Bundesgerichtshof Beschluss, 21. Feb. 2002 - 5 StR 9/02
Bundesgerichtshof
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
Die weitergehenden Revisionen werden nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Jugendkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
G r ü n d e Das Landgericht hat die Angeklagten L und B unter anderem wegen schwerer räuberischer Erpressung und den Angeklagten I unter anderem wegen Raubes zu Jugend- bzw. Freiheitsstrafen zwischen zwei Jahren zehn Monaten und drei Jahren sowie den Angeklagten S unter anderem wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis zu einer zur Bewährung ausgesetzten Jugendstrafe von sechs Monaten verurteilt. Die Revisionen der Angeklagten sind zum Schuldspruch unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO, führen jedoch zur Aufhebung der Strafaussprüche.
1. Im Rahmen der Strafzumessung hat das Landgericht zutreffend bedacht, daß nahezu alle Taten bereits zwischen März 1995 und Januar 1996 begangen worden sind und ein langer zeitlicher Abstand zwischen Tat und Urteil, der teilweise schon auf Verzögerungen im Ermittlungsverfahren beruhte, zu einem wesentlichen Strafmilderungsgesichtspunkt führen kann.
2. Die Akten wurden dem Bundesgerichtshof aber erst zwei Jahre und elf Monate nach Urteilserlaß vorgelegt. Das Verfahren ist damit seit der Verkündung des angefochtenen Urteils in ganz ungewöhnlichem Maße unter Verstoß gegen Art. 6 Abs. 1 Satz 1 MRK weiter verzögert worden (vgl. auch BGHSt 35, 137; BGHR StGB § 46 Abs. 2 Verfahrensverzögerung 8; BGH StV 1994, 653). Diesen Umstand muß der Senat auf die zulässige Revision eines Angeklagten von Amts wegen berücksichtigen (§ 354a StPO entsprechend ). Der Angeklagte selbst kann ihn nicht rügen, weil er sich erst nach dem Ablauf der Frist zur Begründung des Rechtsmittels verwirklicht hat. Der seit der Verkündung des angefochtenen Urteils verstrichene Zeitraum ist hier unangemessen lang. Der Senat braucht nicht zu untersuchen, auf welchen Gründen die Verzögerung im einzelnen beruht; es genügt die Feststellung , daß diese Gründe im Bereich der Justiz liegen und die Ermittlungen des Senats keine Umstände ergeben haben, welche der Verzögerung ihre Bedeutung nehmen.
Bei dem vorliegenden Aufhebungsgrund können die Feststellungen insgesamt bestehen bleiben. Der neue Tatrichter hat die Strafen auf der Grundlage der bisherigen Feststellungen, die er lediglich durch neue widerspruchsfreie ergänzen kann, neu festzusetzen.
Bei der Strafzumessung wird vorsorglich auf die Bedenken und Anforderungen des Bundesverfassungsgerichts bei langer Verfahrensdauer Bedacht zu nehmen sein. Insoweit wird auf den Beschluß der 2. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 7. März 1997 (NStZ 1997, 591) und auf die Entscheidung des Senats vom 29. April 1997 (BGHR StGB § 46 II Verfahrensverzögerung 11 = NStZ 1997, 451 m.w.N., auch zur Spruchpraxis des Bundesverfassungsgerichts) verwiesen. 3. Hinsichtlich des Angeklagten B wird auf die berechtigten Bedenken des Generalbundesanwalts zu § 31 JGG hingewiesen.
Harms Basdorf Gerhardt Brause Schaal
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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.
(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.
(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.
(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.
(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.
(1) Die Schuld des Täters ist Grundlage für die Zumessung der Strafe. Die Wirkungen, die von der Strafe für das künftige Leben des Täters in der Gesellschaft zu erwarten sind, sind zu berücksichtigen.
(2) Bei der Zumessung wägt das Gericht die Umstände, die für und gegen den Täter sprechen, gegeneinander ab. Dabei kommen namentlich in Betracht:
die Beweggründe und die Ziele des Täters, besonders auch rassistische, fremdenfeindliche, antisemitische oder sonstige menschenverachtende, die Gesinnung, die aus der Tat spricht, und der bei der Tat aufgewendete Wille, das Maß der Pflichtwidrigkeit, die Art der Ausführung und die verschuldeten Auswirkungen der Tat, das Vorleben des Täters, seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse sowie sein Verhalten nach der Tat, besonders sein Bemühen, den Schaden wiedergutzumachen, sowie das Bemühen des Täters, einen Ausgleich mit dem Verletzten zu erreichen.
(3) Umstände, die schon Merkmale des gesetzlichen Tatbestandes sind, dürfen nicht berücksichtigt werden.
Das Revisionsgericht hat auch dann nach § 354 zu verfahren, wenn es das Urteil aufhebt, weil zur Zeit der Entscheidung des Revisionsgerichts ein anderes Gesetz gilt als zur Zeit des Erlasses der angefochtenen Entscheidung.
(1) Die Schuld des Täters ist Grundlage für die Zumessung der Strafe. Die Wirkungen, die von der Strafe für das künftige Leben des Täters in der Gesellschaft zu erwarten sind, sind zu berücksichtigen.
(2) Bei der Zumessung wägt das Gericht die Umstände, die für und gegen den Täter sprechen, gegeneinander ab. Dabei kommen namentlich in Betracht:
die Beweggründe und die Ziele des Täters, besonders auch rassistische, fremdenfeindliche, antisemitische oder sonstige menschenverachtende, die Gesinnung, die aus der Tat spricht, und der bei der Tat aufgewendete Wille, das Maß der Pflichtwidrigkeit, die Art der Ausführung und die verschuldeten Auswirkungen der Tat, das Vorleben des Täters, seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse sowie sein Verhalten nach der Tat, besonders sein Bemühen, den Schaden wiedergutzumachen, sowie das Bemühen des Täters, einen Ausgleich mit dem Verletzten zu erreichen.
(3) Umstände, die schon Merkmale des gesetzlichen Tatbestandes sind, dürfen nicht berücksichtigt werden.
(1) Auch wenn ein Jugendlicher mehrere Straftaten begangen hat, setzt das Gericht nur einheitlich Erziehungsmaßregeln, Zuchtmittel oder eine Jugendstrafe fest. Soweit es dieses Gesetz zuläßt (§ 8), können ungleichartige Erziehungsmaßregeln und Zuchtmittel nebeneinander angeordnet oder Maßnahmen mit der Strafe verbunden werden. Die gesetzlichen Höchstgrenzen des Jugendarrestes und der Jugendstrafe dürfen nicht überschritten werden.
(2) Ist gegen den Jugendlichen wegen eines Teils der Straftaten bereits rechtskräftig die Schuld festgestellt oder eine Erziehungsmaßregel, ein Zuchtmittel oder eine Jugendstrafe festgesetzt worden, aber noch nicht vollständig ausgeführt, verbüßt oder sonst erledigt, so wird unter Einbeziehung des Urteils in gleicher Weise nur einheitlich auf Maßnahmen oder Jugendstrafe erkannt. Die Anrechnung bereits verbüßten Jugendarrestes steht im Ermessen des Gerichts, wenn es auf Jugendstrafe erkennt. § 26 Absatz 3 Satz 3 und § 30 Absatz 1 Satz 2 bleiben unberührt.
(3) Ist es aus erzieherischen Gründen zweckmäßig, so kann das Gericht davon absehen, schon abgeurteilte Straftaten in die neue Entscheidung einzubeziehen. Dabei kann es Erziehungsmaßregeln und Zuchtmittel für erledigt erklären, wenn es auf Jugendstrafe erkennt.