Bundesgerichtshof Beschluss, 14. Juni 2012 - AK 17/12

bei uns veröffentlicht am14.06.2012

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
____________
AK 17/12
vom
14. Juni 2012
in dem Ermittlungsverfahren
gegen
wegen Unterstützung einer terroristischen Vereinigung
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
sowie des Beschuldigten und seines Verteidigers am 14. Juni 2012
gemäß §§ 121, 122 StPO beschlossen:
Der Haftbefehl des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs vom 23. November 2011 (3 BGs 77/11) wird aufgehoben. Der Beschuldigte ist in dieser Sache freizulassen.

Gründe:

I.


1
Der Beschuldigte wurde am 24. November 2011 aufgrund des Haftbefehls des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs vom 23. November 2011 (3 BGs 77/11) festgenommen. Er befindet sich seitdem ununterbrochen in Untersuchungshaft.
2
Gegenstand des Haftbefehls ist der Vorwurf, der Beschuldigte habe in der Zeit von 25. April 2007 bis 4. November 2011 in Z. durch zwei rechtlich selbständige Handlungen jeweils eine Vereinigung unterstützt, deren Zweck und deren Tätigkeit darauf gerichtet gewesen seien, Mord oder Totschlag zu begehen und Sprengstoffexplosionen herbeizuführen (Unterstützung einer terroristischen Vereinigung, § 129a Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Nr. 2, Abs. 5 Satz 1 StGB). In einem dieser Fälle habe er tateinheitlich hierzu eine Schrift hergestellt , die die Menschenwürde anderer dadurch angreife, dass Teile der Bevöl- kerung böswillig verächtlich gemacht werden, um einem anderen zu ermöglichen , sie zu verbreiten (Volksverhetzung, § 130 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. d StGB), sowie einem anderen zu dessen vorsätzlich begangener rechtswidriger Tat - Billigung von Straftaten - Hilfe geleistet (Beihilfe zur Billigung von Straftaten, § 27, § 140 Nr. 2 StGB).
3
Nach mündlicher Haftprüfung am 5. Januar 2012 hat der Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs den Haftbefehl durch Beschluss vom 10. Januar 2012 (3 BGs 14/12) aufrechterhalten.

II.


4
Die Prüfung, ob die Untersuchungshaft über sechs Monate hinaus fortdauern darf (§§ 121, 122 StPO), führt zur Aufhebung des Haftbefehls, denn der Beschuldigte ist der ihm vorgeworfenen Straftaten nach derzeitigem Erkenntnisstand jedenfalls nicht dringend verdächtig im Sinne des § 112 Abs. 1 Satz 1 StPO.
5
1. Nach den bisherigen Ermittlungen ist von folgendem Sachverhalt auszugehen :
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a) Ende 1997 ergaben sich Hinweise darauf, dass eine von der anderweitig verfolgten Beate Zschäpe am 10. August 1996 angemietete Garage in Jena von ihr sowie von Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos - nach kriminalpolizeilichen Erkenntnissen seinerzeit wie Zschäpe aktive Mitglieder der "Kameradschaft Jena" in der rechtsextremen Vereinigung "Thüringer Heimatschutz" - zur Herstellung von Sprengsätzen genutzt wird. Eine Durchsuchung der Garage am 26. Januar 1998, bei der funktionsfähige Rohrbomben sowie insgesamt ca. 1,4 kg TNT aufgefunden wurden, nahmen Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe zum Anlass, unter Verschleierung ihrer Identität unterzutauchen. Haftbefehle vom 28. Januar 1998 wegen des dringenden Verdachts des Verstoßes gegen das Sprengstoffgesetz u.a. konnten nicht vollstreckt werden; die eingeleiteten Ermittlungsverfahren wurden am 15. September 2003 wegen Eintritts der Strafverfolgungsverjährung eingestellt.
7
Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe kamen nach den Vorfällen in Jena noch Anfang 1998 überein, sich nunmehr zu einer eigenständigen Gruppierung zusammenzuschließen, sich dabei dem gemeinsamen Ziel der Veränderung der gesellschaftlichen Verhältnisse in der Bundesrepublik Deutschland hin zu einem an der nationalsozialistischen Ideologie ausgerichtetem System unterzuordnen und dieses Ziel künftig aus dem Untergrund heraus mit Waffengewalt weiterzuverfolgen. Den Boden für den angestrebten Systemwechsel wollten sie dadurch bereiten, dass sie durch Mordanschläge auf "Feinde des deutschen Volkes", worunter sie in erster Linie türkischstämmige Einwohner der Bundesrepublik Deutschland sowie Repräsentanten der staatlichen Ordnung wie etwa Polizeibeamte verstanden, ein Klima der Verunsicherung schufen. Zur Kennzeichnung ihres Verbands wählten sie spätestens 2001 den Namen "Nationalsozialistischer Untergrund" und entwickelten ergänzend hierzu ein "Logo" in Form einer besonders gestalteten Buchstabenfolge "NSU".
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b) In Verfolgung der gemeinsam beschlossenen Ziele begingen im Einzelnen nicht ermittelte Mitglieder der Gruppierung die nachfolgenden Straftaten.
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aa) Unter Verwendung einer Pistole Ceska 83 Kaliber 7,65 mm - am 9. September 2000 und am 27. Juni 2001 auch einer zur scharfen Waffe des Kalibers 6,35 mm umgebauten Schreckschusspistole Bruni 315 Auto - verübten sie insgesamt neun Mordanschläge gegen in der Bundesrepublik Deutschland wohnhafte Personen ausländischer Herkunft.
- Am 9. September 2000 töteten sie in Nürnberg den türkischen Staatsangehöriger S. in seinem mobilen Blumenverkaufsstand durch mehrere Schüsse. Von dem niedergestreckten Opfer fertigten sie Bildaufnahmen.
- Am 13. Juni 2001 töteten sie in Nürnberg den türkischen Staatsangehörigen Ö. in den Räumlichkeiten seiner Änderungsschneiderei durch zwei Kopfschüsse. Auch hier lichteten sie das Opfer nach der Tat ab.
- Am 27. Juni 2001 töteten sie in Hamburg den türkischen Staatsangehörigen T. in den Räumlichkeiten seines Gemüsehandels durch drei Kopfschüsse. Vom Opfer fertigten sie nach der Tat ebenfalls Bildaufnahmen.
- Am 29. August 2001 töteten sie in München den türkischen Staatsangehörigen K. in den Räumlichkeiten seines Gemüsehandels durch zwei Kopfschüsse.
- Am 25. Februar 2004 töteten sie in Rostock den türkischen Staatsangehörigen Tu. in einer Imbissstube, in der er an diesem Tage aushalf, durch drei Kopfschüsse.
- Am 9. Juni 2005 töteten sie in Nürnberg den türkischen Staatsangehörigen Y. in den Räumen seiner Imbissstube durch Kopfschüsse.
- Am 15. Juni 2005 töteten sie in München den griechischen Staatsangehörigen B. in den Räumlichkeiten seines Schlüsseldienstes durch Kopfschüsse.
- Am 4. April 2006 töteten sie in Dortmund den türkischen Staatsangehörigen Ku. in dem von ihm betriebenen Kiosk durch zwei Kopfschüsse.
- Am 6. April 2006 töteten sie in Kassel den türkischen Staatsangehörigen Yo. in den Räumlichkeiten eines Internet-Cafés durch zwei Kopfschüsse.
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bb) Weiter begingen im Einzelnen nicht ermittelte Mitglieder der Gruppierung zwei Sprengstoffanschläge: - Zwischen Dezember 2000 und dem 19. Januar 2001 hinterließen sie einen in eine Blechdose eingebauten Sprengsatz in dem iranischen Lebensmittelgeschäft des M. in Köln. Dieser detonierte dort am 19. Januar 2001 und verletzte die 19-jährige Tochter des Inhabers schwer. - Am 9. Juni 2004 stellten sie auf dem Gehweg vor dem Friseurgeschäft des türkischen Staatsangehörigen Yi. in Köln-Mühlheim ein Fahrrad ab, auf dessen Gepäckträger sich ein Metallbehälter mit einem Sprengsatz und Splittermaterial in Form von ca. 700 etwa 10 cm langen Zimmermannsnägeln befand. Diesen Sprengsatz brachten sie anschließend ferngezündet zur Detonation. Durch herumfliegende Me- tallsplitter und Nägel wurden 22 Personen zum Teil lebensgefährlich verletzt.
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cc) Unter Verwendung von Pistolen Radom Vis 35 Kaliber 9 mm und Tokarew TT3 Kaliber 9 mm töteten sie am 25. April 2007 gegen 14.00 Uhr in Heilbronn die im Einsatz befindliche Polizeibeamtin Ki. durch einen Kopfschuss, verletzten den sie begleitenden Polizeibeamten A. durch einen weiteren Kopfschuss schwer und brachten deren Dienstwaffen und andere Polizeiausrüstung in ihren Besitz.
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dd) Zur Beschaffung der für die Vereinigung und für den Lebensunterhalt ihrer Mitglieder notwendigen finanziellen Mittel begingen Mitglieder des "Nationalsozialistischen Untergrunds" schließlich mindestens drei Banküberfälle.
- Am 5. Oktober 2006 gegen 12.00 Uhr betrat ein unbekanntes Gruppenmitglied die Filiale der Sparkasse in der straße in Z. und forderte unter Vorhalt eines Revolvers Alfa Proj 3831 Kaliber .38 Spezial die Herausgabe von Bargeld. Vom dort beschäftigten Auszubildenden R. deshalb körperlich angegriffen, feuerte der Täter auf diesen und verletzte ihn durch einen Bauchschuss schwer. Danach flüchtete er ohne Beute.
- Am 7. September 2011 gegen 8.50 Uhr begaben sich zwei Personen in die Filiale der Sparkasse in Ar. und forderten unter Vorhalt zweier Pistolen, eines Revolvers und einer Handgranate die Herausgabe von Bargeld. Weiter verletzten sie eine Bankangestellte durch Schläge. Auf diese Weise erreichten sie die Aushändigung von ca. 15.000 € in bar.

