen Union, so gilt dies nur, wenn sie durch eine im räumlichen Geltungsbereich dieses Gesetzes ausgeübte Tätigkeit begangen wird oder wenn der Täter oder das Opfer Deutscher ist oder sich im Inland befindet. In den Fällen des Satzes 2 wird die Tat nur mit Ermächtigung des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz verfolgt. Die Ermächtigung kann für den Einzelfall oder allgemein auch für die Verfolgung künftiger Taten erteilt werden, die sich auf eine bestimmte Vereinigung beziehen. Bei der Entscheidung über die Ermächtigung zieht das Ministerium in Betracht, ob die Bestrebungen der Vereinigung gegen die Grundwerte einer die Würde des Menschen achtenden staatlichen Ordnung oder gegen das friedliche Zusammenleben der Völker gerichtet sind und bei Abwägung aller Umstände als verwerflich erscheinen.

(2) In den Fällen der §§ 129 und 129a, jeweils auch in Verbindung mit Absatz 1, ist § 74a anzuwenden.

(1) Verletzt dieselbe Handlung mehrere Strafgesetze oder dasselbe Strafgesetz mehrmals, so wird nur auf eine Strafe erkannt.

(2) Sind mehrere Strafgesetze verletzt, so wird die Strafe nach dem Gesetz bestimmt, das die schwerste Strafe androht. Sie darf nicht milder sein, als die anderen anwendbaren Gesetze es zulassen.

(3) Geldstrafe kann das Gericht unter den Voraussetzungen des § 41 neben Freiheitsstrafe gesondert verhängen.

(4) Auf Nebenstrafen, Nebenfolgen und Maßnahmen (§ 11 Absatz 1 Nummer 8) muss oder kann erkannt werden, wenn eines der anwendbaren Gesetze dies vorschreibt oder zulässt.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
AK 26/19
vom
5. Juni 2019
in dem Ermittlungsverfahren
gegen
wegen des Verdachts der mitgliedschaftlichen Beteiligung an einer ausländischen
terroristischen Vereinigung u.a.
ECLI:DE:BGH:2019:050619BAK26.19.0

Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschuldigten und seines Verteidigers am 5. Juni 2019 gemäß §§ 121, 122 StPO beschlossen :
Die Untersuchungshaft hat fortzudauern. Eine etwa erforderliche weitere Haftprüfung durch den Bundesgerichtshof findet in drei Monaten statt. Bis zu diesem Zeitpunkt wird die Haftprüfung dem nach allgemeinen Grundsätzen zuständigen Gericht übertragen.

Gründe:


I.


1
Der Beschuldigte wurde in anderer Sache am 14. November 2018 vorläufig festgenommen und befindet sich seit 15. November 2018 aufgrund des Haftbefehls des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs vom selben Tag (2 BGs 906/18), zuletzt ersetzt durch den Haftbefehl des Ermittlungsrichters des Oberlandesgerichts Frankfurt vom 7. Mai 2019 (2 OJs 32/18), ununterbrochen in Untersuchungshaft.
2
Gegenstand des Haftbefehls vom 7. Mai 2019 ist der Vorwurf, der Beschuldigte habe sich in der Zeit von 2013 bis 2015 in Syrien als Mitglied an der ausländischen terroristischen Vereinigung "Islamischer Staat" (IS) beteiligt, de- ren Zwecke und Tätigkeit darauf gerichtet gewesen seien, Mord (§ 211 StGB) oder Totschlag (§ 212 StGB) oder Kriegsverbrechen (§§ 8, 9, 10, 11, 12 VStGB) zu begehen, und durch dieselbe Handlung über Kriegswaffen sonst die tatsächliche Gewalt ausgeübt, ohne dass der Erwerb der tatsächlichen Gewalt auf einer Genehmigung nach dem Gesetz über die Kontrolle von Kriegswaffen (Kriegswaffenkontrollgesetz) beruht habe oder eine Anzeige nach § 12 Abs. 6 Nr. 1 oder § 26a dieses Gesetzes erstattet worden sei (§ 129a Abs. 1 Nr. 1, § 129b Abs. 1 Sätze 1 bis 3, § 52 StGB, § 22a Abs. 1 Nr. 6 KrWaffKG i.V.m. Teil B Nr. 29a, c und Nr. 50 der Anlage 1 zu § 1 Abs. 1 KrWaffKG [Kriegswaffenliste ]).
3
Das Oberlandesgericht Frankfurt (Ermittlungsrichter) hat unter dem 7. Mai 2019 die Vorlage der Akten an den Bundesgerichtshof verfügt, nachdem die Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt am Main beantragt hatte, die Fortdauer der Untersuchungshaft anzuordnen (§ 122 Abs. 1 Alternative 2, § 121 Abs. 1 und 4 StPO).

