Bundesgerichtshof Beschluss, 10. Nov. 2011 - 4 StR 417/11

bei uns veröffentlicht am10.11.2011

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 417/11
vom
10. November 2011
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen schweren Raubes u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und der Beschwerdeführer am 10. November 2011 gemäß § 349
Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten P. wird das Urteil des Landgerichts Schwerin vom 7. April 2011, soweit es ihn betrifft, im Maßregelausspruch aufgehoben. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 3. Die weiter gehende Revision des Angeklagten P. sowie die Revision des Angeklagten Po. werden verworfen. 4. Der Angeklagte Po. hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat die Angeklagten jeweils wegen Diebstahls und schweren Raubes schuldig gesprochen. Es hat den Angeklagten Po. zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und fünf Monaten und den Angeklagten P. zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und neun Monaten verurteilt. Ferner hat es die Unterbringung des Angeklagten P. in der Sicherungsverwahrung angeordnet.
2
Gegen dieses Urteil wenden sich beide Angeklagte mit ihren Revisionen und rügen die Verletzung materiellen Rechts. Lediglich das Rechtsmittel des Angeklagten P. hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg.

I.


3
Die auf die Sachrüge vorzunehmende Nachprüfung des angefochtenen Urteils hat einen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten Po. nicht ergeben.

II.


4
Entsprechendes gilt hinsichtlich des Schuld- und Strafausspruchs, soweit der Angeklagte P. verurteilt worden ist. Die Anordnung der Unterbringung dieses Angeklagten in der Sicherungsverwahrung hält rechtlicher Nachprüfung jedoch nicht stand.
5
1. Das Landgericht hat die formellen Voraussetzungen der Anordnung der Sicherungsverwahrung nach § 66 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. § 66 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 StGB a.F., die bei der vor dem 31. Dezember 2010 begangenen Anlasstat nach Maßgabe der Übergangsvorschrift des Art. 316e Abs. 1 und 2 EGStGB sowie der vom Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung vom 4. Mai 2011 – 2 BvR 2365/09 (NJW 2011, 1931, Tz. 172) getroffenen Fortgeltungsanordnung weiterhin anzuwenden ist, rechtsfehlerfrei bejaht.
6
2. Die Gesamtwürdigung, auf deren Grundlage die Strafkammer zur Annahme eines Hangs des Angeklagten zu schweren Gewalttaten im Sinne des § 66 Abs. 3 Satz 1, Abs. 1 Nr. 3 StGB a.F. i.V.m. der genannten Weitergeltungsanordnung des Bundesverfassungsgerichts gelangt ist, leidet indes an einem Begründungsmangel, weil der Senat nicht prüfen kann, ob die materiellen Voraussetzungen für die Anordnung der Sicherungsverwahrung rechtsfehlerfrei angenommen worden sind.
7
a) Gemäß § 267 Abs. 6 Satz 1 StPO muss die Anordnung einer Maßregel aus sich heraus verständlich im Urteil begründet werden. Wird, was regelmäßig der Fall sein wird, die Feststellung eines Hangs auch mit den Vorverurteilungen des Täters begründet, dürfen sich die Urteilsgründe nicht mit der bloßen Mitteilung dieser Verurteilungen nach Schuldspruch und Strafmaß begnügen (BGH, Beschluss vom 30. Januar 2007 – 5 StR 517/06, NStZ 2007, 478, Tz. 5). Vielmehr müssen die Urteilsgründe im Zusammenhang mit der Darstellung des Werdegangs des Täters eine eingehende Mitteilung der Einzelheiten seiner Vortaten und ihrer Genese enthalten (BGH aaO; vgl. auch BGH, Urteil vom 2. September 1997 – 5 StR 323/97, NStZ-RR 1998, 6 Tz. 5, 6).
8
b) Diesen Anforderungen wird das angefochtene Urteil nicht gerecht.
9
Das Landgericht hat die für die Annahme eines Hanges erforderliche Gesamtwürdigung unter Berücksichtigung der delinquenten Entwicklung des Angeklagten seit seiner ersten Straftat im Alter von 14 Jahren vorgenommen und dabei maßgeblich darauf abgestellt, dass die Verbüßung der in der Vergangenheit verhängten, auch langjährigen Freiheitsstrafen diesen nicht nachhaltig zu beeindrucken vermocht habe. Die Feststellungen zur Person und zum Werdegang des Angeklagten enthalten insoweit aber nur die Mitteilung der Tatund Urteilsdaten sowie der Schuld- und der Rechtsfolgenaussprüche. Es fehlen nähere Darlegungen zu den verübten Taten, zu ihren Begleitumständen und zu Art und Folgen der jeweils verübten Gewalt. Die Maßregelanordnung, die im vorliegenden Fall vor dem Hintergrund der nur knapp mitgeteilten Delikte auch unter Berücksichtigung der nach Maßgabe der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 4. Mai 2011 gebotenen strengen Verhältnismäßigkeitsprüfung nicht fern liegt, entzieht sich daher der gebotenen umfassenden rechtlichen Überprüfbarkeit durch den Senat.
Ernemann Roggenbuck Cierniak
Franke Quentin