- Am 4. November 2011 gegen 9.15 Uhr überfielen Böhnhardt und Mundlos unter Verwendung von Schusswaffen die Filiale der Sparkasse am platz in Ei. und erbeuteten dabei ca. 75.000 €.
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c) Spätestens im Jahre 2001 entschloss sich der "Nationalsozialistische Untergrund", die begangenen Anschläge auch propagandistisch zu verwerten. Hierzu entwickelten entweder im Einzelnen nicht bekannte Mitglieder - alleine oder mit Unterstützung Dritter - oder Außenstehende in deren Auftrag nach und nach eine ca. 15-minütige Videosequenz. Deren Grundlage bilden mehrere im Internet verfügbare Folgen der Comic-Serie "Paulchen Panther"; eingearbeitet sind u.a. der Namenszug "Nationalsozialistischer Untergrund", das Logo "NSU", Bekenntnisse zu den einzelnen Mord- und Sprengstoffanschlägen in verherrlichender Form sowie die drei oben genannten Tatortaufnahmen. Unter dem Schriftzug "Heute Aktion Dönerspieß" wird weiter eine Gruppe von Personen südländischen Aussehens dargestellt, deren Köpfe von Spießen durchbohrt sind. Ferner findet sich eine Montage mit einem der Presse entnommenen Lichtbild der in Heilbronn getöteten Polizeibeamtin und der Abbildung einer der bei dieser Tat entwendeten Dienstwaffen. Diesen Videofilm brachten sie am 22. Dezember 2007 auf eine DVD auf, von der sie etwa 50 Exemplare herstellten. Anfang November 2011 traf die Gruppierung schließlich Vorbereitungen zur Versendung der DVD insbesondere an Zeitungsredaktionen und an religiöse und kulturelle Vereinigungen türkischstämmiger Personen in Deutschland. Nach Entdeckung ihrer Beteiligung an dem Überfall auf die Filiale der Sparkasse in Ei. nahmen sich Böhnhardt und Mundlos indes noch am 4. November 2011 in dem bei der Tatausführung benutzten Wohnmobil das Leben. Hiervon auf unbekanntem Wege benachrichtigt, setzte Zschäpe wenige Stunden später die von ihr sowie Böhnhardt und Mundlos zuletzt bezogene Wohnung in Z. , F. straße 26, in Brand, um mögliche Beweismittel zu vernichten. Einen Teil der dort gelagerten versandfertigen DVDs nahm sie an sich und gab sie an den folgenden Tagen zur Post; zwölf Sendungen konnten bei den vorgesehenen Empfängern sichergestellt werden.
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d) Der der rechtsextremen Szene im Raum Südwestsachsen zugehörige Beschuldigte kam mit Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe - insoweit abweichend von der Darstellung in den Haftentscheidungen - im Jahre 1998 über den anderweitig verfolgten Bu. in Kontakt, in dessen Wohnung in C. die Genannten nach ihrem Untertauchen für einige Wochen untergekommen waren. Es entwickelte sich ein enges persönliches Verhältnis, in das nachfolgend auch die Ehefrau des Beschuldigten, E. , einbezogen wurde. Beruflich befasste sich der Beschuldigte seit Umschulungsmaßnahmen im Zeitraum von August 2001 bis August 2003 u.a. mit der Digitalisierung analoger Bild-, Film- und Tonaufnahmen und deren anschließender Weiterbearbeitung. Entsprechende selbständige Tätigkeiten hatte er von 1. September 2006 bis 16. April 2007 unter der Firma "Ae. " (A. E. Mediendigitalisierung ) und erneut ab 1. April 2010 unter der Firma "X. M. " beim Gewerbeamt der Stadt Z. angemeldet.
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Entweder der Beschuldigte und seine Ehefrau E. oder mit beider Billigung Böhnhardt und Zschäpe beantragten am 8. Mai 2009 sog. Partner-Bahncards der Deutschen Bahn AG, die absprachegemäß Böhnhardt und Zschäpe zur Verfügung stehen sollten. Die Bahncards lauteten ebenso wie die 2010 und 2011 ausgestellten Folgekarten antragsgemäß auf die Personalien des Beschuldigten bzw. seiner Ehefrau, waren aber mit den bei Antragstellung eingereichten Lichtbildern von Böhnhardt bzw. Zschäpe versehen. Bezogen waren sie auf Konten des Beschuldigten bei der Kreissparkasse Au.
bzw. bei der Commerzbank Z. , von denen jeweils der pro Karte fällige Jahresbeitrag von 57 € abgebucht wurde. Die auf den Namen des Beschuldigten ausgestellte und mit dem Lichtbild von Böhnhardt versehene Karte wurde in dem anlässlich des Banküberfalls in Ei. benutzten Wohnmobil aufgefunden.
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2. a) Der Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs hält den Beschuldigten im Haftbefehl und im Haftfortdauerbeschluss für dringend verdächtig, den "Nationalsozialistischen Untergrund" als terroristische Vereinigung zum einen dadurch unterstützt zu haben, dass er sich zwischen dem 25. April 2007 (letzte im Videofilm thematisierte Tat) und dem 27. Dezember 2007 (Erstellungsdatum der DVD laut gespeicherter Dateiinformation) an der Herstellung des auf die DVD kopierten Videofilms beteiligt habe. Dies begründe nach dessen Inhalt zugleich den dringenden Verdacht der Volksverhetzung und der Beihilfe zur Billigung von Straftaten.
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Ausgehend hiervon sei der Beschuldigte eines weiteren Falles der Unterstützung einer terroristischen Vereinigung deshalb dringend verdächtig, weil er Böhnhardt und Zschäpe die Benutzung der Bahncards mit hoher Wahrscheinlichkeit in Kenntnis dessen ermöglicht habe, dadurch - wie sich schon aus dem Inhalt des Films erschließt - die Aktivitäten einer Gruppierung zu fördern , deren Ziele auf die Begehung von Mord- und Sprengstoffanschlägen gerichtet waren.
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b) Dem kann sich der Senat nicht anschließen. Der Beschuldigte, der von seinem Aussageverweigerungsrecht Gebrauch gemacht hat, ist bei einer Gesamtschau der nach gegenwärtigem Ermittlungsstand für und gegen ihn sprechenden Beweisanzeichen der ihm vorgeworfenen Taten jedenfalls nicht dringend verdächtig.
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aa) Mitwirkung bei der Herstellung des Videofilms
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(1) Auch der Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs hält es kriminaltechnisch nicht für belegbar, dass der Videofilm unter Benutzung der beim Beschuldigten sichergestellten Rechner und anderen Datenträger angefertigt wurde. Zwar fanden sich auf einem Laptop Bilddateien, die Szenen aus diesem Film sowie Lichtbilder einzelner Tatopfer enthalten. Nach den weiteren Ermittlungen handelt es sich insoweit aber um Bildmaterial aus Presseveröffentlichungen nach dem 4. November 2011, das sich zwischen dem 4. und dem 18. November 2011 bei Recherchen im Internet selbständig im Cache-Ordner des Programms speicherte (Bericht des Bundeskriminalamts vom 23. Dezember 2011, vorläufiger Auswertevermerk zu den beim Beschuldigten sichergestellten Datenträgern). Weiter war der im Film für die Gestaltung der Texte verwendete Schriftzeichenvorrat "COSMIC2N.ttf" weder auf den Rechnern des Beschuldigten installiert noch sonst auf den bei ihm aufgefundenen Datenträgern vorhanden; ebenso wenig konnten unter Verwendung dieser Schriftart erstellte Text- oder andere Dokumente nachgewiesen werden (Untersuchungsbericht des Kriminalistischen Instituts des Bundeskriminalamts Nr. 1 vom 23. Dezember 2011). Schließlich ergaben sich bei der Untersuchung der Datenträger auch keine Hinweise darauf, dass die auf den Videofilm bezogenen Dateien, wie sie auf der in der Wohnung F. straße 26 sichergestellten Festplatte gespeichert waren (dazu nachfolgend), mit der EDV-technischen Ausrüstung des Beschuldigten geöffnet oder bearbeitet worden wären (aaO).
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Es lässt sich auch keine hinreichend gesicherte Aussage dahin treffen, dass der am 27. Dezember 2007 auf die DVD kopierte Videofilm - sei es durch den Beschuldigten, sei es durch eine andere Person - unter Zuhilfenahme der in der Wohnung F. straße 26 vorgefundenen EDV-technischen Ausrüstung hergestellt wurde. Zwar war auf der dort asservierten Festplatte in den Ordnern "aktuelle version 1107" und "NSU Video stand 140108" mit Änderungsdatum 3. Dezember 2007 jeweils bereits der Videofilm in der aus der DVD ersichtlichen Fassung gespeichert; darüber hinaus finden sich dort mehrere Vorläuferversionen zu einzelnen Filmsequenzen, etwa unter "Altes Videomaterial" Videodateien mit den Änderungsdaten 9. März und 28. Oktober 2001 (Bericht des Bundeskriminalamts vom 5. Dezember 2011, Auswertung Asservat EDV11). Der Zeichenvorrat "COSMIC2N.ttf" war indes nach dem oben zitierten Untersuchungsbericht Nr. 1 auch auf den hier vorgefundenen Datenträgern nicht auffindbar. Mehrere Lücken ergaben sich auch beim Nachweis der Graphikdateien , die in die Endfassung des Films Eingang fanden und deshalb bei der Bearbeitung vorliegen mussten.