II.


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Die Voraussetzungen für die Anordnung der Untersuchungshaft und der Fortdauer über sechs Monate hinaus liegen vor.
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1. a) Nach dem gegenwärtigen Ermittlungsstand ist im Sinne eines dringenden Tatverdachts im Wesentlichen von folgendem Sachverhalt auszugehen:
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aa) Der IS ist eine Organisation mit militant-fundamentalistischer islamischer Ausrichtung, die es sich ursprünglich zum Ziel gesetzt hatte, einen das Gebiet des heutigen Irak und die historische Region "ash-Sham" - die heutigen Staaten Syrien, Libanon und Jordanien sowie Palästina - umfassenden und auf ihrer Ideologie gründenden "Gottesstaat" unter Geltung der Sharia zu errichten und dazu die schiitisch dominierte Regierung im Irak und das Regime des syrischen Präsidenten Assad zu stürzen. Zivile Opfer nahm und nimmt sie bei ihrem fortgesetzten Kampf in Kauf, weil sie jeden, der sich ihren Ansprüchen entgegenstellt, als "Feind des Islam" begreift; die Tötung solcher "Feinde" oder ihre Einschüchterung durch Gewaltakte sieht der IS als legitimes Mittel des Kampfes an.
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Die Führung der Vereinigung, die sich mit dem Ausrufen des "Kalifats" im Juni 2014 von ISIG in IS umbenannte - wodurch sie von der territorialen Selbstbeschränkung Abstand nahm -, hat seit 2010 der "Emir" Abu Bakr al-Baghdadi inne. Al-Baghdadi war von seinem Sprecher zum "Kalifen" erklärt worden, dem die Muslime weltweit Gehorsam zu leisten hätten. Ihm unterstehen ein Stellvertreter sowie "Minister" als Verantwortliche für einzelne Bereiche, so ein "Kriegsminister" und ein "Propagandaminister". Zur Führungsebene gehören außerdem beratende "Shura-Räte". Veröffentlichungen werden in der Medienabteilung "Al-Furqan" produziert und über die Medienstelle "al-l’tisam" verbreitet, die dazu einen eigenen Twitter-Kanal und ein Internetforum nutzt. Das auch von Kampfeinheiten verwendete Symbol der Vereinigung besteht aus dem "Prophetensiegel" (einem weißen Oval mit der Inschrift: "Allah - Rasul - Muhammad") auf schwarzem Grund, überschrieben mit dem islamischen Glaubensbekenntnis. Die - zeitweilig - mehreren Tausend Kämpfer sind dem "Kriegsminister" unterstellt und in lokale Kampfeinheiten mit jeweils einem Kommandeur gegliedert.
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Die von ihr besetzten Gebiete teilte die Vereinigung in Gouvernements ein und richtete einen Geheimdienstapparat ein; diese Maßnahmen zielten auf das Schaffen totalitärer staatlicher Strukturen. Angehörige der syrischen Armee, aber auch von in Gegnerschaft zum IS stehenden Oppositionsgruppen, ausländische Journalisten und Mitarbeiter von Nichtregierungsorganisationen sowie Zivilisten, die den Herrschaftsbereich des IS in Frage stellten, sahen sich Verhaftung , Folter und Hinrichtung ausgesetzt. Filmaufnahmen von besonders grausamen Tötungen wurden mehrfach vom ISIG bzw. IS zu Zwecken der Einschüchterung veröffentlicht. Darüber hinaus begeht die Vereinigung immer wieder Massaker an Teilen der Zivilbevölkerung und außerhalb ihres Machtbereichs Terroranschläge. So hat sie für Attentate in Europa, etwa in Frankreich, Belgien und Deutschland, die Verantwortung übernommen.
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bb) Der Beschuldigte, der bereits seit Beginn des syrischen Bürgerkrieges in verschiedenen Rebellengruppierungen am bewaffneten Kampf gegen das Assad-Regime teilgenommen hatte, schloss sich im Jahr 2013 dem IS (damals noch "Islamischer Staat im Irak und Großsyrien", "ISIG") unter Billigung dessen Ziele und Methoden an und gliederte sich als Mitglied in dessen hierarchische Struktur ein. Er führte als sogenannter "Amir" eine Einheit mit mindestens 20 bewaffneten Kämpfern. Mit dieser nahm er an Kampfhandlungen des IS gegen verschiedene andere Parteien des syrischen Bürgerkriegs teil, unter anderem in Rakka, wo er zumindest zeitweise auch als Kommandeur über ein oder zwei Stadtviertel eingesetzt war. Mit seiner Einheit errichtete der