Bundesgerichtshof Beschluss, 07. Feb. 2012 - AK 4/12

07.02.2012

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
____________
AK 4/12
vom
7. Februar 2012
in dem Strafverfahren
gegen
wegen Werbens um Mitglieder oder Unterstützer für eine ausländische
terroristische Vereinigung
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
sowie des Angeschuldigten und seines Verteidigers am 7. Februar
2012 gemäß §§ 121, 122 StPO beschlossen:
Die Untersuchungshaft hat fortzudauern. Eine etwa weiter erforderliche Haftprüfung durch den Bundesgerichtshof findet in drei Monaten statt. Bis zu diesem Zeitpunkt wird die Haftprüfung dem Oberlandesgericht Frankfurt am Main übertragen.

Gründe:

1
Der Angeschuldigte wurde aufgrund des Haftbefehls des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs vom 19. Juli 2011 (2 BGs 378/11) am 20. Juli 2011 festgenommen und befindet sich seitdem ununterbrochen in Untersuchungshaft. Gegenstand des Haftbefehls ist der Vorwurf, der Angeschuldigte habe in der Zeit vom 11. Juli 2010 bis zum 22. Juni 2011 in W. und an anderen Orten in der Bundesrepublik Deutschland über Veröffentlichungen im Internet durch 21 rechtlich selbständige Handlungen für Vereinigungen im Ausland außerhalb der Mitgliedstaaten der Europäischen Union, deren Zwecke darauf gerichtet sind, Mord oder Totschlag zu begehen (Al Qaida und Islamische Bewegung Usbekistans - IBU), um Mitglieder und Unterstützer geworben und sich hierdurch gemäß § 129a Abs. 5 Satz 2, Abs. 1 Nr. 1, § 129b Abs. 1 Sätze 1 und 2, § 53 StGB strafbar gemacht.
2
Der Generalbundesanwalt hat gegen den Angeschuldigten wegen des bezeichneten Geschehens - ausgenommen die Tat Nr. 7 des Haftbefehls - am 2. Januar 2012 Anklage beim Staatsschutzsenat des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main erhoben.
3
Die Voraussetzungen für die Fortdauer der Untersuchungshaft über sechs Monate hinaus liegen vor.
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1. Der Angeschuldigte ist der vom Haftbefehl und von der Anklage erfassten Taten jedenfalls in dem nachfolgend dargestellten Umfang dringend verdächtig.
5
a) Nach dem bisherigen Verfahrensstand ist im Sinne eines dringenden Tatverdachts von folgendem Sachverhalt auszugehen:
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aa) Die 1988 von Usama bin Laden und weiteren Islamisten gegründete Al Qaida verfolgt das Ziel, die islamische Welt von westlichen Einflüssen zu befreien und dort Gottesstaaten auf der Grundlage der Scharia zu errichten. Hierzu führt sie einen "Heiligen Krieg" ("Jihad") gegen die den eigenen Glauben und die Gemeinschaft der Gläubigen bedrohenden "Feinde des Islam", zu denen sie die gesamte westliche Welt und die als "Apostaten" angesehenen prowestlichen Regime in den muslimischen Staaten zählt. Den "Jihad" versteht Al Qaida als gewaltsamen Kampf; sich hieran zu beteiligen sieht sie als individuelle Pflicht eines jeden rechtgläubigen Muslims. Für ein legitimes Mittel des "Jihad" hält sie insbesondere die Verunsicherung des "Feindes" durch terroristische Anschläge, die auf die Tötung einer möglichst großen Zahl von Menschen abzielen.
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Vor diesem ideologischen Hintergrund entwickelte sich Al Qaida ab 1996 zu einer hierarchisch aufgebauten, auf eine zentrale Führung ausgerichteten Organisation, die vor allem in Afghanistan zahlreiche Lager zur Ausbildung von ihr rekrutierter "Jihadisten" unterhielt. Die von Al Qaida in der Folgezeit verübten Anschläge - wie die vom 11. September 2001 in den Vereinigten Staaten von Amerika und zuvor am 7. August 1998 auf die US-amerikanischen Botschaften in Ostafrika - waren mit großer Sorgfalt und in jahrelanger Vorarbeit geplant.
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Im Zuge der Militärintervention in Afghanistan nach dem 11. September 2001 wurde die Organisation teilweise zerschlagen. Umstrukturiert in ein Netzwerk aus einem im afghanisch-pakistanischen Grenzgebiet operierenden Kern und aus Mitgliedern, die in einer Vielzahl anderer Staaten agieren, besteht Al Qaida indes bis heute fort und führt nach entsprechender Anpassung ihrer Steuerungs-, Koordinations- und Mobilisierungsmechanismen auch den gewaltsamen "Jihad" weiter. In den afghanisch-pakistanischen Grenzregionen unterhält die Kernorganisation weiterhin Ausbildungslager, in denen insbesondere neu geworbene Mitglieder aus anderen Staaten auf den Einsatz in ihren Herkunftsländern vorbereitet werden. Im Übrigen versteht sich die Kernorganisation in der neuen Struktur nunmehr in erster Linie als gemeinsames Dach für zahlreiche Unternetzwerke, regionale "Jihad"-Gruppen und autonome Zellen, denen sie Strategie und Ziele vorgibt, deren Aktivitäten sie steuert und koordiniert und die sie finanziell und logistisch unterstützt. Zu diesen Gruppierungen zählen etwa die Organisationen "Al Qaida im Zweistromland", "Al Qaida auf der arabischen Halbinsel" sowie die algerische frühere "Groupe Salafiste pour la Prédication et le Combat", die sich mittlerweile in "Organisation Al Qaida im Islamischen Maghreb" umbenannt hat. Von Al Qaida auf diese Weise gesteuerte Anschläge sind etwa die auf eine Synagoge auf der Insel Djerba am 11. April 2002, auf das Londoner Nahverkehrssystem am 7. Juli 2005 und auf die dänische Botschaft in Islamabad am 2. Juni 2008. Spätestens Anfang 2010 entschloss sich die Führungsebene von Al Qaida, auch die Bundesrepublik Deutschland mit terroristischen Anschlägen zu überziehen, was sie mit deren militärischem Engagement in Afghanistan zu rechtfertigen versucht.
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An der Spitze der Organisation stand zunächst weiterhin Usama bin Laden ; nach dessen Tod am 2. Mai 2011 hat Ayman Al Zawahiri die Führung übernommen. Dieser Führungsebene unmittelbar nachgeordnet sind die Verantwortlichen für die Bereiche Militär, Außenbeziehungen, Finanzen und Medien /Propaganda mit jeweils eigenen Organisationsstrukturen.
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Die Rekrutierung von neuen Mitgliedern betreibt die Kernorganisation im Wesentlichen durch die Verbreitung von Video- und Audiobotschaften oder schriftlichem Material über das Internet, aber auch über Rundfunk und Fernsehen , in denen die Adressaten sinngemäß aufgefordert werden, sich als Anhänger des "wahren Islam" zu beweisen und sich unter dem gemeinsamen Dach der Al Qaida dem gewaltsamen "Jihad" anzuschließen, sei es durch Teilnahme an Kampfhandlungen in Afghanistan oder Pakistan, sei es durch terroristische Anschläge im Heimatland. Der Entwicklung und Verbreitung solchen Propagandamaterials dient die von der Kernorganisation eingerichtete und unterhaltene Medienstelle "As Sahab".