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(2) Der Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs gründet seine Annahme , gegen den Beschuldigten bestehe dringender Tatverdacht, vielmehr im Wesentlichen auf folgende Erwägungen:
23
Um einen digitalen Videofilm in der vorliegenden Qualität herstellen, insbesondere wie geschehen Zeichentrickfilme, Nachrichtensendungen und Beiträge aus Printmedien zusammenfügen zu können, bedürfe es umfassender Kenntnisse und Erfahrungen. Einer Person, die sich nur gelegentlich mit der Mediendigitalisierung beschäftige, sei dies nicht möglich. Im Umfeld des "Nationalsozialistischen Untergrunds" verfüge - aufgrund seiner beruflichen Tätigkeit - allein der Beschuldigte über die erforderlichen Fähigkeiten. Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe seien selbst nicht in der Lage gewesen, die Videosequenz herzustellen.
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Bestätigt werde dies dadurch, dass Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe auch sonst auf die technischen Dienstleistungen des Beschuldigten zurückgegriffen hätten. So sei in der Wohnung F. straße 26 eine (leere) DVDHülle mit der Bezeichnung "Familien DVD´s Teil 1" aufgefunden worden. Diese trage den Aufdruck der Firma "Ae. " sowie handschriftliche Vermerke zu deren Leistungsangebot, was für eine Auftragsarbeit spreche. Es erscheine ausgeschlossen, dass der Beschuldigte eine solche Hülle verwendet hätte, wenn er lediglich (von sich aus) im Rahmen der bestehenden freundschaftlichen Beziehung eine von ihm aufgenommene DVD über familiäre Ereignisse übergeben hätte.
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Zudem werde die Zusammenarbeit des Beschuldigten mit Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe in technischer Hinsicht ebenso wie ein zwischen ihnen praktizierter Datenaustausch dadurch belegt, dass die Dateipfade auf den zwei Festplatten des Beschuldigten und der in der Wohnung F. straße 26 sichergestellten Festplatte hinsichtlich eines Unterordners "bilder" und dessen 16 weiteren Unterordnern identisch seien und auch dieselben Dokumente enthielten. Dabei handele es sich teils um Bild- und Textdateien, die aus dem persönlichen Bereich des Beschuldigten und seiner Ehefrau herrührten. Daneben finde sich aber auch Material rechtsextremen Inhalts wie eine Bilddarstellung mit dem Schriftzug "Es ist nicht alle Tage wir kommen wieder keine Frage", der in vergleichbarer Form ("Heute" statt "Es") auch in Vorgängerversionen des Videofilms erscheine. Danach bestünden ungeachtet dessen, dass sich - wie oben ausgeführt - ein Datentransfer konkret nicht belegen lasse, deutliche Anhaltspunkte für Zugriffsmöglichkeiten des Beschuldigten auf die von Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe benutzte EDV-Ausstattung. Einen solchen Zugriff hätte man ihm, schon wegen der auf der Festplatte gespeicherten Vorläuferversionen der Tatbekenntnisse nicht ermöglicht, wenn er nicht in die Ziele der Gruppierung eingeweiht gewesen wäre. Auch diese Umstände sprächen für eine Zusammenarbeit bei der Herstellung des Videofilms.
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(3) Vor dem Hintergrund des übrigen Ermittlungsergebnisses verlieren diese Beweisanzeichen bei näherem Hinsehen indes deutlich an Überzeugungskraft.
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Soweit der Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs darauf abstellt, zur Herstellung eines solchen digitalen Videofilms bedürfe es umfassender Kenntnisse und Erfahrungen, die sich allein durch eine gelegentliche Befassung mit Angelegenheiten der Mediendigitalisierung nicht erwerben ließen, ist zu berücksichtigen , dass sich die Arbeiten an dem Film insgesamt über Jahre erstreckten. In einem solchen Zeitraum könnte auch ein anfänglicher Laie seine Kenntnisse vervollkommnen, ohne in diesem Bereich beruflich tätig zu sein. Darüber hinaus ergibt sich aus den Bekundungen des Zeugen Sch. , dass jedenfalls Mundlos durchaus Fachwissen auf dem Gebiet der Computertechnologie aufwies, was er dem Zeugen gegenüber mit der Arbeit in einem Computerladen erklärte. Gleichermaßen hat der anderweitig verfolgte Bu. am 29. November 2011 ausgesagt, Mundlos habe sich mit Computern gut ausgekannt und Layouts für rechte Zeitungen gestaltet. Im Übrigen spricht auch wenig dafür, dass der Beschuldigte in der Zeit, in welcher der Film entstand, schon über eine durch berufliche Befassung erworbene besondere praktische Erfahrung auf dem Gebiet der Mediendigitalisierung und der Herstellung digitaler Videofilme verfügte. Wie ausgeführt, lagen einzelne Vorläuferversionen des Films bereits seit 9. März bzw. 28. Oktober 2001 vor; die endgültige Fassung trägt das Datum 3. Dezember 2007. Die Umschulung des Beschuldigten zum Fachinformatiker für Anwendungsentwicklung begann erst am 1. August 2001. Zuvor war er ab 1996, unterbrochen durch seinen Wehrdienst , als Maurer tätig. Bereits wenige Wochen nach Beendigung der genannten Umschulungsmaßnahme ließ er sich zum Berufskraftfahrer ausbilden und arbeitete anschließend bei Speditionen, bis er sich schließlich Mitte 2006 mit der Firma "Ae. " selbständig machte. Deren Geschäftstätigkeit blieb nach Aktenlage eher beschränkt.
28
Der Senat vermag auch der in der Wohnung F. straße 26 aufgefundenen DVD-Hülle keinen wesentlichen Beweiswert zuzumessen. Allein das Vorhandensein der Hülle lässt keinen Rückschluss darauf zu, ob der Beschuldigte darin eine im Auftrag von Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe hergestellte DVD übergeben oder diesen etwa eigene, aus persönlichem Anlass gefertigte Aufnahmen überlassen hatte. Der angebrachte handschriftliche Vermerk beschränkte sich darauf, einem auf die Hülle ohnehin aufgedruckten längeren Angebotskatalog den Punkt "Websitegestaltung" hinzuzufügen (Asservat 2.12.1; Vermerk des Bundeskriminalamts hierzu vom 14. November 2011). Ob der Beschuldigte damit überhaupt beabsichtigte, Böhnhardt, Mundlos oder Zschäpe über sein Spektrum zu informieren, bleibt offen, denn es ist in Betracht zu ziehen, dass er den Vermerk allgemein auf den bei ihm vorrätigen Hüllen angebracht hatte. Dies gilt umso mehr, als es angesichts der langjährigen engen persönlichen Beziehungen des Beschuldigten zu Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe eines besonderen schriftlichen Hinweises auf seine Fähigkeiten aller Wahrscheinlichkeit nach ohnehin nicht mehr bedurft hätte.
29
Soweit die in der Wohnung F. straße 26 sichergestellte Festplatte Dateistrukturen und aus der Sphäre des Beschuldigten herrührende Dateien aufwies, die jeweils identisch waren mit den auf den Festplatten des Beschuldigten gesicherten, belegt das zwar, dass insoweit ein Datentransfer stattfand. Allein dies bietet aber keine zureichende tatsächliche Grundlage für die Annahme , der Beschuldigte habe auf die Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe zuzuordnende Festplatte Zugriff gehabt. Zu den Sequenzen im Videofilm hatten die festgestellten Dateien keinen Bezug. Dies gilt auch für die in den Film und die Vorgängerversionen so nicht eingeflossene Bilddarstellung mit dem Schriftzug "Es ist nicht alle Tage …". Sie trägt den Dateinamen "hkshirt" und befindet sich neben anderen Bilddateien mit dem Namensbestandteil "shirt" im Unterordner "hatecore" (Bericht des Bundeskriminalamts vom 23. Dezember 2011, vorläufiger Auswertevermerk zu den beim Beschuldigten sichergestellten Datenträgern ). Damit ergeben sich Bezüge zu dem vom Beschuldigten unter der Bezeichnung "C. M. " wohl ab 2008 ebenfalls betriebenen OnlineVerkauf szenetypischer Kleidung (vgl. Vermerk des Bundeskriminalamts vom 14. November 2011, Erkenntnisse zu den Personen A. und S. E.

