Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

5 StR 253/12

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
vom 17. Juli 2012
in der Strafsache
gegen
1.
2.
3.
wegen bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer
Menge u.a.
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 17. Juli 2012

beschlossen:
1. Die Revisionen der Angeklagten S. und I. K. gegen das Urteil des Landgerichts Bremen vom 16. Juli 2010 werden auf ihre Kosten nach § 349 Abs. 2 StPO mit der Maßgabe (§ 349 Abs. 4 StPO) als unbegründet verworfen, dass zwei Monate der jeweils verhängten Gesamtfreiheitsstrafe als vollstreckt gelten.
2. a) Auf die Revision des Angeklagten E. wird das oben genannte Urteil gemäß § 349 Abs. 4 StPO im Strafausspruch mit den Feststellungen aufgehoben.

b) Seine weitergehende Revision wird nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen.

c) Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
G r ü n d e
1
Das Landgericht hat den Angeklagten E. wegen Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in vier Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt. Seine hiergegen gerichtete Revision hat mit der Rüge der Nichtgewährung des letzten Wortes (§ 258 Abs. 2 StPO) in dem erkannten Umfang Erfolg. Ansonsten ist sie gemäß § 349 Abs. 2 StPO unbegründet.
2
Nach dem erwiesenen Revisionsvorbringen (vgl. auch die Gegenerklärung der Staatsanwaltschaft) hatte der Angeklagte zwar das letzte Wort; nach einer Verhandlungsunterbrechung wurde aber, wie das Hauptverhand- lungsprotokoll ausweist, die „Sach- und Rechtslage“ mit den Verfahrensbetei- ligten erörtert, ohne dass dem Angeklagten danach abermals das letzte Wort gewährt worden wäre. Damit steht fest, dass das Gericht erneut zur Sache verhandelt hat (vgl. auch BGH, Beschluss vom 4. Februar 2010 – 1 StR 3/10, NStZ-RR 2010, 152).
3
Auf dem dargelegten Verfahrensfehler kann jedoch der Schuldspruch nicht beruhen. Der Senat kann angesichts der Aussage des Angeklagten in seinem „letzten Wort“, dass er sich von den Taten distanziere und diese be- reue, in Verbindung mit der ansonsten gegebenen klaren Beweislage ausschließen , dass der Angeklagte in einem – erneuten – letzten Wort etwas insofern Erhebliches hätte bekunden können.
4
Dagegen kann der Ausspruch über die Einzelstrafen und die Gesamtstrafe auf dem Verfahrensfehler beruhen. Es ist nicht ausgeschlossen, dass der Angeklagte, wäre ihm das letzte Wort erneut erteilt worden, Ausführungen gemacht hätte, die die Strafzumessung zu seinen Gunsten beeinflusst hätten.
5
Die Revisionen der beiden Mitangeklagten waren demgegenüber im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO unbegründet. Entsprechend dem Antrag des Generalbundesanwalts rechnet der Senat wegen der verspäteten Aktenvorlage im Revisionsverfahren auf die verhängten Gesamtfreiheitsstrafen jeweils zwei Monate als vollstreckt an.
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Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

Strafprozeßordnung - StPO | § 258 Schlussvorträge; Recht des letzten Wortes


(1) Nach dem Schluß der Beweisaufnahme erhalten der Staatsanwalt und sodann der Angeklagte zu ihren Ausführungen und Anträgen das Wort. (2) Dem Staatsanwalt steht das Recht der Erwiderung zu; dem Angeklagten gebührt das letzte Wort. (3) Der A

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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

(1) Nach dem Schluß der Beweisaufnahme erhalten der Staatsanwalt und sodann der Angeklagte zu ihren Ausführungen und Anträgen das Wort.

(2) Dem Staatsanwalt steht das Recht der Erwiderung zu; dem Angeklagten gebührt das letzte Wort.

(3) Der Angeklagte ist, auch wenn ein Verteidiger für ihn gesprochen hat, zu befragen, ob er selbst noch etwas zu seiner Verteidigung anzuführen habe.

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 3/10
vom
4. Februar 2010
in der Strafsache
gegen
wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer
Menge u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 4. Februar 2010 gemäß § 349
Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts München I vom 18. August 2009, soweit es ihn betrifft, im Strafausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.
3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:

1
1. Das Landgericht München I hat den umfassend geständigen Angeklagten wegen insgesamt 61 Straftaten nach dem Betäubungsmittelgesetz zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und elf Monaten verurteilt. Die hiergegen gerichtete Revision des Angeklagten ist gemäß § 349 Abs. 2 StPO unbegründet , soweit sie sich gegen den Schuldspruch richtet. Sie führt jedoch aufgrund einer Verfahrensrüge zur Aufhebung des gesamten Strafausspruchs.
2
2. Mit dieser macht die Revision einen Verstoß gegen § 258 Abs. 2 StPO geltend, weil dem Angeklagten das letzte Wort nicht gewährt worden sei. Nach ihrem - den Anforderungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO genügenden - Vortrag war die Beweisaufnahme geschlossen und die Gelegenheit zum Schluss- vortrag des Verteidigers sowie zum letzten Wort des Angeklagten gegeben worden. Hieran anschließend wurde erneut in die Beweisaufnahme eingetreten und die Frage der Einziehung sichergestellter Betäubungsmittel und weiterer Gegenstände erörtert. Diesbezüglich erklärten sich der Angeklagte und sein Verteidiger mit deren formloser Einziehung einverstanden. Nach der erneuten Schließung der Beweisaufnahme wiederholten lediglich die Staatsanwaltschaft und der Verteidiger ihre zuvor gestellten Anträge, während dem Angeklagten keine Gelegenheit gegeben wurde, sich zu äußern.
3
3. a) Diese Verfahrensweise entsprach nicht dem Gesetz. Denn nach der Rechtsprechung ist dem Angeklagten gemäß § 258 Abs. 2 StPO erneut das letzte Wort zu gewähren, wenn nach dem Schluss der Beweisaufnahme nochmals in die Verhandlung eingetreten worden ist, weil jeder Wiedereintritt den vorausgegangenen Ausführungen des Angeklagten die rechtliche Bedeutung als Schlussvortrag und letztes Wort nimmt und die erneute Beachtung des § 258 StPO erforderlich macht (BGHSt 22, 278, 279/280; BGH NStZ-RR 1998,

15).


4
Wann von einem Wiedereintritt auszugehen ist, ist anhand der konkreten Umstände des Einzelfalls zu bestimmen. Insbesondere liegt ein Wiedereintritt vor, wenn der Wille des Gerichts zum Ausdruck kommt, im Zusammenwirken mit den Prozessbeteiligten in der Beweisaufnahme fortzufahren oder wenn Anträge mit den Verfahrensbeteiligten erörtert werden (BGH NStZ 2004, 505, 507 m.w.N.). Eine solche Fallgestaltung liegt hier vor. Zum einen wird im Protokoll selbst das prozessuale Geschehen dahingehend bewertet, dass „nochmals in die Beweisaufnahme eingetreten“ und diese „erneut geschlossen“ wurde. Zum anderen kam der Erklärung des Angeklagten, er sei mit der formlosen Einzie- hung sichergestellter Gegenstände einverstanden, potentielle Bedeutung für die tatgerichtliche Sachentscheidung zu.
5
b) Der geltend gemachte Verfahrensverstoß ist auch bewiesen. Der für den Nachweis der in Rede stehenden wesentlichen Förmlichkeit (§ 274 Abs. 1 StPO) allein maßgeblichen Sitzungsniederschrift (vgl. BGHSt 22, 278, 280) lässt sich nach Ansicht des Senats nicht entnehmen, dass dem Angeklagten nach dem erneuten Schluss der Beweisaufnahme (nochmals) das letzte Wort gewährt worden ist. Es kommt daher nicht darauf an, dass die an dem Urteil beteiligten Berufsrichter, der staatsanwaltschaftliche Sitzungsvertreter und die Protokollführerin in ihren jeweiligen dienstlichen Stellungnahmen erklärt haben, sich an den konkreten Verfahrensgang nicht mehr zu erinnern.
6
4. a) Auf dem dargelegten Verfahrensfehler kann jedoch der Schuldspruch nicht beruhen. Der Senat kann im vorliegenden Fall ausschließen, dass der Angeklagte in einem - erneuten - letzten Wort etwas insofern Erhebliches hätte bekunden können. Denn er war zuvor umfassend und für das Tatgericht, das seine Überzeugung zudem auf weitere Beweismittel gestützt hat, glaubhaft geständig gewesen.
7
b) Dagegen kann der Ausspruch über die Einzelstrafen und die Gesamtstrafe auf dem Verfahrensfehler beruhen. Es ist nicht ausgeschlossen, dass der Angeklagte, wäre ihm das letzte Wort erneut erteilt worden, Ausführungen gemacht hätte, die die Strafzumessung zu seinen Gunsten beeinflusst hätten. Dies gilt umso mehr, als sein nach dem Wiedereintritt in die Beweisaufnahme erklärtes Einverständnis mit der außergerichtlichen Einziehung sichergestellter Gegenstände jedenfalls unter dem Gesichtspunkt gezeigter Reue als mildernder Umstand hätte gewertet werden dürfen.
8
Dem steht nicht entgegen, dass sich die Verfahrensbeteiligten ausweislich der Urteilsgründe bereits am ersten der beiden Hauptverhandlungstage hinsichtlich der Gesamtstrafe verständigt hatten. Denn der am 4. August 2009 und damit sechs Tage vor Beginn der Hauptverhandlung in Kraft getretene § 257c StPO sieht in seinem Absatz 3 Satz 2 die Benennung einer Ober- und einer Untergrenze und in seinem Absatz 4 Satz 1 ein Entfallen der Bindung des Gerichts an die Verständigung vor, wenn der in Aussicht gestellte Strafrahmen nicht mehr tat- oder schuldangemessen ist.
Nack Wahl Elf Jäger Sander

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.