Beschuldigte Kontrollposten an Straßen (z.B. zwischen Mayadin und dem militärischen Flughafen von Deir ez-Zor sowie in der Nähe der syrisch-irakischen Grenze) und führte bewaffnete Patrouillen durch. Anlässlich eines Kontrollganges nahm er zwei alawitische oder schiitische Männer in Gewahrsam und übergab sie später einem höherrangigen Befehlshaber des IS. Auch besetzte er mit Kämp- fern seiner Einheit das Haus eines christlichen Zivilisten für einen nicht näher bekannten Zeitraum, um sich dort vor Luftangriffen zu verbergen. Aufgabe des Beschuldigten war es überdies, in der Region Deir ez-Zor die Einhaltung der Regeln der Scharia durch die örtliche Zivilbevölkerung zu kontrollieren und Verstöße seinem Befehlshaber zu melden, damit dieser die Bestrafung der betreffenden Personen veranlassen konnte.
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Während seiner gesamten Aktivitäten für den IS führte der Beschuldigte ein vollautomatisches Sturmgewehr des Typs Kalaschnikow AK-47 und übte darüber hinaus die Verfügungsgewalt über weitere leichte und schwere Maschinengewehre aus. Dabei besaß er - wie er wusste - nicht die für den Umgang mit diesen Waffen erforderliche Erlaubnis.
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b) Der dringende Tatverdacht ergibt sich aus Folgendem:
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aa) Hinsichtlich der außereuropäischen Vereinigung IS beruht er für den hier relevanten Zeitraum auf dem Auswertebericht des Bundeskriminalamts vom 31. Mai 2018 sowie - senatsbekannt - auf islamwissenschaftlichen Gutachten und diversen Behördenerklärungen der Geheimdienste.
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bb) Betreffend die dem Beschuldigten zur Last gelegten Taten ergibt sich der dringende Tatverdacht im Wesentlichen aus den Aussagen seiner Ehefrau, der Zeugin A. , sowie des Zeugen B. . Der Beschuldigte, der in Abrede stellt, für den IS tätig gewesen zu sein, vertraute sich nach den Angaben des Zeugen B. diesemwährend der Untersuchungshaft an und beklagte, seine Frau habe ihn vor den deutschen Behörden als IS-Mitglied entlarvt. Er soll dem Zeugen umfassend und detailliert über seine Tätigkeit für den IS berichtet haben. Die Aussage des Zeugen B. wird im Wesentlichen durch die Angaben der Zeugin A. gestützt. Soweit diese abweichend bekundet, der Beschuldigte habe nur unter Zwang dem IS gedient, vermag dies die Glaubhaftigkeit der Aussage des Zeugen B. nicht in Frage zu stellen. Denn eine zwangsweise Mitgliedschaft ist mit den übrigen Angaben der Zeugin, der Beschuldigte habe sich frei zwischen der Türkei und Syrien bewegen können, nicht in Einklang zu bringen.
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Auch im Übrigen besteht nach dem bisherigen Ermittlungsergebnis kein Anlass, die Glaubwürdigkeit des Zeugen B. in Zweifel zu ziehen. Weder ergeben sich dafür Hinweise aus den Vernehmungsprotokollen, noch sprechen außerhalb der Aussage liegende Umstände hierfür. Wegen der Einzelheiten - wie auch der übrigen den Tatverdacht stützenden Beweismittel - wird auf die detaillierten Ausführungen in dem Haftbefehl vom 7. Mai 2019 Bezug genommen. Die Angaben des Zeugen im Einzelnen auf ihren Wahrheitsgehalt zu überprüfen wird gegebenenfalls einer Hauptverhandlung vorbehalten sein.
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c) Der Beschuldigte hat sich mit hoher Wahrscheinlichkeit der mitgliedschaftlichen Beteiligung an einer ausländischen terroristischen Vereinigung in Tateinheit mit Ausüben der tatsächlichen Gewalt über Kriegswaffen strafbar gemacht (§ 129a Abs. 1 Nr. 1, § 129b Abs. 1 Sätze 1 bis 3, § 52 StGB, § 22a Abs. 1 Nr. 6 KrWaffKG i.V.m. Teil B Nr. 29a, c und Nr. 50 der Anlage 1 zu § 1 Abs. 1 KrWaffKG [Kriegswaffenliste]).
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Zwischen den Straftatbeständen des Verstoßes gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz (§ 22a Abs. 1 Nr. 6 KrWaffKG) und der Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung (§§ 129a, 129b StGB) besteht Tateinheit , § 52 StGB (vgl. MüKoStGB/Schäfer, 3. Aufl., § 129 Rn. 144).