).


30
bb) Überlassung der Bahncards
31
Nach Obigem ist der Beschuldigte auch nicht dringend verdächtig, bei der Überlassung der Bahncards gewusst oder zumindest damit gerechnet zu haben, eine Gruppierung zu unterstützen, deren Ziele auf die Begehung terroristischer Anschläge gerichtet waren. Zwar stand der Beschuldigte zu Böhnhardt , Mundlos und Zschäpe in einer langjährigen engen und freundschaftlichen Beziehung. Konkrete Tatsachen, die belegen könnten, dass der Beschuldigte von deren Vorleben und den von ihnen verübten Taten wenigstens in Grundzügen Kenntnis hatte, und die hinreichend sichere Schlüsse darauf zuließen , zu welcher Einschätzung er im hier maßgeblichen Zeitraum ab Mai 2009 in Bezug auf mögliche politisch motivierte Straftaten der Genannten gegen das Leben anderer gelangt war, lassen sich dem Aktenwerk indes auch jenseits der bereits erörterten Frage einer Mitwirkung bei der Herstellung des Videofilms nicht entnehmen. So bleibt nach den im Übrigen umfassenden Aussagen des Bu. schon offen, ob der Beschuldigte zu irgendeinem Zeitpunkt den Grund des Untertauchens von Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe, insbesondere ihren Umgang mit Sprengstoff, in Erfahrung gebracht hatte.
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3. Zur Klarstellung weist der Senat darauf hin, dass sich durch vorliegende Entscheidung nichts an der Ermittlungszuständigkeit des Generalbundesanwalts ändert; denn gegen den Beschuldigten besteht jedenfalls der einfache Verdacht der Unterstützung einer terroristischen Vereinigung fort (§ 142a Abs. 1 Satz 1, § 120 Abs. 1 Nr. 6 GVG).
Becker Hubert Mayer

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Referenzen - Gesetze

Bundesgerichtshof Beschluss, 14. Juni 2012 - AK 17/12 zitiert 9 §§.

