Bundesgerichtshof Beschluss, 10. Dez. 2002 - 4 StR 451/02
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
a) das Verfahren eingestellt, soweit der Angeklagte im Fall II 3 verurteilt worden ist; insoweit trägt die Staatskasse die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Angeklagten;
b) das Urteil des Landgerichts Halle vom 24. Juni
2002
aa) aufgehoben, soweit der Angeklagte im Fall II 6 verurteilt worden ist; bb) im Schuldspruch dahin geändert, daß der Angeklagte in den Fällen II 1, 2, 4 und 5 der Vergewaltigung in Tateinheit mit sexuellem Mißbrauch einer Schutzbefohlenen sowie des sexuellen Mißbrauchs eines Kindes in drei Fällen schuldig ist; cc) im Strafausspruch in den Fällen II 1, 2 und 5 sowie im Ausspruch über die Gesamtstrafe aufgehoben. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die übrigen Ko-sten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer (Jugendschutzkammer) des Landgerichts zurückverwiesen. 3. Die weiter gehende Revision wird verworfen.
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten "wegen Vergewaltigung in Tateinheit mit sexuellem Mißbrauch von Schutzbefohlenen, wegen dreifachen sexuellen Mißbrauchs von Kindern, jeweils in Tateinheit mit sexuellem Mißbrauch von Schutzbefohlenen, wegen schweren sexuellen Mißbrauchs von Kindern in Tateinheit mit sexuellem Mißbrauch von Schutzbefohlenen und wegen eines weiteren Mißbrauchs von Schutzbefohlenen" zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und drei Monaten verurteilt. Gegen dieses Urteil wendet sich der Angeklagte mit seiner Revision, mit der er die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt. Das Rechtsmittel hat mit der Sachrüge den aus der Beschlußformel ersichtlichen Teilerfolg; im übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
1. Wie der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift vom 28. Oktober 2002 zutreffend ausgeführt hat, steht der Verurteilung wegen sexuellen Mißbrauchs von Schutzbefohlenen in den Fällen II 1 bis 3 und 5 der Urteilsgründe das von Amts wegen zu berücksichtigende Verfahrenshindernis der Strafverfolgungsverjährung entgegen. Der Senat stellt daher das Verfahren im Fall II 3 (Verurteilung wegen sexuellen Mißbrauchs einer Schutzbefohlenen zum Nachteil der Sandy B. ) ein und berichtigt die Schuldsprüche in den Fäl-
len II 1, 2 und 5 (sexueller Mißbrauch eines Kindes in drei Fällen; die jeweils tateinheitliche Verurteilung wegen sexuellen Mißbrauchs einer Schutzbefohlenen entfällt). Der Schuldspruch im Fall II 4 (Vergewaltigung in Tateinheit mit sexuellem Mißbrauch einer Schutzbefohlenen) ist rechtsfehlerfrei.
2. Die Verurteilung im Fall II 6 der Urteilsgründe wegen sexuellen Mißbrauchs einer Schutzbefohlenen (§ 174 Abs. 1 Nr. 1 StGB) muß aufgehoben werden, weil den Feststellungen nicht zu entnehmen ist, daß dem Angeklagten die 15jährige Reitschülerin Maja P. "zur Betreuung in der Lebensführung" anvertraut war. Dazu wäre erforderlich gewesen, daß zwischen beiden ein Verhältnis bestand, kraft dessen dem Angeklagten das Recht und die Pflicht oblag, die Lebensführung der Jugendlichen und damit deren geistig-sittliche Entwicklung zu überwachen und zu leiten (vgl. BGHSt 41, 137, 138 ff.; BGHR StGB § 174 Abs. 1 Obhutsverhältnis 1; BGH bei Pfister NStZ-RR 2000, 353 f.). Festgestellt ist aber lediglich, daß die Mutter des Mädchens "ihre Tochter in die Verantwortung des Angeklagten (übergeben hatte)", weil diese einen Nachmittag , eine Nacht und den folgenden Tag auf dem Reiterhof des Angeklagten verbringen sollte. Ein dem Schutzzweck des § 174 Abs. 1 Nr. 1 StGB entsprechendes "Abhängigkeitsverhältnis" (BGHSt 41, 137, 139) ist damit nicht dargetan. Da ergänzende Feststellungen, die ein Obhutsverhältnis belegen können , nicht ausgeschlossen erscheinen, verweist der Senat die Sache insoweit zu neuer Verhandlung und Entscheidung zurück.
