Bundesgerichtshof Beschluss, 24. Apr. 2013 - 5 StR 163/13

bei uns veröffentlicht am24.04.2013

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

5 StR 163/13

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
vom 24. April 2013
in dem Sicherungs- und Strafverfahren
gegen
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 24. April 2013

beschlossen:
Auf die Revision des Beschuldigten wird das Urteil des Landgerichts Hamburg vom 26. November 2012 nach § 349 Abs. 4 StPO mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben , soweit im Sicherungsverfahren die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet wurde. Ausgenommen sind die Feststellungen zum äußeren Tathergang. Insoweit wird die weitergehende Revision nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
G r ü n d e
1
Das Landgericht hat den Beschuldigten in einem verbundenen Sicherungs - und Strafverfahren in einem psychiatrischen Krankenhaus untergebracht und ihn im Übrigen aus tatsächlichen Gründen freigesprochen. Seine auf die allgemeine Sachrüge gestützte Revision führt zur Aufhebung der Maßregelanordnung mit den zugehörigen Feststellungen.
2
1. Nach den Feststellungen des Landgerichts schlug der Beschuldigte während der Verbüßung einer Freiheitsstrafe am 6. Juli 2011 einem Mithäftling in dessen Haftraum „ohne irgendeine Veranlassung“ eine Tasse ins Gesicht. Der Geschädigte erlitt multiple Schnittverletzungen im Gesicht sowie eine Orbitabodenfraktur.
3
Das sachverständig beratene Landgericht kommt zu dem Ergebnis, dass bei dem Beschuldigten eine paranoide Schizophrenie bestehe, auf- grund derer bei der Tatausführung seine „Einsichts- und Steuerungsfähigkeit“ aufgehoben gewesen sei. Der Beschuldigte sei wahnhaft davon ausgegangen , von dem Geschädigten angegriffen zu werden.
4
2. Die Unterbringung des Beschuldigten in einem psychiatrischen Krankenhaus (§ 63 StGB) hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Bereits das Bestehen eines „Zustands“ im Sinne des § 20 StGB ist nicht nachvoll- ziehbar dargelegt.
5
Die nach dem Referat des Sachverständigengutachtens im Urteil von diesem für seine Diagnose einer paranoiden Schizophrenie herangezogenen Symptome beruhen auf eigenen Berichten des Beschuldigten. Konkrete äußere Verhaltensauffälligkeiten, die auf das Bestehen einer paranoiden Schizophrenie bei ihm schließen lassen könnten, werden nur von dem Geschä- digten berichtet. Diesem sei der Beschuldigte aufgefallen, „weil er häufig Selbstgespräche führe und fortwährend von V-Männern redete, die ihn aus- spionieren würden“.Weder diese Verhaltensweisen, noch die Anlasstat als solche sind indes so außergewöhnlich, dass sie für sich schon die Diagnose einer paranoiden Schizophrenie hinreichend nachvollziehbar machen würden.
6
Auch den Angaben zur „Krankengeschichte“ des Beschuldigten sind keine konkreten Verhaltensauffälligkeiten zu entnehmen. Obgleich dieser – wohl nach seinen eigenen Angaben – erstmals Ende des Jahres 2004 Stimmen hörte und das Gefühl hatte, dass andere seine Gedanken lesen könnten, verhielt er sich – soweit aus dem Urteil ersichtlich – während seiner Inhaftierung in den Jahren 2003 bis 2008 unauffällig. Erst nach seiner Haftentlassung brachten ihn seine Eltern in ein psychiatrisches Krankenhaus, da ihnen sein Verhalten „komisch“ erschien.Näheres ist hierzu nicht mitgeteilt. Aufgrund welcher Symptome die Ärzte damals die Diagnose einer paranoi- den Schizophrenie stellten, ist ebenso wenig ausgeführt wie eine mögliche Veränderung des Zustandes des Beschuldigten während der folgenden medikamentösen Behandlung. Während seiner erneuten Inhaftierung ab Ende des Jahres 2008 setzte der Beschuldigte seine Medikamente ab. Inwieweit es in der Folge zu Verhaltensauffälligkeiten oder zu einer Verschlechterung seines psychischen Zustands kam, wird im Urteil ebenfalls nicht dargelegt. Erwähnt ist lediglich, dass „im Rahmen eines ärztlichen Attestes“ ein Psychiater am 16. August 2011 dringend eine forensisch-psychiatrische Begutachtung des Beschuldigten angeregt und in diesem Zusammenhang ebenfalls die Diagnose einer paranoiden Psychose gestellt habe. Welche Vorfälle dieser Anregung vorausgingen, insbesondere ob es sich hierbei um die verfahrensgegenständliche Anlasstat handelte, wird nicht mitgeteilt. Der Beschuldigte wurde sodann bis zum Endstrafentermin am 10. Januar 2012 in einer psychiatrischen Klinik behandelt. Bei Aufnahme in die Klinik berichtete er u. a., dass er Stimmen höre. Nach seiner Entlassung reduzierte er die Einnahme der verordneten Medikamente. Welche Auswirkungen dies auf seinen Zustand und sein Verhalten hatte, wird nicht dargelegt.
7
Schließlich wird auch nicht mitgeteilt, ob und mit welchen Ergebnissen der erheblich wegen Raubdelikten vorbestrafte Beschuldigte in früheren Strafverfahren psychiatrisch auf seine Schuldfähigkeit begutachtet wurde. Es ist schon nicht ersichtlich, ob dem Gutachter die Krankenunterlagen der früheren psychiatrischen Behandlungen des Beschuldigten sowie die Vor- strafenakten überhaupt vorlagen. Erwähnt sind insoweit nur die „Ermittlungsakten sowie Krankenunterlagen der Klinik für Forensische Psychiatrie“. In dieser ist der Beschuldigte im Rahmen des vorliegenden Verfahrens seit Juli 2012 vorläufig untergebracht. Auch die „aggressiven Auffälligkeiten“, dieder Beschuldigte in dieser Unterbringung gezeigt haben soll, sind nicht näher konkretisiert.
8
3. Über die Unterbringung des Beschuldigten im psychiatrischen Krankenhaus muss deshalb erneut verhandelt und entschieden werden. Das neue Tatgericht wird Gelegenheit haben darzulegen, worauf die angenommene Schuldunfähigkeit des Beschuldigten beruht. Auf eine Erörterung, ob fehlende Einsicht oder fehlende Steuerungsfähigkeit die Schuldunfähigkeit begründet haben, kann nicht verzichtet werden. Der Schuldausschluss kann grundsätzlich nicht auf beide Alternativen des § 20 StGB gestützt werden (vgl. BGH, Beschluss vom 9. September 1986 – 4 StR 470/86, BGHR StGB § 63 Schuldunfähigkeit 1; BGH, Urteil vom 18. Januar 2006 – 2 StR 394/05, NStZ-RR 2006, 167).
9
Zur vertikalen Teilrechtskraft bezüglich Fall 2 der Antragsschrift (Spielhallenüberfall) verweist der Senat auf seinen Beschluss vom 9. April 2013 – 5 StR 120/13 (zur Veröffentlichung in BGHSt bestimmt), für den Fall der Feststellung bestehender Schuldfähigkeit auf § 358 Abs. 2 Satz 2 StPO.
10
Der Schriftsatz des Verteidigers vom 22. April 2013 hat dem Senat vorgelegen.
Basdorf Raum Sander Schneider Bellay

