Bundesgerichtshof Beschluss, 24. Apr. 2013 - 5 StR 163/13
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
G r ü n d e
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- Das Landgericht hat den Beschuldigten in einem verbundenen Sicherungs - und Strafverfahren in einem psychiatrischen Krankenhaus untergebracht und ihn im Übrigen aus tatsächlichen Gründen freigesprochen. Seine auf die allgemeine Sachrüge gestützte Revision führt zur Aufhebung der Maßregelanordnung mit den zugehörigen Feststellungen.
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- 1. Nach den Feststellungen des Landgerichts schlug der Beschuldigte während der Verbüßung einer Freiheitsstrafe am 6. Juli 2011 einem Mithäftling in dessen Haftraum „ohne irgendeine Veranlassung“ eine Tasse ins Gesicht. Der Geschädigte erlitt multiple Schnittverletzungen im Gesicht sowie eine Orbitabodenfraktur.
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- Das sachverständig beratene Landgericht kommt zu dem Ergebnis, dass bei dem Beschuldigten eine paranoide Schizophrenie bestehe, auf- grund derer bei der Tatausführung seine „Einsichts- und Steuerungsfähigkeit“ aufgehoben gewesen sei. Der Beschuldigte sei wahnhaft davon ausgegangen , von dem Geschädigten angegriffen zu werden.
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- Die nach dem Referat des Sachverständigengutachtens im Urteil von diesem für seine Diagnose einer paranoiden Schizophrenie herangezogenen Symptome beruhen auf eigenen Berichten des Beschuldigten. Konkrete äußere Verhaltensauffälligkeiten, die auf das Bestehen einer paranoiden Schizophrenie bei ihm schließen lassen könnten, werden nur von dem Geschä- digten berichtet. Diesem sei der Beschuldigte aufgefallen, „weil er häufig Selbstgespräche führe und fortwährend von V-Männern redete, die ihn aus- spionieren würden“.Weder diese Verhaltensweisen, noch die Anlasstat als solche sind indes so außergewöhnlich, dass sie für sich schon die Diagnose einer paranoiden Schizophrenie hinreichend nachvollziehbar machen würden.
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- Auch den Angaben zur „Krankengeschichte“ des Beschuldigten sind keine konkreten Verhaltensauffälligkeiten zu entnehmen. Obgleich dieser – wohl nach seinen eigenen Angaben – erstmals Ende des Jahres 2004 Stimmen hörte und das Gefühl hatte, dass andere seine Gedanken lesen könnten, verhielt er sich – soweit aus dem Urteil ersichtlich – während seiner Inhaftierung in den Jahren 2003 bis 2008 unauffällig. Erst nach seiner Haftentlassung brachten ihn seine Eltern in ein psychiatrisches Krankenhaus, da ihnen sein Verhalten „komisch“ erschien.Näheres ist hierzu nicht mitgeteilt. Aufgrund welcher Symptome die Ärzte damals die Diagnose einer paranoi- den Schizophrenie stellten, ist ebenso wenig ausgeführt wie eine mögliche Veränderung des Zustandes des Beschuldigten während der folgenden medikamentösen Behandlung. Während seiner erneuten Inhaftierung ab Ende des Jahres 2008 setzte der Beschuldigte seine Medikamente ab. Inwieweit es in der Folge zu Verhaltensauffälligkeiten oder zu einer Verschlechterung seines psychischen Zustands kam, wird im Urteil ebenfalls nicht dargelegt. Erwähnt ist lediglich, dass „im Rahmen eines ärztlichen Attestes“ ein Psychiater am 16. August 2011 dringend eine forensisch-psychiatrische Begutachtung des Beschuldigten angeregt und in diesem Zusammenhang ebenfalls die Diagnose einer paranoiden Psychose gestellt habe. Welche Vorfälle dieser Anregung vorausgingen, insbesondere ob es sich hierbei um die verfahrensgegenständliche Anlasstat handelte, wird nicht mitgeteilt. Der Beschuldigte wurde sodann bis zum Endstrafentermin am 10. Januar 2012 in einer psychiatrischen Klinik behandelt. Bei Aufnahme in die Klinik berichtete er u. a., dass er Stimmen höre. Nach seiner Entlassung reduzierte er die Einnahme der verordneten Medikamente. Welche Auswirkungen dies auf seinen Zustand und sein Verhalten hatte, wird nicht dargelegt.