3. Die Schuldspruchänderung in den Fällen II 1, 2 und 5 der Urteilsgründe führt zur Aufhebung der Strafaussprüche in diesen Fällen; denn es kann nicht ausgeschlossen werden, daß die fehlerhafte Verurteilung auch wegen sexuellen Mißbrauchs einer Schutzbefohlenen strafschärfend berücksichtigt
wurde. Die für den Fall II 4 rechtsfehlerfrei festgesetzte Einzelstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten Freiheitsstrafe wird davon nicht berührt; sie kann bestehen bleiben. Als Folge der Aufhebung der Einzelstrafen - außer im Fall II 4 - entfällt auch der Ausspruch über die Gesamtstrafe.
4. Mit der Teilaufhebung des Urteils hat sich die vom Angeklagten eingelegte Kostenbeschwerde erledigt (vgl. Meyer-Goßner StPO 46. Aufl. § 464 Rdn. 20).
Tepperwien Maatz Kuckein
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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.
(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.
(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.
(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.
(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.
(1) Wer sexuelle Handlungen
- 1.
an einer Person unter achtzehn Jahren, die ihm zur Erziehung oder zur Betreuung in der Lebensführung anvertraut ist, - 2.
an einer Person unter achtzehn Jahren, die ihm im Rahmen eines Ausbildungs-, Dienst- oder Arbeitsverhältnisses untergeordnet ist, unter Missbrauch einer mit dem Ausbildungs-, Dienst- oder Arbeitsverhältnis verbundenen Abhängigkeit oder - 3.
an einer Person unter achtzehn Jahren, die sein leiblicher oder rechtlicher Abkömmling ist oder der seines Ehegatten, seines Lebenspartners oder einer Person, mit der er in eheähnlicher oder lebenspartnerschaftsähnlicher Gemeinschaft lebt,
(2) Mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren wird eine Person bestraft, der in einer dazu bestimmten Einrichtung die Erziehung, Ausbildung oder Betreuung in der Lebensführung von Personen unter achtzehn Jahren anvertraut ist, und die sexuelle Handlungen
- 1.
an einer Person unter sechzehn Jahren, die zu dieser Einrichtung in einem Rechtsverhältnis steht, das ihrer Erziehung, Ausbildung oder Betreuung in der Lebensführung dient, vornimmt oder an sich von ihr vornehmen lässt oder - 2.
unter Ausnutzung ihrer Stellung an einer Person unter achtzehn Jahren, die zu dieser Einrichtung in einem Rechtsverhältnis steht, das ihrer Erziehung, Ausbildung oder Betreuung in der Lebensführung dient, vornimmt oder an sich von ihr vornehmen lässt.
(3) Wer unter den Voraussetzungen des Absatzes 1 oder 2
- 1.
sexuelle Handlungen vor dem Schutzbefohlenen vornimmt, um sich oder den Schutzbefohlenen hierdurch sexuell zu erregen, oder - 2.
den Schutzbefohlenen dazu bestimmt, daß er sexuelle Handlungen vor ihm vornimmt,
(4) Der Versuch ist strafbar.
(5) In den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 1, des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 oder des Absatzes 3 in Verbindung mit Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 oder mit Absatz 2 Satz 1 Nummer 1 kann das Gericht von einer Bestrafung nach dieser Vorschrift absehen, wenn das Unrecht der Tat gering ist.