Bundesgerichtshof Beschluss, 29. Mai 2013 - 5 StR 196/13

bei uns veröffentlicht am29.05.2013

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

5 StR 196/13

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
vom 29. Mai 2013
in der Strafsache
gegen
wegen Diebstahls u.a.
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 29. Mai 2013

beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Saarbrücken vom 10. Dezember 2012 nach § 349 Abs. 4 StPO mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine allgemeine Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
G r ü n d e
1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Diebstahls und wegen versuchten Diebstahls zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und vier Monaten verurteilt. Seine hiergegen gerichtete Revision hat mit der Sachrüge Erfolg.
2
1. Die Jugendkammer hat Folgendes festgestellt:
3
Der Angeklagte vereinbarte mit dem Zeugen O. und den früheren Mitangeklagten K. und Og. einen fingierten Überfall auf die Spielo- thek „E. “ in S. , bei der der Angeklagte als Kassenaufsicht tätig war. Entsprechend dem gemeinsam gefassten Tatplan schlug Og. am 22. Oktober 2011 beim Eindringen in die Spielhalle dem Angeklagten mit einer ungeladenen Gaspistole auf den Kopf, um so zu verschleiern, dass dieser in die Straftat involviert war. O. entnahm aus der Kasse die Tageseinnahmen in Höhe von 1.600 €; K. scheiterte mit dem Versuch, mit einem Brecheisen die Spielautomaten aufzubrechen, um das darin befindliche Geld zu entnehmen. Der Angeklagte wurde an der Tatbeute nicht beteiligt, weil O. meinte, dieser habe sich bereits zuvor aus der Kasse bedient (Tat 1: versuchter Diebstahl gemäß § 243 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 StGB mit Subsidiarität von § 246 Abs. 2 StGB).
4
Nach diesem fingierten Überfall wurde der Angeklagte von dem Spielhallenbetreiber entlassen und gab entsprechend dessen Aufforderung seinen Schlüsselsatz für die Spielothek zurück. Vor dem 9. November 2011 verschaffte sich der Angeklagte den Schlüsselsatz der ebenfalls in der Spielhalle angestellten Aufsicht R. . Mit einem unbekannten Mittäter entwendete der Angeklagte am 9. November 2011 – nachdem beide sich maskiert, mit einem Schlüssel die Alarmanlage außer Funktion gesetzt, den Büroraum und einen Schlüsselkasten für die Spielautomaten aufgebrochen hatten – 5.500 € aus den Automaten sowie weitere 4.400 € und einen USB-Stick, auf dem das von der Videokamera aufgenommene Tatgeschehen vom 22. Oktober 2011 aufgezeichnet war, aus einem Tresor, der mittels der dem Angeklagten bekannten Zahlenkombination geöffnet wurde (Tat 2: Diebstahl gemäß § 243 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 StGB).
5
2. Das Landgericht hat den Angeklagten, der sich lediglich dahingehend eingelassen hat, dass jeder der vier anderen Angestellten der Spielothek einen Schlüsselsatz in Besitz gehabt habe, aufgrund folgender Beweiserwägungen als überführt angesehen:
6
Der Zeuge O. und die Mitangeklagten K. und Og. hätten die Tatbeteiligung des Angeklagten hinsichtlich Tat 1 glaubhaft geschildert. An der Glaubhaftigkeit der „detailreichen“ Aussage des ZeugenO. und den korrespondierenden Einlassungen der früheren Mitangeklagten bestün- den keine Zweifel; es sei nicht ersichtlich, „aus welchem Grund diese den Angeklagten falsch belasten sollten“. Vielmehr hätten diese sich durch ihre Geständnisse selbst belastet. Des Weiteren spreche die Originalität der Tat- planung dafür, dass „keine Absprache getroffen wurde, den Angeklagten falsch zu belasten“ (UA S. 9).
7
3. Diese Beweisführung der Jugendkammer ist bereits im Ansatz durchgreifend rechtsfehlerhaft. Sie übersieht grundlegend, dass der Zeuge O. und die Mitangeklagten K. und Og. ein maßgebliches Inte- resse daran hatten, den Angeklagten als in den „Überfall“ eingeweihten Mit- täter zu belasten. Nur dadurch konnten sie ihre eigene Tatbeteiligung lediglich als versuchten Diebstahl gemäß § 243 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 StGB darstellen und eine Verurteilung wegen besonders schweren Raubes gemäß § 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB – mit einer Mindeststrafe von fünf Jahren Freiheitsstrafe – vermeiden. Das Landgericht legt angesichts dieser Beweislage nicht dar, wie die Täterschaft des Zeugen O. und der früheren Mitangeklagten K. und Og. ermittelt wurde und sie im Einzelnen zum Tatvorwurf ausgesagt haben. Der Aussageinhalt und die Aussageentwicklung dieser Beteiligten werden mit Blick auf das mögliche Falschbelastungsmotiv weder mitgeteilt noch erörtert. Es wird auch nicht ausreichend belegt, warum eine beson- dere „Originalität der Tatplanung“ vorliege, die dafür spreche, dass diese Tatbeteiligten keine Absprache zu Lasten des Angeklagten getroffen haben.
8
Des Weiteren wird vom Landgericht nicht hinreichend detailliert erörtert , inwieweit die möglicherweise in den Tatplan eingeweihte Zeugin R. sich zu den Fällen geäußert hat. Die Jugendkammer stellt insoweit lediglich fest, dass die Zeugin das Tatgeschehen innerhalb der Spielothek bestätigt habe, ohne aber Ausführungen dazu zu machen, ob die Zeugin aus dem Ablauf des Überfalls bemerkt hatte, dass dieser im Einvernehmen mit dem Angeklagten stattfand, oder ob sie sich gar im Vorfeld selbst mit einem solchen Überfall einverstanden erklärt hatte.
9
4. Dieser Beweiswürdigungsfehler hat auch die Aufhebung des Schuldspruchs hinsichtlich der Tat 2 zur Folge, weil das Landgericht die Beweisführung im Wesentlichen auch auf die zur Tat 1 vorgenommene, jedoch rechtsfehlerhafte Beweiswürdigung stützt. Allein die beide Fälle verknüpfende Mitnahme des materiell wertlosen USB-Sticks mit der Aufzeichnung des Überfalls vom 22. Oktober 2011 ist zur Überführung des Angeklagten nicht geeignet.
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Die Sache bedarf daher insgesamt einer erneuten Sachprüfung. Der Senat weist sie an eine allgemeine Strafkammer des Landgerichts zurück, weil sich das Verfahren nur noch gegen einen Erwachsenen richtet.
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Referenzen - Gesetze

