Bundesgerichtshof Beschluss, 24. Okt. 2013 - 5 StR 492/13
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
a) in beiden Gesamtstrafaussprüchen,
b) mit den zugehörigen Feststellungen im Maßregelausspruch.
2. Die weitergehende Revision wird nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen.
3. Zu neuer Verhandlung und Festsetzung einer Einzelstrafe im Fall 4 der Urteilsgründe (gefährliche Körperverletzung ), neuer Gesamtstrafbildung und Entscheidung über eine Maßregel nach § 64 StGB sowie über die Kosten der Revision wird die Sache an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
G r ü n d e
- 1
- Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Raubes und versuchten Raubes unter Einbeziehung von Einzelstrafen aus zwei rechtskräftigen Verurteilungen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren sowie wegen schweren Raubes in Tateinheit mit versuchter schwerer räuberischer Erpressung und wegen gefährlicher Körperverletzung unter Einbeziehung einer weiteren Einzelstrafe aus einem rechtskräftigen Urteil zu einer (zweiten) Ge- samtfreiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt; es hat die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt und den Vorwegvollzug von insgesamt einem Jahr Freiheitsstrafe vor der Maßregel angeordnet. Die auf die allgemeine Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten hat entsprechend dem Antrag des Generalbundesanwalts den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist sie offensichtlich unbegründet.
- 2
- Der Generalbundesanwalt hat zutreffend ausgeführt: Im Fall II 4 fehlt es an der notwendigen Festsetzung einer Einzelfreiheitsstrafe (vgl. UA S. 29/30). Sie muss nachgeholt werden. Das Verbot der Schlechterstellung (§ 358 Abs. 2 StPO) steht dem nicht entgegen (st. Rspr.; vgl. nur BGHR StPO § 358 Abs. 2 Satz 1 Einzelstrafe, fehlende 1 m. w. N.). Die Nachholung der Festsetzung durch das Revisionsgericht ist hier nicht möglich. Die Verhängung der Mindeststrafe von sechs Monaten für die gegenständliche gefährliche Körperverletzung ist nicht vertretbar. Neben der fehlenden Einzelstrafenfestsetzung, die bereits für sich genommen zur Aufhebung der zweiten Gesamtfreiheitsstrafe führen muss, weist die Gesamtstrafenbildung insgesamt wegen der Auflösung und Einbeziehung der Strafen aus dem Berufungsurteil des Landgerichts Leipzig vom 4. Februar 2013 durchgreifende Rechtsfehler zu Lasten des Angeklagten auf. Beide Gesamtfreiheitsstrafen können deshalb keinen Bestand haben. Die Strafkammer hat übersehen, dass die Verurteilung vom 15. Februar 2011 [deren Einzelstrafen in dem Berufungsurteil rechtsfehlerfrei einbezogen worden waren] Zäsurwirkung entfaltet. Eine Auflösung der mit Urteil vom 4. Februar 2013 gebildeten Gesamtfreiheitsstrafe war deshalb unzulässig. Die Einbeziehung der für die am 28. Oktober 2010 und 7. November 2010 [begangenen Taten] verhängten Geldstrafen war mithin rechtsfehlerhaft. Die erste Gesamtfreiheitsstrafe hätte lediglich aus den Einzelstrafen [für die] jeweils am 26. Juni 2011 [einbezogenes Urteil vom 19. Oktober 2012] und 12. April 2012 [Fälle II 1 und 2] begangenen Straftaten gebildet werden dürfen. Die zweite (wegen der Zäsur des Urteils vom 19. Oktober 2012) erforderliche Gesamtfreiheitsstrafe darf sich nur aus den Strafen für die Taten vom 18. und 24. November 2012 [Fälle II 3 und 4] zusammensetzen. Die Maßregelanordnung und der angeordnete Vorwegvollzug können ebenfalls keinen Bestand haben. Die Anordnung einer Maßregel nach § 64 StGB setzt nach der seit dem 20. Juli 2007 in Kraft getretenen Gesetzesfassung die hinreichend konkrete Aussicht auf einen Behandlungserfolg voraus. Das Landgericht hat den Erfolg der Entziehungskur jedoch lediglich als „nicht von vornherein aussichtslos“ bezeichnet und damit einen Maß- stab angelegt, der durch das Bundesverfassungsgericht bereits im Jahr 1994 (vgl. BVerfGE 91, 1 ff.) für verfassungswidrig erklärt worden ist (vgl. hierzu auch BGH, Beschlüsse vom 22. Juli 2010 – 3 StR 169/10; vom 10. Oktober 2007 – 2 StR 420/07; Fischer, StGB, 60. Aufl., § 64 Rdnr. 18 m. w. N.). Dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe lässt sich auch nicht mit der erforderlichen Sicherheit entnehmen, ob der Tatrichter trotz seiner gewählten Formulierung von der notwendigen hinreichend konkreten Erfolgsaussicht ausgegangen ist (vgl. hierzu BGH, 3. Strafsenat, a. a. O.). Denn der Angeklagte zeigt nicht nur keine Krankheitseinsicht, sondern lehnt darüber hinaus die Behandlung im Maßregelvollzug ab (UA S. 31). Gründe und Wurzeln dieses Motivationsmangels sind nicht festgestellt (vgl. hierzu Senat, Beschluss vom 3. Juli 2012 – 5 StR 313/12, NStZ-RR 2012, 307 f.). Ob die erforderliche Erfolgsaussicht tatsächlich besteht, wird deshalb neu zu entscheiden sein. Deshalb muss auch der angeordnete Vorwegvollzug eines Teils der Freiheitsstrafe entfallen. [Er wird mit Aufhebung des Maßregelausspruchs gegenstandslos.]
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- Der Senat weist darauf hin, dass über die Voraussetzungen des § 64 StGB erneut unter Zuziehung eines Sachverständigen (§ 246a StPO) zu verhandeln ist und dass wegen der rechtskräftigen, nicht einzubeziehenden anderweitigen Verurteilung des Angeklagten zur Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und einem Monat aus dem Verschlechterungsverbot eine Obergrenze von vier Jahren und elf Monaten für die Summe der beiden neu zu bildenden Gesamtfreiheitsstrafen folgt.
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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.
(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.
(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.
(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.
(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.
Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt, weil ihre Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, so soll das Gericht die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt anordnen, wenn die Gefahr besteht, dass sie infolge ihres Hanges erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird. Die Anordnung ergeht nur, wenn eine hinreichend konkrete Aussicht besteht, die Person durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt innerhalb der Frist nach § 67d Absatz 1 Satz 1 oder 3 zu heilen oder über eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten, die auf ihren Hang zurückgehen.
(1) Das Gericht, an das die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung verwiesen ist, hat die rechtliche Beurteilung, die der Aufhebung des Urteils zugrunde gelegt ist, auch seiner Entscheidung zugrunde zu legen.
(2) Das angefochtene Urteil darf in Art und Höhe der Rechtsfolgen der Tat nicht zum Nachteil des Angeklagten geändert werden, wenn lediglich der Angeklagte, zu seinen Gunsten die Staatsanwaltschaft oder sein gesetzlicher Vertreter Revision eingelegt hat. Wird die Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus aufgehoben, hindert diese Vorschrift nicht, an Stelle der Unterbringung eine Strafe zu verhängen. Satz 1 steht auch nicht der Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus oder einer Entziehungsanstalt entgegen.
Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt, weil ihre Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, so soll das Gericht die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt anordnen, wenn die Gefahr besteht, dass sie infolge ihres Hanges erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird. Die Anordnung ergeht nur, wenn eine hinreichend konkrete Aussicht besteht, die Person durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt innerhalb der Frist nach § 67d Absatz 1 Satz 1 oder 3 zu heilen oder über eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten, die auf ihren Hang zurückgehen.
(1) Kommt in Betracht, dass die Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus oder in der Sicherungsverwahrung angeordnet oder vorbehalten werden wird, so ist in der Hauptverhandlung ein Sachverständiger über den Zustand des Angeklagten und die Behandlungsaussichten zu vernehmen. Gleiches gilt, wenn das Gericht erwägt, die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt anzuordnen.
(2) Ist Anklage erhoben worden wegen einer in § 181b des Strafgesetzbuchs genannten Straftat zum Nachteil eines Minderjährigen und kommt die Erteilung einer Weisung nach § 153a dieses Gesetzes oder nach den §§ 56c, 59a Absatz 2 Satz 1 Nummer 4 oder § 68b Absatz 2 Satz 2 des Strafgesetzbuchs in Betracht, wonach sich der Angeklagte psychiatrisch, psycho- oder sozialtherapeutisch betreuen und behandeln zu lassen hat (Therapieweisung), soll ein Sachverständiger über den Zustand des Angeklagten und die Behandlungsaussichten vernommen werden, soweit dies erforderlich ist, um festzustellen, ob der Angeklagte einer solchen Betreuung und Behandlung bedarf.
(3) Hat der Sachverständige den Angeklagten nicht schon früher untersucht, so soll ihm dazu vor der Hauptverhandlung Gelegenheit gegeben werden.