Bundesgerichtshof Beschluss, 14. Dez. 2011 - 5 StR 465/11

bei uns veröffentlicht am14.12.2011

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

5 StR 465/11

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
vom 14. Dezember 2011
in der Strafsache
gegen
wegen gewerbsmäßigen Bandenbetruges u.a.
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 14. Dezember 2011

beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Leipzig vom 15. Juni 2011 gemäß § 349 Abs. 4 StPO aufgehoben
a) in den Fällen II A., B. (Betrugstaten 1. bis 129.) mit den zugrunde liegenden Feststellungen,
b) im Ausspruch über die Gesamtstrafe.
2. Die weitergehende Revision des Angeklagten wird als unbegründet verworfen (§ 349 Abs. 2 StPO).
3. Die Sache wird im Umfang der Aufhebung zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
G r ü n d e
1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen „gewerbsmäßigen Bandenbetruges“ in 129 Fällen und wegen falscher uneidlicher Aussage in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Die – erst auf die Stellungnahme des Generalbundesanwalts und dessen Antrag nach § 349 Abs. 2 und 4 StPO – näher ausgeführte Sachrüge des Angeklagten hat in dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Umfang Erfolg (§ 349 Abs. 4 StPO); im Übrigen ist die Revision unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).
2
1. Dem auf einer Verständigung nach § 257c StPO beruhenden Urteil des Landgerichts (vgl. dazu Widmaier, NJW 2005, 1985, 1986) kann Folgendes entnommen werden:
3
a) Der Angeklagte, Geschäftsführer und Mitgesellschafter der T. A. GmbH, erhielt maßgeblich über die von den anderweitig Verfolgten N. und K. gegründete H. Ltd. aufgrund mit diesen und weiteren Mittätern gefassten gemeinschaftlichen Tatentschlusses Interessenten für Leasingverträge über Pkw vermittelt. Entsprechend ihrem gemeinsamen Tatplan sollte der Angeklagte S. Leasing als Leasinggeberin dazu bewegen, die Fahrzeuge von ihm zu erwerben und jeweils den Interessenten im Rahmen eines Leasingvertrages zu überlassen. Die Interessenten sollten zum Abschluss des vom Angeklagten insoweit vermittelten Vertrages mit S. Leasing durch das „Versprechen“ von H. Ltd. „motiviert“ werden, ihnen mittels eines „Werbevertrages“ jedenfalls die überwiegende Anzahl anfallender Leasingraten zu erstatten. Im Zuge dessen sollte der Angeklagte „unzutreffende Daten, insbesondere bezüglich des Fahrzeugeinkaufspreises, Fahrzeugausstattung, Anzahlung des Kunden sowie Einkommens- und Ver- mögensverhältnisse des Kunden“ an S. Leasingübermitteln. Absprachegemäß verschwieg der Angeklagte der S. Leasing ferner jeweils, dass die Leasingnehmer beabsichtigten, die „Leasingraten im Wesentlichen aus Werbekostenzuschüssen zu bestreiten“ (UA S. 7) und gab jeweils „entgegen der vertraglichen Verpflichtung einen überhöhten Einkaufspreis an“ (UA S. 7). Aufgrund dieser Täuschung „überwies oder verrechnete“ S. Leasingjeweils den „überhöhten Kaufpreis“ und die Provisionen des Angeklagten.
4
Auf diese Weise „kamen aufgrund eines Werbevertrages“ mit H. Ltd. 129 Kaufverträge zwischen der von dem Angeklagten vertretenen Gesellschaft und S. Leasing über Pkw zustande. Die Summe der von der S. Leasing erhaltenen Einkaufspreise und der an den Angeklagten für die Vermittlung gezahlten Provisionen belief sich auf mehr als 1,8 Mio. €, aus der die Strafkammer – unter Abzug von 30 % (UA S. 30) – einen „Gefährdungs- schaden in Höhe von 1.272.813,02 €“ ermittelt hat. „Zu einem endgültigen Schaden wäre diese schadensgleiche Vermögensgefährdung erst umgeschlagen , soweit die Vertragsverpflichtungen von den Leasingnehmern nicht erfüllt wurden“ (UA S. 28).
5
b) Die Strafkammer entnimmt diesem festgestellten Geschehen einen gewerbsmäßig begangenen Bandenbetrug in 129 Fällen. Zum Vermögensschaden führt sie nahezu unverständlich aus, dass „der Wert der veräußerten Fahrzeuge deutlich unter dem Wert des gezahlten Kaufpreises lag und die Durchführung der Leasingverträge für die S. Leasing erhebliche Risiken barg, da viele der Leasingnehmer ohne die Zahlung der Werbekostenzuschüsse nicht in der Lage waren, die Leasingraten zu zahlen, und die Werbeverträge zumindest in Bezug auf die Privatleasingverträge gemäß § 134 BGB nichtig waren“ (UA S. 29).
6
2. Bereits der Schuldspruch hält sachlich-rechtlicher Überprüfung nicht stand. Die Feststellungen sind ebenso wie die Beweiswürdigung der Strafkammer insoweit in mehrfacher Hinsicht lückenhaft. Die Strafkammer stützt ihre rechtliche Würdigung auf verschiedene Täuschungshandlungen des Angeklagten. Dieser habe über Einkaufspreise und Ausstattungsmerkmale der an S. Leasing veräußerten Fahrzeuge, die den von ihm vermittelten Leasingnehmern mit seinem Wissen durch H. Ltd. „versprochenen“ Werbekostenzuschüsse und – in zahlreichen Einzelfällen – über die Bonität der Leasingnehmer getäuscht. Dabei differenziert das Landgericht nicht zwischen den jeweils maßgeblichen Leistungsbeziehungen und verstellt sich dadurch den Blick auf die in Bezug auf die gesetzlichen Tatbestandsmerkmale zu treffenden Feststellungen.
7
a) Soweit das Landgericht in der Angabe eines „überhöhten Einkaufs- preises“ durch den Angeklagten gegenüber S. Leasingfür sämtliche Einzelfälle eine tatbestandliche Täuschungshandlung erblickt hat, belegen die Feststellungen nicht, dass die Angabe „überhöhter Einkaufspreise“ an S.
Leasing vertragswidrig gewesen ist (UA S. 5, 7). Welche vertraglichen Verpflichtungen konkret bestanden und welchen Pflichten der Angeklagte in diesem Rahmen unterworfen war, teilt das Urteil – insoweit entgegen der ansonsten weitgehend wortidentischen Anklageschrift (S. 46) – nicht mit. Dem Senat ist es daher verwehrt zu überprüfen, ob der Angeklagte überhaupt rechtlich zur Mitteilung des durch das Autohaus gezahlten Kaufpreises für den Ankauf des jeweils an die Leasinggeberin veräußerten Fahrzeugs, des Händlereinstandspreises, verpflichtet war.
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b) Auch die Bewertung der Strafkammer, sämtliche durch S. Leasing auf Grund der vom Angeklagten mitgeteilten übersetzten Händlereinstandspreise gezahlten Provisionen stellten in voller Höhe einen täuschungsbedingten Vermögensschaden in Form der schadensgleichen konkreten Vermögensgefährdung dar, begegnet durchgreifenden sachlich-rechtlichen Bedenken. Es ist schon nicht erkennbar, auf welcher vertraglichen Grundlage die Provisionsansprüche beruhen sollen. Unklar bleibt auch, wonach sich die Höhe der Provision richtete.
9
c) Ferner ist die Bestimmung der Höhe des Vermögensschadens durch die Strafkammer – wie auch der Generalbundesanwalt in seiner Zuschrift zutreffend ausführt – rechtsfehlerhaft. Der Senat vermag den vom Landgericht ermittelten Schadensumfang nicht nachzuvollziehen. Der Ansatz der „jeweils hohen Einzelgefährdungsschäden“ (UA S. 32) und eine Schadensquote von „70 %“ der Summe aus überhöhter Angabe des Händlerein- standspreises und der erlangten übersetzten Provisionen im Wege einer – im Übrigen ohne Mitteilung der berücksichtigten Grundlagen erfolgten – Schätzung ist schlechterdings unverständlich.
10
d) Bedenklich ist ferner die Annahme der Strafkammer, die falschen Angaben des Angeklagten zur Bonität der von ihm vermittelten Leasingnehmer stellten ohne weiteres eine schadensgleiche konkrete Vermögensgefährdung dar. Feststellungen zur tatsächlichen wirtschaftlichen Leistungsfä- higkeit der Leasingnehmer – etwa zu ihrer generellen Überforderung, die Leasingraten ohne die „versprochenen“ Werbekostenzuschüsse zu beglei- chen – hat die Strafkammer nicht getroffen. Sie verhält sich überdies nur in einem Fall zum weiteren Schicksal der Leasingverträge und teilt nicht mit, ob und in welchem Umfang die Verträge notleidend geworden sind. Die Vermögensgefährdung versteht sich insoweit ohne nähere Angaben zu den tatsächlichen wirtschaftlichen Verhältnissen der Leasingnehmer gerade nicht von selbst.
11
3. Der Schuld- und Strafausspruch zur ausgeurteilten uneidlichen Falschaussage in zwei Fällen ist frei von Rechtsfehlern.
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Gesetz über den Lastenausgleich


