Bundesgerichtshof Beschluss, 25. Juni 2013 - 5 StR 256/13

bei uns veröffentlicht am25.06.2013

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

5 StR 256/13

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
vom 25. Juni 2013
in der Strafsache
gegen
wegen erpresserischen Menschenraubes u.a.
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 25. Juni 2013

beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Neuruppin vom 24. Januar 2013 gemäß § 349 Abs. 4 StPO im Strafausspruch aufgehoben.
2. Die weitergehende Revision wird nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen.
3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
G r ü n d e
1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen erpresserischen Menschenraubes in Tateinheit mit räuberischer Erpressung (sieben Jahre Freiheitsstrafe ) sowie wegen Raubes (zwei Jahre Freiheitsstrafe) zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren sechs Monaten verurteilt. Die hiergegen gerichtete Revision des Angeklagten hat mit der Sachrüge im Umfang der Beschlussformel Erfolg (§ 349 Abs. 4 StPO). Im Übrigen ist sie aus den in der Antragsschrift des Generalbundesanwalts vom 24. Mai 2013 dargelegten Gründen (vgl. BGH, Urteil vom 8. März 2006 – 5 StR 473/05, NStZ 2006, 448) im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO unbegründet.
2
1. Die Einzelstrafen halten rechtlicher Prüfung nicht stand. Das Landgericht hat für beide Taten das Vorliegen eines minder schweren Falles vor allem aufgrund der strafrechtlichen Vorbelastungen des Angeklagten ver- neint. Es ist damit innerhalb des ihm zukommenden Beurteilungsspielraums geblieben. Jedoch erweist sich die Bemessung der konkreten Strafhöhen als rechtsfehlerhaft. Zwar durfte das Landgericht die Vorstrafen auch hierbei als strafschärfend heranziehen, aber – da sie bereits für die Strafrahmenwahl bestimmend, hier sogar ausschlaggebend gewesen sind – nur noch mit geringerem Gewicht (vgl. BGH, Beschluss vom 8. April 1987 – 2 StR 91/87, BGHR StGB § 50 Strafhöhenbemessung 2 doppelte Verwertung). Das Urteil lässt nicht erkennen, dass sich das Landgericht dessen bewusst war.
3
Zudem hat es die Strafen auch deshalb für angemessen gehalten, weil diese „weit unter dem Mittelwert des Strafrahmens liegen“ bzw. „sich vom mittleren Bereich des Strafrahmens deutlich nach unten“ abheben würden (UA S. 13). Es ist jedoch regelmäßig verfehlt, bei der Bestimmung der schuldangemessenen Strafe derartige arithmetische Erwägungen anzustellen (vgl. BGH, Beschluss vom 22. Oktober 2008 – 1 StR 503/08, NStZ-RR 2009, 43; zur Strafhöhe auch BGH, Beschluss vom 19. Juni2012 – 5 StR 264/12, StraFo 2012, 419).
4
2. Der Senat kann nicht ausschließen (§ 337 Abs. 1 StPO), dass das Landgericht bei rechtsfehlerfreiem Vorgehen andere Strafen festgesetzt hätte. Die danach notwendige Aufhebung der Einzelstrafen zieht diejenige des Gesamtstrafenausspruchs nach sich. Hingegen haben die zugehörigen, rechtsfehlerfrei zustande gekommenen Feststellungen Bestand. Diese können in der neuen Hauptverhandlung widerspruchsfrei ergänzt werden.
Basdorf Sander Dölp König Bellay

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Bundesgerichtshof Beschluss, 25. Juni 2013 - 5 StR 256/13 zitiert 4 §§.

Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

Strafprozeßordnung - StPO | § 337 Revisionsgründe


(1) Die Revision kann nur darauf gestützt werden, daß das Urteil auf einer Verletzung des Gesetzes beruhe. (2) Das Gesetz ist verletzt, wenn eine Rechtsnorm nicht oder nicht richtig angewendet worden ist.

Strafgesetzbuch - StGB | § 50 Zusammentreffen von Milderungsgründen


Ein Umstand, der allein oder mit anderen Umständen die Annahme eines minder schweren Falles begründet und der zugleich ein besonderer gesetzlicher Milderungsgrund nach § 49 ist, darf nur einmal berücksichtigt werden.

