Bundesgerichtshof Beschluss, 12. Feb. 2020 - 4 StR 631/19

published on 12/02/2020 00:00
Bundesgerichtshof Beschluss, 12. Feb. 2020 - 4 StR 631/19
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Landgericht Stendal, 50, 19/11/2001

Gericht


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 631/19
vom
12. Februar 2020
in der Strafsache
gegen
wegen schweren sexuellen Missbrauchs eines Kindes u.a.
ECLI:DE:BGH:2020:120220B4STR631.19.0

Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 12. Februar 2020 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Stendal vom 29. August 2019 aufgehoben
a) in den Fällen II. 1 bis 3 und 5 bis 7 der Urteilsgründe im Strafausspruch;
b) im Ausspruch über die Gesamtstrafe. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 3. Die weiter gehende Revision wird verworfen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schweren sexuellen Missbrauchs eines Kindes in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch eines Schutzbefohlenen in einem Fall und sexuellen Missbrauchs eines Kindes in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch eines Schutzbefohlenen in sechs Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt, von denen sechs Monate als vollstreckt gelten. Ferner hat es eine Adhäsionsentscheidung getroffen. Seine hiergegen gerichtete Revision hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Erfolg; im Übrigen ist sie unbegründet.
2
1. Die Einzelstrafen in den Fällen II. 1 bis 3 und 5 bis 7 der Urteilsgründe können nicht bestehen bleiben, weil die Strafkammer dem Angeklagten angelastet hat, dass er im Tatzeitraum (Sommer 2007 bis zum 4. Juni 2012) „in der Zeit vom 20. August 2008 bis zum 20. September 2011 und vom 28. November 2011 bis zum Ende des Tatzeitraumes unter Bewährung stand“ (UA 57). Diese Wendung kann nur dahingehend verstanden werden, dass dem Angeklagten jeweils ein Bewährungsbruch zur Last gelegt werden soll. Dies aber wird von den Feststellungen nicht getragen. Die Tat II. 1 der Urteilsgründe fand im Sommer 2007 und damit sicher außerhalb der festgestellten Bewährungszeiten statt. Für die Taten II. 2 und 3 (Sommer 2007 bis 4. Juni 2012), II. 5 (Sommer /Herbst 2008 bis 4. Juni 2012), II. 6 (2010 bis 4. Juni 2012) und II. 7 der Urteilsgründe (Sommer 2007 bis 4. Juni 2012) sind Tatzeiträume festgestellt, die jeweils auch bewährungsfreie Zeiten umfassen. Da auch insoweit der Zweifelsgrundsatz gilt (vgl. BGH, Beschluss vom 28. August 2018 – 4 StR 320/18 Rn. 5; Beschluss vom 17. Juli 2008 – 4 StR 221/08 Rn. 4 mwN), hätte deshalb für jede einzelne Tat zugunsten des Angeklagten angenommen werden müssen, dass sie in einer bewährungsfreien Zeit begangen worden ist, sodass für die Annahme eines Bewährungsbruchs kein Raum bleibt.
3
Der Senat vermag nicht auszuschließen, dass die in den genannten Fällen verhängten Einzelstrafen auf diesem Rechtsfehler beruhen. Die rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen können bestehen bleiben. Die Aufhebung der Einzelstrafen entzieht der Gesamtstrafe die Grundlage. Die Kompensationsentscheidung (vgl. BGH, Urteil vom 18. Juni 2009 – 3 StR 89/09, BGHR StPO § 344 Abs. 1 – Beschränkung 19) und der Adhäsionsausspruch bleiben hiervon unberührt.
4
2. Die im Fall II. 4 der Urteilsgründe (Tatzeit: Silvesternacht 2007/2008, 2008/2009 oder 2009/2010) verhängte Einzelstrafe hat dagegen Bestand. Zwar ist dem Angeklagten auch hier ein Bewährungsbruch zur Last gelegt worden, obgleich eine Tatbegehung in einer bewährungsfreien Zeit in Betracht kommt, doch kann ein Beruhen der Strafbemessung hierauf ausgeschlossen werden, weil die Strafkammer die gesetzliche Mindeststrafe verhängt hat.
5
3. Im Übrigen hat die Überprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben (§ 349 Abs. 2 StPO).
Sost-Scheible Roggenbuck Cierniak Quentin Feilcke
Vorinstanz:
Stendal, LG, 29.08.2019 ‒ 307 Js 13208/13 503 KLs 11/19
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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

(1) Der Beschwerdeführer hat die Erklärung abzugeben, inwieweit er das Urteil anfechte und dessen Aufhebung beantrage (Revisionsanträge), und die Anträge zu begründen. (2) Aus der Begründung muß hervorgehen, ob das Urteil wegen Verletzung einer R
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Annotations

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

(1) Der Beschwerdeführer hat die Erklärung abzugeben, inwieweit er das Urteil anfechte und dessen Aufhebung beantrage (Revisionsanträge), und die Anträge zu begründen.

(2) Aus der Begründung muß hervorgehen, ob das Urteil wegen Verletzung einer Rechtsnorm über das Verfahren oder wegen Verletzung einer anderen Rechtsnorm angefochten wird. Ersterenfalls müssen die den Mangel enthaltenden Tatsachen angegeben werden.

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.