Lastenausgleichsgesetz - LAG

Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 134 Gesetzliches Verbot


Ein Rechtsgeschäft, das gegen ein gesetzliches Verbot verstößt, ist nichtig, wenn sich nicht aus dem Gesetz ein anderes ergibt.

Strafprozeßordnung - StPO | § 257c Verständigung zwischen Gericht und Verfahrensbeteiligten


(1) Das Gericht kann sich in geeigneten Fällen mit den Verfahrensbeteiligten nach Maßgabe der folgenden Absätze über den weiteren Fortgang und das Ergebnis des Verfahrens verständigen. § 244 Absatz 2 bleibt unberührt. (2) Gegenstand dieser Verstä

Referenzen

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

(1) Das Gericht kann sich in geeigneten Fällen mit den Verfahrensbeteiligten nach Maßgabe der folgenden Absätze über den weiteren Fortgang und das Ergebnis des Verfahrens verständigen. § 244 Absatz 2 bleibt unberührt.

(2) Gegenstand dieser Verständigung dürfen nur die Rechtsfolgen sein, die Inhalt des Urteils und der dazugehörigen Beschlüsse sein können, sonstige verfahrensbezogene Maßnahmen im zugrundeliegenden Erkenntnisverfahren sowie das Prozessverhalten der Verfahrensbeteiligten. Bestandteil jeder Verständigung soll ein Geständnis sein. Der Schuldspruch sowie Maßregeln der Besserung und Sicherung dürfen nicht Gegenstand einer Verständigung sein.

(3) Das Gericht gibt bekannt, welchen Inhalt die Verständigung haben könnte. Es kann dabei unter freier Würdigung aller Umstände des Falles sowie der allgemeinen Strafzumessungserwägungen auch eine Ober- und Untergrenze der Strafe angeben. Die Verfahrensbeteiligten erhalten Gelegenheit zur Stellungnahme. Die Verständigung kommt zustande, wenn Angeklagter und Staatsanwaltschaft dem Vorschlag des Gerichtes zustimmen.

(4) Die Bindung des Gerichtes an eine Verständigung entfällt, wenn rechtlich oder tatsächlich bedeutsame Umstände übersehen worden sind oder sich neu ergeben haben und das Gericht deswegen zu der Überzeugung gelangt, dass der in Aussicht gestellte Strafrahmen nicht mehr tat- oder schuldangemessen ist. Gleiches gilt, wenn das weitere Prozessverhalten des Angeklagten nicht dem Verhalten entspricht, das der Prognose des Gerichtes zugrunde gelegt worden ist. Das Geständnis des Angeklagten darf in diesen Fällen nicht verwertet werden. Das Gericht hat eine Abweichung unverzüglich mitzuteilen.

(5) Der Angeklagte ist über die Voraussetzungen und Folgen einer Abweichung des Gerichtes von dem in Aussicht gestellten Ergebnis nach Absatz 4 zu belehren.

Ein Rechtsgeschäft, das gegen ein gesetzliches Verbot verstößt, ist nichtig, wenn sich nicht aus dem Gesetz ein anderes ergibt.