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bb) Die Islamische Bewegung Usbekistans (IBU) wurde 1998 in Kabul durch die Vereinigung von Vorgängerorganisationen überwiegend usbekischer Islamisten als Befreiungsbewegung für das nach dem ersten Weltkrieg unter den damaligen Sowjetrepubliken Usbekistan, Tadschikistan und Kirgisistan aufgeteilte, aber einheitlich zum usbekischen Kulturkreis gehörende zentralasi- atische Ferganatal gegründet. Die von Afghanistan aus operierende, hierarchisch aufgebaute Organisation mit militärischer Führungsstruktur sah ihren Schwerpunkt zunächst im bewaffneten Kampf gegen das säkulare Regime in Usbekistan mit dem Ziel der Errichtung eines islamischen Staates. Ihre Destabilisierungsversuche erreichten dort in den Jahren 1999 bis 2001 einen Höhepunkt in einer Serie von Anschlägen, darunter am 16. Februar 1999 in Taschkent ein versuchter Mordanschlag auf den usbekischen Präsidenten lslam Karimov , bei dem 13 Menschen starben und über 100 verletzt wurden. Daneben richteten sich einzelne Aktionen auch gegen die Regimes in Tadschikistan und Kirgisistan. Die amerikanischen Militärschläge in Afghanistan ab Oktober 2001 fügten der Organisation schwere Verluste zu, worauf sie sich auf die pakistanische Seite des afghanisch-pakistanischen Grenzgebiets zurückzog, im Wesentlichen nach Nord- und Südwaziristan. Dort halten sich derzeit noch mehrere Hundert Kämpfer der IBU auf, auch befinden sich dort ihr logistisches Zentrum und einzelne Ausbildungslager.
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Die in der afghanisch-pakistanischen Grenzregion gebotene Rücksichtnahme auf die örtlichen Paschtunenstämme und auf die eingesickerten Kräfte von Taliban und AI Qaida führte zu Auseinandersetzungen über die künftige strategische und ideologische Ausrichtung der IBU, im Zuge derer sich 2004 die einem globaleren Verständnis vom gewaltsamen "Jihad" anhängende Islamische Jihad Union (IJU) abspaltete. Aber auch innerhalb der IBU kam es zu einer Neuorientierung. So nahmen in der Folge Kämpfer der IBU auch auf Seiten der Taliban an Aktionen gegen die westliche Präsenz in Afghanistan teil; schließlich konzentrierte sich die Organisation auf den Kampf gegen die pakistanische Regierung. Seit dem Jahre 2008 setzt sich nunmehr auch die IBU die weltweite Vorherrschaft des Islam zum Ziel. Sie tritt ein für die Abkehr von der "westlichen Moderne" und die Schaffung einer ausschließlich auf religiösen Grundlagen beruhenden Gesellschaftsform. Im Mittelpunkt ihres Feindbilds stehen die westlichen Staaten, in erster Linie die USA, aber auch die Bundesrepublik Deutschland. Im Juli 2009 hat sich die IBU zu einem Selbstmordattentat auf einen pakistanischen Militärstützpunkt in Nord-Waziristan bekannt, bei dem ein Soldat und sieben Zivilisten getötet wurden. Mit den anderen terroristischen Vereinigungen im afghanisch-pakistanischen Grenzgebiet kooperiert die IBU partnerschaftlich; schlagkräftigeren Organisationen wie der Al Qaida ordnet sie sich bei einzelnen Aktionen unter, so bei einem Anschlag am 2. April 2010 in der afghanischen Provinz Kunduz, bei dem drei Soldaten der Bundeswehr getötet und vier weitere verletzt wurden.
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Als religiöser Führer und militärischer Befehlshaber fungierte bis zu seiner Tötung am 27. August 2009 Muhammad Tahir Yoldashew ("Taher Farooq"). Seine Nachfolge hat mittlerweile Usman Odil übernommen. Die IBU ist hierarchisch strukturiert und bindet ihre Mitglieder durch einen Gefolgschaftseid gegenüber dem Führer. Der Führungsspitze ist beratend ein "ShuraRat" zugeordnet, der aus den Verantwortlichen für die Organisationsbereiche Sicherheit, Ausbildung, Finanzen, Medien/Propaganda, militärische Operationen u.a. besteht. Für den gewaltsamen "Jihad" rekrutierte Mitglieder werden in einem eigenen Ausbildungslager in Pakistan, aber auch in Ausbildungslagern anderer terroristischer Vereinigungen im Umgang mit Waffen und in der "taktischen Kriegsführung" geschult. Neben dieser Kernorganisation haben sich in europäischen Staaten, so in Deutschland und Frankreich, Netzwerke herausgebildet , die für die Beschaffung von Finanzmitteln, die Schleusung von "Jihadwilligen" und die Beschaffung falscher Personaldokumente verantwortlich sind.
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Die Rekrutierung neuer Mitglieder geschieht in erster Linie durch Werbung in Videobotschaften, die über die eigene Internetseite "f. " verbreitet werden. Für die Produktion und die Verbreitung der Botschaften ist die von der IBU eingerichtete und betriebene Medienstelle "Jundullah" zuständig.
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cc) Der Angeschuldigte war seit spätestens Mitte 2010 Administrator der von ihm zusammen mit weiteren Personen über einen Server in der Türkei betriebenen , allgemein zugänglichen Internetseite "i. ". Diese bestand im Wesentlichen aus der Einrichtung eines sog. Weblog ("Tagebuch" ) unter der Bezeichnung "I. ", in welches der Angeschuldigte unter dem Namen "M. " in Internetforen verfügbare Video-, Audio- und Textdateien mit Propagandamaterial der Al Qaida und der Islamischen Bewegung Usbekistans einstellte. Der aus dem Inhalt so verbreiteter Botschaften auch nach seiner Auffassung im Einzelfall hervorgehenden Aufforderung an die Adressaten, sich an der Seite einer der genannten Organisationen am gewaltsamen "Jihad" zu beteiligen, schloss er sich in begleitenden Kommentaren oder dadurch an, dass er sich unter Einfügung des von der "I. " für sich verwendeten Symbols - ein Reiter mit erhobenem Säbel unter dem islamischen Glaubensbekenntnis in arabischer Schrift - erkennbar damit identifizierte. Im Einzelnen handelt es sich um folgende von der Anklage und vom Haftbefehl umfasste Veröffentlichungen:
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(Nr. 1) Am 11. Juli 2010 veröffentlichte er die von "As Sahab" herausgegebene Videobotschaft "Ruhiger Dialog mit Obama", in der sich der Al QaidaPropagandist Khalid bin Abdarrahman Al Husainan rhetorisch an den Präsidenten der Vereinigten Staaten und an die anderen am Krieg gegen die "Mudjaheddin" in Afghanistan teilnehmenden "Regenten" wendet. Die Standhaftigkeit und Unbesiegbarkeit der "Mudjaheddin" beruhe auf deren Bevorzugung des Märtyrertods, denn das Leben eines Muslim beginne erst nach dem Tod. Mit diesen Worten wollte der in der Hierarchie der Al Qaida hochrangige Al Husainan in erster Linie für die Teilnahme am gewaltsamen "Jihad" unter dem Dach der von ihm repräsentierten Organisation werben. Der Angeschuldigte, der dies erkannt hatte, versah die Botschaft mit folgendem zustimmenden Kommentar: "Eine Botschaft der Mudschahidien an Pharaobama! Möge Allah swt. die Ratten (kuffar) erniedrigen und die Löwen (Mudschahidien) zum Siege verhelfen! Unterstützt die Mudschahidien mit eurem Besitz und euren Bittgebeten , verteidigt die Löwen Allahs mit WORT und TAT!"
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(Nr. 2) Am 4. August 2010 veröffentlichte er eine von ihm überarbeitete Version des Videobeitrags "Eine Botschaft an die Ummah" des früheren IBUBefehlshabers Tahir Yoldashew. Darin ruft Yoldashew zum bewaffneten "Jihad" in Afghanistan auf, appelliert an die Ehre der Muslime und fordert sie auf, gegen die Amerikaner zu kämpfen und sie zu besiegen. Ziel sei es, die islamischen Emirate wieder aufzubauen. Diese im Aufruf ihres Anführers zum Ausdruck kommenden Rekrutierungsbemühungen der IBU machte sich der Angeschuldigte dadurch zu Eigen, dass er das in Dari gehaltene Original mit deutschen Untertiteln versah und es mit dem Symbol der "I. " unterlegte.