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Deutsches Strafrecht ist anwendbar. Hinsichtlich des Vereinigungsdelikts folgt dies jedenfalls aus § 129b Abs. 1 Satz 2 Variante 4 StGB, weil sich der Beschuldigte in Deutschland befindet (zum Strafanwendungsrecht einer Straftat nach § 129b StGB siehe im Einzelnen BGH, Beschluss vom 6. Oktober 2016 - AK 52/16, juris Rn. 33 ff.). Hinsichtlich des Verstoßes gegen § 22a Abs. 1 Nr. 6 KrWaffKG folgt die Anwendbarkeit deutschen Strafrechts aus § 7 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 StGB. Das Führen und Besitzen von Waffen ohne die dazu erforderliche Genehmigung ist gemäß § 41 des Präsidialerlasses Nr. 51 vom 24. September 2011 auch in Syrien unter Strafe gestellt. Sofern eine Waffe besessen wird, um damit einen Terrorakt zu begehen, stellt § 5 des syrischen Anti-Terror-Gesetzes Nr. 19 vom 28. Juni 2012 den Besitz von Waffen unter Strafe. Entsprechend dem Schreiben des Bundesamtes für Justiz vom 19. Mai 2016 (III 1 - 9351 E - S 9 - B 2 1091/2016) findet derzeit ein Auslieferungsverkehr mit Syrien nicht statt. Sollte der Tatort keiner Strafgewalt unterliegen, da aufgrund des Zusammenbruchs der staatlichen Ordnung keine effektive Hoheitsgewalt mehr ausgeübt werden kann, ergäbe sich die Anwendbarkeit des deutschen Strafrechts aus der zweiten Alternative des ersten Halbsatzes von § 7 Abs. 2 StGB.
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Die nach § 129b Abs. 1 Satz 2, 3 StGB erforderliche Ermächtigung zur strafrechtlichen Verfolgung liegt vor.
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2. Es besteht der Haftgrund der Fluchtgefahr (§ 112 Abs. 2 Nr. 2 StPO). Der Beschuldigte hat im Fall seiner Verurteilung mit einer erheblichen Freiheitsstrafe zu rechnen. Dem davon ausgehenden Fluchtanreiz stehen keine hinreichenden fluchthemmenden Umstände entgegen. Der Beschuldigte hat weder ausreichend tragfähige soziale Bindungen von fluchthinderndem Gewicht in Deutschland, noch geht er einer Erwerbstätigkeit nach. Er ist weiterhin tief ver- haftet in dem salafistischen Gedankengut. Seine Ehefrau lebt mit den gemeinsamen Kindern an einem unbekannten Ort unter Opferschutzmaßnahmen, nachdem sie jahrelange Vergewaltigungen und Körperverletzungen durch den Beschuldigten zur Anzeige gebracht hat. Allein der Umstand, dass zahlreiche Geschwister des Beschuldigten im Inland leben, vermag den aus der hohen Straferwartung resultierenden Fluchtanreiz nicht zu beseitigen.
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Aufgrund des dringenden Tatverdachts von Straftaten nach §§ 129a, 129b StGB besteht auch der Haftgrund der Schwerkriminalität (§ 112 Abs. 3 StPO).
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Der Zweck der Untersuchungshaft kann nicht durch weniger einschneidende Maßnahmen als deren Vollzug erreicht werden (§ 116 StPO).
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3. Die besonderen Voraussetzungen für die Fortdauer der Untersuchungshaft über sechs Monate hinaus (§ 121 Abs. 1 StPO) liegen vor.
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Der Umfang und die Schwierigkeit der Ermittlungen haben ein Urteil innerhalb von sechs Monaten seit der Inhaftierung des Beschuldigten noch nicht zugelassen. Das Ermittlungsverfahren ist am 23. November 2018, mithin unmittelbar nach der Inhaftierung des Beschuldigten, durch den Generalbundesanwalt an die Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt abgegeben worden. Mehrere sichergestellte Datenträger haben - teilweise unter Hinzuziehung eines Übersetzers für die arabische Sprache - ausgewertet und zahlreiche Zeugen vernommen werden müssen. Überdies sind islamwissenschaftliche und waffentechnische Sachverständigengutachten in Auftrag gegeben worden. Nach alledem ist das Verfahren bisher mit der in Haftsachen gebotenen Intensität gefördert worden.
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4. Schließlich steht der Weitervollzug der Untersuchungshaft nicht außer Verhältnis zu der Bedeutung der Sache und der im Fall einer Verurteilung zu erwartenden Strafe (§ 120 Abs. 1 Satz 1 StPO).
Schäfer Wimmer Berg

