Bundesgerichtshof Beschluss, 09. Nov. 2016 - 5 StR 425/16

published on 09/11/2016 00:00
Bundesgerichtshof Beschluss, 09. Nov. 2016 - 5 StR 425/16
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Gericht


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
5 StR 425/16
vom
9. November 2016
in der Strafsache
gegen
wegen sexuellen Missbrauchs eines Kindes
ECLI:DE:BGH:2016:091116B5STR425.16.0

Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 9. November 2016 beschlossen :
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Cottbus vom 15. April 2016 nach § 349 Abs. 4 StPO mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben, soweit eine Aussetzung der Vollstreckung der Freiheitsstrafe zur Bewährung abgelehnt worden ist.
2. Die weitergehende Revision wird nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen.
3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Jugendschutzkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten bei Freisprechung im Übrigen wegen sexuellen Missbrauchs eines Kindes zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr verurteilt, deren Vollstreckung es nicht zur Bewährung ausgesetzt hat. Die auf die Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten hat mit der Sachrüge in dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Umfang Erfolg; im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
2
1. Die Versagung einer Strafaussetzung zur Bewährung ist nicht rechtsfehlerfrei begründet.
3
a) Das Landgericht hat bei dem Angeklagten eine günstige Legalprognose gemäß § 56 Abs. 1 StGB verneint. Zur Begründung hat es lediglich angeführt , er habe trotz seiner Verurteilung im Jahr 1996 wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern „erneut einschlägige Straftaten“ begangen, zudem sei in einem – gleichzeitig mit dem vorliegenden Strafverfahren durchgeführten – Berufungsverfahren die Begehung weiterer Sexualstraftaten durch ihn festgestellt worden.
4
b) Die Verneinung einer günstigen Legalprognose mit dieser Begründung hält rechtlicher Überprüfung nicht stand. Bedenken begegnet bereits, dass das Landgericht mit Blick auf das vorliegende Verfahren die Begehung „einschlägiger Straftaten“ anführt, obwohl es den Angeklagten lediglich wegen einer einzi- gen Straftat schuldig gesprochen hat. Soweit die Strafkammer darüber hinaus auf die Feststellung weiterer Taten im parallel verhandelten – denselben Geschädigten und denselben Zeitraum betreffenden – Berufungsverfahren verweist , lässt sie außer Betracht, dass jedenfalls zum Zeitpunkt ihrer Entscheidung über die Voraussetzungen des § 56 Abs. 1 StGB der Schuldspruch in jenem Verfahren noch nicht in Rechtskraft erwachsen war.
5
Des Weiteren hat sich das Landgericht im Rahmen der Legalprognose gemäß § 56 Abs. 1 StGB nicht erkennbar damit auseinandergesetzt, dass der Angeklagte weder in den Jahren seit seiner Verurteilung zu einer Bewährungsstrafe im Jahr 1996 bis zum nunmehr verfahrensgegenständlichen Zeitraum von Anfang 2012 bis August 2013 noch in den Jahren seither strafrechtlich in Erscheinung getreten ist.
6
Schließlich hat sich das Landgericht auch nicht – was indes geboten gewesen wäre – mit der Frage befasst, inwieweit insbesondere durch die Erteilung von Therapieweisungen sowie Weisungen nach § 56c Abs. 2 Nr. 3 StGB die Voraussetzungen für eine günstige Legalprognose geschaffen werden können (vgl. BGH, Beschluss vom 13. Januar 2015 – 4 StR 445/14, NStZ-RR 2015, 107 f.).
7
2. Die Sache bedarf daher im Umfang der Aufhebung neuer Verhandlung und Entscheidung. Im Übrigen ist die Revision des Angeklagten als unbegründet zu verwerfen, da die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung keinen weiteren Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben hat.
Sander Schneider König
Bellay Feilcke
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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

