Bundesgerichtshof Beschluss, 09. Apr. 2013 - 5 StR 138/13

bei uns veröffentlicht am09.04.2013

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

5 StR 138/13

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
vom 9. April 2013
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen schweren Raubes u.a.
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 9. April 2013

beschlossen:
1. Auf die Revisionen der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Saarbrücken vom 8. November 2012 gemäß § 349 Abs. 4 StPO mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
2. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Jugendkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
G r ü n d e
1
Das Landgericht hat die Angeklagten eines gemeinsam verübten Überfalls auf eine „Burger-King“-Filiale (§ 250 Abs. 1 Nr. 1b StGB) für schul- dig befunden (Tat II.1. der Urteilsgründe), den Angeklagten C. darüber hinaus einer gefährlichen Körperverletzung (§ 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB) zum Nachteil seiner damaligen Freundin G. (Tat II.2. der Urteilsgründe ). Es hat deshalb gegen den Angeklagten C. eine Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und gegen den Angeklagten Y. eine Jugendstrafe von drei Jahren und drei Monaten verhängt. Die Revisionen der Angeklagten haben jeweils mit der Sachrüge Erfolg (§ 349 Abs. 4 StPO). Auf die vom Angeklagten C. zudem erhobene Verfahrensrüge kommt es nicht mehr an.
2
1. Den Vorwurf des schweren Raubes hat der Angeklagte C. bestritten ; der Angeklagte Y. hat hierzu geschwiegen. Das Landgericht hat sich von der Täterschaft der Angeklagten im Wesentlichen aufgrund der Angaben der Zeugin G. überzeugt. Diese hat bekundet, der Angeklagte C. , für den sie inzwischen nur noch „Abscheu empfinde“ (UA S. 12), habe ihr gegenüber den Überfall zugegeben und den Angeklagten Y. als seinen Mittäter bezeichnet. Für beider Täterschaft sprächen – so das Landgericht – auch „weitere Indizien wie das anthropologische Gutachten“ (UA S. 8).
3
2. Die tatgerichtliche Beweiswürdigung (§ 261 StPO) hält rechtlicher Prüfung nicht stand.
4
a) Zwar hat das Landgericht G. zutreffend als Zeugin vom Hörensagen angesehen. Auf deren Angaben hätten daher aber die Angeklagten belastende Feststellungen nur getroffen werden dürfen, wenn die Bekundungen durch andere wichtige Gesichtspunkte bestätigt worden wären (Sander in Löwe/Rosenberg, StPO, 26. Aufl., § 261 Rn. 83a mwN). Derartige Indizien von Gewicht sind, soweit sie dem Urteil überhaupt zu entnehmen sind, nicht nachprüfbar belegt.
5
aa) Soweit das Landgericht die Bekundungen der Zeugin beurteilt als „von Details geprägt, welche auf Täterwissen basieren müssen“ (UA S. 9), setzt es sich nicht hinreichend mit der Möglichkeit auseinander, dass ihr (oder auch dem Angeklagten C. ) Angaben zur Beute und zu bei der Tat verwendeten Gegenständen deshalb möglich gewesen sein könnten, weil sie hierüber aus anderer Quelle Kenntnis erlangt hatte. Zu dieser Prüfung hätte schon deshalb Anlass bestanden, weil die „Bild-Zeitung“ über den Überfall berichtet und ein die Täter zeigendes Foto veröffentlicht hatte, das einem während der Tatbegehung durch eine in der „Burger-King“-Filialeinstallierte Kamera aufgenommenen Überwachungsvideo entstammt. Einzelheiten dieses Zeitungsberichts werden im Urteil nicht wiedergegeben.
6
bb) Auch das anhand des Überwachungsvideos erstellte anthropologische Gutachten erweist sich als wenig aussagekräftig. Nach den Urteilsgrün- den habe zwar die Sachverständige „von einer wahrscheinlichen Identität der Angeklagten mit den auf dem … untersuchten Video zu sehenden Personen“ gesprochen (UA S. 13). Jedoch kann der sich daraus ergebende Beweiswert schon deshalb nicht beurteilt werden, weil die von der Sachverständigen zugrunde gelegte Bewertungsskala nicht mitgeteilt wird, so dass das Ergebnis des Gutachtens nicht nachvollzogen werden kann (hierzu Sander aaO Rn. 90b). Dies gilt in besonderem Maße, als es wenig später heißt, die Kör- perproportionen böten einen „Anhaltspunkt dafür, dass die Angeklagten nicht als Täter ausgeschlossen werden können“. Wäre dies jedoch das Ergebnis des Gutachtens, läge hierin kaum ein gewichtiges Belastungsindiz.
7
cc) Das Landgericht hat die Glaubhaftigkeit der Aussage der Zeugin G. zudem als durch die Bekundungen des polizeilichen Vernehmungsbeamten untermauert angesehen. Dieser hat angegeben, die Zeugin habe über den Raubüberfall hinaus „häufig ohne Nachfrage Taten und Tatorte benannt“ , die „mit den tatsächlichen Geschehnissen abgeglichen worden“ seien , „es habe Übereinstimmungen gegeben“ (UA S. 12). Insofern werden je- doch keine Einzelheiten mitgeteilt, so dass dem Senat eine Prüfung nicht möglich ist, wie bedeutsam solche Übereinstimmungen waren und ob mit der beiden Angeklagten vorgeworfenen Tat ein Zusammenhang bestand.
8
dd) Die Schilderungen der Tat durch die überfallenen Mitarbeiter der „Burger-King“-Filialevermögen die Angaben der Zeugin G. ebenfalls nicht ausreichend zu stützen. Beide Zeugen haben zwar die Körpergröße der Täter etwa entsprechend derjenigen der – türkischstämmigen – Angeklagten geschätzt. Sie haben aber auch bekundet, bei kurzen Äußerungen sei ein russischer Akzent wahrnehmbar gewesen, ferner habe ein Täter den Namen „Sergej“ gerufen (UA S. 15).
9
ee) Den im Rahmen der Schilderung der persönlichen Verhältnisse dargelegten Umstand, dass der Angeklagte Y. u.a. wegen versuchter räuberischer Erpressung vorbestraft ist, hat das Landgericht bei seiner Beweiswürdigung nicht erwogen und insbesondere nicht dargelegt, ob es sich bei der im Jahr 2008 verurteilten Tat um ein dem jetzigen Vorwurf vergleichbares Geschehen gehandelt hat.
10
b) Die danach rechtsfehlerhafte Beweiswürdigung führt hinsichtlich beider Angeklagter zur Aufhebung des Schuldspruchs für die Tat II.1. der Urteilsgründe.
11
3. Betreffend die Tat II.2. der Urteilsgründe hat der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift vom 27. März 2013 zutreffend ausgeführt: „Hinsichtlichdes Angeklagten C. muss auch die Verurteilung wegen gefährlicher Körperverletzung zum Nachteil der Nebenklägerin G. mit aufgehoben werden. Der neue Tatrichter muss im Hinblick auf die zeitlichen und sachlichen Verknüpfungen der Beschuldigungen durch die Zeugin G. Gelegenheit haben, ohne Bindung an rechts- kräftige Feststellungen zu entscheiden“.
12
Zudem sollten die Voraussetzungen einer lebensgefährdenden Behandlung (§ 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB) deutlicher als bisher belegt werden.
Basdorf Sander Schneider Dölp Bellay

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Referenzen - Gesetze

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Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

Strafprozeßordnung - StPO | § 261 Grundsatz der freien richterlichen Beweiswürdigung


Über das Ergebnis der Beweisaufnahme entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Inbegriff der Verhandlung geschöpften Überzeugung.

Strafgesetzbuch - StGB | § 224 Gefährliche Körperverletzung


(1) Wer die Körperverletzung 1. durch Beibringung von Gift oder anderen gesundheitsschädlichen Stoffen,2. mittels einer Waffe oder eines anderen gefährlichen Werkzeugs,3. mittels eines hinterlistigen Überfalls,4. mit einem anderen Beteiligten gemeins

Strafgesetzbuch - StGB | § 250 Schwerer Raub


(1) Auf Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren ist zu erkennen, wenn 1. der Täter oder ein anderer Beteiligter am Raub a) eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug bei sich führt,b) sonst ein Werkzeug oder Mittel bei sich führt, um den Wider

Referenzen

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

(1) Auf Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren ist zu erkennen, wenn

1.
der Täter oder ein anderer Beteiligter am Raub
a)
eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug bei sich führt,
b)
sonst ein Werkzeug oder Mittel bei sich führt, um den Widerstand einer anderen Person durch Gewalt oder Drohung mit Gewalt zu verhindern oder zu überwinden,
c)
eine andere Person durch die Tat in die Gefahr einer schweren Gesundheitsschädigung bringt oder
2.
der Täter den Raub als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung von Raub oder Diebstahl verbunden hat, unter Mitwirkung eines anderen Bandenmitglieds begeht.

(2) Auf Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren ist zu erkennen, wenn der Täter oder ein anderer Beteiligter am Raub

1.
bei der Tat eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug verwendet,
2.
in den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 eine Waffe bei sich führt oder
3.
eine andere Person
a)
bei der Tat körperlich schwer mißhandelt oder
b)
durch die Tat in die Gefahr des Todes bringt.

(3) In minder schweren Fällen der Absätze 1 und 2 ist die Strafe Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren.

(1) Wer die Körperverletzung

1.
durch Beibringung von Gift oder anderen gesundheitsschädlichen Stoffen,
2.
mittels einer Waffe oder eines anderen gefährlichen Werkzeugs,
3.
mittels eines hinterlistigen Überfalls,
4.
mit einem anderen Beteiligten gemeinschaftlich oder
5.
mittels einer das Leben gefährdenden Behandlung
begeht, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren, in minder schweren Fällen mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.

(2) Der Versuch ist strafbar.

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

Über das Ergebnis der Beweisaufnahme entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Inbegriff der Verhandlung geschöpften Überzeugung.

(1) Wer die Körperverletzung

1.
durch Beibringung von Gift oder anderen gesundheitsschädlichen Stoffen,
2.
mittels einer Waffe oder eines anderen gefährlichen Werkzeugs,
3.
mittels eines hinterlistigen Überfalls,
4.
mit einem anderen Beteiligten gemeinschaftlich oder
5.
mittels einer das Leben gefährdenden Behandlung
begeht, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren, in minder schweren Fällen mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.

(2) Der Versuch ist strafbar.