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Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

Strafgesetzbuch - StGB | § 20 Schuldunfähigkeit wegen seelischer Störungen


Ohne Schuld handelt, wer bei Begehung der Tat wegen einer krankhaften seelischen Störung, wegen einer tiefgreifenden Bewußtseinsstörung oder wegen einer Intelligenzminderung oder einer schweren anderen seelischen Störung unfähig ist, das Unrecht der

Strafgesetzbuch - StGB | § 63 Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus


Hat jemand eine rechtswidrige Tat im Zustand der Schuldunfähigkeit (§ 20) oder der verminderten Schuldfähigkeit (§ 21) begangen, so ordnet das Gericht die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus an, wenn die Gesamtwürdigung des Täters und

Strafprozeßordnung - StPO | § 358 Bindung des Tatgerichts; Verbot der Schlechterstellung


(1) Das Gericht, an das die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung verwiesen ist, hat die rechtliche Beurteilung, die der Aufhebung des Urteils zugrunde gelegt ist, auch seiner Entscheidung zugrunde zu legen. (2) Das angefochtene Urte

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Bundesgerichtshof Beschluss, 09. Apr. 2013 - 5 StR 120/13

bei uns veröffentlicht am 09.04.2013

Nachschlagewerk: ja BGHSt : ja Veröffentlichung : ja StPO § 414 Abs. 1 Vertikale Teilrechtskraft im Sicherungsverfahren. BGH, Beschluss vom 9. April 2013 5 StR 120/13 LG Kiel BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS vom 9. April 2013 im Sicherungsverfahr

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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