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5 StR 375/13 BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL vom 18. September 2013 in der Strafsache gegen wegen schwerer räuberischer Erpressung Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 18. September 2013, an der teilgenommen

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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

5 StR 473/05

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
vom 8. März 2006
in der Strafsache
gegen
wegen schweren Raubes u. a.
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom
8. März 2006, an der teilgenommen haben:
Vorsitzende Richterin Harms,
Richter Häger,
Richter Basdorf,
Richterin Dr. Gerhardt,
Richter Dr. Raum
alsbeisitzendeRichter,
Staatsanwältin
alsVertreterinderBundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
alsVerteidiger,
Justizhauptsekretärin Na. ,
Justizangestellte R.
alsUrkundsbeamtinnenderGeschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Berlin vom 12. Mai 2005 dahingehend abgeändert , dass der Angeklagte L. des schweren Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und erpresserischem Menschenraub schuldig ist.
Die weitergehende Revision der Staatsanwaltschaft wird verworfen.
Die Staatskasse trägt die Kosten der Revision der Staatsanwaltschaft und die dem Angeklagten L. hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen.
– Von Rechts wegen – G r ü n d e
1
Das Landgericht hat den zur Tatzeit 21-jährigen Angeklagten L. sowie den knapp zwei Jahre jüngeren Angeklagten H. wegen schweren Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung schuldig gesprochen. Den Angeklagten L. hat es zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren sechs Monaten, den Mitangeklagten H. – unter Einbeziehung früherer Jugendstrafen – zu einer Jugendstrafe von drei Jahren und drei Monaten verurteilt. Gegen dieses Urteil wendet sich die Staatsanwaltschaft mit ihrer Revision zu Ungunsten des Angeklagten L. , die vom Generalbundesanwalt vertreten wird. Die Revision der Staatsanwaltschaft führt zu einer Korrektur des Schuldspruchs; im Übrigen bleibt sie ohne Erfolg.

I.


2
Nach den Feststellungen des Landgerichts hielten sich die Angeklagten am 6. Januar 2005 in der B. -Bar am Brunsbüttler Damm in Berlin -Spandau auf. In dieser Gaststätte saß auch der später geschädigte He. mit zwei Begleitern an einem gesonderten Tisch. Der Angeklagte L. , von imposanter und furchteinflößender Statur, kam an den Tisch der drei und forderte: „Jetzt legt jeder von euch zehn Euro auf den Tisch, sonst gibt’s richtig Stress“. Hierzu waren diese nicht bereit. Der Mitangeklagte H. machte dem Geschädigten He. den Vorschlag, mit ihm auf die Toilette zu gehen, um dort alles in Ruhe zu besprechen. Der Angeklagte L. folgte auf ein Zeichen des Mitangeklagten. Nachdem sich die Angeklagten kurz verständigt hatten, schlugen sie beide im Bereich der Herrentoilette mit der flachen Hand und mit der Faust dem Geschädigten He. mehrfach ins Gesicht und forderten vom ihm die Herausgabe seiner Wertsachen. He. erlitt schmerzhafte Prellungen im Gesicht, blutete aus der Nase und Oberlippe; zudem brach ein Stück eines Schneidezahns ab. Der Mitangeklagte H. bedrohte den Geschädigten im Anschluss an die Misshandlungen mit einem Teleskopschlagstock, den ihm vorher der Angeklagte L. gereicht hatte. Der Geschädigte, der innerhalb des Lokals keine Hilfe mehr erwartete, nachdem die Angeklagten zwischenzeitlich einen seiner Begleiter und den Wirt „abgewimmelt“ hatten, erklärte den Angeklagten, er habe kein Geld bei sich, könne aber welches am Geldautomaten abheben. Er wusste dabei, dass er das Tageslimit für sein Konto bereits ausgeschöpft hatte, hoffte aber, auf diese Weise den Angeklagten entkommen zu können. Die Angeklagten, die dem Geschädigten einschärften, sich unauffällig zu verhalten, folgten dem Geschädigten zum Geldautomaten am Spandauer Rathaus, wobei sie für ein kurzes Stück den Bus benutzten. Am Geldautomaten misslang wegen des bereits erschöpften Tageslimits ein dreimaliger Versuch des Geschädigten, Geld abzuheben. Daraufhin nahmen die Angeklagten dem Opfer Bargeld in Höhe von etwa 100 Euro sowie das Handy weg, was der Geschädigte aus Angst vor weiteren Misshandlungen geschehen ließ.

II.


3
Die Revision der Staatsanwaltschaft führt zu einer Korrektur des Schuldspruchs; sie bleibt aber im Übrigen ohne Erfolg.
4
1. Entgegen der Auffassung des Landgerichts erfüllt das Verhalten der Angeklagten den Tatbestand des erpresserischen Menschenraubes (§ 239a StGB). Das Landgericht hätte die Angeklagten deshalb wegen schweren Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und erpresserischem Menschenraub schuldig sprechen müssen.
5
a) Der Tatbestand des erpresserischen Menschenraubes setzt ein Entführen oder ein Sich-Bemächtigen eines Menschen voraus. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs liegt im – auch bei zwei Mittätern gegebenen – „Zwei-Personen-Verhältnis“ (Täter-Opfer) ein SichBe -mächtigen vor, wenn der Täter die physische Herrschaft über einen anderen erlangt, wobei weder eine Ortsveränderung erforderlich ist, noch der Tatbestand der Freiheitsberaubung erfüllt sein muss (BGHR StGB § 239a Abs. 1 Sich-Bemächtigen 6, 7). Allerdings verlangt das Vorliegen einer Bemächtigungssituation , dass diese im Blick auf die erstrebte Erpressungshandlung eine eigenständige Bedeutung hat; sie setzt weiterhin eine gewisse Stabilisierung der Beherrschungslage voraus, die dann durch den Täter ausgenutzt werden soll. Beide Kriterien dienen nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. BGHSt 40, 350 ff.) dazu, vor allem bei Zwei-PersonenVerhältnissen den Anwendungsbereich der §§ 239a, 239b StGB von demjenigen klassischer Delikte mit Nötigungselementen wie den §§ 177, 253, 255 StGB abzugrenzen (BGHR StGB § 239a Abs. 1 Sich-Bemächtigen 4, 8).
6
b) Ein Sich-Bemächtigen im Sinne dieser Bestimmung liegt allerdings nicht bereits in dem Veranlassen des Geschädigten, ihnen zur Herrentoilette zu folgen, und den sich daran anschließenden Gewalthandlungen durch die Angeklagten. Durch die Schläge und die Drohung mit dem Teleskopschlagstock hatten sie zwar die notwendige physische Herrschaft über den Geschädigten erlangt. Die Angeklagten forderten jedoch bereits im unmittelbaren Zusammenhang mit den Schlägen die Herausgabe von Geld und Wertsachen. Eine nach dem Tatbestand des § 239a StGB erforderliche stabile (Zwischen-) Lage als Basis für weitere Nötigungen bestand deshalb nicht (vgl. BGHR StGB § 239a Abs. 1 Sich-Bemächtigen 4).
7
c) Der auf den Vorschlag des Geschädigten umgesetzte neue Tatplan, nämlich das Abheben von Geld aus dem Geldautomaten, erfüllt jedoch den Tatbestand des § 239a StGB. Mit dem Verlassen des Lokals ist eine stabile Bemächtigungssituation entstanden. Diese war bedingt durch die physische Übermacht der beiden Angeklagten und wurde zusätzlich verstärkt durch die fortwirkende Einschüchterung aufgrund der vorangegangenen Misshandlungen. Dabei ist es unerheblich, dass die dann realisierte Bemächtigungslage auf das Opfer selbst zurückging. Sein Vorschlag, den Geldautomaten aufzusuchen und dort Geld von seinem Konto abzuheben, hob die Bemächtigungslage zu seinen Lasten nicht auf. Diese Anregung bedeutete nicht, dass He. die Angeklagten – was für sie auch offensichtlich war – freiwillig zu dem Geldautomaten führen wollte. Vielmehr bewirkte er nur eine Änderung der Tatausführung, die ihn zunächst vor weiteren unmittelbar drohenden Handlungen schützen und seine Flucht erleichtern sollte. An der Bemächtigungslage, die zu einer Erpressung des abgehobenen Geldes dienen sollte, änderte dies nichts, zumal der Geschädigte während des Verbringens zum Geldautomaten auch tatsächlich keine Gelegenheit sah, den Angeklagten zu entkommen.
8
Entgegen der Auffassung des Landgerichts ist die Annahme einer Bemächtigungssituation im Sinne des § 239a StGB auch nicht deshalb ausgeschlossen, weil das Opfer im Vergleich zu seiner bedrängten Situation auf der Herrentoilette durch den gemeinsamen Weg zum Geldautomaten nicht in eine qualifiziert schlechtere Lage gebracht worden sei. Das Landgericht leitet dies aus der von der höchstrichterlichen Rechtsprechung geforderten eigenständigen Bedeutung der Bemächtigungssituation ab. Dem vermag der Senat nicht zu folgen. Mit der eigenständigen Bedeutung der Bemächtigungslage ist – in Abgrenzung insbesondere zu den Raubdelikten – lediglich gemeint, dass über die in jeder mit Gewalt verbundenen Nötigungshandlung liegende Beherrschungssituation hinaus eine weitergehende Druckwirkung auf das Opfer sich gerade auch aus der stabilisierten Bemächtigungslage ergeben und der Täter beabsichtigen muss, die durch das Sich-Bemächtigen des Opfers geschaffene Lage für sein weiteres erpresserisches Vorgehen auszunutzen (BGH NStZ-RR 2004, 333, 334). Erforderlich ist eine finale Beziehung zwischen der Bemächtigungslage und ihrer Ausnutzung zum Zwecke der Erpressung, an deren Vorliegen hier kein ernsthafter Zweifel bestehen kann. Ob das Opfer aufgrund der ersten Raubattacke in einer bedrängteren Lage war, ist dabei unerheblich. Entscheidend ist vielmehr, dass nunmehr nach dem modifizierten Tatplan die weitere Kontrolle über das Opfer die Voraussetzung für die erstrebte Erpressung des aus dem Geldautomaten noch zu ziehenden Betrages bilden sollte.
9
d) Der Annahme eines erpresserischen Menschenraubes nach § 239a StGB steht schließlich nicht entgegen, dass der Vermögensverlust sich auf das in seiner Börse mitgeführte Geld und das Handy bezog. Auch die Wegnahme dieser Vermögenswerte erfolgte unter Ausnutzung der vorher geschaffenen Bemächtigungssituation. Die Änderung der Zielrichtung der Wegnahmehandlung nach der fehlgeschlagenen Abhebung vom Geldautomaten stellt dabei eine unerhebliche Abweichung vom Kausalverlauf dar, weil die Angeklagten von ihrem Opfer Geld und Wertsachen wollten und diese letztlich auch erhalten haben. Da der Tatbestand der Erpressung die Raubhandlung mit umfasst, liegt ein erpresserischer Menschenraub auch dann vor, wenn die Bemächtigungslage für einen Raub im Sinne des § 249 StGB ausgenutzt wird (BGH NStZ 2002, 31, 32; NStZ-RR 2004, 333, 334). Die Korrektur des Schuldspruchs kann der Senat selbst vornehmen, weil nicht ersichtlich ist, wie sich der Angeklagte hiergegen hätte anders verteidigen können.
10
2. Einer Aufhebung des Strafausspruchs bedarf es bei dieser Sachverhaltskonstellation nicht, weil der Senat ausschließen kann, dass sich die fehlerhafte Verneinung des Tatbestands des erpresserischen Menschenraubes nach § 239a StGB auf die verhängte Strafe ausgewirkt hat. Das Landgericht hat nämlich zu Recht den Schwerpunkt der Tat in den Misshandlungen auf der Herrentoilette des Lokals gesehen, die in der Absicht erfolgten , den Geschädigten zur Herausgabe von Geld und Wertsachen zu veranlassen. Es hat weiterhin das Sich-Bemächtigen des Opfers bei der Bemessung der Strafe ersichtlich schärfend gewürdigt, insoweit aber auch rechtsfehlerfrei mildernd berücksichtigt, dass die Idee zur Fahrt zum Geldautomaten vom Opfer selbst ausgegangen ist.
11
Entgegen der Auffassung der Staatsanwaltschaft lässt insbesondere die vom Landgericht gegebene Begründung einer Annahme eines minder schweren Falles keinen Rechtsfehler erkennen. Das Landgericht hat insoweit die von der Rechtsprechung verlangte Gesamtwürdigung von Tat und Täter sorgfältig und mit vertretbaren Erwägungen vorgenommen. Das vom Landgericht gefundene Ergebnis hält sich innerhalb des ihm zukommenden Ermessensspielraums (BGHR StGB vor § 1/minder schwerer Fall Gesamtwürdigung 7). Es ist offensichtlich, dass der Tatrichter hinsichtlich des erpresserischen Menschenraubes gleichfalls von einem minder schweren Fall im Sinne des § 239a Abs. 2 StGB ausgegangen wäre und die Strafe trotz unterschiedlicher Höchststrafe gleich bemessen hätte.
12
3. Die umfassende Überprüfung des angefochtenen Urteils hat keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten L. ergeben (§ 301 StPO).
Harms Häger Basdorf Gerhardt Raum

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

Ein Umstand, der allein oder mit anderen Umständen die Annahme eines minder schweren Falles begründet und der zugleich ein besonderer gesetzlicher Milderungsgrund nach § 49 ist, darf nur einmal berücksichtigt werden.

5 StR 264/12

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
vom 19. Juni 2012
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen besonders schweren Raubes u.a.
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 19. Juni 2012

beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten L. wird das Urteil des Landgerichts Saarbrücken vom 2. Februar 2012 nach § 349 Abs. 4 StPO in den Einzelstrafaussprüchen zu den Fällen 1, 2, 4 und 5 der Urteilsgründe (Raubtaten) und im Gesamtstrafausspruch aufgehoben.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine allgemeine Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Die weitergehende Revision des Angeklagten L. und die Revision des Angeklagten T. werden gemäß § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen.
Es wird davon abgesehen, dem Beschwerdeführer T. Kosten und Auslagen seines Rechtsmittels aufzuerlegen; er hat jedoch die dem Nebenkläger dadurch entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.
G r ü n d e
1
Das Landgericht hat die Angeklagten wegen (besonders) schweren Raubes in vier Fällen (B.I.1, 2, 4 und 5 der Urteilsgründe) und wegen schweren Bandendiebstahls (B.I.3 der Urteilsgründe) zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zehn Jahren (L. ) bzw. zu einer Jugendstrafe von vier Jahren und sechs Monaten (T. ) verurteilt. Die auf die Verletzung formellen und mate- riellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten L. erzielt den aus der Beschlussformel ersichtlichen Erfolg; im Übrigen ist sein Rechtsmittel ebenso wie die Revision des Angeklagten T. unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
2
1. Die gegen den Angeklagten L. wegen der Raubtaten verhängten Einzelfreiheitsstrafen von sieben Jahren (B.I.2 der Urteilsgründe) und jeweils sechs Jahren (B.I.1, 4 und 5 der Urteilsgründe) halten rechtlicher Überprüfung nicht stand.
3
Gemäß § 46 Abs. 2 Satz 1 StGB hat das Tatgericht bei der Strafzumessung die Umstände gegeneinander abzuwägen, die für oder gegen den Täter sprechen. Außergewöhnlich hohe Strafen bedürfen einer Rechtfertigung in den Urteilsgründen, die die Abweichung vom Üblichen vor dem Hintergrund der Besonderheiten des jeweiligen Falles verständlich machen (vgl. BGH, Beschluss vom 20. September 2010 – 4 StR 278/10, NStZ-RR 2011, 5 mwN). Diesem Maßstab genügen die Darlegungen des Landgerichts nicht. In Fällen, in denen ein minder schwerer Fall trotz gewichtiger mildernder Umstände , namentlich die Unbestraftheit des Angeklagten, seine Teilgeständigkeit und sein jeweils untergeordneter Tatbeitrag, letztlich rechtsfehlerfrei verneint worden ist, bedarf es jedenfalls dann einer eingehenderen Begründung, wenn die verhängten Einzelstrafen deutlich über dem erhöhten Mindestmaß liegen. Daran fehlt es hier.
4
2. Die Aufhebung der Einzelstrafen hinsichtlich der begangenen Raubtaten zieht die Aufhebung des Gesamtstrafausspruchs nach sich. Die für den schweren Bandendiebstahl verhängte Freiheitsstrafe ist von dem Rechtsfehler nicht betroffen; sie kann daher bestehen bleiben. Die Feststellungen zu den Raubtaten können ebenfalls bestehen bleiben, weil lediglich ein Wertungsfehler vorliegt. Weitergehende Feststellungen können getroffen werden, wenn sie den bisherigen nicht widersprechen.
5
3. Der Senat verweist die Sache an eine allgemeine Strafkammer des Landgerichts zurück, weil sich das weitere Verfahren nur noch gegen einen Erwachsenen richtet.
Basdorf Schaal Dölp König Bellay

(1) Die Revision kann nur darauf gestützt werden, daß das Urteil auf einer Verletzung des Gesetzes beruhe.

(2) Das Gesetz ist verletzt, wenn eine Rechtsnorm nicht oder nicht richtig angewendet worden ist.