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Strafgesetzbuch - StGB | § 66 Unterbringung in der Sicherungsverwahrung


(1) Das Gericht ordnet neben der Strafe die Sicherungsverwahrung an, wenn 1. jemand zu Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren wegen einer vorsätzlichen Straftat verurteilt wird, die a) sich gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die per

Strafprozeßordnung - StPO | § 267 Urteilsgründe


(1) Wird der Angeklagte verurteilt, so müssen die Urteilsgründe die für erwiesen erachteten Tatsachen angeben, in denen die gesetzlichen Merkmale der Straftat gefunden werden. Soweit der Beweis aus anderen Tatsachen gefolgert wird, sollen auch diese

Einführungsgesetz zum Strafgesetzbuch - StGBEG | Art 316e Übergangsvorschrift zum Gesetz zur Neuordnung des Rechts der Sicherungsverwahrung und zu begleitenden Regelungen


(1) Die Vorschriften über die Sicherungsverwahrung in der Fassung des Gesetzes zur Neuordnung des Rechts der Sicherungsverwahrung und zu begleitenden Regelungen vom 22. Dezember 2010 (BGBl. I S. 2300) sind nur anzuwenden, wenn die Tat oder mindestens

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Bundesgerichtshof Beschluss, 30. Jan. 2007 - 5 StR 517/06

bei uns veröffentlicht am 30.01.2007

5 StR 517/06 BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS vom 30. Januar 2007 in der Strafsache gegen wegen Geiselnahme Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 30. Januar 2007 beschlossen : 1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgeric

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(1) Das Gericht ordnet neben der Strafe die Sicherungsverwahrung an, wenn

1.
jemand zu Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren wegen einer vorsätzlichen Straftat verurteilt wird, die
a)
sich gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die persönliche Freiheit oder die sexuelle Selbstbestimmung richtet,
b)
unter den Ersten, Siebenten, Zwanzigsten oder Achtundzwanzigsten Abschnitt des Besonderen Teils oder unter das Völkerstrafgesetzbuch oder das Betäubungsmittelgesetz fällt und im Höchstmaß mit Freiheitsstrafe von mindestens zehn Jahren bedroht ist oder
c)
den Tatbestand des § 145a erfüllt, soweit die Führungsaufsicht auf Grund einer Straftat der in den Buchstaben a oder b genannten Art eingetreten ist, oder den Tatbestand des § 323a, soweit die im Rausch begangene rechtswidrige Tat eine solche der in den Buchstaben a oder b genannten Art ist,
2.
der Täter wegen Straftaten der in Nummer 1 genannten Art, die er vor der neuen Tat begangen hat, schon zweimal jeweils zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist,
3.
er wegen einer oder mehrerer dieser Taten vor der neuen Tat für die Zeit von mindestens zwei Jahren Freiheitsstrafe verbüßt oder sich im Vollzug einer freiheitsentziehenden Maßregel der Besserung und Sicherung befunden hat und
4.
die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Taten ergibt, dass er infolge eines Hanges zu erheblichen Straftaten, namentlich zu solchen, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden, zum Zeitpunkt der Verurteilung für die Allgemeinheit gefährlich ist.
Für die Einordnung als Straftat im Sinne von Satz 1 Nummer 1 Buchstabe b gilt § 12 Absatz 3 entsprechend, für die Beendigung der in Satz 1 Nummer 1 Buchstabe c genannten Führungsaufsicht § 68b Absatz 1 Satz 4.