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
AK 52/19
vom
18. September 2019
in dem Ermittlungsverfahren
gegen
wegen mitgliedschaftlicher Beteiligung an einer ausländischen terroristischen
Vereinigung u.a.
ECLI:DE:BGH:2019:180919BAK52.19.0

Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschuldigten und seines Verteidigers am 18. September 2019 gemäß §§ 121, 122 StPO
beschlossen:
Die Untersuchungshaft hat fortzudauern. Eine etwa erforderliche weitere Haftprüfung durch den Bundesgerichtshof findet in drei Monaten statt. Bis zu diesem Zeitpunkt wird die Haftprüfung dem nach allgemeinen Grundsätzen zuständigen Gericht übertragen.

Gründe:


I.


1
Der Beschuldigte wurde in anderer Sache am 14. November 2018 vorläufig festgenommen und befindet sich seit dem 15. November 2018 aufgrund des Haftbefehls des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs vom selben Tag (2 BGs 906/18), zuletzt ersetzt durch den Haftbefehl des Ermittlungsrichters des Oberlandesgerichts Frankfurt vom 7. Mai 2019 (2 OJs 32/18), ununterbrochen in Untersuchungshaft.
2
Gegenstand des Haftbefehls vom 7. Mai 2019 ist der Vorwurf, der Beschuldigte habe sich in der Zeit von 2013 bis 2015 in Syrien als Mitglied an der ausländischen terroristischen Vereinigung "Islamischer Staat [im Irak und in Großsyrien]" beteiligt, deren Zwecke und Tätigkeit darauf gerichtet gewesen seien, Mord (§ 211 StGB) oder Totschlag (§ 212 StGB) oder Kriegsverbrechen (§§ 8, 9, 10, 11, 12 VStGB) zu begehen, und durch dieselbe Handlung über Kriegswaffen sonst die tatsächliche Gewalt ausgeübt, ohne dass der Erwerb der tatsächlichen Gewalt auf einer Genehmigung nach dem Gesetz über die Kontrolle von Kriegswaffen (Kriegswaffenkontrollgesetz) beruht habe oder eine Anzeige nach § 12 Abs. 6 Nr. 1 oder § 26a dieses Gesetzes erstattet worden sei (§ 129a Abs. 1 Nr. 1, § 129b Abs. 1 Sätze 1 bis 3, § 52 StGB, § 22a Abs. 1 Nr. 6 KrWaffKG i.V.m. Teil B Nr. 29 Buchst. a, c und Nr. 50 der Anlage 1 zu § 1 Abs. 1 KrWaffKG [Kriegswaffenliste]).
3
Der Senat hat mit Beschluss vom 5. Juni 2019 (AK 26/19) die Fortdauer der Untersuchungshaft über sechs Monate hinaus angeordnet.

