Bundesgerichtshof Beschluss, 05. Dez. 2018 - 4 StR 392/18
Bundesgerichtshof
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers und des Generalbundesanwalts, zu Ziffer 3. auf dessen Antrag, am 5. Dezember 2018 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO einstimmig beschlossen:
Gründe:
- 1
- Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Beihilfe zum bandenmäßigen unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt. Die hiergegen gerichtete, auf eine Verfahrensrüge sowie die unausgeführte Sachrüge gestützte Revision hat mit der Sachrüge überwiegend Erfolg. im Übrigen ist das Rechtsmittel unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).
- 2
- 1. Die Verurteilung des Angeklagten wegen Beihilfe zum bandenmäßigen Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge hält revisionsrechtlicher Überprüfung nicht stand.
- 3
- a) Nach den Feststellungen lebte der aus Vietnam stammende Angeklagte mit seiner Ehefrau und zwei Kindern in Tschechien und befand sich in finanziellen Schwierigkeiten. Er entschloss sich, für ein monatliches Gehalt in Höhe von rund 2.000 EUR auf der von dem Mitangeklagten G. , dem gesondert verfolgten D. sowie weiteren Personen als Bande betriebenen Marihuanaplantage in Deutschland zu arbeiten. Nach seiner Ankunft wirkte der Angeklagte an der Errichtung der in einem Mehrfamilienhaus in E. gelegenen und aufwändig eingerichteten Plantage, an einer Aufzucht von Cannabissetzlingen und schließlich bei der Ernte der Pflanzen sowie ihrer Verpackung in verkaufsfertigen Mengen mit. Ihm war dabei bewusst, dass das Marihuana zum gewinnbringenden Weiterverkauf bestimmt war, und dass der Mitangeklagte G. sowie die weiteren Bandenmitglieder planten, künftig mehrere Ernten aus der Plantage zu erzielen und diese zu veräußern. Feststellungen dazu, dass der Angeklagte bei weiteren Anpflanzungen in der Plantage behilflich sein wollte, enthalten die Urteilsgründe nicht.
- 4
- b) Die Feststellungen und die Beweiserwägungen tragen den Schuldspruch nicht; denn sie belegen nicht, dass der Angeklagte als Mitglied einer Bande gehandelt hat.
- 5
- Bandenmäßig handelt, wer sich mit mindestens zwei weiteren Personen mit dem Willen verbunden hat, künftig und für eine gewisse Dauer mehrere selbstständige, im Einzelnen noch ungewisse Straftaten des im Gesetz genannten Deliktstypus zu begehen (BGH, Beschluss vom 7. Oktober 2010 – 3 StR 363/10, NStZ-RR 2011, 58, 59; Beschluss vom 22. März 2001 – GSSt 1/00, BGHSt 46, 321, 325). Mitglied einer Bande kann auch sein, wer seine künftige dauerhafte Gehilfentätigkeit zugesagt hat (BGH, Beschluss vom 15. Januar 2002 – 4 StR 499/02, BGHSt 47, 214, 217).
- 6
- Dem angefochtenen Urteil lässt sich nicht entnehmen, dass diese Voraussetzungen in der Person des Angeklagten vorlagen. Die Feststellungen belegen nicht, dass sich der Angeklagte der Gruppierung um den Mitangeklagten G. und den gesondert verfolgten D. mit dem Willen anschloss , künftig und für eine gewisse Dauer an mehreren Taten des Betäubungsmittelhandels in der Form der Aufzucht von Cannabispflanzen mitzuwirken. Dies versteht sich angesichts der bisherigen Feststellungen und der sie tragenden Beweiserwägungen zu den Tatumständen auch nicht von selbst.
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- Der Angeklagte war ohne konkrete Kenntnis seiner künftigen Tätigkeit nach Deutschland gekommen. Nachdem er erkannt hatte, dass er – anders als von ihm aufgrund der Anzeige, aufgrund derer er angeworben worden war, erwartet – an der Aufzucht von Marihuanapflanzen beteiligt sein sollte, entschloss er sich zur Mitwirkung, weil er eine Entlohnung erst erhalten sollte, wenn die Ernte verpackt und alles „abgebaut“ sein würde.