(2) Hat jemand drei Straftaten der in Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 genannten Art begangen, durch die er jeweils Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr verwirkt hat, und wird er wegen einer oder mehrerer dieser Taten zu Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt, so kann das Gericht unter der in Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 bezeichneten Voraussetzung neben der Strafe die Sicherungsverwahrung auch ohne frühere Verurteilung oder Freiheitsentziehung (Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 und 3) anordnen.

(3) Wird jemand wegen eines die Voraussetzungen nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 Buchstabe a oder b erfüllenden Verbrechens oder wegen einer Straftat nach § 89a Absatz 1 bis 3, § 89c Absatz 1 bis 3, § 129a Absatz 5 Satz 1 erste Alternative, auch in Verbindung mit § 129b Absatz 1, den §§ 174 bis 174c, 176a, 176b, 177 Absatz 2 Nummer 1, Absatz 3 und 6, §§ 180, 182, 224, 225 Abs. 1 oder 2 oder wegen einer vorsätzlichen Straftat nach § 323a, soweit die im Rausch begangene Tat eine der vorgenannten rechtswidrigen Taten ist, zu Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren verurteilt, so kann das Gericht neben der Strafe die Sicherungsverwahrung anordnen, wenn der Täter wegen einer oder mehrerer solcher Straftaten, die er vor der neuen Tat begangen hat, schon einmal zu Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist und die in Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 und 4 genannten Voraussetzungen erfüllt sind. Hat jemand zwei Straftaten der in Satz 1 bezeichneten Art begangen, durch die er jeweils Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren verwirkt hat und wird er wegen einer oder mehrerer dieser Taten zu Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt, so kann das Gericht unter den in Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 bezeichneten Voraussetzungen neben der Strafe die Sicherungsverwahrung auch ohne frühere Verurteilung oder Freiheitsentziehung (Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 und 3) anordnen. Die Absätze 1 und 2 bleiben unberührt.

(4) Im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 2 gilt eine Verurteilung zu Gesamtstrafe als eine einzige Verurteilung. Ist Untersuchungshaft oder eine andere Freiheitsentziehung auf Freiheitsstrafe angerechnet, so gilt sie als verbüßte Strafe im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 3. Eine frühere Tat bleibt außer Betracht, wenn zwischen ihr und der folgenden Tat mehr als fünf Jahre verstrichen sind; bei Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung beträgt die Frist fünfzehn Jahre. In die Frist wird die Zeit nicht eingerechnet, in welcher der Täter auf behördliche Anordnung in einer Anstalt verwahrt worden ist. Eine Tat, die außerhalb des räumlichen Geltungsbereichs dieses Gesetzes abgeurteilt worden ist, steht einer innerhalb dieses Bereichs abgeurteilten Tat gleich, wenn sie nach deutschem Strafrecht eine Straftat der in Absatz 1 Satz 1 Nummer 1, in den Fällen des Absatzes 3 der in Absatz 3 Satz 1 bezeichneten Art wäre.

(1) Die Vorschriften über die Sicherungsverwahrung in der Fassung des Gesetzes zur Neuordnung des Rechts der Sicherungsverwahrung und zu begleitenden Regelungen vom 22. Dezember 2010 (BGBl. I S. 2300) sind nur anzuwenden, wenn die Tat oder mindestens eine der Taten, wegen deren Begehung die Sicherungsverwahrung angeordnet oder vorbehalten werden soll, nach dem 31. Dezember 2010 begangen worden ist. In allen anderen Fällen ist das bisherige Recht anzuwenden, soweit in den Absätzen 2 und 3 sowie in Artikel 316f Absatz 2 und 3 nichts anderes bestimmt ist.

