Bundesgerichtshof Beschluss, 12. Jan. 2000 - 5 StR 617/99

12.01.2000

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

5 StR 617/99

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
vom 12. Januar 2000
in der Strafsache
gegen
wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer
Menge
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 12. Januar 2000

beschlossen:
Die Revision des Angeklagten A gegen das Urteil des Landgerichts Hamburg vom 17. Juni 1999 wird nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.

G r ü n d e Das Landgericht hat den Beschwerdeführer wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt. Die Revision erweist sich als unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO. Ergänzend zu den zutreffenden Ausführungen des Generalbundesanwalts merkt der Senat an: 1. Die Verfahrensrüge einer Verletzung des § 189 GVG greift nicht durch. Die Revision behauptet, am fünften Verhandlungstag habe zur Übertragung in die türkische Sprache nicht die Dolmetscherin K teilgenommen , die zu Beginn der Hauptverhandlung eine Erklärung nach § 189 Abs. 2 GVG abgegeben hatte, sondern eine Dolmetscherin „Kr ”, die weder vereidigt worden sei noch sich auf eine allgemeine Beeidigung berufen habe. Das Revisionsvorbringen, das dem ursprünglich fertiggestellten Protokoll entsprach, ist, wie der Generalbundesanwalt zutreffend ausgeführt hat, bereits deshalb entkräftet, weil bei einer offensichtlichen Namensverwechselung , wie sie hier jedenfalls im Blick auf die identischen Anfangsbuchstaben des richtigen und des angegebenen Namens vorliegt, eine unbeschränkte Protokollberichtigung zulässig ist (Kleinknecht/Meyer-Goßner StPO 44. Aufl. § 271 Rdn. 23; Engelhardt in KK zur StPO 4. Aufl. § 271 Rdn. 15), die hier erfolgt ist.
Auf die Frage der Zulässigkeit von Verfahrensrügen mit wahrheitswidrigem Sachvortrag kommt es daher - nicht anders als bei der in BGHR StPO § 274 - Beweiskraft 21 abgedruckten Entscheidung des 3. Strafsenats - nicht an. Der Revisionsführer, der am fraglichen Hauptverhandlungstag als Verteidiger des Beschwerdeführers an der Hauptverhandlung teilgenommen, gleichwohl selbst die Verfahrensrüge erhoben hat, argumentiert in seiner Gegenerklärung zur Antragsschrift des Generalbundesanwalts gegen die in jener Entscheidung für erwägenswert erachtete Mindermeinung; der Senat kann auch offenlassen, ob hierin eine Rücknahme des maßgeblichen Sachvortrags zu finden wäre.
Der Senat braucht auch nicht zu entscheiden, ob eine Ausnahme von dem Grundsatz, daß eine wirksame Protokollberichtigung nach Eingang einer Revisionsrechtfertigung nicht mehr möglich ist, wenn damit einer zulässigen Verfahrensrüge die Tatsachengrundlage entzogen wird (vgl. BGHSt 34, 11; Kleinknecht/Meyer-Goßner und Engelhardt jeweils aaO Rdn. 26 m.w.N.), für Fälle eines zweifelsfrei vom protokollierten Hergang abweichenden Sachablaufs in Betracht kommt. Hier lägen dafür eindeutige Indizien mit der Abrechnung der Dolmetscherin K für den fraglichen Verhandlungstag vor, zumal vor dem Hintergrund, daß in Hamburg keine Dolmetscherin namens „Kr ” für die türkische Sprache bekannt ist. Eine derartige Problemlösung hätte den Vorteil, daß ein Verteidigerwechsel (vgl. BGH StV 1999, 585) für den Erfolg derartiger Rügen unmaßgeblich wäre, da es auf die Frage der Wissentlichkeit unrichtigen Revisionsvorbringens nicht ankäme.
2. Der Umstand und die Art der Kontakte der polizeilichen Vertrauensperson mit dem Verteidiger des Beschwerdeführers im Wiederaufnahmeverfahren unterliegen erheblichen Bedenken. Es ist indes nicht ersichtlich, daß Erkenntnisse aus jenen Kontakten, die naheliegend einem Verwertungsverbot unterliegen müßten, zum Nachteil des Beschwerdeführers verwertet worden wären. Danach kann bei dem primär auf ein anderes Verfahren bezogenen Eingriff hier von vornherein von einem Extremfall rechtsstaatswidriger staatlicher Beeinträchtigung schutzwürdiger Verteidigungsbelange, in dem mangels hinreichend wirksamer Verwertungsverbote sogar ein Verfahrenshindernis in Erwägung zu ziehen sein könnte (vgl. LG Berlin JZ 1992, 159, 162 ff.), nicht die Rede sein.
Den gegebenen Bedenken gegen die Vorgehensweise der Vertrauensperson hat die Strafkammer bei der Bemessung der Strafe ersichtlich ausreichend Rechnung getragen. Die Strafe bleibt unter der Obergrenze des § 29a Abs. 2 BtMG. Sie wird damit angesichts der besonders gravierenden Straferschwerungsgründe (UA S. 46, 47 f.) - trotz der weiteren gewichtigen Strafmilderungsgründe - vom Generalbundesanwalt zutreffend als (angemessen ) maßvoll gekennzeichnet.
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Referenzen - Gesetze