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- Vor dem Hintergrund dieser von der Strafkammer nicht erkennbar für widerlegt erachteten Einlassung versteht sich die Zusage künftiger dauerhafter Gehilfentätigkeit nicht von selbst. Es hätte daher weiterer Feststellungen bedurft , die den Schluss auf die Bereitschaft des Angeklagten tragen, im Rahmen der Gruppierung nach der Ernte der Cannabispflanzen aus der ersten Pflanzperiode an weiteren Pflanzperioden als Gehilfe mitzuwirken (vgl. BGH, Beschluss vom 7. Oktober 2010 – 3 StR 363/10, NStZ-RR 2011, 58).
- 9
- 2. Dies zieht die Aufhebung des Schuldspruchs nach sich. Die Feststellungen zum objektiven Tatgeschehen sind von dem aufgezeigten Rechtsfehler nicht betroffen und können daher bestehen bleiben (§ 353 Abs. 2 StPO).
- 10
- Das neu zur Entscheidung berufene Tatgericht kann ergänzende Feststellungen zum äußeren Tatgeschehen treffen, die zu den bisherigen Feststellungen nicht in Widerspruch treten dürfen.
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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.
(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.
(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.
(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.
(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.
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Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.
Gründe:
- 1
- Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge als Mitglied einer Bande (§ 30a Abs. 1 BtMG) zu der Freiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt.
- 2
- Die auf die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten hat überwiegend Erfolg.
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- 1. Die Verurteilung des Angeklagten wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge als Mitglied einer Bande hält der revisionsrechtlichen Prüfung nicht Stand.
- 4
- a) Nach den Feststellungen betrieb der Angeklagte in Rumänien einen im Jahr 2009 schlecht laufenden Kfz-Gebrauchtwagenhandel, in dessen Rahmen er auch geschäftliche Beziehungen nach Deutschland pflegte. Nachdem der gesondert Verfolgte B. dem Angeklagten telefonisch mitgeteilt hatte , dass er ihm einen Arbeitsplatz in Deutschland beschaffen könne und der Angeklagte ihm zusätzlich auch ein Kraftfahrzeug vermitteln solle, reiste der Angeklagte am 15. August 2009 nach Deutschland ein. Er wurde von B. in ein Haus nach H. verbracht und dort dem gesondert Verfolgten D. vorgestellt. Dieser betreute in H. eine Indoor-Plantage für Cannabispflanzen und war auch für eine derartige Anlage in Bü. zuständig.
- 5
- Der Angeklagte zog in das Haus in H. ein; er sah in der Folgezeit D. bei der Versorgung der Pflanzen zu, wurde so - ohne zunächst selbst tätig zu werden - "angelernt" und nahm schließlich das Angebot an, bei der Aufzucht der Pflanzen mitzuwirken. Ihm war dabei bewusst, dass das aus ihnen gewonnene Marihuana zum gewinnbringenden Weiterverkauf bestimmt war. Nachdem D. die bereits vorhandene Charge Cannabispflanzen im September 2009 abgeerntet, ungetrocknet in Säcke verpackt und zum Verkauf abtransportiert hatte, oblag es dem Angeklagten, die Örtlichkeiten aufzuräumen und zu desinfizieren. In der Folge pflanzte er entsprechend der Anweisung des D. 445 Setzlinge und kümmerte sich selbst um Wässerung, Beleuchtung sowie das erforderliche Mikro-Klima. Die Plantage in Bü. hatte der Angeklagte gesehen, weil er D. mehrfach dorthin begleitet hatte. Er war dort jedoch nicht selbst tätig. Der Angeklagte besuchte außerdem seine in Bl.
- 6
- Der Angeklagte sollte mit insgesamt 4.500 € für seine Tätigkeit entlohnt werden. 3.000 € hatte er vorschussweise als Darlehen erhalten und an seinen Sohn zur Finanzierung des Studiums überwiesen. Er fühlte sich schlecht behandelt und wollte nach einem Einbruch in die Plantage in Bü. seinen Aufenthalt in H. beenden, sah sich daran jedoch aufgrund fehlenden Geldes und des noch abzuarbeitenden Vorschusses gehindert. Den restlichen Lohn von 1.500 € sollte er erst nach Rückkehr D. von einer einen Monat währenden Reise und Aberntung der Pflanzen erhalten, wurde zuvor aber festgenommen. Die sichergestellte Anpflanzung in H. wies einen Gesamtwirkstoffgehalt von 52,3 g THC auf.