(2) Sind die Taten, wegen deren Begehung die Sicherungsverwahrung nach § 66 des Strafgesetzbuches angeordnet werden soll, vor dem 1. Januar 2011 begangen worden und ist der Täter deswegen noch nicht rechtskräftig verurteilt worden, so ist § 66 des Strafgesetzbuches in der seit dem 1. Januar 2011 geltenden Fassung anzuwenden, wenn diese gegenüber dem bisherigen Recht das mildere Gesetz ist.

(3) Eine nach § 66 des Strafgesetzbuches vor dem 1. Januar 2011 rechtskräftig angeordnete Sicherungsverwahrung erklärt das Gericht für erledigt, wenn die Anordnung ausschließlich auf Taten beruht, die nach § 66 des Strafgesetzbuches in der seit dem 1. Januar 2011 geltenden Fassung nicht mehr Grundlage für eine solche Anordnung sein können. Das Gericht kann, soweit dies zur Durchführung von Entlassungsvorbereitungen geboten ist, als Zeitpunkt der Erledigung spätestens den 1. Juli 2011 festlegen. Zuständig für die Entscheidungen nach den Sätzen 1 und 2 ist das nach den §§ 454, 462a Absatz 1 der Strafprozessordnung zuständige Gericht. Für das Verfahren ist § 454 Absatz 1, 3 und 4 der Strafprozessordnung entsprechend anzuwenden; die Vollstreckungsbehörde übersendet die Akten unverzüglich an die Staatsanwaltschaft des zuständigen Gerichtes, die diese umgehend dem Gericht zur Entscheidung übergibt. Mit der Entlassung aus dem Vollzug tritt Führungsaufsicht ein.

(4) § 1 des Therapieunterbringungsgesetzes vom 22. Dezember 2010 (BGBl. I S. 2300, 2305) ist unter den dortigen sonstigen Voraussetzungen auch dann anzuwenden, wenn der Betroffene noch nicht in Sicherungsverwahrung untergebracht, gegen ihn aber bereits Sicherungsverwahrung im ersten Rechtszug angeordnet war und aufgrund einer vor dem 4. Mai 2011 ergangenen Revisionsentscheidung festgestellt wurde, dass die Sicherungsverwahrung ausschließlich deshalb nicht rechtskräftig angeordnet werden konnte, weil ein zu berücksichtigendes Verbot rückwirkender Verschärfungen im Recht der Sicherungsverwahrung dem entgegenstand, ohne dass es dabei auf den Grad der Gefährlichkeit des Betroffenen für die Allgemeinheit angekommen wäre.

(1) Das Gericht ordnet neben der Strafe die Sicherungsverwahrung an, wenn

1.
jemand zu Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren wegen einer vorsätzlichen Straftat verurteilt wird, die
a)
sich gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die persönliche Freiheit oder die sexuelle Selbstbestimmung richtet,
b)
unter den Ersten, Siebenten, Zwanzigsten oder Achtundzwanzigsten Abschnitt des Besonderen Teils oder unter das Völkerstrafgesetzbuch oder das Betäubungsmittelgesetz fällt und im Höchstmaß mit Freiheitsstrafe von mindestens zehn Jahren bedroht ist oder
c)
den Tatbestand des § 145a erfüllt, soweit die Führungsaufsicht auf Grund einer Straftat der in den Buchstaben a oder b genannten Art eingetreten ist, oder den Tatbestand des § 323a, soweit die im Rausch begangene rechtswidrige Tat eine solche der in den Buchstaben a oder b genannten Art ist,
2.
der Täter wegen Straftaten der in Nummer 1 genannten Art, die er vor der neuen Tat begangen hat, schon zweimal jeweils zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist,
3.
er wegen einer oder mehrerer dieser Taten vor der neuen Tat für die Zeit von mindestens zwei Jahren Freiheitsstrafe verbüßt oder sich im Vollzug einer freiheitsentziehenden Maßregel der Besserung und Sicherung befunden hat und
4.
die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Taten ergibt, dass er infolge eines Hanges zu erheblichen Straftaten, namentlich zu solchen, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden, zum Zeitpunkt der Verurteilung für die Allgemeinheit gefährlich ist.
Für die Einordnung als Straftat im Sinne von Satz 1 Nummer 1 Buchstabe b gilt § 12 Absatz 3 entsprechend, für die Beendigung der in Satz 1 Nummer 1 Buchstabe c genannten Führungsaufsicht § 68b Absatz 1 Satz 4.