II.


4
Die Voraussetzungen für die Fortdauer der Untersuchungshaft auch über neun Monate hinaus liegen vor.
5
1. Wegen der Einzelheiten der Tatvorwürfe, der den dringenden Tatverdacht begründenden Umstände und des Haftgrundes nimmt der Senat allgemein Bezug auf die Gründe seiner Haftfortdauerentscheidung vom 5. Juni 2019. Soweit angesichts der konkreten Beweislage, insbesondere der Einschätzung des Sachverständigen Dr. S. in seinem Gutachten vom 21. März 2019 (unter Nr. 3) zu den Zeiträumen etwaiger Mitgliedschaften, zweifelhaft sein kann, ob sich der Beschuldigte bereits ab dem Jahr 2013 in den "Islamischen Staat im Irak und in Großsyrien" eingliederte oder gegebenenfalls erst im Jahr 2014, ist dies für die Frage der Haftfortdauer ohne Bedeutung. Die dem Be- schuldigten zur Last liegenden Straftatbestände ändern sich dadurch nicht. Dass im Falle einer Verurteilung eine kürzere Dauer der Mitgliedschaft im Rahmen der Strafzumessung zu berücksichtigen wäre, führt hier angesichts der dann immer noch verbleibenden erheblichen Straferwartung weder bei der Einschätzung der Fluchtgefahr noch bei der Bewertung der Verhältnismäßigkeit zu einem anderen Ergebnis.
6
2. Die besondere Schwierigkeit und der Umfang des Verfahrens haben ein Urteil bislang noch nicht zugelassen und rechtfertigen die Fortdauer der Untersuchungshaft (§ 121 Abs. 1, § 122 Abs. 4 Satz 2 StPO). Das Verfahren ist auch nach der Haftfortdauerentscheidung des Senats vom 5. Juni 2019 hinreichend gefördert worden. So sind nach Erstellung weiterer Behördengutachten zu identifizierenden Lichtbildvergleichen sowie waffenrechtlichen Bewertungen die polizeilichen Ermittlungen am 22. August 2019 weitestgehend abgeschlossen worden. Das Ergebnis einer am 1. August 2019 in Auftrag gegebenen ergänzenden gutachterlichen Stellungnahme des Sachverständigen Dr. S. steht noch aus; der Eingang ist jedoch zeitnah zu erwarten. Die Generalstaatsanwaltschaft hat bereits angekündigt, dass im Anschluss daran unverzüglich Anklage erhoben werden könne.
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3. Die Untersuchungshaft steht nach Abwägung zwischen dem Freiheitsgrundrecht des Beschuldigten einerseits sowie dem Strafverfolgungsinteresse der Allgemeinheit andererseits derzeit nicht zu der Bedeutung der Sache und der zu erwartenden Strafe außer Verhältnis (§ 120 Abs. 1 Satz 1 StPO). Im Hinblick auf die Dauer der bisherigen Untersuchungshaft wird indes besonderes Augenmerk auf den - von der Generalstaatsanwaltschaft in Aussicht gestellten - zeitnahen Abschluss des Ermittlungsverfahrens zu legen sein. Der Senat geht davon aus, dass alsbald über eine Anklageerhebung entschieden und das Verfahren sodann weiterhin angemessen gefördert werden wird.
Gericke Spaniol Anstötz

(1) Solange kein Urteil ergangen ist, das auf Freiheitsstrafe oder eine freiheitsentziehende Maßregel der Besserung und Sicherung erkennt, darf der Vollzug der Untersuchungshaft wegen derselben Tat über sechs Monate hinaus nur aufrechterhalten werden, wenn die besondere Schwierigkeit oder der besondere Umfang der Ermittlungen oder ein anderer wichtiger Grund das Urteil noch nicht zulassen und die Fortdauer der Haft rechtfertigen.

(2) In den Fällen des Absatzes 1 ist der Haftbefehl nach Ablauf der sechs Monate aufzuheben, wenn nicht der Vollzug des Haftbefehls nach § 116 ausgesetzt wird oder das Oberlandesgericht die Fortdauer der Untersuchungshaft anordnet.

(3) Werden die Akten dem Oberlandesgericht vor Ablauf der in Absatz 2 bezeichneten Frist vorgelegt, so ruht der Fristenlauf bis zu dessen Entscheidung. Hat die Hauptverhandlung begonnen, bevor die Frist abgelaufen ist, so ruht der Fristenlauf auch bis zur Verkündung des Urteils. Wird die Hauptverhandlung ausgesetzt und werden die Akten unverzüglich nach der Aussetzung dem Oberlandesgericht vorgelegt, so ruht der Fristenlauf ebenfalls bis zu dessen Entscheidung.

(4) In den Sachen, in denen eine Strafkammer nach § 74a des Gerichtsverfassungsgesetzes zuständig ist, entscheidet das nach § 120 des Gerichtsverfassungsgesetzes zuständige Oberlandesgericht. In den Sachen, in denen ein Oberlandesgericht nach den §§ 120 oder 120b des Gerichtsverfassungsgesetzes zuständig ist, tritt an dessen Stelle der Bundesgerichtshof.

(1) In den Fällen des § 121 legt das zuständige Gericht die Akten durch Vermittlung der Staatsanwaltschaft dem Oberlandesgericht zur Entscheidung vor, wenn es die Fortdauer der Untersuchungshaft für erforderlich hält oder die Staatsanwaltschaft es beantragt.

(2) Vor der Entscheidung sind der Beschuldigte und der Verteidiger zu hören. Das Oberlandesgericht kann über die Fortdauer der Untersuchungshaft nach mündlicher Verhandlung entscheiden; geschieht dies, so gilt § 118a entsprechend.

(3) Ordnet das Oberlandesgericht die Fortdauer der Untersuchungshaft an, so gilt § 114 Abs. 2 Nr. 4 entsprechend. Für die weitere Haftprüfung (§ 117 Abs. 1) ist das Oberlandesgericht zuständig, bis ein Urteil ergeht, das auf Freiheitsstrafe oder eine freiheitsentziehende Maßregel der Besserung und Sicherung erkennt. Es kann die Haftprüfung dem Gericht, das nach den allgemeinen Vorschriften dafür zuständig ist, für die Zeit von jeweils höchstens drei Monaten übertragen. In den Fällen des § 118 Abs. 1 entscheidet das Oberlandesgericht über einen Antrag auf mündliche Verhandlung nach seinem Ermessen.

(4) Die Prüfung der Voraussetzungen nach § 121 Abs. 1 ist auch im weiteren Verfahren dem Oberlandesgericht vorbehalten. Die Prüfung muß jeweils spätestens nach drei Monaten wiederholt werden.

(5) Das Oberlandesgericht kann den Vollzug des Haftbefehls nach § 116 aussetzen.

(6) Sind in derselben Sache mehrere Beschuldigte in Untersuchungshaft, so kann das Oberlandesgericht über die Fortdauer der Untersuchungshaft auch solcher Beschuldigter entscheiden, für die es nach § 121 und den vorstehenden Vorschriften noch nicht zuständig wäre.

(7) Ist der Bundesgerichtshof zur Entscheidung zuständig, so tritt dieser an die Stelle des Oberlandesgerichts.

(1) Der Haftbefehl ist aufzuheben, sobald die Voraussetzungen der Untersuchungshaft nicht mehr vorliegen oder sich ergibt, daß die weitere Untersuchungshaft zu der Bedeutung der Sache und der zu erwartenden Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung außer Verhältnis stehen würde. Er ist namentlich aufzuheben, wenn der Beschuldigte freigesprochen oder die Eröffnung des Hauptverfahrens abgelehnt oder das Verfahren nicht bloß vorläufig eingestellt wird.

(2) Durch die Einlegung eines Rechtsmittels darf die Freilassung des Beschuldigten nicht aufgehalten werden.

(3) Der Haftbefehl ist auch aufzuheben, wenn die Staatsanwaltschaft es vor Erhebung der öffentlichen Klage beantragt. Gleichzeitig mit dem Antrag kann die Staatsanwaltschaft die Freilassung des Beschuldigten anordnen.