Bundesgerichtshof Beschluss, 29. Mai 2013 - 5 StR 196/13 zitiert 4 §§.

Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

Strafgesetzbuch - StGB | § 250 Schwerer Raub


(1) Auf Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren ist zu erkennen, wenn 1. der Täter oder ein anderer Beteiligter am Raub a) eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug bei sich führt,b) sonst ein Werkzeug oder Mittel bei sich führt, um den Wider

Strafgesetzbuch - StGB | § 243 Besonders schwerer Fall des Diebstahls


(1) In besonders schweren Fällen wird der Diebstahl mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu zehn Jahren bestraft. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter 1. zur Ausführung der Tat in ein Gebäude, einen Dienst- oder Gesc

Strafgesetzbuch - StGB | § 246 Unterschlagung


(1) Wer eine fremde bewegliche Sache sich oder einem Dritten rechtswidrig zueignet, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft, wenn die Tat nicht in anderen Vorschriften mit schwererer Strafe bedroht ist. (2) Ist in

Referenzen

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

(1) In besonders schweren Fällen wird der Diebstahl mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu zehn Jahren bestraft. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter

1.
zur Ausführung der Tat in ein Gebäude, einen Dienst- oder Geschäftsraum oder in einen anderen umschlossenen Raum einbricht, einsteigt, mit einem falschen Schlüssel oder einem anderen nicht zur ordnungsmäßigen Öffnung bestimmten Werkzeug eindringt oder sich in dem Raum verborgen hält,
2.
eine Sache stiehlt, die durch ein verschlossenes Behältnis oder eine andere Schutzvorrichtung gegen Wegnahme besonders gesichert ist,
3.
gewerbsmäßig stiehlt,
4.
aus einer Kirche oder einem anderen der Religionsausübung dienenden Gebäude oder Raum eine Sache stiehlt, die dem Gottesdienst gewidmet ist oder der religiösen Verehrung dient,
5.
eine Sache von Bedeutung für Wissenschaft, Kunst oder Geschichte oder für die technische Entwicklung stiehlt, die sich in einer allgemein zugänglichen Sammlung befindet oder öffentlich ausgestellt ist,
6.
stiehlt, indem er die Hilflosigkeit einer anderen Person, einen Unglücksfall oder eine gemeine Gefahr ausnutzt oder
7.
eine Handfeuerwaffe, zu deren Erwerb es nach dem Waffengesetz der Erlaubnis bedarf, ein Maschinengewehr, eine Maschinenpistole, ein voll- oder halbautomatisches Gewehr oder eine Sprengstoff enthaltende Kriegswaffe im Sinne des Kriegswaffenkontrollgesetzes oder Sprengstoff stiehlt.