(2) Hat jemand drei Straftaten der in Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 genannten Art begangen, durch die er jeweils Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr verwirkt hat, und wird er wegen einer oder mehrerer dieser Taten zu Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt, so kann das Gericht unter der in Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 bezeichneten Voraussetzung neben der Strafe die Sicherungsverwahrung auch ohne frühere Verurteilung oder Freiheitsentziehung (Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 und 3) anordnen.

(3) Wird jemand wegen eines die Voraussetzungen nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 Buchstabe a oder b erfüllenden Verbrechens oder wegen einer Straftat nach § 89a Absatz 1 bis 3, § 89c Absatz 1 bis 3, § 129a Absatz 5 Satz 1 erste Alternative, auch in Verbindung mit § 129b Absatz 1, den §§ 174 bis 174c, 176a, 176b, 177 Absatz 2 Nummer 1, Absatz 3 und 6, §§ 180, 182, 224, 225 Abs. 1 oder 2 oder wegen einer vorsätzlichen Straftat nach § 323a, soweit die im Rausch begangene Tat eine der vorgenannten rechtswidrigen Taten ist, zu Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren verurteilt, so kann das Gericht neben der Strafe die Sicherungsverwahrung anordnen, wenn der Täter wegen einer oder mehrerer solcher Straftaten, die er vor der neuen Tat begangen hat, schon einmal zu Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist und die in Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 und 4 genannten Voraussetzungen erfüllt sind. Hat jemand zwei Straftaten der in Satz 1 bezeichneten Art begangen, durch die er jeweils Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren verwirkt hat und wird er wegen einer oder mehrerer dieser Taten zu Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt, so kann das Gericht unter den in Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 bezeichneten Voraussetzungen neben der Strafe die Sicherungsverwahrung auch ohne frühere Verurteilung oder Freiheitsentziehung (Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 und 3) anordnen. Die Absätze 1 und 2 bleiben unberührt.

(4) Im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 2 gilt eine Verurteilung zu Gesamtstrafe als eine einzige Verurteilung. Ist Untersuchungshaft oder eine andere Freiheitsentziehung auf Freiheitsstrafe angerechnet, so gilt sie als verbüßte Strafe im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 3. Eine frühere Tat bleibt außer Betracht, wenn zwischen ihr und der folgenden Tat mehr als fünf Jahre verstrichen sind; bei Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung beträgt die Frist fünfzehn Jahre. In die Frist wird die Zeit nicht eingerechnet, in welcher der Täter auf behördliche Anordnung in einer Anstalt verwahrt worden ist. Eine Tat, die außerhalb des räumlichen Geltungsbereichs dieses Gesetzes abgeurteilt worden ist, steht einer innerhalb dieses Bereichs abgeurteilten Tat gleich, wenn sie nach deutschem Strafrecht eine Straftat der in Absatz 1 Satz 1 Nummer 1, in den Fällen des Absatzes 3 der in Absatz 3 Satz 1 bezeichneten Art wäre.

(1) Wird der Angeklagte verurteilt, so müssen die Urteilsgründe die für erwiesen erachteten Tatsachen angeben, in denen die gesetzlichen Merkmale der Straftat gefunden werden. Soweit der Beweis aus anderen Tatsachen gefolgert wird, sollen auch diese Tatsachen angegeben werden. Auf Abbildungen, die sich bei den Akten befinden, kann hierbei wegen der Einzelheiten verwiesen werden.