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(Nr. 3) Am 22. August 2010 veröffentlichte er die usbekischsprachige Video -Verlautbarung der Medienstelle "Jundullah" zum Tode von Tahir Yoldashew. Die Videosequenzen zeigen neben Aufnahmen des Verstorbenen an vielen Stellen bewaffnete Kämpfer und Kampfhandlungen. Unter der Überschrift "Schahied Mohammad Toher Foruq (rh)" fügte der Angeschuldigte, der um Unterstützung der vormals von Yoldashew repräsentierten IBU werben wollte , folgenden Kommentar bei: "Liebe Geschwister, wie wir bereits berichteten, ist vor einiger Zeit unser edler Bruder Mohammad Taher Foruq, rahimahu'allah als edler Märtyrer von uns gegangen. Mohammad Taher Foruq, rahimahuallah war der Amir der islamischen Bewegung Usbekistans und nahm in Khorasan in vielen Gebieten (Usbekistan, Tadschikistan, Afghanistan und zuletzt im Süden von Waziristan, Pakistan) seit seiner Jugend am Jihad gegen die Tawaghiet teil. Hier die Links zu dem, von Jundullah Studio präsentierten Video, welches diesem edlen Schahied gewidmet ist. … Das Video ist leider auf usbekisch, ich kann es nicht übersetzen. Doch die Bilder sprechen eine ganz klare Sprache für sich. Möge Allah swt. diesen edlen Schahied mit der höchsten Stufe des Paradies belohnen und uns auf dem Weg leiten, den er gegangen ist."
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(Nr. 4) Am 28. August 2010 veröffentlichte er das von "Jundullah" herausgegebene , in deutscher Sprache gehaltene Video "Labbaik" ("Dir zu Diensten" ). Als Darsteller und Sprecher agieren u. a. die aus Deutschland stammenden Mo. und Y. C. ("A. A. " und "A. I. "). "A. I. " trat in den Veröffentlichungen der Islamischen Bewegung Usbekistans gewöhnlich als deren Repräsentant für "Jihadwillige" aus Deutschland auf. Beide reden die Zuschauer mehrfach mit "Meine lieben Geschwister in Deutschland" an. Das Video zeigt zunächst Gefechte, bei denen die "Mujahidin", darunter auch Mo. und Y. C. , Maschinengewehre und andere schwere Waffen wie Granat- und Raketenwerfer einsetzen. In einer Szene sitzt Y. C. an einem Wasserfall und erklärt: "Der Gesandte Allahs - salla allahu alaihi wasallam - sagte, der Urlaub meiner Gemeinde ist der Jihad. Wie ihr sehen könnt, leben wir die besten Tage unseres Lebens. … Kommt zum Urlaub dieser Um- ma!". Später erzählt er von den Erfolgen der Gruppe und der Kriegsbeute, die ihre "Geschwister in Wasiristan-Mahsud" gemacht hätten. Weiter stellt ein Sprecher den "Stützpunkt" vor, in dem "sie zur Zeit leben". Dieser sei "mitten in Bergen von Waziristan" in einer "sehr schönen Landschaft". Der Angeschuldig- te machte sich diese Rekrutierungsbemühungen der IBU mit folgendem Begleittext zu Eigen: "Die islamische Bewegung Usbekistan, Jundullah Studio präsentiert "LABBAIK". Die Kämpfe fanden In Badr und Uruzkay, SüdWaziristan statt. Da es oft vorkommt, dass die verfluchten Kuffar unsere Konten sperren, werden wir in Zukunft derartige Videos nicht auf unseren Hauptka- nälen hochladen sondern auf neu erstellten Kanälen wie z. B. … Und je öfter die feinde Allahs swt. unsere Channels löschen umso öfter werden wir die Videos verbreiten insha'allah."
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(Nr. 6) Am 7. Oktober 2010 veröffentlichte er das von "Jundullah" herausgegebene Video "Mutter bleibe standhaft". Es besteht aus einer deutschsprachigen Rede des zu Nr. 4 bereits erwähnten Y. C. ("A. I. "). Er richtet sich, um die Bedenken potentieller "Jihadwilliger" zu zerstreuen, rhetorisch an seine Mutter und an alle Eltern, die unglücklich über die "Auswanderung" ihrer Kinder in den "Jihad" seien. Er ermahnt sie, sich selbst zu tadeln, weil sie sich von Gott entfernt hätten. Wie sollte er "sitzen bleiben", obwohl seine muslimischen Geschwister in den Gefängnissen des Feindes eingesperrt seien und gefoltert würden, die Ungläubigen den gesegneten Boden ihres Propheten beträten und der "Jihad" individuelle Pflicht sei? Wäre er "sitzen geblieben", so wäre dies eine gewaltige Unachtsamkeit gegenüber dem Jüngsten Tag gewesen. Also sei er hinausgegangen, um gute Taten zu verrichten. Der Angeschuldigte versah diese Werbung um Kämpfer für die IBU mit folgender befürwortender Bemerkung: "Oh Ummah, die Prüfung Allahs (swt) ist zu euch gekommen, verschwendet nicht eure Zeit."
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(Nr. 7 = Nr. 8 des Haftbefehls) Am 10. Oktober 2010 veröffentlichte er die Audio-Datei "Zweite Botschaft an die Ummah". Der Redner, vorgestellt als der frühere IBU-Befehlshaber "Taher Farooq", bekräftigt, dass der Kampf für die Sache Gottes im "Jihad" ein religiöser Akt sei. Dem Muslim, der sich dem "Jihad" verweigere, drohe die Strafe Gottes. Um dieser Aufforderung zum bewaffneten Kampf an der Seite der IBU Nachdruck zu verleihen, unterlegte der Angeschuldigte das Dokument im Standbild mit dem Symbol der "I. ", versah es mit deutschen Untertiteln und fügte ihm den Kommentar bei: "Aus einer Rede des ehemaligen Amir der Islamischen Bewegung von Usbekistan. Möge Allah swt. ihn als Märtyrer akzeptieren."
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(Nr. 9) Am 18. Oktober 2010 veröffentlichte er das Video "Die Ritter von Khorasan" der Medienstelle "As Sahab". Es beschreibt und verherrlicht das Selbstmordattentat eines Asad Abu Jafar al-Kuwayti auf ein amerikanisches Militärlager. Vorgeführt werden bewaffnete Kämpfer, die den weltlichen Versuchungen abgeschworen und sich dem bewaffneten "Jihad" zugewandt hätten, um die Ummah zu befreien. Auch Selbstmordattentate werden dargestellt und erläutert. Der sich auf seinen Einsatz vorbereitende Asad Abu Jafar al-Kuwayti fordert die Zuschauer auf, in den "Jihad" zu ziehen oder notfalls die Mudschaheddin auf anderem Wege, durch Spenden und Gebete, zu unterstützen. Dem hieran erkenntlichen Zweck des Videos, für Al Qaida Kämpfer und Selbstmordattentäter anzuwerben, billigte der Angeschuldigte mit folgendem Zusatz: "AsSahab Media präsentiert Eine gewaltige Märtyreroperation von unserem edlen Bruder Abu Jafar al-Kuwati (rah), mit der Erlaubnis Allahs (swt) ist er zum Märtyrer geworden. Schmutzige, verfluchte US-Soldaten werden in ihrer Besatzungsbasis in Marja vernichtet."