(2) In den Fällen des Absatzes 1 Satz 2 Nr. 1 bis 6 ist ein besonders schwerer Fall ausgeschlossen, wenn sich die Tat auf eine geringwertige Sache bezieht.

(1) Wer eine fremde bewegliche Sache sich oder einem Dritten rechtswidrig zueignet, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft, wenn die Tat nicht in anderen Vorschriften mit schwererer Strafe bedroht ist.

(2) Ist in den Fällen des Absatzes 1 die Sache dem Täter anvertraut, so ist die Strafe Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe.

(3) Der Versuch ist strafbar.

(1) In besonders schweren Fällen wird der Diebstahl mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu zehn Jahren bestraft. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter

1.
zur Ausführung der Tat in ein Gebäude, einen Dienst- oder Geschäftsraum oder in einen anderen umschlossenen Raum einbricht, einsteigt, mit einem falschen Schlüssel oder einem anderen nicht zur ordnungsmäßigen Öffnung bestimmten Werkzeug eindringt oder sich in dem Raum verborgen hält,
2.
eine Sache stiehlt, die durch ein verschlossenes Behältnis oder eine andere Schutzvorrichtung gegen Wegnahme besonders gesichert ist,
3.
gewerbsmäßig stiehlt,
4.
aus einer Kirche oder einem anderen der Religionsausübung dienenden Gebäude oder Raum eine Sache stiehlt, die dem Gottesdienst gewidmet ist oder der religiösen Verehrung dient,
5.
eine Sache von Bedeutung für Wissenschaft, Kunst oder Geschichte oder für die technische Entwicklung stiehlt, die sich in einer allgemein zugänglichen Sammlung befindet oder öffentlich ausgestellt ist,
6.
stiehlt, indem er die Hilflosigkeit einer anderen Person, einen Unglücksfall oder eine gemeine Gefahr ausnutzt oder
7.
eine Handfeuerwaffe, zu deren Erwerb es nach dem Waffengesetz der Erlaubnis bedarf, ein Maschinengewehr, eine Maschinenpistole, ein voll- oder halbautomatisches Gewehr oder eine Sprengstoff enthaltende Kriegswaffe im Sinne des Kriegswaffenkontrollgesetzes oder Sprengstoff stiehlt.

(2) In den Fällen des Absatzes 1 Satz 2 Nr. 1 bis 6 ist ein besonders schwerer Fall ausgeschlossen, wenn sich die Tat auf eine geringwertige Sache bezieht.

(1) Auf Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren ist zu erkennen, wenn

1.
der Täter oder ein anderer Beteiligter am Raub
a)
eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug bei sich führt,
b)
sonst ein Werkzeug oder Mittel bei sich führt, um den Widerstand einer anderen Person durch Gewalt oder Drohung mit Gewalt zu verhindern oder zu überwinden,
c)
eine andere Person durch die Tat in die Gefahr einer schweren Gesundheitsschädigung bringt oder
2.
der Täter den Raub als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung von Raub oder Diebstahl verbunden hat, unter Mitwirkung eines anderen Bandenmitglieds begeht.

(2) Auf Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren ist zu erkennen, wenn der Täter oder ein anderer Beteiligter am Raub

1.
bei der Tat eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug verwendet,
2.
in den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 eine Waffe bei sich führt oder
3.
eine andere Person
a)
bei der Tat körperlich schwer mißhandelt oder
b)
durch die Tat in die Gefahr des Todes bringt.

(3) In minder schweren Fällen der Absätze 1 und 2 ist die Strafe Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren.