Bundesgerichtshof Beschluss, 10. Jan. 2011 - 5 StR 475/10

bei uns veröffentlicht am10.01.2011

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

5 StR 475/10

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
vom 10. Januar 2011
in der Strafsache
gegen
wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer
Menge u.a.
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 10. Januar 2011

beschlossen:
Dem Angeklagten A. wird auf seinen Antrag und seine Kosten Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Begründung der Revision gegen das Urteil des Landgerichts Berlin vom 24. März 2010 gewährt; damit ist der Beschluss des Landgerichts vom 11. Oktober 2010 gegenstandslos.
Die Revision des Angeklagten gegen das oben genannte Urteil wird nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.
G r ü n d e
1
Der Irrtum der beiden Verteidiger des Angeklagten, der jeweils andere werde die Revision begründen, ist dem Angeklagten auch nicht als Mitverschulden gemäß § 44 Satz 1 StPO zuzurechnen (vgl. BGH, Beschluss vom 14. Oktober 2010 – 5 StR 418/10).
2
Die Überprüfung des Urteils anhand der Revisionsbegründung hat keine Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben.
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Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

Strafprozeßordnung - StPO | § 44 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bei Fristversäumung


War jemand ohne Verschulden verhindert, eine Frist einzuhalten, so ist ihm auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Die Versäumung einer Rechtsmittelfrist ist als unverschuldet anzusehen, wenn die Belehrung nach den § 35a Satz 1

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Bundesgerichtshof Beschluss, 14. Okt. 2010 - 5 StR 418/10

bei uns veröffentlicht am 14.10.2010

5 StR 418/10 BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS vom 14. Oktober 2010 in der Strafsache gegen wegen Vergewaltigung u. a. Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 14. Oktober 2010 beschlossen: Dem Angeklagten wird auf seine Kosten Wiedereinsetzun

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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

War jemand ohne Verschulden verhindert, eine Frist einzuhalten, so ist ihm auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Die Versäumung einer Rechtsmittelfrist ist als unverschuldet anzusehen, wenn die Belehrung nach den § 35a Satz 1 und 2, § 319 Abs. 2 Satz 3 oder nach § 346 Abs. 2 Satz 3 unterblieben ist.

5 StR 418/10

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
vom 14. Oktober 2010
in der Strafsache
gegen
wegen Vergewaltigung u. a.
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 14. Oktober 2010

beschlossen:
Dem Angeklagten wird auf seine Kosten Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Begründung der Revision gegen das Urteil des Landgerichts Neuruppin vom 26. März 2010 gewährt. Damit ist der Beschluss des Landgerichts Neuruppin vom 4. Juni 2010 gegenstandslos.
G r ü n d e
1
1. Der 70 Jahre alte, an schweren Durchblutungsstörungen (UA S. 3) leidende Angeklagte ist wegen Sexualdelikten zum Nachteil der Nebenklägerin , seiner Enkelin, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und sechs Monaten verurteilt worden.
2
Sein Pflichtverteidiger, Fachanwalt für Familienrecht N. , hat hiergegen am 1. April 2010 rechtzeitig das Rechtsmittel der Revision erhoben , „aber keine Revisionsbegründung zustande gebracht“ (eidesstattliche Versicherung vom 26. August 2010, S. 2). Der Pflichtverteidiger hat nach Verwerfung der Revision dem Angeklagten und dessen Ehefrau erklärt, dass es dabei nicht bleiben werde, weil die Verwerfung des Rechtsmittels nicht vom Angeklagten, sondern von ihm zu vertreten sei. In den folgenden Wochen hat der Pflichtverteidiger den Wiedereinsetzungsantrag nicht gestellt, weil es ihm aus persönlichen Gründen so schlecht gegangen ist, dass er kaum noch arbeiten konnte (eidesstattliche Versicherung aaO S. 3).
3
Der Angeklagte stellte sich am 19. Juli 2010 in der Justizvollzugsanstalt Luckau-Duben zum am 6. Juli 2010 angeordneten Strafantritt. Er befin- det sich jetzt in der Krankenabteilung der Justizvollzugsanstalt Brandenburg und hatte es bis 26. August 2010 infolge seines verstörten Zustandes nicht geschafft, seine Ehefrau und seinen Schwiegersohn als Besucher eintragen zu lassen (eidesstattliche Versicherung E. W. vom 26. August 2010 S. 2; eidesstattliche Versicherung Rechtsanwalt Sch. vom 29. August 2010 S. 3; gestützt durch ein eingereichtes ärztliches Attest).
4
Nachdem vom Büro des Pflichtverteidigers versprochene Rückrufe des Rechtsanwalts ausgeblieben waren, suchten die Ehefrau des Angeklagten und dessen Schwiegersohn am 25. August 2010 den am nächsten Tag vom Angeklagten in der Justizvollzugsanstalt mandatierten Wahlverteidiger auf. Dieser hat mit Schriftsatz vom 31. August 2010 Wiedereinsetzung in die Frist zur Begründung der Revision und die Stellung des Wiedereinsetzungsantrags beantragt und die Revision begründet.
5
2. Das Wiedereinsetzungsgesuch ist zulässig. Es ist innerhalb der durch § 45 Abs. 1 Satz 1 StPO festgelegten Wochenfrist gestellt.
6
Das hier in Ansehung der vom Pflichtverteidiger eingelegten Revision des Angeklagten vorliegende Hindernis, über keinen Verteidiger zu verfügen, der bereit und in der Lage ist, die gebotenen Revisionsanträge und ihre Begründung anzubringen, ist erst durch das durch die Ehefrau des Angeklagten am 25. August 2010 begründete und einen Tag später aktivierte Anbahnungsverhältnis mit dem dann mandatierten Wahlverteidiger entfallen.
7
3. Der Wiedereinsetzungsantrag ist auch begründet. Den Angeklagten trifft an der Versäumung der Revisionsbegründungsfrist durch den Pflichtverteidiger auch kein die Voraussetzungen des § 44 Satz 1 StPO erfüllendes Mitverschulden (vgl. BGHSt 14, 306, 308; 25, 89, 93 f.; Meyer-Goßner, StPO 53. Aufl. § 44 Rdn. 18).
8
Der Senat kann es dahingestellt sein lassen, ob Kenntnis von der Unzuverlässigkeit des Pflichtverteidigers auch dann zur Annahme eines Mitverschuldens berechtigen würde, wenn – wie hier – eine Erkrankung des Pflichtverteidigers bei dem Angeklagten zu einem gesetzwidrig unverteidigten Zustand geführt hat, den es auch im öffentlichen Interesse durch Auswechslung des Verteidigers zu beseitigen gegolten hätte (vgl. Laufhütte in KK-StPO 6. Aufl. § 143 Rdn. 5; vgl. auch BGH NStZ 2004, 636). Jedenfalls war der Angeklagte nach den glaubhaft gemachten Umständen nicht in der Lage, auf Grund – hier maßgeblicher – eigener Initiative Schritte zur Auswechselung des Pflichtverteidigers zu ergreifen (vgl. BGHSt 25, 89, 93 f.).
9
Der Wegfall der Rechtskraft des gegen den Angeklagten ergangenen Urteils muss zur sofortigen Beendigung der Strafvollstreckung führen.
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