Bundesgerichtshof Beschluss, 10. Nov. 2010 - 5 StR 392/10

bei uns veröffentlicht am10.11.2010

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

5 StR 392/10

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
vom 10. November 2010
in der Strafsache
gegen
wegen schweren sexuellen Missbrauchs eines Kindes u. a.
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 10. November 2010

beschlossen:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Potsdam vom 1. Juni 2010 wird nach § 349 Abs. 2 StPO mit der Klarstellung als unbegründet verworfen, dass der Angeklagte wegen schweren sexuellen Missbrauchs eines Kindes im Wiederholungsfall in Tateinheit mit versuchtem schweren Missbrauch eines Kindes und mit vorsätzlicher Körperverletzung sowie wegen Brandstiftung in zwei Fällen verurteilt ist.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels und die dadurch der Nebenklägerin entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.
G r ü n d e
1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schweren sexuellen Missbrauchs eines Kindes in Tateinheit mit vorsätzlicher Körperverletzung und wegen Brandstiftung in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und vier Monaten verurteilt und seine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Der mit der Sachrüge geführten Revision des Angeklagten bleibt aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts der Erfolg versagt. Der Senat geht hierbei trotz verschiedentlich missverständlicher Formulierungen (UA S. 8, 16) davon aus, dass sich das Landgericht von aufrecht erhaltener Schuldfähigkeit des Angeklagten überzeugt hat.
2
Allerdings war der Schuldspruch wie aus der Beschlussformel ersichtlich klarzustellen. Entgegen dem Vortrag der Revision und der Auffassung des Generalbundesanwalts hat das Landgericht – von den Feststellungen getragen – einen vollendeten schweren Kindesmissbrauch im Wiederholungsfall (§ 176a Abs. 1 StGB) in Tateinheit mit einem versuchten schweren Kindesmissbrauch im Sinne des § 176a Abs. 2 StGB angenommen (UA S. 19 bis 21). Es hat allerdings den versuchten schweren Kindesmissbrauch versehentlich nicht in die Urteilsformel aufgenommen. Dies holt der Senat in entsprechender Anwendung des § 354 Abs. 1 StPO nach. § 265 StPO steht nicht entgegen, weil sich der geständige Angeklagte nicht anders als geschehen hätte verteidigen können.
3
Ergänzend bemerkt der Senat:
4
Entsprechend den Ausführungen des Generalbundesanwalts wären zwei Gesamtstrafen zu bilden gewesen, weil hinsichtlich der Strafen für die Taten 1 und 2 und der Strafe aus dem Urteil des Amtsgerichts Nauen vom 20. Mai 2008 die Voraussetzungen des § 55 Abs. 1 StGB vorliegen. Die unterlassene Gesamtstrafenbildung beschwert den Angeklagten – anders als in dem dem Senatsbeschluss vom 28. Oktober 2008 (NStZ-RR 2009, 44) zugrunde liegenden Fall – jedoch eindeutig nicht. Der auf diese Entscheidung gestützten Anregung des Generalbundesanwalts, die genannte Strafe in die Gesamtstrafe einzubeziehen, tritt der Senat schon aus diesem Grund nicht näher.
Basdorf Schaal Schneider König Bellay

ra.de-Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Beschluss, 10. Nov. 2010 - 5 StR 392/10

Urteilsbesprechung schreiben

0 Urteilsbesprechungen zu Bundesgerichtshof Beschluss, 10. Nov. 2010 - 5 StR 392/10

Referenzen - Gesetze

Bundesgerichtshof Beschluss, 10. Nov. 2010 - 5 StR 392/10 zitiert 5 §§.

Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

Strafprozeßordnung - StPO | § 354 Eigene Entscheidung in der Sache; Zurückverweisung


(1) Erfolgt die Aufhebung des Urteils nur wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen, so hat das Revisionsgericht in der Sache selbst zu entscheiden, sofern ohne weitere tatsächliche Erört

Strafprozeßordnung - StPO | § 265 Veränderung des rechtlichen Gesichtspunktes oder der Sachlage


(1) Der Angeklagte darf nicht auf Grund eines anderen als des in der gerichtlich zugelassenen Anklage angeführten Strafgesetzes verurteilt werden, ohne daß er zuvor auf die Veränderung des rechtlichen Gesichtspunktes besonders hingewiesen und ihm Gel

Strafgesetzbuch - StGB | § 55 Nachträgliche Bildung der Gesamtstrafe


(1) Die §§ 53 und 54 sind auch anzuwenden, wenn ein rechtskräftig Verurteilter, bevor die gegen ihn erkannte Strafe vollstreckt, verjährt oder erlassen ist, wegen einer anderen Straftat verurteilt wird, die er vor der früheren Verurteilung begangen h

Strafgesetzbuch - StGB | § 176a Sexueller Missbrauch von Kindern ohne Körperkontakt mit dem Kind


(1) Mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren wird bestraft, wer 1. sexuelle Handlungen vor einem Kind vornimmt oder vor einem Kind von einer dritten Person an sich vornehmen lässt,2. ein Kind dazu bestimmt, dass es sexuelle Handlungen

Referenzen

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

(1) Mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren wird bestraft, wer

1.
sexuelle Handlungen vor einem Kind vornimmt oder vor einem Kind von einer dritten Person an sich vornehmen lässt,
2.
ein Kind dazu bestimmt, dass es sexuelle Handlungen vornimmt, soweit die Tat nicht nach § 176 Absatz 1 Nummer 1 oder Nummer 2 mit Strafe bedroht ist, oder
3.
auf ein Kind durch einen pornographischen Inhalt (§ 11 Absatz 3) oder durch entsprechende Reden einwirkt.

(2) Ebenso wird bestraft, wer ein Kind für eine Tat nach Absatz 1 anbietet oder nachzuweisen verspricht oder wer sich mit einem anderen zu einer solchen Tat verabredet.

(3) Der Versuch ist in den Fällen des Absatzes 1 Nummer 1 und 2 strafbar. Bei Taten nach Absatz 1 Nummer 3 ist der Versuch in den Fällen strafbar, in denen eine Vollendung der Tat allein daran scheitert, dass der Täter irrig annimmt, sein Einwirken beziehe sich auf ein Kind.

(1) Erfolgt die Aufhebung des Urteils nur wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen, so hat das Revisionsgericht in der Sache selbst zu entscheiden, sofern ohne weitere tatsächliche Erörterungen nur auf Freisprechung oder auf Einstellung oder auf eine absolut bestimmte Strafe zu erkennen ist oder das Revisionsgericht in Übereinstimmung mit dem Antrag der Staatsanwaltschaft die gesetzlich niedrigste Strafe oder das Absehen von Strafe für angemessen erachtet.

(1a) Wegen einer Gesetzesverletzung nur bei Zumessung der Rechtsfolgen kann das Revisionsgericht von der Aufhebung des angefochtenen Urteils absehen, sofern die verhängte Rechtsfolge angemessen ist. Auf Antrag der Staatsanwaltschaft kann es die Rechtsfolgen angemessen herabsetzen.

(1b) Hebt das Revisionsgericht das Urteil nur wegen Gesetzesverletzung bei Bildung einer Gesamtstrafe (§§ 53, 54, 55 des Strafgesetzbuches) auf, kann dies mit der Maßgabe geschehen, dass eine nachträgliche gerichtliche Entscheidung über die Gesamtstrafe nach den §§ 460, 462 zu treffen ist. Entscheidet das Revisionsgericht nach Absatz 1 oder Absatz 1a hinsichtlich einer Einzelstrafe selbst, gilt Satz 1 entsprechend. Die Absätze 1 und 1a bleiben im Übrigen unberührt.

(2) In anderen Fällen ist die Sache an eine andere Abteilung oder Kammer des Gerichtes, dessen Urteil aufgehoben wird, oder an ein zu demselben Land gehörendes anderes Gericht gleicher Ordnung zurückzuverweisen. In Verfahren, in denen ein Oberlandesgericht im ersten Rechtszug entschieden hat, ist die Sache an einen anderen Senat dieses Gerichts zurückzuverweisen.

(3) Die Zurückverweisung kann an ein Gericht niederer Ordnung erfolgen, wenn die noch in Frage kommende strafbare Handlung zu dessen Zuständigkeit gehört.

(1) Der Angeklagte darf nicht auf Grund eines anderen als des in der gerichtlich zugelassenen Anklage angeführten Strafgesetzes verurteilt werden, ohne daß er zuvor auf die Veränderung des rechtlichen Gesichtspunktes besonders hingewiesen und ihm Gelegenheit zur Verteidigung gegeben worden ist.

(2) Ebenso ist zu verfahren, wenn

1.
sich erst in der Verhandlung vom Strafgesetz besonders vorgesehene Umstände ergeben, welche die Strafbarkeit erhöhen oder die Anordnung einer Maßnahme oder die Verhängung einer Nebenstrafe oder Nebenfolge rechtfertigen,
2.
das Gericht von einer in der Verhandlung mitgeteilten vorläufigen Bewertung der Sach- oder Rechtslage abweichen will oder
3.
der Hinweis auf eine veränderte Sachlage zur genügenden Verteidigung des Angeklagten erforderlich ist.

(3) Bestreitet der Angeklagte unter der Behauptung, auf die Verteidigung nicht genügend vorbereitet zu sein, neu hervorgetretene Umstände, welche die Anwendung eines schwereren Strafgesetzes gegen den Angeklagten zulassen als des in der gerichtlich zugelassenen Anklage angeführten oder die zu den in Absatz 2 Nummer 1 bezeichneten gehören, so ist auf seinen Antrag die Hauptverhandlung auszusetzen.

(4) Auch sonst hat das Gericht auf Antrag oder von Amts wegen die Hauptverhandlung auszusetzen, falls dies infolge der veränderten Sachlage zur genügenden Vorbereitung der Anklage oder der Verteidigung angemessen erscheint.

(1) Die §§ 53 und 54 sind auch anzuwenden, wenn ein rechtskräftig Verurteilter, bevor die gegen ihn erkannte Strafe vollstreckt, verjährt oder erlassen ist, wegen einer anderen Straftat verurteilt wird, die er vor der früheren Verurteilung begangen hat. Als frühere Verurteilung gilt das Urteil in dem früheren Verfahren, in dem die zugrundeliegenden tatsächlichen Feststellungen letztmals geprüft werden konnten.

(2) Nebenstrafen, Nebenfolgen und Maßnahmen (§ 11 Abs. 1 Nr. 8), auf die in der früheren Entscheidung erkannt war, sind aufrechtzuerhalten, soweit sie nicht durch die neue Entscheidung gegenstandslos werden.