Hat jemand eine rechtswidrige Tat im Zustand der Schuldunfähigkeit (§ 20) oder der verminderten Schuldfähigkeit (§ 21) begangen, so ordnet das Gericht die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus an, wenn die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Tat ergibt, daß von ihm infolge seines Zustandes erhebliche rechtswidrige Taten, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich erheblich geschädigt oder erheblich gefährdet werden oder schwerer wirtschaftlicher Schaden angerichtet wird, zu erwarten sind und er deshalb für die Allgemeinheit gefährlich ist. Handelt es sich bei der begangenen rechtswidrigen Tat nicht um eine im Sinne von Satz 1 erhebliche Tat, so trifft das Gericht eine solche Anordnung nur, wenn besondere Umstände die Erwartung rechtfertigen, dass der Täter infolge seines Zustandes derartige erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird.

Ohne Schuld handelt, wer bei Begehung der Tat wegen einer krankhaften seelischen Störung, wegen einer tiefgreifenden Bewußtseinsstörung oder wegen einer Intelligenzminderung oder einer schweren anderen seelischen Störung unfähig ist, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln.

Hat jemand eine rechtswidrige Tat im Zustand der Schuldunfähigkeit (§ 20) oder der verminderten Schuldfähigkeit (§ 21) begangen, so ordnet das Gericht die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus an, wenn die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Tat ergibt, daß von ihm infolge seines Zustandes erhebliche rechtswidrige Taten, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich erheblich geschädigt oder erheblich gefährdet werden oder schwerer wirtschaftlicher Schaden angerichtet wird, zu erwarten sind und er deshalb für die Allgemeinheit gefährlich ist. Handelt es sich bei der begangenen rechtswidrigen Tat nicht um eine im Sinne von Satz 1 erhebliche Tat, so trifft das Gericht eine solche Anordnung nur, wenn besondere Umstände die Erwartung rechtfertigen, dass der Täter infolge seines Zustandes derartige erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird.

Nachschlagewerk: ja
BGHSt : ja
Veröffentlichung : ja
Vertikale Teilrechtskraft im Sicherungsverfahren.
BGH, Beschluss vom 9. April 2013 5 StR 120/13
LG Kiel

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
vom 9. April 2013
im Sicherungsverfahren
gegen
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 9. April 2013