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(Nr. 12 = Nr. 13 des Haftbefehls) Am 27. Februar 2011 veröffentlichte er den von "Jundullah" herausgegebenen Textbeitrag "Die islamische Bewegung Usbekistans - Bi Abi anta wa Ummi ya Rassoula’Allah" ["Mein Vater und meine Mutter mögen für Dich geopfert werden, o Gesandter Allahs"]. Der mit "Euer Bruder A. I. " gezeichnete Artikel wendet sich an die "geehrten Geschwister in Deutschland". "A. I. " führt darin u.a. aus: "Die mächtigen Staaten der Kuffar und ihre schrecklichen Gefängnisse schüchtern die islamische Jugend nicht ein, sich den Feinden Allahs gegenüber stellen zu wollen. Die Jugend ist bereit auszuziehen, ganz egal was sie auf diesem Weg auch treffen mag. Doch erstaunlicherweise sind es sehr häufig zwei Personen, die die Jugend daran hindern die Schlachtfelder zu besiedeln. Ja richtig geehrte Geschwister, unsere lieben Eltern; sie sind eine Fitnah [Versuchung]. Viele Jugendliche sind auf Grund ihrer Eltern daheim geblieben, ernten nicht die gewaltige Belohnung im "Jihad" und wissen gleichzeitig, dass sie sich in Sünde befinden. Und wie die am Anfang gestellte Frage zeigt, wissen die Jugendlichen nicht nur, dass der "Jihad" verpflichtend ist, sondern auch, dass der Birr al Walidain (das gute Verhalten gegenüber den Eltem), die Pflicht des Jihades nicht aufhebt. Und dennoch bringen sie es nicht übers Herz ihre Eltern zu verlassen. … Aus Erfahrung wissen wir, dass kein Mujahed, der rausgegangen ist, es je- mals bereut hat, seine Eltern hinter sich gelassen zu haben. Allah füllt das Herz des Mujaheds mit der Sakina [etwa: Seelenfrieden] und mehrt den zurückgelassenen Eltern, durch die gewaltige Aufopferung ihrer Kinder an Verständnis in der Religion. Und es kommt häufig vor, dass die Mütter und Väter nach einer kurzen Phase der Verzweiflung den eingeschlagenen Weg ihrer Kinder akzeptieren und manche folgen ihnen sogar bis in den "Jihad". Der Islam ist die völlige Hingabe zu Allah. So mache das, was Allah will und nicht das, was deine Mutter will. So gehe dort hin wo Allah dich sehen will und nicht auf die Universität oder auf den Arbeitsplatz wo deine Mutter dich gerne sehen will. Keine Gehorsamkeit zu einer Schöpfung in der Ungehorsamkeit zum Schöpfer." Damit wollte der Verfasser, wie auch der Angeschuldigte erkannte, Bedenken insbesondere junger Menschen gegen die Teilnahme am gewaltsamen "Jihad" zerstreuen und diese zum bewaffneten Kampf auf der Seite der in Deutschland von "A. I. " maßgeblich repräsentierten IBU bewogen werden. So weist der Angeschuldigte anlässlich der Veröffentlichung darauf hin: "Allah (swt.) hat durch die Publikationen der Mudschahidien sehr viele Geschwister rechtgeleitet".
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(Nr. 15 = Nr. 16 des Haftbefehls) Am 21. April 2011 veröffentlichte er den Videobeitrag "Der kompromisslose Bräutigam" der Medienstelle "Jundullah". In dem Video wendet sich wiederum Y. C. ("A. I. ") an seine "Geschwister in Deutschland". Er beglückwünscht die "Umma" zum "Märtyertod" eines angeblich aus Deutschland stammenden, der IBU zugehörigen Selbstmordattentäters namens Fa. . Dieser habe seine Heimat Deutschland verlassen, um seinen Herrn zu treffen. In der nächsten Sequenz wendet sich der angebliche Fa. auf Deutsch an seine "lieben Brüder in Deutschland". Er bemängelt, dass einige Brüder zu Hause blieben, während andere den "Jihad" verrichteten, der eine individuelle Pflicht sei: "Wie könnt ihr damit zufrieden sein, dass das deutsche Militär hier eintretet in Kunduz und versucht, die Mu'minin [Gläubigen] und die Muslimin zu befehlen?" Schließlich führt Y. C. aus: "Wenn das, woran ihr glaubt ... die Wahr- heit ist …, so müsstet Ihr bereit sein, Euch dafür zu opfern. ... Ihr werdet hier aufgefordert, ihr, die Gefährten des Friedenseinsatzes, die Gefährten von Einigkeit und Recht und Freiheit, die sogenannten Hilfstruppen, die Leute der Aufklärung, ihr werdet hier aufgefordert, aber Allah weiß, dass ihr nicht wahr- haftig seid. … Das, was sich Fa. und die Wahrhaftigen wünschen, ist das, vor dem ihr flieht. Ihr seid alles andere als wahrhaftig, ihr seid Lügner, Lügner, die zu den Toren der Hölle rufen und ein erniedrigtes, gottloses Leben führen und dabei die Gefährten der Wahrheit tadelt und bekämpft. Doch der Tod, den wir lieben und vor dem ihr flieht, wird Euch gewiss einholen." Das darin zum Ausdruck kommende Werben des als "Deutschland-Repräsentant" der IBU auf- tretenden Y. C. um Mitglieder oder Unterstützer für diese Organisation machte sich der Angeschuldigte dadurch zu Eigen, dass er das Kennzeichen der "I. " über das Video legte.
25
(Nr. 17 = Nr. 18 des Haftbefehls) Am 6. Juni 2011 veröffentlichte der Angeschuldigte das Video "Der afghanische Blitz" der Medienstelle "Jundullah". Darin wendet sich Y. C. ("A. I. ") an die "lieben Geschwister in Deutschland" und grüßt insbesondere die "Geschwister aus der Stadt E. ". Diese könnten stolz sein auf ihren ursprünglich aus Afghanistan stammenden "Bruder al-mujahid ash-shahid Miqdaad Almani", gefallen am 20. März 2011 in Baghlan bei einem Gefecht gegen amerikanische Soldaten. Aufgrund seines kurzen, aber "erfolgreichen Auftritts" habe er den Beinamen "Der afghanische Blitz" erhalten. Eingeblendet wird eine Sequenz, in der der angebliche Miqdaad mit vermummtem Gesicht und mit einer Schusswaffe in der Hand alle "Geschwister weltweit" und "speziell die in Deutschland" grüßt. Er preist Gott, dass er vor kurzem in Pakistan und Afghanistan angekommen sei und den Auftrag erhalten habe, in Kunduz gegen die Deutschen und gegen die NATO zu kämpfen. Die Stimmung sei sehr gut. Er rät allen, sich den Mujahidin in Afghanistan und Pakistan anzuschließen. Danach wendet sich Y. C. an die "afghanischen Geschwister, die in Deutschland leben". Der Kampf sei in Afghanistan und wo seien sie? Er kritisiert diejenigen, die dem Schlachtfeld den "Rücken gekehrt" haben und "nach vergänglichen Gütern des Diesseits und dies im Land der Feinde" streben. Der Angeschuldigte erkannte und billigte, dass die IBU mit dieser Erklärung des gegenüber den Adressaten in Deutschland als ihr Repräsentant auftretenden Y. C. um Unterstützer des von ihr geführten bewaffneten "Jihads" wirbt.
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(Nr. 18 = Nr. 19 des Haftbefehls) Am 6. Juni 2011 veröffentlichte er unter der Überschrift "Du bist nur für dich selbst verantwortlich" das von der Medienstelle "As Sahab" in arabischer Sprache produzierte Video "Du hast nur die Last für deine eigenen Handlungen zu tragen". Zu Wort kommen Angehörige der Führungsebene von Al Qaida, so Usama bin Laden, Aiman Al Zawahiri, Scheich Atiyatullah, Abu Yahia Al Libi und Anwar Al Awlaqi. Der "individuelle Jihad" durch Attentate auf Repräsentanten des "Feindes" wird zur religiösen Pflicht erklärt; Aiman Al Zawahiri und Anwar Al Awlaqi heben entsprechende Beispiele lobend hervor. Scheich Atiyatullah gibt zu bedenken, dass sich in jedem Land wichtige und leicht erreichbare Ziele für Anschläge befinden. Solche Gelegenheiten sollte man nicht verstreichen lassen, indes müssten Aktionen nach religiösen Richtlinien organisiert sein und den allgemeinen strategischen Interessen der Mujahidin dienen. Grundsätzlich sei zu raten, sich an die Führung der Mujahidin zu wenden. Abu Yahya Al Libi betont, dass derjenige, der eine individuelle Operation in den USA, Großbritannien, Frankreich oder in einem anderen Land durchführt, das die Muslime bekämpft, seinen "Geschwistern" , den Mujahidin, hilft. Schließlich rät ein Sprecher denjenigen, die sich "für ihre Religion einsetzen" wollten, sich vor einer Operation gründlich zu informieren , auch anhand des Internets, und insbesondere den Sicherheitsmaßnahmen der Mujahidin zu folgen. Der Angeschuldigte bekräftigte die darin liegende Aufforderung , sich dem "Jihad" unter dem Dach von Al Qaida anzuschließen, durch Beifügung des dem Titel zu Grunde liegenden Koranverses: "Kämpfe darum für Allahs Sache du wirst für keinen verantwortlich gemacht außer für dich selbst und feuere die Gläubigen zum Kampf an. Vielleicht wird Allah die Gewalt derer, die ungläubig sind, aufhalten; und Allahs Gewalt ist viel größer und Er ist strenger im Strafen. [4:84]"
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(Nr. 19 = Nr. 20 des Haftbefehls) Am 13. Juni 2011 veröffentlichte er das von "As Sahab" in Urdu mit englischen Untertiteln herausgegebene Video "Nur durch das Blut von hunderttausend Sternen wird die Morgenröte erscheinen". Nach der Darstellung angeblicher Gräueltaten insbesondere der pakistanischen Armee in Waziristan und im Swat-Tal wird anhand des Koranverses 4:75 zur Verteidigung der Unterdrückten und zum Kampf gegen die Feinde der Muslime aufgerufen: "Und was ist mit euch, dass ihr nicht auf Allahs Weg kämpft und für die hilflosen Männer Frauen und Kinder, die da sprechen: Unser Herr führe uns aus dieser Stadt hinaus, deren Einwohner Unterdrücker sind. Und gib uns von Dir einen Beschützer und einen Helfer." Anschließend fordert ein Sprecher die Zuhörer zum Schwur auf, Gott, dem Islam und seinem Land [Pakistan] zu dienen , es von unrechtmäßigen Herrschern zu befreien und die Mujahidin zu unterstützen , bis die Sharia eingeführt sei. Der Angeschuldigte schloss sich diesen von ihm als Aufforderung der Al Qaida erkannten Ausführungen, sie in ihrem Kampf zu unterstützen, mit folgendem Kommentar an: "Diese Veröffentlichung soll den heuchlerischen, satanischen Predigern und sogenannten "Muslimen" in Deutschland und auf der gesamten Welt ein Beweis für ihre Lügen sein: Allah (swt) hat eure Herzen versiegelt, indem ihr seine Worte verdreht und die Mudschahidien und den Dschihad verteufelt. Inscha'allah werdet ihr vor den nächsten erfolgreichen Generationen der tapferen und siegreichen Muslime erniedrigt dastehen und ebenso am Tage der Auferstehung vor Allah (swt). Ihr verfluchten Diener des schmutzigen und verfluchten Schaytans seid im Diesseits und im Jenseits erniedrigt und mit euren Marionettengelehrten, die für Geld jede art von Fatwa geben, im Höllenfeuer."
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b) Der dringende Tatverdacht ergibt sich aus den geständigen Einlassungen des Angeschuldigten bei seiner polizeilichen Vernehmung am 20. Juli 2011 (Sachakte A 2 Band I.1, Bl. 42 ff.) und vor dem Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs am 21. Juli 2011 (Haftsachakte Bl. 94 ff.) sowie aus dem in den polizeilichen Ermittlungen festgestellten Inhalt der von ihm verfassten Beiträge (Sachakte A 3.3.1). Der Angeschuldigte hat insbesondere eingeräumt, dass Al Qaida bzw. IBU mit den Beiträgen nach seiner Auffassung neue Mitglieder für ihren Kampf werben wollen. Durch deren Einstellen in sein Weblog habe er dazu beitragen wollen, die Unterdrückung der Muslime in den besetzten islamischen Ländern zu verhindern, was ohne Kampf nicht möglich sei. Einfache Proteste führten zu nichts.
29
c) Da bereits die oben beschriebenen Tathandlungen des Angeschuldigten den Haftbefehl sowie die Fortdauer der Untersuchungshaft tragen, kann der Senat offenlassen, ob die Gesamtumstände auch in den weiteren Fällen, die Gegenstand des Anklagevorwurfs sind, die Annahme rechtfertigen, der Angeschuldigte habe mit seiner Veröffentlichung nicht nur allgemein den bewaffneten "Jihad" befürwortet, sondern darüber hinaus um Mitglieder oder Unterstützer einer konkreten terroristischen Organisation geworben und entsprechend sein Handeln als eigenes derartiges Eintreten gerade für diese Organisation verstanden (vgl. hierzu BGH, Beschluss vom 16. Mai 2007 - AK 6/07, StB 3/07, BGHSt 51, 345).
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d) Das Bundesministerium der Justiz hat die nach § 129b Abs. 1 Satz 3 StGB erforderlichen Ermächtigungen zur strafrechtlichen Verfolgung hinsichtlich aller bereits begangenen und zukünftigen Taten im Zusammenhang mit Al Qaida am 16. März 2009 und hinsichtlich aller bereits begangenen und zukünftigen Taten im Zusammenhang mit der Islamischen Bewegung Usbekistans am 23. Oktober 2009 erteilt.
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2. Es besteht der Haftgrund der Fluchtgefahr (§ 112 Abs. 2 Nr. 2 StPO). Der Angeschuldigte hat wegen des ihm vorgeworfenen Tatgeschehens mit nicht unerheblichem Freiheitsentzug zu rechnen. Seine sozialen Bindungen an die Bundesrepublik Deutschland erscheinen nicht tragfähig genug, um den hiervon ausgehenden Fluchtanreizen verlässlich entgegenwirken zu können. Zwar lebt der nicht vorbestrafte und geständige Angeschuldigte seit dem Jahre 2000 in Deutschland und unterhält hier zusammen mit seinen Eltern einen festen Wohnsitz. Er verfügt jedoch über keine abgeschlossene Berufsausbildung und ist seit Ende 2010 arbeitslos. Aufgewachsen ist er in Afghanistan; er ist afghanischer Staatsangehöriger und beherrscht die Sprachen Dari und Urdu. Am 15. Juni 2011 hat er seinem Chat-Partner S. mitgeteilt, dass er sich auch noch nach seiner Übersiedelung in die Bundesrepublik Deutschland mehrfach in Afghanistan und Pakistan aufgehalten hat. Seiner Ausreise in diese Region stehen danach keine besonderen Erschwernisse entgegen. Wie aus Bemerkungen des Angeschuldigten in Internet-Chats am 5. Juni 2011 mit F. -K. und am 20. Juni 2011 mit S. hervorgeht, hat er sich auch bereits mit dem Gedanken getragen, Deutschland zugunsten eines "besseren Landes" zu verlassen.
32
Vor diesem Hintergrund kann der Zweck der Untersuchungshaft auch nicht durch weniger einschneidende Maßnahmen als deren Vollzug erreicht werden (§ 116 Abs. 1 StPO).
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3. Die besonderen Voraussetzungen für die Fortdauer der Untersuchungshaft über sechs Monate hinaus (§ 121 Abs. 1 StPO) liegen vor. Der Umfang des Verfahrens hat ein Urteil bislang noch nicht zugelassen.
34
Nach seiner Festnahme am 20. Juli 2011 hat sich der Angeschuldigte zu den im Haftbefehl gegen ihn erhobenen Vorwürfen geständig eingelassen. Seine Angaben mussten in der Folge abgeglichen werden mit dem in seiner Wohnung sichergestellten umfangreichen Datenmaterial islamisch-fundamentalistischen Inhalts. Außerdem waren noch ein Mitbeschuldigter und mehrere Zeugen zu vernehmen. Das vollständige Aktenwerk lag dem Generalbundesanwalt am 24. November 2011 vor. Die unter dem 29. Dezember 2011 gefertigte Anklageschrift ist am 2. Januar 2012 beim Oberlandesgericht Frankfurt am Main eingegangen. Noch am selben Tag verfügte der Vorsitzende des zuständigen 5. Strafsenats des Oberlandesgerichts deren Zustellung und bestimmte eine Äußerungsfrist von drei Wochen. Vorbehaltlich der Eröffnung des Hauptverfahrens sind mit den Verfahrensbeteiligten bereits fünf Hauptverhandlungstermine ab dem 23. Februar 2012 abgesprochen.
35
Das Verfahren ist danach bislang auch mit der in Haftsachen gebotenen Beschleunigung geführt worden.
36
4. Der weitere Vollzug der Untersuchungshaft steht nicht außer Verhältnis zur Bedeutung der Sache und der im Falle einer Verurteilung zu erwartenden Strafe.
Becker Hubert Mayer

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Referenzen - Gesetze

Bundesgerichtshof Beschluss, 07. Feb. 2012 - AK 4/12 zitiert 9 §§.

Gesetz über den Lastenausgleich


Lastenausgleichsgesetz - LAG

Strafprozeßordnung - StPO | § 112 Voraussetzungen der Untersuchungshaft; Haftgründe


(1) Die Untersuchungshaft darf gegen den Beschuldigten angeordnet werden, wenn er der Tat dringend verdächtig ist und ein Haftgrund besteht. Sie darf nicht angeordnet werden, wenn sie zu der Bedeutung der Sache und der zu erwartenden Strafe oder Maßr

Strafgesetzbuch - StGB | § 53 Tatmehrheit


(1) Hat jemand mehrere Straftaten begangen, die gleichzeitig abgeurteilt werden, und dadurch mehrere Freiheitsstrafen oder mehrere Geldstrafen verwirkt, so wird auf eine Gesamtstrafe erkannt. (2) Trifft Freiheitsstrafe mit Geldstrafe zusammen, so wi

Strafprozeßordnung - StPO | § 121 Fortdauer der Untersuchungshaft über sechs Monate


(1) Solange kein Urteil ergangen ist, das auf Freiheitsstrafe oder eine freiheitsentziehende Maßregel der Besserung und Sicherung erkennt, darf der Vollzug der Untersuchungshaft wegen derselben Tat über sechs Monate hinaus nur aufrechterhalten werden

Strafgesetzbuch - StGB | § 129a Bildung terroristischer Vereinigungen


(1) Wer eine Vereinigung (§ 129 Absatz 2) gründet, deren Zwecke oder deren Tätigkeit darauf gerichtet sind, 1. Mord (§ 211) oder Totschlag (§ 212) oder Völkermord (§ 6 des Völkerstrafgesetzbuches) oder Verbrechen gegen die Menschlichkeit (§ 7 des Völ

Strafgesetzbuch - StGB | § 129b Kriminelle und terroristische Vereinigungen im Ausland; Einziehung


(1) Die §§ 129 und 129a gelten auch für Vereinigungen im Ausland. Bezieht sich die Tat auf eine Vereinigung außerhalb der Mitgliedstaaten der Europäischen Union, so gilt dies nur, wenn sie durch eine im räumlichen Geltungsbereich dieses Gesetzes ausg

Strafprozeßordnung - StPO | § 116 Aussetzung des Vollzugs des Haftbefehls


(1) Der Richter setzt den Vollzug eines Haftbefehls, der lediglich wegen Fluchtgefahr gerechtfertigt ist, aus, wenn weniger einschneidende Maßnahmen die Erwartung hinreichend begründen, daß der Zweck der Untersuchungshaft auch durch sie erreicht werd

Strafprozeßordnung - StPO | § 122 Besondere Haftprüfung durch das Oberlandesgericht


(1) In den Fällen des § 121 legt das zuständige Gericht die Akten durch Vermittlung der Staatsanwaltschaft dem Oberlandesgericht zur Entscheidung vor, wenn es die Fortdauer der Untersuchungshaft für erforderlich hält oder die Staatsanwaltschaft es be

Referenzen

(1) Solange kein Urteil ergangen ist, das auf Freiheitsstrafe oder eine freiheitsentziehende Maßregel der Besserung und Sicherung erkennt, darf der Vollzug der Untersuchungshaft wegen derselben Tat über sechs Monate hinaus nur aufrechterhalten werden, wenn die besondere Schwierigkeit oder der besondere Umfang der Ermittlungen oder ein anderer wichtiger Grund das Urteil noch nicht zulassen und die Fortdauer der Haft rechtfertigen.

(2) In den Fällen des Absatzes 1 ist der Haftbefehl nach Ablauf der sechs Monate aufzuheben, wenn nicht der Vollzug des Haftbefehls nach § 116 ausgesetzt wird oder das Oberlandesgericht die Fortdauer der Untersuchungshaft anordnet.

(3) Werden die Akten dem Oberlandesgericht vor Ablauf der in Absatz 2 bezeichneten Frist vorgelegt, so ruht der Fristenlauf bis zu dessen Entscheidung. Hat die Hauptverhandlung begonnen, bevor die Frist abgelaufen ist, so ruht der Fristenlauf auch bis zur Verkündung des Urteils. Wird die Hauptverhandlung ausgesetzt und werden die Akten unverzüglich nach der Aussetzung dem Oberlandesgericht vorgelegt, so ruht der Fristenlauf ebenfalls bis zu dessen Entscheidung.

(4) In den Sachen, in denen eine Strafkammer nach § 74a des Gerichtsverfassungsgesetzes zuständig ist, entscheidet das nach § 120 des Gerichtsverfassungsgesetzes zuständige Oberlandesgericht. In den Sachen, in denen ein Oberlandesgericht nach den §§ 120 oder 120b des Gerichtsverfassungsgesetzes zuständig ist, tritt an dessen Stelle der Bundesgerichtshof.

(1) In den Fällen des § 121 legt das zuständige Gericht die Akten durch Vermittlung der Staatsanwaltschaft dem Oberlandesgericht zur Entscheidung vor, wenn es die Fortdauer der Untersuchungshaft für erforderlich hält oder die Staatsanwaltschaft es beantragt.