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- b) Diese Feststellungen tragen den Schuldspruch nicht; denn sie belegen nicht, dass der Angeklagte als Mitglied einer Bande gehandelt hat. Bandenmäßig handelt, wer sich mit mindestens zwei weiteren Personen mit dem Willen verbunden hat, künftig und für eine gewisse Dauer mehrere selbständige, im Einzelnen noch ungewisse Straftaten des im Gesetz benannten Deliktstypus zu begehen (BGH, Beschluss vom 22. März 2001 - GSSt 1/00, BGHSt 46, 321; Beschluss vom 15. Januar 2002 - 4 StR 499/02, BGHSt 47, 214, (216); Urteil vom 16. Juni 2005 - 3 StR 492/04, NJW 2005, 2629 f.). Dem angefochtenen Urteil lässt sich nicht entnehmen, dass diese Voraussetzungen in der Person des Angeklagten vorlagen. Es lässt zwar in hinreichender Weise erkennen, dass sich um einen ausländischen Hintermann mehrere Personen mit dem Ziel zusammengeschlossen hatten, durch den Betrieb etlicher Indoor-Plantagen Marihuana zu produzieren und dieses gewinnbringend zu veräußern. Jedoch belegt es nicht, dass sich der Angeklagte dieser Gruppierung mit dem Willen anschloss, künftig und für eine gewisse Dauer an mehreren Taten des Betäubungsmittelhandels in der Form der Aufzucht von Cannabispflanzen mitzuwirken. Dies versteht sich angesichts der Tatumstände auch nicht von selbst:
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- Der Angeklagte war nach Deutschland gekommen, ohne zu wissen, welche Tätigkeit er hier außer der Vermittlung eines Kraftfahrzeuges zusätzlich ausüben sollte. Er wirkte nur an der Aufzucht einer Anpflanzung in H. aktiv mit. Während seines Aufenthalts dort fühlte er sich schlecht behandelt. An einer Abreise sah er sich nur dadurch gehindert, dass er über kein Geld verfügte, den erhaltenen Vorschuss abarbeiten musste und den Rest der ihm versprochenen Gesamtentlohnung von 4.500 € erst nach Aberntung der von ihm betreuten Pflanzen erhalten sollte.
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- Vor diesem Hintergrund hätte es weiterer Feststellungen bedurft, die den Schluss rechtfertigen, dass der Angeklagte von vornherein entschlossen war, im Rahmen der Gruppierung nach der Ernte der ersten von ihm gepflegten Cannabispflanzen auch weiterhin an der Aufzucht späterer Anpflanzungen mitzuwirken. Da derartige Feststellungen fehlen, ist eine Bandenmitgliedschaft des Angeklagten nicht belegt. Das landgerichtliche Urteil kann daher keinen Bestand haben. Dies gilt indes nicht für die bisherigen Feststellungen zum objektiven Tatgeschehen; diese sind rechtsfehlerfrei getroffen und können daher bestehen bleiben (§ 353 Abs. 2 StPO), so dass die Revision des Angeklagten insoweit erfolglos bleibt (§ 349 Abs. 2 StPO). Der neue Tatrichter kann ergänzen- de Feststellungen zum äußeren Tatablauf treffen, soweit sie zu den bisherigen nicht in Widerspruch stehen.
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- 2. Die nunmehr zur Entscheidung berufene Strafkammer wird sich näher mit der Abgrenzung von Mittäterschaft und Beihilfe beim Handeltreiben mit Betäubungsmitteln zu befassen haben. Zwar hat der Angeklagte durch die Aufzucht der Cannabispflanzen einen wesentlichen Tatbeitrag geleistet. Jedoch war er ohne jeglichen sonstigen Einfluss auf das eigentliche Umsatzgeschäft. Weder hatte er über die Größe der Anpflanzung und damit über die Handelsmenge zu bestimmen, noch war er in den geplanten Absatz des Marihuanas eingebunden; auch sollte er nicht anteilig am Verkaufserlös partizipieren, sondern eine pauschale Entlohnung für seine Tätigkeit erhalten.