beschlossen:
1. Auf die Revision des Beschuldigten wird das Urteil des Landgerichts Kiel vom 9. November 2012 nach § 349 Abs. 4 StPO mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
2. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
G r ü n d e
1
Das Landgericht hat gegen den 37-jährigen Beschuldigten im Sicherungsverfahren die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Die hiergegen gerichtete, auf die Sachrüge gestützte Revision des Beschuldigten hat Erfolg. Die Unterbringungsentscheidung ist nicht tragfähig begründet.
2
1. Nach den Feststellungen leidet der Beschuldigte seit vielen Jahren an einer paranoid-halluzinatorischen Schizophrenie. Seit seiner Jugend wurde er immer wiederkehrend in teilweise kurzen Abständen in psychiatrischen Krankenhäusern – oft auch in geschlossenen Unterbringungsformen – behandelt ; im Übrigen lebte er weitgehend in Übergangs- oder Rehabilitationseinrichtungen. Aufgrund seiner Psychose trat der Beschuldigte im Zeitraum Juli 2011 bis Februar 2012 in elf Fällen in E. und R. in der Öffentlichkeit Personen weitgehend grundlos in aggressiver, bedrohlicher Weise gegenüber. Dabei kam es in drei Fällen zu Beleidigungen der Zeugen, in einem Fall in Tateinheit mit Hausfriedensbruch, in einem weiteren Fall zu einer Nötigungshandlung, in deren Zusammenhang der Beschuldigte einen Krummdolch hervorzog. In zwei Fällen verletzte der Beschuldigte einen Freund, von dem er sich beleidigt fühlte (Wurf einer Bierflasche in Richtung des Zeugen, die diesen an der Stirn traf; Faustschlag ins Gesicht).Bei fünf von der Antragsschrift zum Verfahrensgegenstand gemachten Vorfällen konnte letztlich kein tatbestandsmäßiges Verhalten festgestellt werden.
3
Das Landgericht ist zu dem Schluss gekommen, dass der Beschuldigte bei allen Taten im Zustand der Schuldunfähigkeit handelte, „da jeweils nicht ausgeschlossen werden konnte“, dass die Einsichtsfähigkeit des Beschuldigten aufgehoben war (UA S. 29). Es stützt sich dabei auf das Gutachten eines forensisch-psychiatrischen Sachverständigen, der ebenfalls nicht ausgeschlossen hat, dass die Einsichtsfähigkeit des Beschuldigten wahnbedingt aufgehoben gewesen sei. Dies sei bei fünf der festgestellten Vorfälle „hochwahrscheinlich“ so gewesen; sie „schienen mit paranoidem Erleben zusammenzuhängen“. Eine große Rolle würden „zusätzlich die erheblichen affektiven und Impulskontrollstörungsaspekte der Erkrankung“ spielen; dadurch seien letztlich alle festgestellten Vorfälle „psychosebedingt“ (UA S. 32). Der Sachverständige sieht „ein hohes Risiko für erneute, mindestens schwere Körperverletzungsdelikte mit Drohungen und Beleidigungen“, wobei auch eine Eskalation hin zu Delikten gegen das Leben möglich erscheine (UA S. 35). Der Beschuldigte habe sich im Februar 2012 erstmals bewaffnet. Falls er nicht behandelt werde und „der Wahn weitergehe“, sei der Einsatz eines Messers oder einer anderen Waffe in zukünftig von dem Beschuldigten wiederum als bedrohlich empfundenen Situationen hochwahrscheinlich (UA S. 36). Ob es dann zu Körperverletzungs- und Bedrohungsdelikten komme, hänge von Zufälligkeiten ab, insbesondere von der Reaktion der konfrontierten Personen.
4
2. Die Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus hält sachlich-rechtlicher Überprüfung nicht stand.
5
a) Die Unterbringung nach § 63 StGB setzt die zweifelsfreie Feststellung der Voraussetzungen der § 20 oder § 21 StGB voraus. Bereits dies ist unzulänglich belegt.
6
Das Landgericht hat die Voraussetzungen des § 20 StGB nur für „nicht ausschließbar“ gehalten.Es ist nicht einmal zwingend, dass wenigstens in den Fällen, in denen der Sachverständige die Aufhebung der Einsichtsfähigkeit des Beschuldigten als „hochwahrscheinlich“ beurteilt hat, jedenfalls die Voraussetzungen des § 21 StGB in der Form erheblicher Einschränkung der Steuerungsfähigkeit sicher vorlagen. Zudem beträfe dies nur zwei der Vorfälle , die einen Straftatbestand erfüllten, aber lediglich als Beleidigung, Hausfriedensbruch oder Nötigung einzuordnen waren.
7
Die einzig schwereren, in den Bereich der mittleren Kriminalität hineinreichenden Taten hat der Beschuldigte zu Lasten seines Freundes, des Zeugen H. , begangen. Es ist aus dem Urteil nicht ersichtlich, dass diese auf paranoidem Erleben beruhen. Zwar mag naheliegen, dass sie durch die mit der Erkrankung des Beschuldigten einhergehende Impulskontrollstörung mitbedingt sind und insoweit eine – zumindest – erhebliche Verminderung der Steuerungsfähigkeit des Beschuldigten in Frage kommt. Hiermit setzt sich jedoch das Urteil nicht auseinander.
8
b) Die Anordnung der Maßregel ist auch unter Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten (§ 62 StGB) nicht rechtsbedenkenfrei.
9
Da die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus den Betroffenen wegen ihrer unbestimmten Dauer außerordentlich beschwert, darf sie nur angeordnet werden, wenn die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Tat ergibt, dass von ihm infolge seines Zustands erhebliche rechtswidrige Taten zu erwarten sind. Es muss wahrscheinlich sein, dass der Rechtsfrieden durch neue Taten schwer gestört wird. Die Unterbringung darf nicht angeordnet werden, wenn sie außer Verhältnis zu der Bedeutung der begangenen und zu erwartenden Taten stünde (vgl. BGH, Beschluss vom 26. Juni 2007 – 5 StR 215/07, NStZ-RR 2007, 300 mwN).