(2) Vor der Entscheidung sind der Beschuldigte und der Verteidiger zu hören. Das Oberlandesgericht kann über die Fortdauer der Untersuchungshaft nach mündlicher Verhandlung entscheiden; geschieht dies, so gilt § 118a entsprechend.

(3) Ordnet das Oberlandesgericht die Fortdauer der Untersuchungshaft an, so gilt § 114 Abs. 2 Nr. 4 entsprechend. Für die weitere Haftprüfung (§ 117 Abs. 1) ist das Oberlandesgericht zuständig, bis ein Urteil ergeht, das auf Freiheitsstrafe oder eine freiheitsentziehende Maßregel der Besserung und Sicherung erkennt. Es kann die Haftprüfung dem Gericht, das nach den allgemeinen Vorschriften dafür zuständig ist, für die Zeit von jeweils höchstens drei Monaten übertragen. In den Fällen des § 118 Abs. 1 entscheidet das Oberlandesgericht über einen Antrag auf mündliche Verhandlung nach seinem Ermessen.

(4) Die Prüfung der Voraussetzungen nach § 121 Abs. 1 ist auch im weiteren Verfahren dem Oberlandesgericht vorbehalten. Die Prüfung muß jeweils spätestens nach drei Monaten wiederholt werden.

(5) Das Oberlandesgericht kann den Vollzug des Haftbefehls nach § 116 aussetzen.

(6) Sind in derselben Sache mehrere Beschuldigte in Untersuchungshaft, so kann das Oberlandesgericht über die Fortdauer der Untersuchungshaft auch solcher Beschuldigter entscheiden, für die es nach § 121 und den vorstehenden Vorschriften noch nicht zuständig wäre.

(7) Ist der Bundesgerichtshof zur Entscheidung zuständig, so tritt dieser an die Stelle des Oberlandesgerichts.

(1) Wer eine Vereinigung (§ 129 Absatz 2) gründet, deren Zwecke oder deren Tätigkeit darauf gerichtet sind,

1.
Mord (§ 211) oder Totschlag (§ 212) oder Völkermord (§ 6 des Völkerstrafgesetzbuches) oder Verbrechen gegen die Menschlichkeit (§ 7 des Völkerstrafgesetzbuches) oder Kriegsverbrechen (§§ 8, 9, 10, 11 oder § 12 des Völkerstrafgesetzbuches) oder
2.
Straftaten gegen die persönliche Freiheit in den Fällen des § 239a oder des § 239b
3.
(weggefallen)
zu begehen, oder wer sich an einer solchen Vereinigung als Mitglied beteiligt, wird mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren bestraft.

(2) Ebenso wird bestraft, wer eine Vereinigung gründet, deren Zwecke oder deren Tätigkeit darauf gerichtet sind,

1.
einem anderen Menschen schwere körperliche oder seelische Schäden, insbesondere der in § 226 bezeichneten Art, zuzufügen,
2.
Straftaten nach den §§ 303b, 305, 305a oder gemeingefährliche Straftaten in den Fällen der §§ 306 bis 306c oder 307 Abs. 1 bis 3, des § 308 Abs. 1 bis 4, des § 309 Abs. 1 bis 5, der §§ 313, 314 oder 315 Abs. 1, 3 oder 4, des § 316b Abs. 1 oder 3 oder des § 316c Abs. 1 bis 3 oder des § 317 Abs. 1,
3.
Straftaten gegen die Umwelt in den Fällen des § 330a Abs. 1 bis 3,
4.
Straftaten nach § 19 Abs. 1 bis 3, § 20 Abs. 1 oder 2, § 20a Abs. 1 bis 3, § 19 Abs. 2 Nr. 2 oder Abs. 3 Nr. 2, § 20 Abs. 1 oder 2 oder § 20a Abs. 1 bis 3, jeweils auch in Verbindung mit § 21, oder nach § 22a Abs. 1 bis 3 des Gesetzes über die Kontrolle von Kriegswaffen oder
5.
Straftaten nach § 51 Abs. 1 bis 3 des Waffengesetzes
zu begehen, oder wer sich an einer solchen Vereinigung als Mitglied beteiligt, wenn eine der in den Nummern 1 bis 5 bezeichneten Taten bestimmt ist, die Bevölkerung auf erhebliche Weise einzuschüchtern, eine Behörde oder eine internationale Organisation rechtswidrig mit Gewalt oder durch Drohung mit Gewalt zu nötigen oder die politischen, verfassungsrechtlichen, wirtschaftlichen oder sozialen Grundstrukturen eines Staates oder einer internationalen Organisation zu beseitigen oder erheblich zu beeinträchtigen, und durch die Art ihrer Begehung oder ihre Auswirkungen einen Staat oder eine internationale Organisation erheblich schädigen kann.

(3) Sind die Zwecke oder die Tätigkeit der Vereinigung darauf gerichtet, eine der in Absatz 1 und 2 bezeichneten Straftaten anzudrohen, ist auf Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren zu erkennen.

(4) Gehört der Täter zu den Rädelsführern oder Hintermännern, so ist in den Fällen der Absätze 1 und 2 auf Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren, in den Fällen des Absatzes 3 auf Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren zu erkennen.

(5) Wer eine in Absatz 1, 2 oder Absatz 3 bezeichnete Vereinigung unterstützt, wird in den Fällen der Absätze 1 und 2 mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren, in den Fällen des Absatzes 3 mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. Wer für eine in Absatz 1 oder Absatz 2 bezeichnete Vereinigung um Mitglieder oder Unterstützer wirbt, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.

(6) Das Gericht kann bei Beteiligten, deren Schuld gering und deren Mitwirkung von untergeordneter Bedeutung ist, in den Fällen der Absätze 1, 2, 3 und 5 die Strafe nach seinem Ermessen (§ 49 Abs. 2) mildern.

(7) § 129 Absatz 7 gilt entsprechend.

(8) Neben einer Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten kann das Gericht die Fähigkeit, öffentliche Ämter zu bekleiden, und die Fähigkeit, Rechte aus öffentlichen Wahlen zu erlangen, aberkennen (§ 45 Abs. 2).

(9) In den Fällen der Absätze 1, 2, 4 und 5 kann das Gericht Führungsaufsicht anordnen (§ 68 Abs. 1).

(1) Die §§ 129 und 129a gelten auch für Vereinigungen im Ausland. Bezieht sich die Tat auf eine Vereinigung außerhalb der Mitgliedstaaten der Europäischen Union, so gilt dies nur, wenn sie durch eine im räumlichen Geltungsbereich dieses Gesetzes ausgeübte Tätigkeit begangen wird oder wenn der Täter oder das Opfer Deutscher ist oder sich im Inland befindet. In den Fällen des Satzes 2 wird die Tat nur mit Ermächtigung des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz verfolgt. Die Ermächtigung kann für den Einzelfall oder allgemein auch für die Verfolgung künftiger Taten erteilt werden, die sich auf eine bestimmte Vereinigung beziehen. Bei der Entscheidung über die Ermächtigung zieht das Ministerium in Betracht, ob die Bestrebungen der Vereinigung gegen die Grundwerte einer die Würde des Menschen achtenden staatlichen Ordnung oder gegen das friedliche Zusammenleben der Völker gerichtet sind und bei Abwägung aller Umstände als verwerflich erscheinen.

(2) In den Fällen der §§ 129 und 129a, jeweils auch in Verbindung mit Absatz 1, ist § 74a anzuwenden.

(1) Hat jemand mehrere Straftaten begangen, die gleichzeitig abgeurteilt werden, und dadurch mehrere Freiheitsstrafen oder mehrere Geldstrafen verwirkt, so wird auf eine Gesamtstrafe erkannt.

(2) Trifft Freiheitsstrafe mit Geldstrafe zusammen, so wird auf eine Gesamtstrafe erkannt. Jedoch kann das Gericht auf Geldstrafe auch gesondert erkennen; soll in diesen Fällen wegen mehrerer Straftaten Geldstrafe verhängt werden, so wird insoweit auf eine Gesamtgeldstrafe erkannt.

(3) § 52 Abs. 3 und 4 gilt sinngemäß.

(1) Die §§ 129 und 129a gelten auch für Vereinigungen im Ausland. Bezieht sich die Tat auf eine Vereinigung außerhalb der Mitgliedstaaten der Europäischen Union, so gilt dies nur, wenn sie durch eine im räumlichen Geltungsbereich dieses Gesetzes ausgeübte Tätigkeit begangen wird oder wenn der Täter oder das Opfer Deutscher ist oder sich im Inland befindet. In den Fällen des Satzes 2 wird die Tat nur mit Ermächtigung des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz verfolgt. Die Ermächtigung kann für den Einzelfall oder allgemein auch für die Verfolgung künftiger Taten erteilt werden, die sich auf eine bestimmte Vereinigung beziehen. Bei der Entscheidung über die Ermächtigung zieht das Ministerium in Betracht, ob die Bestrebungen der Vereinigung gegen die Grundwerte einer die Würde des Menschen achtenden staatlichen Ordnung oder gegen das friedliche Zusammenleben der Völker gerichtet sind und bei Abwägung aller Umstände als verwerflich erscheinen.

(2) In den Fällen der §§ 129 und 129a, jeweils auch in Verbindung mit Absatz 1, ist § 74a anzuwenden.

(1) Die Untersuchungshaft darf gegen den Beschuldigten angeordnet werden, wenn er der Tat dringend verdächtig ist und ein Haftgrund besteht. Sie darf nicht angeordnet werden, wenn sie zu der Bedeutung der Sache und der zu erwartenden Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung außer Verhältnis steht.

(2) Ein Haftgrund besteht, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen

1.
festgestellt wird, daß der Beschuldigte flüchtig ist oder sich verborgen hält,
2.
bei Würdigung der Umstände des Einzelfalles die Gefahr besteht, daß der Beschuldigte sich dem Strafverfahren entziehen werde (Fluchtgefahr), oder
3.
das Verhalten des Beschuldigten den dringenden Verdacht begründet, er werde
a)
Beweismittel vernichten, verändern, beiseite schaffen, unterdrücken oder fälschen oder
b)
auf Mitbeschuldigte, Zeugen oder Sachverständige in unlauterer Weise einwirken oder
c)
andere zu solchem Verhalten veranlassen,
und wenn deshalb die Gefahr droht, daß die Ermittlung der Wahrheit erschwert werde (Verdunkelungsgefahr).

(3) Gegen den Beschuldigten, der einer Straftat nach § 6 Absatz 1 Nummer 1 oder § 13 Absatz 1 des Völkerstrafgesetzbuches oder § 129a Abs. 1 oder Abs. 2, auch in Verbindung mit § 129b Abs. 1, oder nach den §§ 176c, 176d, 211, 212, 226, 306b oder 306c des Strafgesetzbuches oder, soweit durch die Tat Leib oder Leben eines anderen gefährdet worden ist, nach § 308 Abs. 1 bis 3 des Strafgesetzbuches dringend verdächtig ist, darf die Untersuchungshaft auch angeordnet werden, wenn ein Haftgrund nach Absatz 2 nicht besteht.

(1) Der Richter setzt den Vollzug eines Haftbefehls, der lediglich wegen Fluchtgefahr gerechtfertigt ist, aus, wenn weniger einschneidende Maßnahmen die Erwartung hinreichend begründen, daß der Zweck der Untersuchungshaft auch durch sie erreicht werden kann. In Betracht kommen namentlich

1.
die Anweisung, sich zu bestimmten Zeiten bei dem Richter, der Strafverfolgungsbehörde oder einer von ihnen bestimmten Dienststelle zu melden,
2.
die Anweisung, den Wohn- oder Aufenthaltsort oder einen bestimmten Bereich nicht ohne Erlaubnis des Richters oder der Strafverfolgungsbehörde zu verlassen,
3.
die Anweisung, die Wohnung nur unter Aufsicht einer bestimmten Person zu verlassen,
4.
die Leistung einer angemessenen Sicherheit durch den Beschuldigten oder einen anderen.

(2) Der Richter kann auch den Vollzug eines Haftbefehls, der wegen Verdunkelungsgefahr gerechtfertigt ist, aussetzen, wenn weniger einschneidende Maßnahmen die Erwartung hinreichend begründen, daß sie die Verdunkelungsgefahr erheblich vermindern werden. In Betracht kommt namentlich die Anweisung, mit Mitbeschuldigten, Zeugen oder Sachverständigen keine Verbindung aufzunehmen.

(3) Der Richter kann den Vollzug eines Haftbefehls, der nach § 112a erlassen worden ist, aussetzen, wenn die Erwartung hinreichend begründet ist, daß der Beschuldigte bestimmte Anweisungen befolgen und daß dadurch der Zweck der Haft erreicht wird.

(4) Der Richter ordnet in den Fällen der Absätze 1 bis 3 den Vollzug des Haftbefehls an, wenn

1.
der Beschuldigte den ihm auferlegten Pflichten oder Beschränkungen gröblich zuwiderhandelt,
2.
der Beschuldigte Anstalten zur Flucht trifft, auf ordnungsgemäße Ladung ohne genügende Entschuldigung ausbleibt oder sich auf andere Weise zeigt, daß das in ihn gesetzte Vertrauen nicht gerechtfertigt war, oder
3.
neu hervorgetretene Umstände die Verhaftung erforderlich machen.

(1) Solange kein Urteil ergangen ist, das auf Freiheitsstrafe oder eine freiheitsentziehende Maßregel der Besserung und Sicherung erkennt, darf der Vollzug der Untersuchungshaft wegen derselben Tat über sechs Monate hinaus nur aufrechterhalten werden, wenn die besondere Schwierigkeit oder der besondere Umfang der Ermittlungen oder ein anderer wichtiger Grund das Urteil noch nicht zulassen und die Fortdauer der Haft rechtfertigen.

(2) In den Fällen des Absatzes 1 ist der Haftbefehl nach Ablauf der sechs Monate aufzuheben, wenn nicht der Vollzug des Haftbefehls nach § 116 ausgesetzt wird oder das Oberlandesgericht die Fortdauer der Untersuchungshaft anordnet.

(3) Werden die Akten dem Oberlandesgericht vor Ablauf der in Absatz 2 bezeichneten Frist vorgelegt, so ruht der Fristenlauf bis zu dessen Entscheidung. Hat die Hauptverhandlung begonnen, bevor die Frist abgelaufen ist, so ruht der Fristenlauf auch bis zur Verkündung des Urteils. Wird die Hauptverhandlung ausgesetzt und werden die Akten unverzüglich nach der Aussetzung dem Oberlandesgericht vorgelegt, so ruht der Fristenlauf ebenfalls bis zu dessen Entscheidung.

(4) In den Sachen, in denen eine Strafkammer nach § 74a des Gerichtsverfassungsgesetzes zuständig ist, entscheidet das nach § 120 des Gerichtsverfassungsgesetzes zuständige Oberlandesgericht. In den Sachen, in denen ein Oberlandesgericht nach den §§ 120 oder 120b des Gerichtsverfassungsgesetzes zuständig ist, tritt an dessen Stelle der Bundesgerichtshof.