(1) Bei der Verurteilung zu Freiheitsstrafe von nicht mehr als einem Jahr setzt das Gericht die Vollstreckung der Strafe zur Bewährung aus, wenn zu erwarten ist, daß der Verurteilte sich schon die Verurteilung zur Warnung dienen lassen und künftig au

(1) Das Gericht erteilt dem Verurteilten für die Dauer der Bewährungszeit Weisungen, wenn er dieser Hilfe bedarf, um keine Straftaten mehr zu begehen. Dabei dürfen an die Lebensführung des Verurteilten keine unzumutbaren Anforderungen gestellt werden
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Annotations

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

(1) Bei der Verurteilung zu Freiheitsstrafe von nicht mehr als einem Jahr setzt das Gericht die Vollstreckung der Strafe zur Bewährung aus, wenn zu erwarten ist, daß der Verurteilte sich schon die Verurteilung zur Warnung dienen lassen und künftig auch ohne die Einwirkung des Strafvollzugs keine Straftaten mehr begehen wird. Dabei sind namentlich die Persönlichkeit des Verurteilten, sein Vorleben, die Umstände seiner Tat, sein Verhalten nach der Tat, seine Lebensverhältnisse und die Wirkungen zu berücksichtigen, die von der Aussetzung für ihn zu erwarten sind.

(2) Das Gericht kann unter den Voraussetzungen des Absatzes 1 auch die Vollstreckung einer höheren Freiheitsstrafe, die zwei Jahre nicht übersteigt, zur Bewährung aussetzen, wenn nach der Gesamtwürdigung von Tat und Persönlichkeit des Verurteilten besondere Umstände vorliegen. Bei der Entscheidung ist namentlich auch das Bemühen des Verurteilten, den durch die Tat verursachten Schaden wiedergutzumachen, zu berücksichtigen.

(3) Bei der Verurteilung zu Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten wird die Vollstreckung nicht ausgesetzt, wenn die Verteidigung der Rechtsordnung sie gebietet.

(4) Die Strafaussetzung kann nicht auf einen Teil der Strafe beschränkt werden. Sie wird durch eine Anrechnung von Untersuchungshaft oder einer anderen Freiheitsentziehung nicht ausgeschlossen.

(1) Das Gericht erteilt dem Verurteilten für die Dauer der Bewährungszeit Weisungen, wenn er dieser Hilfe bedarf, um keine Straftaten mehr zu begehen. Dabei dürfen an die Lebensführung des Verurteilten keine unzumutbaren Anforderungen gestellt werden.

(2) Das Gericht kann den Verurteilten namentlich anweisen,

1.
Anordnungen zu befolgen, die sich auf Aufenthalt, Ausbildung, Arbeit oder Freizeit oder auf die Ordnung seiner wirtschaftlichen Verhältnisse beziehen,
2.
sich zu bestimmten Zeiten bei Gericht oder einer anderen Stelle zu melden,
3.
zu der verletzten Person oder bestimmten Personen oder Personen einer bestimmten Gruppe, die ihm Gelegenheit oder Anreiz zu weiteren Straftaten bieten können, keinen Kontakt aufzunehmen, mit ihnen nicht zu verkehren, sie nicht zu beschäftigen, auszubilden oder zu beherbergen,
4.
bestimmte Gegenstände, die ihm Gelegenheit oder Anreiz zu weiteren Straftaten bieten können, nicht zu besitzen, bei sich zu führen oder verwahren zu lassen oder
5.
Unterhaltspflichten nachzukommen.

(3) Die Weisung,

1.
sich einer Heilbehandlung, die mit einem körperlichen Eingriff verbunden ist, oder einer Entziehungskur zu unterziehen oder
2.
in einem geeigneten Heim oder einer geeigneten Anstalt Aufenthalt zu nehmen,
darf nur mit Einwilligung des Verurteilten erteilt werden.

(4) Macht der Verurteilte entsprechende Zusagen für seine künftige Lebensführung, so sieht das Gericht in der Regel von Weisungen vorläufig ab, wenn die Einhaltung der Zusagen zu erwarten ist.