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Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

Betäubungsmittelgesetz - BtMG 1981 | § 29a Straftaten


(1) Mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr wird bestraft, wer1.als Person über 21 JahreBetäubungsmittel unerlaubt an eine Person unter 18 Jahren abgibt oder sie ihr entgegen § 13 Abs. 1 verabreicht oder zum unmittelbaren Verbrauch überläßt oder2.

Strafprozeßordnung - StPO | § 274 Beweiskraft des Protokolls


Die Beobachtung der für die Hauptverhandlung vorgeschriebenen Förmlichkeiten kann nur durch das Protokoll bewiesen werden. Gegen den diese Förmlichkeiten betreffenden Inhalt des Protokolls ist nur der Nachweis der Fälschung zulässig.

Gerichtsverfassungsgesetz - GVG | § 189


(1) Der Dolmetscher hat einen Eid dahin zu leisten, daß er treu und gewissenhaft übertragen werde. Gibt der Dolmetscher an, daß er aus Glaubens- oder Gewissensgründen keinen Eid leisten wolle, so hat er eine Bekräftigung abzugeben. Diese Bekräftigung

Referenzen

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

(1) Der Dolmetscher hat einen Eid dahin zu leisten, daß er treu und gewissenhaft übertragen werde. Gibt der Dolmetscher an, daß er aus Glaubens- oder Gewissensgründen keinen Eid leisten wolle, so hat er eine Bekräftigung abzugeben. Diese Bekräftigung steht dem Eid gleich; hierauf ist der Dolmetscher hinzuweisen.

(2) Ist der Dolmetscher für Übertragungen der betreffenden Art nach dem Gerichtsdolmetschergesetz oder in einem Land nach den landesrechtlichen Vorschriften allgemein beeidigt, so genügt vor allen Gerichten des Bundes und der Länder die Berufung auf diesen Eid.

(3) In Familiensachen und in Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit ist die Beeidigung des Dolmetschers nicht erforderlich, wenn die beteiligten Personen darauf verzichten.

(4) Der Dolmetscher oder Übersetzer soll über Umstände, die ihm bei seiner Tätigkeit zur Kenntnis gelangen, Verschwiegenheit wahren. Hierauf weist ihn das Gericht hin.

Die Beobachtung der für die Hauptverhandlung vorgeschriebenen Förmlichkeiten kann nur durch das Protokoll bewiesen werden. Gegen den diese Förmlichkeiten betreffenden Inhalt des Protokolls ist nur der Nachweis der Fälschung zulässig.

(1) Mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr wird bestraft, wer

1.
als Person über 21 JahreBetäubungsmittel unerlaubt an eine Person unter 18 Jahren abgibt oder sie ihr entgegen § 13 Abs. 1 verabreicht oder zum unmittelbaren Verbrauch überläßt oder
2.
mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge unerlaubt Handel treibt, sie in nicht geringer Menge herstellt oder abgibt oder sie besitzt, ohne sie auf Grund einer Erlaubnis nach § 3 Abs. 1 erlangt zu haben.

(2) In minder schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren.