Bundesgerichtshof Beschluss, 15. Mai 2019 - 4 StR 53/19

bei uns veröffentlicht am15.05.2019

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 53/19
vom
15. Mai 2019
in der Strafsache
gegen
wegen gefährlicher Körperverletzung u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts
und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 15. Mai 2019 einstimmig beschlossen
:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts
Bochum vom 23. Oktober 2018 wird als unbegründet verworfen, da die
Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung keinen
Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben hat (§ 349 Abs. 2
Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.
ECLI:DE:BGH:2019:150519B4STR53.19.0

Ergänzend zur Antragsschrift des Generalbundesanwalts bemerkt der Senat:
Das Landgericht hat sich im Fall II.1 der Urteilsgründe zwar nicht ausdrücklich mit den Voraussetzungen des Vorliegens eines minder schweren Falles des § 224 StGB unter dem Gesichtspunkt einer – hier festgestellten – Tatprovokation im Sinne des § 213 1. Alt. StGB durch das Opfer auseinandergesetzt, was sich aber nicht als durchgreifend rechtsfehlerhaft erweist. Diese Prüfung war hier ausnahmsweise entbehrlich angesichts der vom Landgericht herangezogenen gravierenden strafschärfenden Umstände (vgl. BGH, Beschlüsse vom 19. Juni 2012 – 3 StR 206/12, NStZ-RR 2012, 308 und vom 27. März 2012 – 5 StR 103/12, NStZ-RR 2012, 277). Der Angeklagte war zur Tatzeit nicht nur erheblich wegen einschlägiger Taten vorbestraft , sondern er stand wegen einer solchen Tat zudem unter laufender Bewährung. Die Folgen für das Opfer waren erheblich. Dass der Angeklagte vom Tatopfer kurz vor der Tat erheblich beleidigt und dadurch zur Tat provoziert wurde, hat das Landgericht dem Angeklagten sowohl bei der Strafrahmenwahl als auch bei der Bemessung der Strafe zugute gebracht.
Dem Gesamtzusammenhang der Urteilgründe ist zur Tat II. 2 noch hinreichend zu entnehmen, dass der Angeklagte jedenfalls nicht freiwillig von einer weiteren Tatbegehung Abstand nahm, ein Rücktritt von der versuchten Körperverletzung zum Nachteil des Polizeibeamten deshalb auszuschließen ist.
Sost-Scheible Roggenbuck Cierniak
Feilcke Paul

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Strafgesetzbuch - StGB | § 224 Gefährliche Körperverletzung


(1) Wer die Körperverletzung 1. durch Beibringung von Gift oder anderen gesundheitsschädlichen Stoffen,2. mittels einer Waffe oder eines anderen gefährlichen Werkzeugs,3. mittels eines hinterlistigen Überfalls,4. mit einem anderen Beteiligten gemeins

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Bundesgerichtshof Beschluss, 27. März 2012 - 5 StR 103/12

bei uns veröffentlicht am 27.03.2012

5 StR 103/12 BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS vom 27. März 2012 in der Strafsache gegen wegen gefährlicher Körperverletzung Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 27. März 2012 beschlossen: Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des

Bundesgerichtshof Beschluss, 19. Juni 2012 - 3 StR 206/12

bei uns veröffentlicht am 19.06.2012

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 3 StR 206/12 vom 19. Juni 2012 in der Strafsache gegen wegen gefährlicher Körperverletzung u.a. Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts und nach Anhörung des Beschwerdeführers am

Referenzen

(1) Wer die Körperverletzung

1.
durch Beibringung von Gift oder anderen gesundheitsschädlichen Stoffen,
2.
mittels einer Waffe oder eines anderen gefährlichen Werkzeugs,
3.
mittels eines hinterlistigen Überfalls,
4.
mit einem anderen Beteiligten gemeinschaftlich oder
5.
mittels einer das Leben gefährdenden Behandlung
begeht, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren, in minder schweren Fällen mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.

(2) Der Versuch ist strafbar.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 206/12
vom
19. Juni 2012
in der Strafsache
gegen
wegen gefährlicher Körperverletzung u.a.
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts
und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 19. Juni 2012 gemäß
§ 349 Abs. 2 und 4 StPO einstimmig beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Mönchengladbach vom 25. Januar 2012 im Strafausspruch - unter Aufrechterhaltung der Feststellungen - aufgehoben. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels und die dem Nebenkläger dadurch entstandenen notwendigen Auslagen, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung in Tateinheit mit Nötigung und mit "unerlaubtem Führen einer halbautomatischen Kurzwaffe zum Verschießen von Patronenmunition" zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren und sechs Monaten verurteilt sowie eine Entscheidung im Adhäsionsverfahren getroffen. Die hiergegen gerichtete, auf sachlichrechtliche Beanstandungen gestützte Revision des Angeklagten hat den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg.
2
Während der Schuldspruch und die Adhäsionsentscheidung rechtlicher Nachprüfung standhalten, kann der Strafausspruch nicht bestehen bleiben. Der Generalbundesanwalt hat hierzu ausgeführt: "Die Strafkammer hat das Vorliegen eines minder schweren Falls gemäß § 224 Abs. 1 letzter Hs. StGB nicht erörtert, obwohl hierzu Anlass bestand. Nach den Feststellungen (UA S. 5 f.) und der eigenen rechtlichen Würdigung der Strafkammer (UA S. 11) ist der Angeklagte vom Geschädigten zur Tat provoziert worden. Zwar trifft die Auffassung der Revision, dass beim Vorliegen der Voraussetzungen des für Totschlagsdelikte geltenden § 213 1. Alt. StGB bei Körperverletzungsdelikten zwingend ein minder schwerer Fall anzunehmen sei (RB S. 5 f.), nicht zu. Zu Unrecht beruft die Revision sich zum Beleg ihrer Auffassung auf Entscheidungen des Bundesgerichtshofs aus den 80er Jahren. Diese bezogen sich auf die damaligen Strafrahmen von Gewaltdelikten , die durch das 6. Strafrechtsreformgesetz einer grundlegenden Änderung unterzogen worden sind. Zudem hat der Bundesgerichtshof seit dem Urteil vom 24. September 1998 - 4 StR 272/98, BGHSt 44, 196) anerkannt, dass vollendete Körperverletzungsdelikte durch versuchte Tötungsdelikte nicht verdrängt werden. Nach zutreffender Ansicht ist daher die Tatprovokation bei Körperverletzungsdelikten als Strafmilderungsgrund zu berücksichtigen; sie kann zur Annahme eines minder schweren Falles führen, muss dies aber nicht (vgl. Fischer StGB 59. Aufl. § 224 Rdnr. 15 m. w. N.). Liegt allerdings eine Tatprovokation vor, wird die Annahme eines minder schweren Falles regelmäßig nicht derart fernliegen, dass eine Erörterung rechtlich entbehrlich würde (vgl. BGH Beschluss vom 10. August 2004 - 3 StR 263/04, StV 2004, 654). So war es hier, zumal die Kammer weitere Milderungsgründe für die Zumessung der Strafe als bestimmend angesehen hat, namentlich das Geständnis und die bisherige Straffreiheit des Angeklagten (UA S. 11). Angesichts dieser Umstände ist auch nicht auszuschließen, dass das Landgericht bei Prüfung des minder schweren Falls zu einem milderen Strafrahmen und einer milderen Strafe gelangt wäre."
3
Dem schließt sich der Senat an.
Becker Pfister RiBGH Hubert befindet sich im Urlaub und ist daher gehindert zu unterschreiben. Becker Mayer Spaniol
5 StR 103/12

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
vom 27. März 2012
in der Strafsache
gegen
wegen gefährlicher Körperverletzung
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 27. März 2012

beschlossen:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Berlin vom 25. Oktober 2011 wird nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.
Ergänzend bemerkt der Senat: Die Annahme eines unbeendeten Tötungsversuchs und die darauf gründende Zubilligung strafbefreienden Rücktritts (vgl. dazu BGH, Beschluss vom 19. Mai 1993 – GSSt 1/93, BGHSt 39, 221, 227 f.) beschwert den Angeklagten nicht.
Ebenso wenig beschwert den zu vier Jahren Freiheitsstrafe aus dem Strafrahmen nach §§ 213, 23, 49 Abs. 1 StGB verurteilten Angeklagten die inkonsequente und unrichtige Strafrahmenwahl des Landgerichts. Das Vorliegen der Voraussetzungen der ersten Alternative des § 213 StGB legt die Zubilligung eines minder schweren Falles nach § 224 Abs. 1 Halbsatz 2 StGB zwar nahe (vgl. BGH, Urteil vom 17. März 2011 – 5 StR 4/11, StraFo 2012, 24 mwN), zwingt jedoch – wenn, wie hier, gravierende erschwerende Umstände in den Vorbelastungen des Angeklagten und der Art der Tatausführung ge- geben sind – nicht dazu. Daher wäre die Strafe zutreffend – nicht anders als bei der Annahme idealkonkurrierenden versuchten Totschlags – dem Normalstrafrahmen des § 224 Abs. 1 StGB zu entnehmen gewesen.
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