Strafgesetzbuch - StGB | § 27 Beihilfe


(1) Als Gehilfe wird bestraft, wer vorsätzlich einem anderen zu dessen vorsätzlich begangener rechtswidriger Tat Hilfe geleistet hat. (2) Die Strafe für den Gehilfen richtet sich nach der Strafdrohung für den Täter. Sie ist nach § 49 Abs. 1 zu milde

Strafprozeßordnung - StPO | § 112 Voraussetzungen der Untersuchungshaft; Haftgründe


(1) Die Untersuchungshaft darf gegen den Beschuldigten angeordnet werden, wenn er der Tat dringend verdächtig ist und ein Haftgrund besteht. Sie darf nicht angeordnet werden, wenn sie zu der Bedeutung der Sache und der zu erwartenden Strafe oder Maßr

Strafprozeßordnung - StPO | § 121 Fortdauer der Untersuchungshaft über sechs Monate


(1) Solange kein Urteil ergangen ist, das auf Freiheitsstrafe oder eine freiheitsentziehende Maßregel der Besserung und Sicherung erkennt, darf der Vollzug der Untersuchungshaft wegen derselben Tat über sechs Monate hinaus nur aufrechterhalten werden

Strafgesetzbuch - StGB | § 129a Bildung terroristischer Vereinigungen


(1) Wer eine Vereinigung (§ 129 Absatz 2) gründet, deren Zwecke oder deren Tätigkeit darauf gerichtet sind, 1. Mord (§ 211) oder Totschlag (§ 212) oder Völkermord (§ 6 des Völkerstrafgesetzbuches) oder Verbrechen gegen die Menschlichkeit (§ 7 des Völ

Strafprozeßordnung - StPO | § 122 Besondere Haftprüfung durch das Oberlandesgericht


(1) In den Fällen des § 121 legt das zuständige Gericht die Akten durch Vermittlung der Staatsanwaltschaft dem Oberlandesgericht zur Entscheidung vor, wenn es die Fortdauer der Untersuchungshaft für erforderlich hält oder die Staatsanwaltschaft es be

Gerichtsverfassungsgesetz - GVG | § 120


(1) In Strafsachen sind die Oberlandesgerichte, in deren Bezirk die Landesregierungen ihren Sitz haben, für das Gebiet des Landes zuständig für die Verhandlung und Entscheidung im ersten Rechtszug 1. (weggefallen)2. bei Hochverrat (§§ 81 bis 83 des S

Gerichtsverfassungsgesetz - GVG | § 142a


(1) Der Generalbundesanwalt übt in den zur Zuständigkeit von Oberlandesgerichten im ersten Rechtszug gehörenden Strafsachen gemäß § 120 Absatz 1 und 2 das Amt der Staatsanwaltschaft auch bei diesen Gerichten aus. Für die Übernahme der Strafverfolgung

Strafgesetzbuch - StGB | § 140 Belohnung und Billigung von Straftaten


Wer eine der in § 138 Absatz 1 Nummer 2 bis 4 und 5 letzte Alternative oder in § 126 Absatz 1 genannten rechtswidrigen Taten oder eine rechtswidrige Tat nach § 176 Absatz 1 oder nach den §§ 176c und 176d 1. belohnt, nachdem sie begangen oder in straf

Referenzen

(1) Solange kein Urteil ergangen ist, das auf Freiheitsstrafe oder eine freiheitsentziehende Maßregel der Besserung und Sicherung erkennt, darf der Vollzug der Untersuchungshaft wegen derselben Tat über sechs Monate hinaus nur aufrechterhalten werden, wenn die besondere Schwierigkeit oder der besondere Umfang der Ermittlungen oder ein anderer wichtiger Grund das Urteil noch nicht zulassen und die Fortdauer der Haft rechtfertigen.

(2) In den Fällen des Absatzes 1 ist der Haftbefehl nach Ablauf der sechs Monate aufzuheben, wenn nicht der Vollzug des Haftbefehls nach § 116 ausgesetzt wird oder das Oberlandesgericht die Fortdauer der Untersuchungshaft anordnet.

(3) Werden die Akten dem Oberlandesgericht vor Ablauf der in Absatz 2 bezeichneten Frist vorgelegt, so ruht der Fristenlauf bis zu dessen Entscheidung. Hat die Hauptverhandlung begonnen, bevor die Frist abgelaufen ist, so ruht der Fristenlauf auch bis zur Verkündung des Urteils. Wird die Hauptverhandlung ausgesetzt und werden die Akten unverzüglich nach der Aussetzung dem Oberlandesgericht vorgelegt, so ruht der Fristenlauf ebenfalls bis zu dessen Entscheidung.

(4) In den Sachen, in denen eine Strafkammer nach § 74a des Gerichtsverfassungsgesetzes zuständig ist, entscheidet das nach § 120 des Gerichtsverfassungsgesetzes zuständige Oberlandesgericht. In den Sachen, in denen ein Oberlandesgericht nach den §§ 120 oder 120b des Gerichtsverfassungsgesetzes zuständig ist, tritt an dessen Stelle der Bundesgerichtshof.

(1) In den Fällen des § 121 legt das zuständige Gericht die Akten durch Vermittlung der Staatsanwaltschaft dem Oberlandesgericht zur Entscheidung vor, wenn es die Fortdauer der Untersuchungshaft für erforderlich hält oder die Staatsanwaltschaft es beantragt.

(2) Vor der Entscheidung sind der Beschuldigte und der Verteidiger zu hören. Das Oberlandesgericht kann über die Fortdauer der Untersuchungshaft nach mündlicher Verhandlung entscheiden; geschieht dies, so gilt § 118a entsprechend.

(3) Ordnet das Oberlandesgericht die Fortdauer der Untersuchungshaft an, so gilt § 114 Abs. 2 Nr. 4 entsprechend. Für die weitere Haftprüfung (§ 117 Abs. 1) ist das Oberlandesgericht zuständig, bis ein Urteil ergeht, das auf Freiheitsstrafe oder eine freiheitsentziehende Maßregel der Besserung und Sicherung erkennt. Es kann die Haftprüfung dem Gericht, das nach den allgemeinen Vorschriften dafür zuständig ist, für die Zeit von jeweils höchstens drei Monaten übertragen. In den Fällen des § 118 Abs. 1 entscheidet das Oberlandesgericht über einen Antrag auf mündliche Verhandlung nach seinem Ermessen.

(4) Die Prüfung der Voraussetzungen nach § 121 Abs. 1 ist auch im weiteren Verfahren dem Oberlandesgericht vorbehalten. Die Prüfung muß jeweils spätestens nach drei Monaten wiederholt werden.

(5) Das Oberlandesgericht kann den Vollzug des Haftbefehls nach § 116 aussetzen.

(6) Sind in derselben Sache mehrere Beschuldigte in Untersuchungshaft, so kann das Oberlandesgericht über die Fortdauer der Untersuchungshaft auch solcher Beschuldigter entscheiden, für die es nach § 121 und den vorstehenden Vorschriften noch nicht zuständig wäre.

(7) Ist der Bundesgerichtshof zur Entscheidung zuständig, so tritt dieser an die Stelle des Oberlandesgerichts.

(1) Wer eine Vereinigung (§ 129 Absatz 2) gründet, deren Zwecke oder deren Tätigkeit darauf gerichtet sind,

1.
Mord (§ 211) oder Totschlag (§ 212) oder Völkermord (§ 6 des Völkerstrafgesetzbuches) oder Verbrechen gegen die Menschlichkeit (§ 7 des Völkerstrafgesetzbuches) oder Kriegsverbrechen (§§ 8, 9, 10, 11 oder § 12 des Völkerstrafgesetzbuches) oder
2.
Straftaten gegen die persönliche Freiheit in den Fällen des § 239a oder des § 239b
3.
(weggefallen)
zu begehen, oder wer sich an einer solchen Vereinigung als Mitglied beteiligt, wird mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren bestraft.

(2) Ebenso wird bestraft, wer eine Vereinigung gründet, deren Zwecke oder deren Tätigkeit darauf gerichtet sind,

1.
einem anderen Menschen schwere körperliche oder seelische Schäden, insbesondere der in § 226 bezeichneten Art, zuzufügen,
2.
Straftaten nach den §§ 303b, 305, 305a oder gemeingefährliche Straftaten in den Fällen der §§ 306 bis 306c oder 307 Abs. 1 bis 3, des § 308 Abs. 1 bis 4, des § 309 Abs. 1 bis 5, der §§ 313, 314 oder 315 Abs. 1, 3 oder 4, des § 316b Abs. 1 oder 3 oder des § 316c Abs. 1 bis 3 oder des § 317 Abs. 1,
3.
Straftaten gegen die Umwelt in den Fällen des § 330a Abs. 1 bis 3,
4.
Straftaten nach § 19 Abs. 1 bis 3, § 20 Abs. 1 oder 2, § 20a Abs. 1 bis 3, § 19 Abs. 2 Nr. 2 oder Abs. 3 Nr. 2, § 20 Abs. 1 oder 2 oder § 20a Abs. 1 bis 3, jeweils auch in Verbindung mit § 21, oder nach § 22a Abs. 1 bis 3 des Gesetzes über die Kontrolle von Kriegswaffen oder
5.
Straftaten nach § 51 Abs. 1 bis 3 des Waffengesetzes
zu begehen, oder wer sich an einer solchen Vereinigung als Mitglied beteiligt, wenn eine der in den Nummern 1 bis 5 bezeichneten Taten bestimmt ist, die Bevölkerung auf erhebliche Weise einzuschüchtern, eine Behörde oder eine internationale Organisation rechtswidrig mit Gewalt oder durch Drohung mit Gewalt zu nötigen oder die politischen, verfassungsrechtlichen, wirtschaftlichen oder sozialen Grundstrukturen eines Staates oder einer internationalen Organisation zu beseitigen oder erheblich zu beeinträchtigen, und durch die Art ihrer Begehung oder ihre Auswirkungen einen Staat oder eine internationale Organisation erheblich schädigen kann.

(3) Sind die Zwecke oder die Tätigkeit der Vereinigung darauf gerichtet, eine der in Absatz 1 und 2 bezeichneten Straftaten anzudrohen, ist auf Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren zu erkennen.

(4) Gehört der Täter zu den Rädelsführern oder Hintermännern, so ist in den Fällen der Absätze 1 und 2 auf Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren, in den Fällen des Absatzes 3 auf Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren zu erkennen.

(5) Wer eine in Absatz 1, 2 oder Absatz 3 bezeichnete Vereinigung unterstützt, wird in den Fällen der Absätze 1 und 2 mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren, in den Fällen des Absatzes 3 mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. Wer für eine in Absatz 1 oder Absatz 2 bezeichnete Vereinigung um Mitglieder oder Unterstützer wirbt, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.

(6) Das Gericht kann bei Beteiligten, deren Schuld gering und deren Mitwirkung von untergeordneter Bedeutung ist, in den Fällen der Absätze 1, 2, 3 und 5 die Strafe nach seinem Ermessen (§ 49 Abs. 2) mildern.

(7) § 129 Absatz 7 gilt entsprechend.

(8) Neben einer Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten kann das Gericht die Fähigkeit, öffentliche Ämter zu bekleiden, und die Fähigkeit, Rechte aus öffentlichen Wahlen zu erlangen, aberkennen (§ 45 Abs. 2).

(9) In den Fällen der Absätze 1, 2, 4 und 5 kann das Gericht Führungsaufsicht anordnen (§ 68 Abs. 1).

(1) Als Gehilfe wird bestraft, wer vorsätzlich einem anderen zu dessen vorsätzlich begangener rechtswidriger Tat Hilfe geleistet hat.

(2) Die Strafe für den Gehilfen richtet sich nach der Strafdrohung für den Täter. Sie ist nach § 49 Abs. 1 zu mildern.

Wer eine der in § 138 Absatz 1 Nummer 2 bis 4 und 5 letzte Alternative oder in § 126 Absatz 1 genannten rechtswidrigen Taten oder eine rechtswidrige Tat nach § 176 Absatz 1 oder nach den §§ 176c und 176d

1.
belohnt, nachdem sie begangen oder in strafbarer Weise versucht worden ist, oder
2.
in einer Weise, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören, öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten eines Inhalts (§ 11 Absatz 3) billigt,
wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(1) Solange kein Urteil ergangen ist, das auf Freiheitsstrafe oder eine freiheitsentziehende Maßregel der Besserung und Sicherung erkennt, darf der Vollzug der Untersuchungshaft wegen derselben Tat über sechs Monate hinaus nur aufrechterhalten werden, wenn die besondere Schwierigkeit oder der besondere Umfang der Ermittlungen oder ein anderer wichtiger Grund das Urteil noch nicht zulassen und die Fortdauer der Haft rechtfertigen.

(2) In den Fällen des Absatzes 1 ist der Haftbefehl nach Ablauf der sechs Monate aufzuheben, wenn nicht der Vollzug des Haftbefehls nach § 116 ausgesetzt wird oder das Oberlandesgericht die Fortdauer der Untersuchungshaft anordnet.

(3) Werden die Akten dem Oberlandesgericht vor Ablauf der in Absatz 2 bezeichneten Frist vorgelegt, so ruht der Fristenlauf bis zu dessen Entscheidung. Hat die Hauptverhandlung begonnen, bevor die Frist abgelaufen ist, so ruht der Fristenlauf auch bis zur Verkündung des Urteils. Wird die Hauptverhandlung ausgesetzt und werden die Akten unverzüglich nach der Aussetzung dem Oberlandesgericht vorgelegt, so ruht der Fristenlauf ebenfalls bis zu dessen Entscheidung.

(4) In den Sachen, in denen eine Strafkammer nach § 74a des Gerichtsverfassungsgesetzes zuständig ist, entscheidet das nach § 120 des Gerichtsverfassungsgesetzes zuständige Oberlandesgericht. In den Sachen, in denen ein Oberlandesgericht nach den §§ 120 oder 120b des Gerichtsverfassungsgesetzes zuständig ist, tritt an dessen Stelle der Bundesgerichtshof.

(1) In den Fällen des § 121 legt das zuständige Gericht die Akten durch Vermittlung der Staatsanwaltschaft dem Oberlandesgericht zur Entscheidung vor, wenn es die Fortdauer der Untersuchungshaft für erforderlich hält oder die Staatsanwaltschaft es beantragt.

(2) Vor der Entscheidung sind der Beschuldigte und der Verteidiger zu hören. Das Oberlandesgericht kann über die Fortdauer der Untersuchungshaft nach mündlicher Verhandlung entscheiden; geschieht dies, so gilt § 118a entsprechend.

(3) Ordnet das Oberlandesgericht die Fortdauer der Untersuchungshaft an, so gilt § 114 Abs. 2 Nr. 4 entsprechend. Für die weitere Haftprüfung (§ 117 Abs. 1) ist das Oberlandesgericht zuständig, bis ein Urteil ergeht, das auf Freiheitsstrafe oder eine freiheitsentziehende Maßregel der Besserung und Sicherung erkennt. Es kann die Haftprüfung dem Gericht, das nach den allgemeinen Vorschriften dafür zuständig ist, für die Zeit von jeweils höchstens drei Monaten übertragen. In den Fällen des § 118 Abs. 1 entscheidet das Oberlandesgericht über einen Antrag auf mündliche Verhandlung nach seinem Ermessen.

(4) Die Prüfung der Voraussetzungen nach § 121 Abs. 1 ist auch im weiteren Verfahren dem Oberlandesgericht vorbehalten. Die Prüfung muß jeweils spätestens nach drei Monaten wiederholt werden.

(5) Das Oberlandesgericht kann den Vollzug des Haftbefehls nach § 116 aussetzen.

(6) Sind in derselben Sache mehrere Beschuldigte in Untersuchungshaft, so kann das Oberlandesgericht über die Fortdauer der Untersuchungshaft auch solcher Beschuldigter entscheiden, für die es nach § 121 und den vorstehenden Vorschriften noch nicht zuständig wäre.

(7) Ist der Bundesgerichtshof zur Entscheidung zuständig, so tritt dieser an die Stelle des Oberlandesgerichts.

(1) Die Untersuchungshaft darf gegen den Beschuldigten angeordnet werden, wenn er der Tat dringend verdächtig ist und ein Haftgrund besteht. Sie darf nicht angeordnet werden, wenn sie zu der Bedeutung der Sache und der zu erwartenden Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung außer Verhältnis steht.

(2) Ein Haftgrund besteht, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen

1.
festgestellt wird, daß der Beschuldigte flüchtig ist oder sich verborgen hält,
2.
bei Würdigung der Umstände des Einzelfalles die Gefahr besteht, daß der Beschuldigte sich dem Strafverfahren entziehen werde (Fluchtgefahr), oder
3.
das Verhalten des Beschuldigten den dringenden Verdacht begründet, er werde
a)
Beweismittel vernichten, verändern, beiseite schaffen, unterdrücken oder fälschen oder
b)
auf Mitbeschuldigte, Zeugen oder Sachverständige in unlauterer Weise einwirken oder
c)
andere zu solchem Verhalten veranlassen,
und wenn deshalb die Gefahr droht, daß die Ermittlung der Wahrheit erschwert werde (Verdunkelungsgefahr).

(3) Gegen den Beschuldigten, der einer Straftat nach § 6 Absatz 1 Nummer 1 oder § 13 Absatz 1 des Völkerstrafgesetzbuches oder § 129a Abs. 1 oder Abs. 2, auch in Verbindung mit § 129b Abs. 1, oder nach den §§ 176c, 176d, 211, 212, 226, 306b oder 306c des Strafgesetzbuches oder, soweit durch die Tat Leib oder Leben eines anderen gefährdet worden ist, nach § 308 Abs. 1 bis 3 des Strafgesetzbuches dringend verdächtig ist, darf die Untersuchungshaft auch angeordnet werden, wenn ein Haftgrund nach Absatz 2 nicht besteht.

(1) Der Generalbundesanwalt übt in den zur Zuständigkeit von Oberlandesgerichten im ersten Rechtszug gehörenden Strafsachen gemäß § 120 Absatz 1 und 2 das Amt der Staatsanwaltschaft auch bei diesen Gerichten aus. Für die Übernahme der Strafverfolgung durch den Generalbundesanwalt genügt es, dass zureichende tatsächliche Anhaltspunkte für die seine Zuständigkeit begründenden Voraussetzungen gegeben sind. Vorgänge, die Anlass zu der Prüfung einer Übernahme der Strafverfolgung durch den Generalbundesanwalt geben, übersendet die Staatsanwaltschaft diesem unverzüglich. Können in den Fällen des § 120 Abs. 1 die Beamten der Staatsanwaltschaft eines Landes und der Generalbundesanwalt sich nicht darüber einigen, wer von ihnen die Verfolgung zu übernehmen hat, so entscheidet der Generalbundesanwalt.

(2) Der Generalbundesanwalt gibt das Verfahren vor Einreichung einer Anklageschrift oder einer Antragsschrift (§ 435 der Strafprozessordnung) an die Landesstaatsanwaltschaft ab,

1.
wenn es folgende Straftaten zum Gegenstand hat:
a)
Straftaten nach den §§ 82, 83 Abs. 2, §§ 98, 99 oder 102 des Strafgesetzbuches,
b)
Straftaten nach den §§ 105 oder 106 des Strafgesetzbuches, wenn die Tat sich gegen ein Organ eines Landes oder gegen ein Mitglied eines solchen Organs richtet,
c)
Straftaten nach § 138 des Strafgesetzbuches in Verbindung mit einer der in Buchstabe a bezeichneten Strafvorschriften oder
d)
Straftaten nach § 52 Abs. 2 des Patentgesetzes, nach § 9 Abs. 2 des Gebrauchsmustergesetzes in Verbindung mit § 52 Abs. 2 des Patentgesetzes oder nach § 4 Abs. 4 des Halbleiterschutzgesetzes in Verbindung mit § 9 Abs. 2 des Gebrauchsmustergesetzes und § 52 Abs. 2 des Patentgesetzes;
2.
in Sachen von minderer Bedeutung.

(3) Eine Abgabe an die Landesstaatsanwaltschaft unterbleibt,

1.
wenn die Tat die Interessen des Bundes in besonderem Maße berührt oder
2.
wenn es im Interesse der Rechtseinheit geboten ist, daß der Generalbundesanwalt die Tat verfolgt.

(4) Der Generalbundesanwalt gibt eine Sache, die er nach § 120 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 bis 4 oder § 74a Abs. 2 übernommen hat, wieder an die Landesstaatsanwaltschaft ab, wenn eine besondere Bedeutung des Falles nicht mehr vorliegt.

