Bundesgerichtshof Beschluss, 10. Jan. 2000 - 5 StR 640/99
Bundesgerichtshof
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
Die weitergehende Revision wird nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
G r ü n d e Das Landgericht hat den Angeklagten wegen sexuellen Mißbrauchs von Kindern in zwei Fällen und versuchten schweren sexuellen Mißbrauchs eines Kindes zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und neun Monaten verurteilt. Die Revision des Angeklagten ist zum Schuldspruch unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO, sie führt jedoch mit der Sachrüge zur Aufhebung des Rechtsfolgenausspruchs. Das Landgericht hat die Voraussetzungen des § 21 StGB mit rechtsfehlerhafter Begründung verneint.
Der schwer herzkranke Angeklagte fühlte sich nach dem Tod seiner Frau verstärkt zu Kindern hingezogen. Wegen einer im Alter von über 60 Jahren verübten – von ihm in Abrede gestellten – Serie sexuellen Mißbrauchs von insgesamt elf Jungen, an deren Geschlechtsteil er jeweils mani- puliert hatte, war der bis dahin unbestrafte Angeklagte 1995 erstmals durch Strafbefehl zu einer Bewährungsstrafe verurteilt worden. Die Begehung jener Taten hat der Angeklagte indes nicht anders als die danach begangenen, jetzt abgeurteilten gleichartigen Taten bestritten.
Das Landgericht beruft sich für die Ablehnung der Voraussetzungen der §§ 20, 21 StGB auf den psychiatrischen Sachverständigen. Dieser hat ausgeführt, zwar bestünden beim Angeklagten „Konstellationen, die beim Vorliegen einer Pädophilie immer wieder angetroffen würden”, das Vorliegen einer Pädophilie „lasse sich jedoch anamnestisch nicht fassen, zumal der Angeklagte diesbezügliche Neigungen strikt in Abrede stelle” (UA S. 18).
Dies läßt befürchten, daß der Tatrichter, der „Hinweise” für eine Persönlichkeitsstörung des Angeklagten (UA S. 5) sowie „Anhaltspunkte” für eine schwere andere seelische Abartigkeit (UA S. 20) verneint hat, es unterlassen hat, dem Sachverständigen aufzugeben, bei seiner Begutachtung in Rechnung zu stellen, daß der Angeklagte pädophile Neigungen lediglich in Konsequenz zu seiner bestreitenden Einlassung geleugnet haben könnte (vgl. BGHR StPO § 78 – Leitung 1). Es liegt nicht ganz fern, daß die psychiatrische Begutachtung unter diesen Voraussetzungen doch zur Diagnose einer sexuellen Devianz des Angeklagten in Form der Pädophilie gelangt wäre. Diese kann die Voraussetzungen einer schweren seelischen Abartigkeit erfüllen (BGHR StGB § 21 – Seelische Abartigkeit 33).
Es läßt sich folglich nicht ausschließen, daß beim Angeklagten danach – zumal auch im Blick auf sein Alter und seine persönliche Entwicklung – die Voraussetzungen erheblicher Verminderung der Steuerungsfähigkeit gemäß § 21 StGB anzunehmen gewesen wären. Dies entzieht dem gesamten Rechtsfolgenausspruch die Grundlage. Darüber hinaus gehende Anhalts- punkte für eine mögliche Schuldunfähigkeit des Angeklagten sieht der Senat hingegen nicht.
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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.
(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.
(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.
(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.
(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.
Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.
Ohne Schuld handelt, wer bei Begehung der Tat wegen einer krankhaften seelischen Störung, wegen einer tiefgreifenden Bewußtseinsstörung oder wegen einer Intelligenzminderung oder einer schweren anderen seelischen Störung unfähig ist, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln.
Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.
Der Richter hat, soweit ihm dies erforderlich erscheint, die Tätigkeit der Sachverständigen zu leiten.
Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.