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- Schließlich wird auch nicht mitgeteilt, ob und mit welchen Ergebnissen der erheblich wegen Raubdelikten vorbestrafte Beschuldigte in früheren Strafverfahren psychiatrisch auf seine Schuldfähigkeit begutachtet wurde. Es ist schon nicht ersichtlich, ob dem Gutachter die Krankenunterlagen der früheren psychiatrischen Behandlungen des Beschuldigten sowie die Vor- strafenakten überhaupt vorlagen. Erwähnt sind insoweit nur die „Ermittlungsakten sowie Krankenunterlagen der Klinik für Forensische Psychiatrie“. In dieser ist der Beschuldigte im Rahmen des vorliegenden Verfahrens seit Juli 2012 vorläufig untergebracht. Auch die „aggressiven Auffälligkeiten“, dieder Beschuldigte in dieser Unterbringung gezeigt haben soll, sind nicht näher konkretisiert.
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- 3. Über die Unterbringung des Beschuldigten im psychiatrischen Krankenhaus muss deshalb erneut verhandelt und entschieden werden. Das neue Tatgericht wird Gelegenheit haben darzulegen, worauf die angenommene Schuldunfähigkeit des Beschuldigten beruht. Auf eine Erörterung, ob fehlende Einsicht oder fehlende Steuerungsfähigkeit die Schuldunfähigkeit begründet haben, kann nicht verzichtet werden. Der Schuldausschluss kann grundsätzlich nicht auf beide Alternativen des § 20 StGB gestützt werden (vgl. BGH, Beschluss vom 9. September 1986 – 4 StR 470/86, BGHR StGB § 63 Schuldunfähigkeit 1; BGH, Urteil vom 18. Januar 2006 – 2 StR 394/05, NStZ-RR 2006, 167).
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- Zur vertikalen Teilrechtskraft bezüglich Fall 2 der Antragsschrift (Spielhallenüberfall) verweist der Senat auf seinen Beschluss vom 9. April 2013 – 5 StR 120/13 (zur Veröffentlichung in BGHSt bestimmt), für den Fall der Feststellung bestehender Schuldfähigkeit auf § 358 Abs. 2 Satz 2 StPO.
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- Der Schriftsatz des Verteidigers vom 22. April 2013 hat dem Senat vorgelegen.
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Annotations
(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.
(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.
(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.
(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.
(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.
Hat jemand eine rechtswidrige Tat im Zustand der Schuldunfähigkeit (§ 20) oder der verminderten Schuldfähigkeit (§ 21) begangen, so ordnet das Gericht die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus an, wenn die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Tat ergibt, daß von ihm infolge seines Zustandes erhebliche rechtswidrige Taten, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich erheblich geschädigt oder erheblich gefährdet werden oder schwerer wirtschaftlicher Schaden angerichtet wird, zu erwarten sind und er deshalb für die Allgemeinheit gefährlich ist. Handelt es sich bei der begangenen rechtswidrigen Tat nicht um eine im Sinne von Satz 1 erhebliche Tat, so trifft das Gericht eine solche Anordnung nur, wenn besondere Umstände die Erwartung rechtfertigen, dass der Täter infolge seines Zustandes derartige erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird.
Ohne Schuld handelt, wer bei Begehung der Tat wegen einer krankhaften seelischen Störung, wegen einer tiefgreifenden Bewußtseinsstörung oder wegen einer Intelligenzminderung oder einer schweren anderen seelischen Störung unfähig ist, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln.
Hat jemand eine rechtswidrige Tat im Zustand der Schuldunfähigkeit (§ 20) oder der verminderten Schuldfähigkeit (§ 21) begangen, so ordnet das Gericht die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus an, wenn die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Tat ergibt, daß von ihm infolge seines Zustandes erhebliche rechtswidrige Taten, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich erheblich geschädigt oder erheblich gefährdet werden oder schwerer wirtschaftlicher Schaden angerichtet wird, zu erwarten sind und er deshalb für die Allgemeinheit gefährlich ist. Handelt es sich bei der begangenen rechtswidrigen Tat nicht um eine im Sinne von Satz 1 erhebliche Tat, so trifft das Gericht eine solche Anordnung nur, wenn besondere Umstände die Erwartung rechtfertigen, dass der Täter infolge seines Zustandes derartige erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird.
(1) Das Gericht, an das die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung verwiesen ist, hat die rechtliche Beurteilung, die der Aufhebung des Urteils zugrunde gelegt ist, auch seiner Entscheidung zugrunde zu legen.
(2) Das angefochtene Urteil darf in Art und Höhe der Rechtsfolgen der Tat nicht zum Nachteil des Angeklagten geändert werden, wenn lediglich der Angeklagte, zu seinen Gunsten die Staatsanwaltschaft oder sein gesetzlicher Vertreter Revision eingelegt hat. Wird die Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus aufgehoben, hindert diese Vorschrift nicht, an Stelle der Unterbringung eine Strafe zu verhängen. Satz 1 steht auch nicht der Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus oder einer Entziehungsanstalt entgegen.