(1) In Strafsachen sind die Oberlandesgerichte, in deren Bezirk die Landesregierungen ihren Sitz haben, für das Gebiet des Landes zuständig für die Verhandlung und Entscheidung im ersten Rechtszug

1.
(weggefallen)
2.
bei Hochverrat (§§ 81 bis 83 des Strafgesetzbuches),
3.
bei Landesverrat und Gefährdung der äußeren Sicherheit (§§ 94 bis 100a des Strafgesetzbuches) sowie bei Straftaten nach § 52 Abs. 2 des Patentgesetzes, nach § 9 Abs. 2 des Gebrauchsmustergesetzes in Verbindung mit § 52 Abs. 2 des Patentgesetzes oder nach § 4 Abs. 4 des Halbleiterschutzgesetzes in Verbindung mit § 9 Abs. 2 des Gebrauchsmustergesetzes und § 52 Abs. 2 des Patentgesetzes,
4.
bei einem Angriff gegen Organe und Vertreter ausländischer Staaten (§ 102 des Strafgesetzbuches),
5.
bei einer Straftat gegen Verfassungsorgane in den Fällen der §§ 105, 106 des Strafgesetzbuches,
6.
bei einer Zuwiderhandlung gegen das Vereinigungsverbot des § 129a, auch in Verbindung mit § 129b Abs. 1, des Strafgesetzbuches,
7.
bei Nichtanzeige von Straftaten nach § 138 des Strafgesetzbuches, wenn die Nichtanzeige eine Straftat betrifft, die zur Zuständigkeit der Oberlandesgerichte gehört und
8.
bei Straftaten nach dem Völkerstrafgesetzbuch.

(2) Diese Oberlandesgerichte sind ferner für die Verhandlung und Entscheidung im ersten Rechtszug zuständig

1.
bei den in § 74a Abs. 1 bezeichneten Straftaten, wenn der Generalbundesanwalt wegen der besonderen Bedeutung des Falles nach § 74a Abs. 2 die Verfolgung übernimmt,
2.
bei Mord (§ 211 des Strafgesetzbuches), Totschlag (§ 212 des Strafgesetzbuches) und den in § 129a Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 2 des Strafgesetzbuches bezeichneten Straftaten, wenn ein Zusammenhang mit der Tätigkeit einer nicht oder nicht nur im Inland bestehenden Vereinigung besteht, deren Zweck oder Tätigkeit die Begehung von Straftaten dieser Art zum Gegenstand hat, und der Generalbundesanwalt wegen der besonderen Bedeutung des Falles die Verfolgung übernimmt,
3.
bei Mord (§ 211 des Strafgesetzbuchs), Totschlag (§ 212 des Strafgesetzbuchs), erpresserischem Menschenraub (§ 239a des Strafgesetzbuchs), Geiselnahme (§ 239b des Strafgesetzbuchs), schwerer und besonders schwerer Brandstiftung (§§ 306a und 306b des Strafgesetzbuchs), Brandstiftung mit Todesfolge (§ 306c des Strafgesetzbuchs), Herbeiführen einer Explosion durch Kernenergie in den Fällen des § 307 Abs. 1 und 3 Nr. 1 des Strafgesetzbuchs, Herbeiführen einer Sprengstoffexplosion in den Fällen des § 308 Abs. 1 bis 3 des Strafgesetzbuchs, Missbrauch ionisierender Strahlen in den Fällen des § 309 Abs. 1 bis 4 des Strafgesetzbuchs, Vorbereitung eines Explosions- oder Strahlungsverbrechens in den Fällen des § 310 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 des Strafgesetzbuchs, Herbeiführen einer Überschwemmung in den Fällen des § 313 Abs. 2 in Verbindung mit § 308 Abs. 2 und 3 des Strafgesetzbuchs, gemeingefährlicher Vergiftung in den Fällen des § 314 Abs. 2 in Verbindung mit § 308 Abs. 2 und 3 des Strafgesetzbuchs und Angriff auf den Luft- und Seeverkehr in den Fällen des § 316c Abs. 1 und 3 des Strafgesetzbuchs, wenn die Tat nach den Umständen geeignet ist,
a)
den Bestand oder die Sicherheit eines Staates zu beeinträchtigen,
b)
Verfassungsgrundsätze der Bundesrepublik Deutschland zu beseitigen, außer Geltung zu setzen oder zu untergraben,
c)
die Sicherheit der in der Bundesrepublik Deutschland stationierten Truppen des Nordatlantik-Pakts oder seiner nichtdeutschen Vertragsstaaten zu beeinträchtigen oder
d)
den Bestand oder die Sicherheit einer internationalen Organisation zu beeinträchtigen,
und der Generalbundesanwalt wegen der besonderen Bedeutung des Falles die Verfolgung übernimmt,
4.
bei Straftaten nach dem Außenwirtschaftsgesetz sowie bei Straftaten nach dem Gesetz über die Kontrolle von Kriegswaffen, wenn die Tat oder im Falle des strafbaren Versuchs auch ihre unterstellte Vollendung nach den Umständen
a)
geeignet ist, die äußere Sicherheit oder die auswärtigen Beziehungen der Bundesrepublik Deutschland erheblich zu gefährden, oder
b)
bestimmt und geeignet ist, das friedliche Zusammenleben der Völker zu stören,
und der Generalbundesanwalt wegen der besonderen Bedeutung des Falles die Verfolgung übernimmt.
Eine besondere Bedeutung des Falles ist auch anzunehmen, wenn in den Fällen des Satzes 1 eine Ermittlungszuständigkeit des Generalbundesanwalts wegen des länderübergreifenden Charakters der Tat geboten erscheint. Die Oberlandesgerichte verweisen bei der Eröffnung des Hauptverfahrens die Sache in den Fällen der Nummer 1 an das Landgericht, in den Fällen der Nummern 2 bis 4 an das Land- oder Amtsgericht, wenn eine besondere Bedeutung des Falles nicht vorliegt.

(3) In den Sachen, in denen diese Oberlandesgerichte nach Absatz 1 oder 2 zuständig sind, treffen sie auch die in § 73 Abs. 1 bezeichneten Entscheidungen. Sie entscheiden ferner über die Beschwerde gegen Verfügungen der Ermittlungsrichter der Oberlandesgerichte (§ 169 Abs. 1 Satz 1 der Strafprozeßordnung) in den in § 304 Abs. 5 der Strafprozeßordnung bezeichneten Fällen.

(4) Diese Oberlandesgerichte entscheiden auch über die Beschwerde gegen Verfügungen und Entscheidungen des nach § 74a zuständigen Gerichts. Für Entscheidungen über die Beschwerde gegen Verfügungen und Entscheidungen des nach § 74a Abs. 4 zuständigen Gerichts sowie in den Fällen des § 100e Absatz 2 Satz 6 der Strafprozessordnung ist ein nicht mit Hauptverfahren in Strafsachen befasster Senat zuständig.

(5) Für den Gerichtsstand gelten die allgemeinen Vorschriften. Die beteiligten Länder können durch Vereinbarung die den Oberlandesgerichten in den Absätzen 1 bis 4 zugewiesenen Aufgaben dem hiernach zuständigen Gericht eines Landes auch für das Gebiet eines anderen Landes übertragen.

(6) Soweit nach § 142a für die Verfolgung der Strafsachen die Zuständigkeit des Bundes begründet ist, üben diese Oberlandesgerichte Gerichtsbarkeit nach Artikel 96 Abs. 5 des Grundgesetzes aus.

(7) Soweit die Länder aufgrund von Strafverfahren, in denen die Oberlandesgerichte in Ausübung von Gerichtsbarkeit des Bundes entscheiden, Verfahrenskosten und Auslagen von Verfahrensbeteiligten zu tragen oder Entschädigungen zu leisten haben, können sie vom Bund Erstattung verlangen.