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Die im Urteil festgestellten Vorfälle sind – soweit sie überhaupt einen Straftatbestand erfüllen – überwiegend nicht dem Bereich der mittleren Kriminalität zuzuordnen. Anderes könnte allein für die Taten des Beschuldigten zum Nachteil seines Freundes H. gelten. Bei der Beurteilung ihres Gewichts ist jedoch zu berücksichtigen, dass diese Taten Folgen von Streitigkeiten nach gemeinsamem Alkoholkonsum waren und der Geschädigte dem Beschuldigten noch in der Hauptverhandlung „freundschaftlich zugewandt“ war (UA S. 25).
11
Zwar setzt die Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus nicht grundsätzlich voraus, dass die Anlasstaten selbst erheblich sind. Ist dies nicht der Fall, bedarf jedoch die Gefährlichkeitsprognose besonders sorgfältiger Darlegung (vgl. BGH, Urteile vom 2. März 2011 – 2 StR 550/10, NStZ-RR 2011, 240, und vom 23. Januar 1986 – 4 StR 620/85, NStZ 1986, 237). Daran fehlt es hier.
12
Im Rahmen der Beurteilung der Gefährlichkeit des Beschuldigten hätte sich das Landgericht auch damit auseinandersetzen müssen, dass dieser – ungeachtet immer wieder aufgetretenen aggressiven und bedrohlichen Verhaltens – neben zwei nicht näher geschilderten Körperverletzungsdelikten , die einer Verurteilung aus dem Jahr 1995 zugrunde liegen, lediglich im Jahr 2004 wegen einer zum Nachteil eines behandelnden Arztes begangenen gefährlichen Körperverletzung zu einer Bewährungsstrafe verurteilt wurde , neben der seine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet und zur Bewährung ausgesetzt wurde. Im Hinblick auf diese Verurteilung wurde ein weiteres Strafverfahren wegen Körperverletzung zu Lasten eines Mitbewohners in einer Wohneinrichtung vorläufig eingestellt. Die Bewährungsstrafe wurde im Februar 2008 erlassen. Damit trat gemäß § 67g Abs. 5 i.V.m. § 68g Abs. 3 Satz 1 StGB auch die Erledigung der ausgesetzten Maßregel ein. Das im angefochtenen Urteil schon für die damalige Bewährungszeit geschilderte fortgesetzte regelwidrige und aggressive Verhalten des Beschuldigten wurde demnach nicht als so gravierend beurteilt, dass es zu einem Widerruf oder – jedenfalls soweit ersichtlich – auch nur zu einer Verlängerung der Bewährungsfrist geführt hätte.
13
3. Die Frage der Unterbringung bedarf deshalb der nochmaligen Prüfung und Entscheidung. Der Senat hat von einer Aufrechterhaltung der Feststellungen zu dem jeweiligen Geschehen der im Urteil unter II. geschilderten Vorfälle abgesehen, weil die Begleitumstände zur Feststellung des psychischen Zustandes des Beschuldigten ohnehin neuer Aufklärung bedürfen.
14
Diejenigen Vorfälle, die Gegenstand der Antragsschrift waren, jedoch im angefochtenen Urteil als nicht tatbestandsmäßig angesehen worden sind, können indes nicht mehr als Anlasstaten für die Unterbringung nach § 63 StGB herangezogen werden. Insoweit kann der Beschuldigte nicht schlechter stehen als ein teilfreigesprochener Angeklagter im Strafverfahren, der sich mit seiner Revision mangels Beschwer gegen den Teilfreispruch nicht wenden kann (sogenannte vertikale Teilrechtskraft, vgl. zum Begriff Kühne in Löwe/Rosenberg, StPO, 26. Aufl., Einl. K Rn. 68). Nach § 414 Abs. 1 StPO gelten auch für die Bestimmung des Umfangs der Rechtskraft eines im selbständigen Sicherungsverfahren ergangenen Urteils die allgemeinen strafverfahrensrechtlichen Regeln. Auch wenn über die Anordnung der Maßregel oder die Ablehnung des Antrags der Staatsanwaltschaft im Sicherungsverfahren nur einheitlich entschieden werden kann, handelt es sich bei den einzelnen in der Antragsschrift der Staatsanwaltschaft geschilderten Vorfällen um selbständige Prozessgegenstände, über die durch das angefochtene Urteil , soweit sie nicht für tatbestandsmäßig erachtet wurden, abschließend entschieden ist. Allerdings können sie – aufgrund neuer Feststellungen – vom neuen Tatgericht bei der Beurteilung der Gefährlichkeit des Beschuldigten mitberücksichtigt werden.
Basdorf Sander Schneider
Dölp Bellay

(1) Das Gericht, an das die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung verwiesen ist, hat die rechtliche Beurteilung, die der Aufhebung des Urteils zugrunde gelegt ist, auch seiner Entscheidung zugrunde zu legen.

(2) Das angefochtene Urteil darf in Art und Höhe der Rechtsfolgen der Tat nicht zum Nachteil des Angeklagten geändert werden, wenn lediglich der Angeklagte, zu seinen Gunsten die Staatsanwaltschaft oder sein gesetzlicher Vertreter Revision eingelegt hat. Wird die Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus aufgehoben, hindert diese Vorschrift nicht, an Stelle der Unterbringung eine Strafe zu verhängen. Satz 1 steht auch nicht der Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus oder einer Entziehungsanstalt entgegen.