(2) Waren in der Verhandlung vom Strafgesetz besonders vorgesehene Umstände behauptet worden, welche die Strafbarkeit ausschließen, vermindern oder erhöhen, so müssen die Urteilsgründe sich darüber aussprechen, ob diese Umstände für festgestellt oder für nicht festgestellt erachtet werden.

(3) Die Gründe des Strafurteils müssen ferner das zur Anwendung gebrachte Strafgesetz bezeichnen und die Umstände anführen, die für die Zumessung der Strafe bestimmend gewesen sind. Macht das Strafgesetz Milderungen von dem Vorliegen minder schwerer Fälle abhängig, so müssen die Urteilsgründe ergeben, weshalb diese Umstände angenommen oder einem in der Verhandlung gestellten Antrag entgegen verneint werden; dies gilt entsprechend für die Verhängung einer Freiheitsstrafe in den Fällen des § 47 des Strafgesetzbuches. Die Urteilsgründe müssen auch ergeben, weshalb ein besonders schwerer Fall nicht angenommen wird, wenn die Voraussetzungen erfüllt sind, unter denen nach dem Strafgesetz in der Regel ein solcher Fall vorliegt; liegen diese Voraussetzungen nicht vor, wird aber gleichwohl ein besonders schwerer Fall angenommen, so gilt Satz 2 entsprechend. Die Urteilsgründe müssen ferner ergeben, weshalb die Strafe zur Bewährung ausgesetzt oder einem in der Verhandlung gestellten Antrag entgegen nicht ausgesetzt worden ist; dies gilt entsprechend für die Verwarnung mit Strafvorbehalt und das Absehen von Strafe. Ist dem Urteil eine Verständigung (§ 257c) vorausgegangen, ist auch dies in den Urteilsgründen anzugeben.

(4) Verzichten alle zur Anfechtung Berechtigten auf Rechtsmittel oder wird innerhalb der Frist kein Rechtsmittel eingelegt, so müssen die erwiesenen Tatsachen, in denen die gesetzlichen Merkmale der Straftat gefunden werden, und das angewendete Strafgesetz angegeben werden; bei Urteilen, die nur auf Geldstrafe lauten oder neben einer Geldstrafe ein Fahrverbot oder die Entziehung der Fahrerlaubnis und damit zusammen die Einziehung des Führerscheins anordnen, oder bei Verwarnungen mit Strafvorbehalt kann hierbei auf den zugelassenen Anklagesatz, auf die Anklage gemäß § 418 Abs. 3 Satz 2 oder den Strafbefehl sowie den Strafbefehlsantrag verwiesen werden. Absatz 3 Satz 5 gilt entsprechend. Den weiteren Inhalt der Urteilsgründe bestimmt das Gericht unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls nach seinem Ermessen. Die Urteilsgründe können innerhalb der in § 275 Abs. 1 Satz 2 vorgesehenen Frist ergänzt werden, wenn gegen die Versäumung der Frist zur Einlegung des Rechtsmittels Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt wird.

(5) Wird der Angeklagte freigesprochen, so müssen die Urteilsgründe ergeben, ob der Angeklagte für nicht überführt oder ob und aus welchen Gründen die für erwiesen angenommene Tat für nicht strafbar erachtet worden ist. Verzichten alle zur Anfechtung Berechtigten auf Rechtsmittel oder wird innerhalb der Frist kein Rechtsmittel eingelegt, so braucht nur angegeben zu werden, ob die dem Angeklagten zur Last gelegte Straftat aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen nicht festgestellt worden ist. Absatz 4 Satz 4 ist anzuwenden.

(6) Die Urteilsgründe müssen auch ergeben, weshalb eine Maßregel der Besserung und Sicherung angeordnet, eine Entscheidung über die Sicherungsverwahrung vorbehalten oder einem in der Verhandlung gestellten Antrag entgegen nicht angeordnet oder nicht vorbehalten worden ist. Ist die Fahrerlaubnis nicht entzogen oder eine Sperre nach § 69a Abs. 1 Satz 3 des Strafgesetzbuches nicht angeordnet worden, obwohl dies nach der Art der Straftat in Betracht kam, so müssen die Urteilsgründe stets ergeben, weshalb die Maßregel nicht angeordnet worden ist.

5 StR 517/06

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
vom 30. Januar 2007
in der Strafsache
gegen
wegen Geiselnahme
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 30. Januar 2007 beschlossen
:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des
Landgerichts Dresden vom 1. September 2006 nach § 349
Abs. 4 StPO im Rechtsfolgenausspruch mit den zugehörigen
Feststellungen aufgehoben.
2. Die weitergehende Revision wird nach § 349 Abs. 2 StPO
als unbegründet verworfen.
3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung
und Entscheidung, auch über die Kosten des
Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts
zurückverwiesen.
G r ü n d e
1 Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Geiselnahme zu einer
Freiheitsstrafe von sieben Jahren verurteilt und seine Unterbringung in der
Sicherungsverwahrung angeordnet. Hiergegen wendet sich der Angeklagte
mit seiner Revision, mit der er die nur hinsichtlich der Maßregelanordnung
näher begründete Sachrüge erhebt. Das Rechtsmittel hat den aus dem Tenor
ersichtlichen Teilerfolg und ist im Übrigen unbegründet im Sinne des
2 1. Nach den Feststellungen des Landgerichts entschloss sich der seit
1992 ohne Unterbrechung inhaftierte Angeklagte in der Nacht vom 13. auf
den 14. Januar 2005, den Anstaltsgeistlichen T. als Geisel zu nehmen.
Anlass für diesen Entschluss war, dass der Angeklagte seit seiner etwa fünf
Monate zuvor erfolgten Verlegung in den Strafvollzug nach Dresden trotz
gegenteiliger Versprechungen auf der Eingangsstation verbleiben musste
und nicht die von ihm gewünschte Behandlung in der Sozialtherapeutischen
Anstalt erfuhr. Er empfand deswegen seine Lage als perspektivlos. Seine
Ankündigung, er plane eine Geiselnahme, hatte strengere Sicherungsanordnungen
, aber keine Änderung seiner Behandlungssituation zur Folge. Am
14. Januar 2005 setzte er seinen Entschluss um. Dem auf sein Verlangen in
seiner Zelle erschienenen Anstaltsgeistlichen hielt er ein geschärftes Messer
an den Hals und forderte ihn auf, sich ruhig zu verhalten, dann werde ihm
nichts passieren. Mit einer Schnur fesselte er die Hände seines Opfers auf
dem Rücken. Er verständigte einen Justizvollzugsbediensteten und als dieser
sich einen Eindruck von der Situation gemacht hatte, stellte der Angeklagte
seine Forderungen; so verlangte er ein Funkgerät, ein Gespräch mit
einer Mitgefangenen sowie Tabak, Zigarettenhülsen und Schokolade im Wert
von 200 Euro aus der Verkaufsstelle der Justizvollzugsanstalt, welches von
seinem Einkaufskonto abgebucht werden sollte. Das dem Angeklagten sofort
übergebene Funkgerät warf er aus dem Fenster, da er damit nicht umgehen
konnte; die Genussmittel wurden ihm übergeben und auch die Mitgefangene
wurde zu seiner Zelle gebracht, so dass sich der Angeklagte längere Zeit mit
ihr unterhalten konnte. Währenddessen legte er das Messer auf den Tisch im
Haftraum. Er behandelte den Anstaltsgeistlichen respektvoll und bot ihm
auch Getränke an. Als jener ihn darauf aufmerksam machte, dass sich die
Fesseln lösten, erneuerte der Angeklagte sie nicht. Der Anstaltsgeistliche
versuchte nicht, das Messer zu nehmen, da er sich zu keinem Zeitpunkt gefährdet
fühlte und sicher war, dass seine Geiselnahme unblutig beendet werden
könnte. Tatsächlich entschloss sich der Angeklagte nach etwa viereinhalb
Stunden im Rahmen eines Gesprächs mit der Mitgefangenen zur Aufgabe.
Später besprach er auch die Einzelheiten des beabsichtigten Vorgehens
mit ihr und übergab ihr das Messer. Wie mit dem Einsatzkommando
verabredet, legte sich der Angeklagte auf den Boden, damit er festgenommen
werden konnte.
3 2. Der gesamte Rechtsfolgenausspruch kann keinen Bestand haben.
4 a) Soweit das Landgericht die Voraussetzungen des § 66 Abs. 1 StGB
angenommen hat, leidet das Urteil an einem Begründungsmangel, der deshalb
durchgreifend ist, weil der Senat anhand des Urteils nicht prüfen kann,
ob die Voraussetzungen des § 66 Abs. 1 StGB rechtsfehlerfrei angenommen
worden sind.
5 Nach § 267 Abs. 6 Satz 1 StPO muss die Anordnung einer Maßregel
aus sich heraus verständlich im Urteil begründet werden. Gebotene eigene
Urteilsfeststellungen oder Würdigungen dürfen nicht durch Bezugnahmen
ersetzt werden, weil sonst eine revisionsgerichtliche Kontrolle nicht möglich
ist (BGHR StPO § 267 Abs. 1 Satz 1 Bezugnahme 3; BGH NStZ-RR 2000,
304; BGH NStZ-RR 2007, 22; BGH, Beschluss vom 9. Januar 2007 – 5 StR
489/06). Diesen Anforderungen werden die Ausführungen des Landgerichts
nicht gerecht. Die Feststellung eines Hangs im Sinne des § 66 Abs. 1
Nr. 3 StGB ist mit den Vorverurteilungen des Angeklagten begründet worden.
Hierzu teilt das Landgericht aber nur Schuldspruch und Strafmaß mit, im Übrigen
verweist es auf die „angesiegelten Urteilsabschriften“. Die Darstellung
des Lebenslaufs des Angeklagten einschließlich seiner Vorstrafen beschränkt
sich auf wenige Zeilen. Darin liegt keine für die Anordnung der Unterbringung
in der Sicherungsverwahrung hinreichende Begründung. Die erforderliche
Darstellung des Werdeganges des Angeklagten unter besonderer
Berücksichtigung seiner Vortaten und ihrer Genese sowie die Behandlung
der Frage, ob die Vortaten auf einem Hang zu delinquentem Verhalten beruhen
und welche typischen Begehungsweisen dem Angeklagten zu eigen sind
(vgl. BGH NStZ-RR 2001, 103), fehlen und werden auch durch die „angesiegelten“
Urteile – die durch die „Ansiegelung“ nicht Bestandteil der Urteilsgründe
werden – nicht ersetzt. Zudem fehlt auch die Mitteilung, wie sich der
nach § 246a StPO angehörte Sachverständige zum Vorliegen eines Hanges
im Sinne des § 66 Abs. 1 Nr. 3 StGB geäußert hat. Angesichts der psychi-
schen Gesamtbefindlichkeit des Angeklagten und des Charakters der Tat
versteht sich die Annahme eines Hanges nicht von selbst.
6 b) Auch der Strafausspruch kann keinen Bestand haben, da die Erwägungen
, mit denen das Landgericht die Annahme eines minder schweren
Falles gemäß § 239b Abs. 2, § 239a Abs. 2 StGB verneint hat, ebenfalls
nicht nachvollziehbar begründet sind. Da keine ausreichenden Feststellungen
zum Lebenslauf und den Vorstrafen des Angeklagten getroffen worden
sind (oben a), kann der Senat auch nicht überprüfen, ob – wovon das Landgericht
ausgeht – die Täterpersönlichkeit der Annahme eines minder schweren
Falls entgegensteht. Dies versteht sich angesichts der Milderungsgründe
von Gewicht, insbesondere der freiwilligen Aufgabe der Tat durch den Angeklagten
, die jedenfalls der durch § 239b Abs. 2, § 239a Abs. 4 StGB privilegierten
„tätigen Reue“ sehr nahe kommt (vgl. hierzu BGH NStZ-RR 2003,
605), nicht ohne weiteres.
Häger Gerhardt Raum
Brause Schaal