Bundesgerichtshof Beschluss, 01. Aug. 2012 - 4 StR 226/12

bei uns veröffentlicht am01.08.2012

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 226/12
vom
1. August 2012
in der Strafsache
gegen
wegen gewerbs- und bandenmäßigen Einschleusens von Ausländern u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 1. August 2012 gemäß § 349
Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Arnsberg vom 8. Februar 2012 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben
a) im Schuldspruch, soweit der Angeklagte im Fall II. 5 der Urteilsgründe wegen gewerbs- und bandenmäßigen Einschleusens von Ausländern verurteilt worden ist,
b) im Gesamtstrafenausspruch. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 3. Die weiter gehende Revision wird verworfen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen gewerbs- und bandenmäßigen Einschleusens von Ausländern, versuchten gewerbs- und bandenmäßigen Einschleusens von Ausländern, bandenmäßigen Einschleusens von Ausländern in zwei Fällen und versuchten bandenmäßigen Einschleusens von Aus- ländern in zwei Fällen zu der Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und acht Monaten verurteilt. Hiergegen wendet sich die Revision des Angeklagten mit der Rüge der Verletzung materiellen Rechts. Das Rechtsmittel hat den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
2
Der Schuldspruch im Fall II. 5 der Urteilsgründe hält einer rechtlichen Prüfung nicht stand, weil die Urteilsfeststellungen ein vollendetes gewerbs- und bandenmäßiges Einschleusen von Ausländern gemäß § 97 Abs. 2, § 96 Abs. 1 Nr. 1a und Abs. 4, § 95 Abs. 1 Nr. 3 AufenthG nicht belegen.
3
Nach den Feststellungen schloss sich der Angeklagte einer Organisation in Frankreich agierender tamilischer Schleuser an, die eine Vielzahl von Personen in Lastkraftwagen illegal von Frankreich nach Großbritannien verbrachten. Der Angeklagte beteiligte sich an den Schleusungen durch das Anwerben von Fahrern, für das er 500 € je Vermittlung erhielt. Im Fall II. 5 der Urteilsgründe fuhr ein vom Angeklagten angeworbener Fahrer mit einem am 6. April 2010 angemieteten Lastkraftwagen, auf dessen Ladefläche hinter einer Trennwand sich 16 Personen aus verschiedenen nichteuropäischen Ländern befanden, die nach England geschleust werden sollten, nach Ostende. Die zu schleusenden Personen wurden am 10. April 2012 in Ramsgate auf der Ladefläche entdeckt. Diese Sachverhaltsfeststellungen lassen die nicht fernliegende Möglichkeit offen , dass die im Fahrzeug versteckten Personen anlässlich der Grenzkontrolle im Fährhafen von Ramsgate festgestellt wurden. In diesem Fall wäre eine Zuwiderhandlung gegen Rechtsvorschriften über die Einreise von Ausländern nach Großbritannien, die im Sinne des § 96 Abs. 4 Nr. 1 AufenthG einer unerlaubten Einreise nach § 95 Abs. 1 Nr. 3 AufenthG entspricht, noch nicht gegeben. Denn eine Einreise gemäß § 95 Abs. 1 Nr. 3 AufenthG liegt nach der Re- gelung des § 13 Abs. 2 AufenthG erst dann vor, wenn der eine zugelassene Grenzübergangsstelle nutzende Ausländer die Grenze überschritten und die Grenzübergangsstelle passiert hat. Letzteres setzt das räumliche Verlassen der Kontrollstelle voraus (vgl. Gericke, MünchKomm-StGB, § 95 AufenthG Rdn. 41 mwN). Wird die vom Täter unter Verwirklichung von Schleusermerkmalen geförderte unerlaubte Einreise nicht vollendet, kommt nur eine Strafbarkeit wegen versuchten Einschleusens in Betracht (vgl. BGH, Beschlüsse vom 6. Juni 2012 - 4 StR 144/12, Tz. 4; vom 12. September 2002 - 4 StR 163/02, NJW 2002, 3642, 3643; vom 5. September 2001 - 3 StR 174/01, NStZ 2002, 33, 34).
4
Die Teilaufhebung des Schuldspruchs entzieht der Gesamtstrafe die Grundlage.
Mutzbauer RinBGH Roggenbuck ist infolge Franke Urlaubs ortsabwesend und daher an der Unterschriftsleistung verhindert. Mutzbauer
Schmitt Bender

ra.de-Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Beschluss, 01. Aug. 2012 - 4 StR 226/12

Urteilsbesprechung schreiben

0 Urteilsbesprechungen zu Bundesgerichtshof Beschluss, 01. Aug. 2012 - 4 StR 226/12

Referenzen - Gesetze

Bundesgerichtshof Beschluss, 01. Aug. 2012 - 4 StR 226/12 zitiert 7 §§.

Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

Aufenthaltsgesetz - AufenthG 2004 | § 95 Strafvorschriften


(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer 1. entgegen § 3 Abs. 1 in Verbindung mit § 48 Abs. 2 sich im Bundesgebiet aufhält,2. ohne erforderlichen Aufenthaltstitel nach § 4 Absatz 1 Satz 1 sich im Bundesgebiet a

Aufenthaltsgesetz - AufenthG 2004 | § 96 Einschleusen von Ausländern


(1) Mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren, in minder schweren Fällen mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer einen anderen anstiftet oder ihm dazu Hilfe leistet, eine Handlung 1. nach § 95 Abs.

Aufenthaltsgesetz - AufenthG 2004 | § 13 Grenzübertritt


(1) Die Einreise in das Bundesgebiet und die Ausreise aus dem Bundesgebiet sind nur an den zugelassenen Grenzübergangsstellen und innerhalb der festgesetzten Verkehrsstunden zulässig, soweit nicht auf Grund anderer Rechtsvorschriften oder zwischensta

Aufenthaltsgesetz - AufenthG 2004 | § 97 Einschleusen mit Todesfolge; gewerbs- und bandenmäßiges Einschleusen


(1) Mit Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren wird bestraft, wer in den Fällen des § 96 Abs. 1, auch in Verbindung mit § 96 Abs. 4, den Tod des Geschleusten verursacht. (2) Mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren wird bestraft, we

Referenzen - Urteile

Urteil einreichen

Bundesgerichtshof Beschluss, 01. Aug. 2012 - 4 StR 226/12 zitiert oder wird zitiert von 2 Urteil(en).

Bundesgerichtshof Beschluss, 01. Aug. 2012 - 4 StR 226/12 zitiert 2 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Bundesgerichtshof Beschluss, 12. Sept. 2002 - 4 StR 163/02

bei uns veröffentlicht am 12.09.2002

Nachschlagewerk: ja Veröffentlichung: ja BGHR: ja BGHSt: nein AuslG § 92 a Abs. 4 Im Sinne des § 92 a Abs. 4 AuslG ist "Vertragsstaat" des Schengener Übereinkommens vom 19. Juni 1990 jeder Mit

Bundesgerichtshof Beschluss, 06. Juni 2012 - 4 StR 144/12

bei uns veröffentlicht am 06.06.2012

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 4 StR 144/12 vom 6. Juni 2012 in der Strafsache gegen wegen Einschleusens von Ausländern u.a. Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 6. Juni 2012

Referenzen

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

(1) Mit Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren wird bestraft, wer in den Fällen des § 96 Abs. 1, auch in Verbindung mit § 96 Abs. 4, den Tod des Geschleusten verursacht.

(2) Mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren wird bestraft, wer in den Fällen des § 96 Abs. 1, auch in Verbindung mit § 96 Abs. 4, als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung solcher Taten verbunden hat, gewerbsmäßig handelt.

(3) In minder schweren Fällen des Absatzes 1 ist die Strafe Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren, in minder schweren Fällen des Absatzes 2 Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren.

(4) § 74a des Strafgesetzbuches ist anzuwenden.

(1) Mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren, in minder schweren Fällen mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer einen anderen anstiftet oder ihm dazu Hilfe leistet, eine Handlung

1.
nach § 95 Abs. 1 Nr. 3 oder Abs. 2 Nr. 1 Buchstabe a zu begehen und
a)
dafür einen Vorteil erhält oder sich versprechen lässt oder
b)
wiederholt oder zugunsten von mehreren Ausländern handelt oder
2.
nach § 95 Abs. 1 Nr. 1 oder Nr. 2, Abs. 1a oder Abs. 2 Nr. 1 Buchstabe b oder Nr. 2 zu begehen und dafür einen Vermögensvorteil erhält oder sich versprechen lässt.

(2) Mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren wird bestraft, wer in den Fällen des Absatzes 1

1.
gewerbsmäßig handelt,
2.
als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung solcher Taten verbunden hat, handelt,
3.
eine Schusswaffe bei sich führt, wenn sich die Tat auf eine Handlung nach § 95 Abs. 1 Nr. 3 oder Abs. 2 Nr. 1 Buchstabe a bezieht,
4.
eine andere Waffe bei sich führt, um diese bei der Tat zu verwenden, wenn sich die Tat auf eine Handlung nach § 95 Abs. 1 Nr. 3 oder Abs. 2 Nr. 1 Buchstabe a bezieht, oder
5.
den Geschleusten einer das Leben gefährdenden, unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung oder der Gefahr einer schweren Gesundheitsschädigung aussetzt.
Ebenso wird bestraft, wer in den Fällen des Absatzes 1 Nummer 1 Buchstabe a zugunsten eines minderjährigen ledigen Ausländers handelt, der ohne Begleitung einer personensorgeberechtigten Person oder einer dritten Person, die die Fürsorge oder Obhut für ihn übernommen hat, in das Bundesgebiet einreist.

(3) Der Versuch ist strafbar.

(4) Absatz 1 Nr. 1 Buchstabe a, Nr. 2, Absatz 2 Satz 1 Nummer 1, 2 und 5 und Absatz 3 sind auf Zuwiderhandlungen gegen Rechtsvorschriften über die Einreise und den Aufenthalt von Ausländern in das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten der Europäischen Union oder eines Schengen-Staates anzuwenden, wenn

1.
sie den in § 95 Abs. 1 Nr. 2 oder 3 oder Abs. 2 Nr. 1 bezeichneten Handlungen entsprechen und
2.
der Täter einen Ausländer unterstützt, der nicht die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaates der Europäischen Union oder eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum besitzt.

(5) § 74a des Strafgesetzbuchs ist anzuwenden.

(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer

1.
entgegen § 3 Abs. 1 in Verbindung mit § 48 Abs. 2 sich im Bundesgebiet aufhält,
2.
ohne erforderlichen Aufenthaltstitel nach § 4 Absatz 1 Satz 1 sich im Bundesgebiet aufhält, wenn
a)
er vollziehbar ausreisepflichtig ist,
b)
ihm eine Ausreisefrist nicht gewährt wurde oder diese abgelaufen ist und
c)
dessen Abschiebung nicht ausgesetzt ist,
3.
entgegen § 14 Abs. 1 Nr. 1 oder 2 in das Bundesgebiet einreist,
4.
einer vollziehbaren Anordnung nach § 46 Abs. 2 Satz 1 oder 2 oder § 47 Abs. 1 Satz 2 oder Abs. 2 zuwiderhandelt,
5.
entgegen § 49 Abs. 2 eine Angabe nicht, nicht richtig oder nicht vollständig macht, sofern die Tat nicht in Absatz 2 Nr. 2 mit Strafe bedroht ist,
6.
entgegen § 49 Abs. 10 eine dort genannte Maßnahme nicht duldet,
6a.
entgegen § 56 wiederholt einer Meldepflicht nicht nachkommt, wiederholt gegen räumliche Beschränkungen des Aufenthalts oder sonstige Auflagen verstößt oder trotz wiederholten Hinweises auf die rechtlichen Folgen einer Weigerung der Verpflichtung zur Wohnsitznahme nicht nachkommt oder entgegen § 56 Abs. 4 bestimmte Kommunikationsmittel nutzt oder bestimmte Kontaktverbote nicht beachtet,
7.
wiederholt einer räumlichen Beschränkung nach § 61 Abs. 1 oder Absatz 1c zuwiderhandelt oder
8.
im Bundesgebiet einer überwiegend aus Ausländern bestehenden Vereinigung oder Gruppe angehört, deren Bestehen, Zielsetzung oder Tätigkeit vor den Behörden geheim gehalten wird, um ihr Verbot abzuwenden.

(1a) Ebenso wird bestraft, wer vorsätzlich eine in § 404 Abs. 2 Nr. 4 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch oder in § 98 Abs. 3 Nr. 1 bezeichnete Handlung begeht, für den Aufenthalt im Bundesgebiet nach § 4 Abs. 1 Satz 1 eines Aufenthaltstitels bedarf und als Aufenthaltstitel nur ein Schengen-Visum nach § 6 Abs. 1 Nummer 1 besitzt.

(2) Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer

1.
entgegen § 11 Absatz 1 oder in Zuwiderhandlung einer vollziehbaren Anordnung nach § 11 Absatz 6 Satz 1 oder Absatz 7 Satz 1
a)
in das Bundesgebiet einreist oder
b)
sich darin aufhält,
1a.
einer vollstreckbaren gerichtlichen Anordnung nach § 56a Absatz 1 zuwiderhandelt und dadurch die kontinuierliche Feststellung seines Aufenthaltsortes durch eine in § 56a Absatz 3 genannte zuständige Stelle verhindert oder
2.
unrichtige oder unvollständige Angaben macht oder benutzt, um für sich oder einen anderen einen Aufenthaltstitel oder eine Duldung zu beschaffen oder das Erlöschen oder die nachträgliche Beschränkung des Aufenthaltstitels oder der Duldung abzuwenden oder eine so beschaffte Urkunde wissentlich zur Täuschung im Rechtsverkehr gebraucht.

(3) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 3 und der Absätze 1a und 2 Nr. 1 Buchstabe a ist der Versuch strafbar.

(4) Gegenstände, auf die sich eine Straftat nach Absatz 2 Nr. 2 bezieht, können eingezogen werden.

(5) Artikel 31 Abs. 1 des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge bleibt unberührt.

(6) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 und 3 steht einem Handeln ohne erforderlichen Aufenthaltstitel ein Handeln auf Grund eines durch Drohung, Bestechung oder Kollusion erwirkten oder durch unrichtige oder unvollständige Angaben erschlichenen Aufenthaltstitels gleich.

(7) In Fällen des Absatzes 2 Nummer 1a wird die Tat nur auf Antrag einer dort genannten zuständigen Stelle verfolgt.

(1) Mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren, in minder schweren Fällen mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer einen anderen anstiftet oder ihm dazu Hilfe leistet, eine Handlung

1.
nach § 95 Abs. 1 Nr. 3 oder Abs. 2 Nr. 1 Buchstabe a zu begehen und
a)
dafür einen Vorteil erhält oder sich versprechen lässt oder
b)
wiederholt oder zugunsten von mehreren Ausländern handelt oder
2.
nach § 95 Abs. 1 Nr. 1 oder Nr. 2, Abs. 1a oder Abs. 2 Nr. 1 Buchstabe b oder Nr. 2 zu begehen und dafür einen Vermögensvorteil erhält oder sich versprechen lässt.

(2) Mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren wird bestraft, wer in den Fällen des Absatzes 1

1.
gewerbsmäßig handelt,
2.
als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung solcher Taten verbunden hat, handelt,
3.
eine Schusswaffe bei sich führt, wenn sich die Tat auf eine Handlung nach § 95 Abs. 1 Nr. 3 oder Abs. 2 Nr. 1 Buchstabe a bezieht,
4.
eine andere Waffe bei sich führt, um diese bei der Tat zu verwenden, wenn sich die Tat auf eine Handlung nach § 95 Abs. 1 Nr. 3 oder Abs. 2 Nr. 1 Buchstabe a bezieht, oder
5.
den Geschleusten einer das Leben gefährdenden, unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung oder der Gefahr einer schweren Gesundheitsschädigung aussetzt.
Ebenso wird bestraft, wer in den Fällen des Absatzes 1 Nummer 1 Buchstabe a zugunsten eines minderjährigen ledigen Ausländers handelt, der ohne Begleitung einer personensorgeberechtigten Person oder einer dritten Person, die die Fürsorge oder Obhut für ihn übernommen hat, in das Bundesgebiet einreist.

(3) Der Versuch ist strafbar.

(4) Absatz 1 Nr. 1 Buchstabe a, Nr. 2, Absatz 2 Satz 1 Nummer 1, 2 und 5 und Absatz 3 sind auf Zuwiderhandlungen gegen Rechtsvorschriften über die Einreise und den Aufenthalt von Ausländern in das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten der Europäischen Union oder eines Schengen-Staates anzuwenden, wenn

1.
sie den in § 95 Abs. 1 Nr. 2 oder 3 oder Abs. 2 Nr. 1 bezeichneten Handlungen entsprechen und
2.
der Täter einen Ausländer unterstützt, der nicht die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaates der Europäischen Union oder eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum besitzt.

(5) § 74a des Strafgesetzbuchs ist anzuwenden.

(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer

1.
entgegen § 3 Abs. 1 in Verbindung mit § 48 Abs. 2 sich im Bundesgebiet aufhält,
2.
ohne erforderlichen Aufenthaltstitel nach § 4 Absatz 1 Satz 1 sich im Bundesgebiet aufhält, wenn
a)
er vollziehbar ausreisepflichtig ist,
b)
ihm eine Ausreisefrist nicht gewährt wurde oder diese abgelaufen ist und
c)
dessen Abschiebung nicht ausgesetzt ist,
3.
entgegen § 14 Abs. 1 Nr. 1 oder 2 in das Bundesgebiet einreist,
4.
einer vollziehbaren Anordnung nach § 46 Abs. 2 Satz 1 oder 2 oder § 47 Abs. 1 Satz 2 oder Abs. 2 zuwiderhandelt,
5.
entgegen § 49 Abs. 2 eine Angabe nicht, nicht richtig oder nicht vollständig macht, sofern die Tat nicht in Absatz 2 Nr. 2 mit Strafe bedroht ist,
6.
entgegen § 49 Abs. 10 eine dort genannte Maßnahme nicht duldet,
6a.
entgegen § 56 wiederholt einer Meldepflicht nicht nachkommt, wiederholt gegen räumliche Beschränkungen des Aufenthalts oder sonstige Auflagen verstößt oder trotz wiederholten Hinweises auf die rechtlichen Folgen einer Weigerung der Verpflichtung zur Wohnsitznahme nicht nachkommt oder entgegen § 56 Abs. 4 bestimmte Kommunikationsmittel nutzt oder bestimmte Kontaktverbote nicht beachtet,
7.
wiederholt einer räumlichen Beschränkung nach § 61 Abs. 1 oder Absatz 1c zuwiderhandelt oder
8.
im Bundesgebiet einer überwiegend aus Ausländern bestehenden Vereinigung oder Gruppe angehört, deren Bestehen, Zielsetzung oder Tätigkeit vor den Behörden geheim gehalten wird, um ihr Verbot abzuwenden.

(1a) Ebenso wird bestraft, wer vorsätzlich eine in § 404 Abs. 2 Nr. 4 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch oder in § 98 Abs. 3 Nr. 1 bezeichnete Handlung begeht, für den Aufenthalt im Bundesgebiet nach § 4 Abs. 1 Satz 1 eines Aufenthaltstitels bedarf und als Aufenthaltstitel nur ein Schengen-Visum nach § 6 Abs. 1 Nummer 1 besitzt.

(2) Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer

1.
entgegen § 11 Absatz 1 oder in Zuwiderhandlung einer vollziehbaren Anordnung nach § 11 Absatz 6 Satz 1 oder Absatz 7 Satz 1
a)
in das Bundesgebiet einreist oder
b)
sich darin aufhält,
1a.
einer vollstreckbaren gerichtlichen Anordnung nach § 56a Absatz 1 zuwiderhandelt und dadurch die kontinuierliche Feststellung seines Aufenthaltsortes durch eine in § 56a Absatz 3 genannte zuständige Stelle verhindert oder
2.
unrichtige oder unvollständige Angaben macht oder benutzt, um für sich oder einen anderen einen Aufenthaltstitel oder eine Duldung zu beschaffen oder das Erlöschen oder die nachträgliche Beschränkung des Aufenthaltstitels oder der Duldung abzuwenden oder eine so beschaffte Urkunde wissentlich zur Täuschung im Rechtsverkehr gebraucht.

(3) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 3 und der Absätze 1a und 2 Nr. 1 Buchstabe a ist der Versuch strafbar.

(4) Gegenstände, auf die sich eine Straftat nach Absatz 2 Nr. 2 bezieht, können eingezogen werden.

(5) Artikel 31 Abs. 1 des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge bleibt unberührt.

(6) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 und 3 steht einem Handeln ohne erforderlichen Aufenthaltstitel ein Handeln auf Grund eines durch Drohung, Bestechung oder Kollusion erwirkten oder durch unrichtige oder unvollständige Angaben erschlichenen Aufenthaltstitels gleich.

(7) In Fällen des Absatzes 2 Nummer 1a wird die Tat nur auf Antrag einer dort genannten zuständigen Stelle verfolgt.

(1) Die Einreise in das Bundesgebiet und die Ausreise aus dem Bundesgebiet sind nur an den zugelassenen Grenzübergangsstellen und innerhalb der festgesetzten Verkehrsstunden zulässig, soweit nicht auf Grund anderer Rechtsvorschriften oder zwischenstaatlicher Vereinbarungen Ausnahmen zugelassen sind. Ausländer sind verpflichtet, bei der Einreise und der Ausreise einen anerkannten und gültigen Pass oder Passersatz gemäß § 3 Abs. 1 mitzuführen und sich der polizeilichen Kontrolle des grenzüberschreitenden Verkehrs zu unterziehen.

(2) An einer zugelassenen Grenzübergangsstelle ist ein Ausländer erst eingereist, wenn er die Grenze überschritten und die Grenzübergangsstelle passiert hat. Lassen die mit der polizeilichen Kontrolle des grenzüberschreitenden Verkehrs beauftragten Behörden einen Ausländer vor der Entscheidung über die Zurückweisung (§ 15 dieses Gesetzes, §§ 18, 18a des Asylgesetzes) oder während der Vorbereitung, Sicherung oder Durchführung dieser Maßnahme die Grenzübergangsstelle zu einem bestimmten vorübergehenden Zweck passieren, so liegt keine Einreise im Sinne des Satzes 1 vor, solange ihnen eine Kontrolle des Aufenthalts des Ausländers möglich bleibt. Im Übrigen ist ein Ausländer eingereist, wenn er die Grenze überschritten hat.

(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer

1.
entgegen § 3 Abs. 1 in Verbindung mit § 48 Abs. 2 sich im Bundesgebiet aufhält,
2.
ohne erforderlichen Aufenthaltstitel nach § 4 Absatz 1 Satz 1 sich im Bundesgebiet aufhält, wenn
a)
er vollziehbar ausreisepflichtig ist,
b)
ihm eine Ausreisefrist nicht gewährt wurde oder diese abgelaufen ist und
c)
dessen Abschiebung nicht ausgesetzt ist,
3.
entgegen § 14 Abs. 1 Nr. 1 oder 2 in das Bundesgebiet einreist,
4.
einer vollziehbaren Anordnung nach § 46 Abs. 2 Satz 1 oder 2 oder § 47 Abs. 1 Satz 2 oder Abs. 2 zuwiderhandelt,
5.
entgegen § 49 Abs. 2 eine Angabe nicht, nicht richtig oder nicht vollständig macht, sofern die Tat nicht in Absatz 2 Nr. 2 mit Strafe bedroht ist,
6.
entgegen § 49 Abs. 10 eine dort genannte Maßnahme nicht duldet,
6a.
entgegen § 56 wiederholt einer Meldepflicht nicht nachkommt, wiederholt gegen räumliche Beschränkungen des Aufenthalts oder sonstige Auflagen verstößt oder trotz wiederholten Hinweises auf die rechtlichen Folgen einer Weigerung der Verpflichtung zur Wohnsitznahme nicht nachkommt oder entgegen § 56 Abs. 4 bestimmte Kommunikationsmittel nutzt oder bestimmte Kontaktverbote nicht beachtet,
7.
wiederholt einer räumlichen Beschränkung nach § 61 Abs. 1 oder Absatz 1c zuwiderhandelt oder
8.
im Bundesgebiet einer überwiegend aus Ausländern bestehenden Vereinigung oder Gruppe angehört, deren Bestehen, Zielsetzung oder Tätigkeit vor den Behörden geheim gehalten wird, um ihr Verbot abzuwenden.

(1a) Ebenso wird bestraft, wer vorsätzlich eine in § 404 Abs. 2 Nr. 4 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch oder in § 98 Abs. 3 Nr. 1 bezeichnete Handlung begeht, für den Aufenthalt im Bundesgebiet nach § 4 Abs. 1 Satz 1 eines Aufenthaltstitels bedarf und als Aufenthaltstitel nur ein Schengen-Visum nach § 6 Abs. 1 Nummer 1 besitzt.

(2) Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer

1.
entgegen § 11 Absatz 1 oder in Zuwiderhandlung einer vollziehbaren Anordnung nach § 11 Absatz 6 Satz 1 oder Absatz 7 Satz 1
a)
in das Bundesgebiet einreist oder
b)
sich darin aufhält,
1a.
einer vollstreckbaren gerichtlichen Anordnung nach § 56a Absatz 1 zuwiderhandelt und dadurch die kontinuierliche Feststellung seines Aufenthaltsortes durch eine in § 56a Absatz 3 genannte zuständige Stelle verhindert oder
2.
unrichtige oder unvollständige Angaben macht oder benutzt, um für sich oder einen anderen einen Aufenthaltstitel oder eine Duldung zu beschaffen oder das Erlöschen oder die nachträgliche Beschränkung des Aufenthaltstitels oder der Duldung abzuwenden oder eine so beschaffte Urkunde wissentlich zur Täuschung im Rechtsverkehr gebraucht.

(3) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 3 und der Absätze 1a und 2 Nr. 1 Buchstabe a ist der Versuch strafbar.

(4) Gegenstände, auf die sich eine Straftat nach Absatz 2 Nr. 2 bezieht, können eingezogen werden.

(5) Artikel 31 Abs. 1 des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge bleibt unberührt.

(6) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 und 3 steht einem Handeln ohne erforderlichen Aufenthaltstitel ein Handeln auf Grund eines durch Drohung, Bestechung oder Kollusion erwirkten oder durch unrichtige oder unvollständige Angaben erschlichenen Aufenthaltstitels gleich.

(7) In Fällen des Absatzes 2 Nummer 1a wird die Tat nur auf Antrag einer dort genannten zuständigen Stelle verfolgt.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 144/12
vom
6. Juni 2012
in der Strafsache
gegen
wegen Einschleusens von Ausländern u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 6. Juni 2012 gemäß § 349 Abs. 2
und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten I. M. wird das Urteil des Landgerichts Detmold vom 12. Dezember 2011, soweit es ihn betrifft, mit den Feststellungen aufgehoben
a) im Fall 14 der Urteilsgründe mit Ausnahme der Feststellungen zum äußeren Tatgeschehen,
b) im Ausspruch über die Gesamtstrafe. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 2. Die weiter gehende Revision wird verworfen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten I. M. wegen Einschleusens von Ausländern in drei Fällen sowie Hehlerei zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Mit seiner Revision rügt der Angeklagte die Verletzung materiellen Rechts. Sein Rechtsmittel hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg. Im Übrigen ist es offensichtlich unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
2
1. Die Verurteilung wegen Hehlerei gemäß § 259 Abs. 1 StGB (Fall 14 der Urteilsgründe) wird von den Feststellungen nicht getragen.
3
a) Danach kaufte der Angeklagte I. M. von dem italienischen Staatsangehörigen A. S. für 3.000 Euro dessen Pkw Mercedes Diesel 200 S an, den S. erst im Februar 2008 für 37.500 Euro erworben hatte. Nach der Übergabe des Pkws in Dortmund am 3. März 2011 veräußerte der Angeklagte das Fahrzeug mit „beträchtlichem Gewinn“. Wie zuvor besprochen, sollte S. den bei der A. gegen Diebstahl versicherten Pkw als gestohlen melden und sich die Versicherungssumme auszahlen lassen. Am 10. Mai 2011 zeigte S. bei der Polizei in P. /Italien bewusst wahrheitswidrig einen Diebstahl seines Fahrzeugs an.
4
b) § 259 Abs. 1 StGB setzt eine Vortat voraus, die zu einer rechtswidrigen Besitzlage an der als Hehlereigegenstand in Betracht kommenden Sache geführt hat. Ein Versicherungsnehmer, der eine ihm gehörende versicherte Sache verkauft, um anschließend einen Versicherungsbetrug zu begehen, schafft keine rechtswidrige Besitzlage, weil er trotz seiner kriminellen Absichten auch weiterhin als Berechtigter verfügt. Der in dem Verkauf liegende Versicherungsmissbrauch gemäß § 265 Abs. 1 StGB (Überlassen) ist daher keine taugliche Vortat für eine Hehlerei an der versicherten Sache (BGH, Beschluss vom 17. November 2011 – 3 StR 203/11, Rn. 8; Beschluss vom 22. Februar 2005 – 4 StR 453/04, NStZ 2005, 447, 448; Beschluss vom 23. Juli 2008 – 5 StR 295/08; Stree/Hecker in Schönke/Schröder, 28. Aufl., § 259 Rn. 9).
5
c) Eine Berichtigung des Schuldspruchs kommt nicht in Betracht, weil das Landgericht keine Feststellungen dazu getroffen hat, ob S. an die Versicherung herangetreten und ob es ihm dabei gelungen ist, eine Auszahlung der Versicherungssumme zu erwirken (vgl. BGH, Beschluss vom 23. Juli 2008 – 5 StR 295/08). Derartige Feststellungen sind aber erforderlich, um zu ent- scheiden, ob sich der Angeklagte wegen Beihilfe zum Betrug (§ 263 Abs. 1, § 27 StGB), Beihilfe zum versuchten Betrug (§ 263 Abs. 2, §§ 22, 27 StGB) oder Versicherungsmissbrauch in der Alternative des Beiseiteschaffens der versicherten Sache (§ 265 Abs. 1 StGB) strafbar gemacht hat. Die Sache bedarf daher insoweit neuer Verhandlung und Entscheidung. Die rechtsfehlerfrei getroffenen und lediglich zu ergänzenden Feststellungen zum äußeren Sachverhalt können bestehen bleiben.
6
2. Die Aufhebung der Verurteilung wegen Hehlerei zieht die Aufhebung der festgesetzten Gesamtstrafe nach sich.
Mutzbauer Roggenbuck Franke
Schmitt Quentin
Nachschlagewerk: ja
Veröffentlichung: ja
BGHR: ja
BGHSt: nein
AuslG § 92 a Abs. 4
Im Sinne des § 92 a Abs. 4 AuslG ist "Vertragsstaat" des Schengener Übereinkommens
vom 19. Juni 1990 jeder Mitgliedstaat, in dem das Übereinkommen in
Kraft getreten ist. Die Anwendbarkeit der Vorschrift setzt nicht voraus, daß das
Übereinkommen zwischen dem betreffenden Staat und den übrigen Mitgliedstaaten
auch bereits in Kraft gesetzt worden ist.
BGH, Beschluß vom 12. September 2002 - 4 StR 163/02 - LG
Arnsberg

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 163/02
vom
12. September 2002
in der Strafsache
gegen
wegen gewerbsmäßigen Einschleusens von Ausländern u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 12. September 2002 gemäß § 349
Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Arnsberg vom 15. Januar 2002
a) in den Fällen II. 1 und 2 sowie 4 bis 6 der Urteilsgründe
b) im Gesamtstrafenausspruch und im Maßregelausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 3. Die weiter gehende Revision wird verworfen.

Gründe:


Das Landgericht hat den Angeklagten wegen "Schleusens von Ausländern in sechs Fällen, wobei es in einem Fall beim Versuch blieb" zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten verurteilt; ferner hat es Maßregeln nach §§ 69, 69 a StGB angeordnet. Gegen das Urteil wendet sich der Angeklagte mit seiner Revision, mit der er allgemein die Verletzung sachli-
chen Rechts rügt. Das Rechtsmittel hat den aus der Beschlußformel ersichtlichen weit gehenden Erfolg; im übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
1. Nach den Feststellungen bekam der Angeklagte, der bereits Anfang der 90iger Jahre Kontakt zur "Schleuserszene" hatte, im Jahr 1999 erneut in Berührung mit diesen Kreisen. Um sich eine nicht nur vorübergehende Einnahmequelle von einigem Umfang zu verschaffen und dadurch seine Schuldenlast zu verringern, übernahm es der Angeklagte, "Schleusungsfahrten nach Dänemark und über die Benelux-Staaten oder Frankreich nach England zu organisieren". Dabei wußte der Angeklagte, daß die schleusungswilligen Personen , bei denen es sich ausnahmslos um indische Staatsbürger handelte, "regelmäßig kein Aufenthaltsrecht in der Bundesrepublik Deutschland hatten, da sie entweder vollständig illegal in der BRD waren oder der gestellte Asylantrag nicht ernst gemeint war" (UA 9). Ebenso wußte er, "daß diesen schleusungswilligen Personen auch in den Benelux-Staaten und in Frankreich kein Aufenthaltsrecht zustand" (UA 9).
Soweit das Landgericht den Angeklagten hiernach im Fall II. 3 der Urteilsgründe wegen des "Schleusens" von sechs Indern von Deutschland über die Benelux-Staaten nach Frankreich und von dort nach Großbritannien wegen - gewerbsmäßigen - Einschleusens gemäß § 92 a Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Nr. 1, Abs. 4 i.V.m. § 92 Abs. 1 Nrn. 1 und 6 AuslG zu der Einzelstrafe von zehn Monaten verurteilt hat, weist das Urteil keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten auf. Dagegen hält die Verurteilung in den übrigen Fällen der rechtlichen Überprüfung nicht stand.
2. Dazu im einzelnen:

a) Zu Fällen II. 1 und 2 der Urteilsgründe
aa) Nach den Feststellungen übernahm der Angeklagte zu nicht näher bestimmten Zeitpunkten im Jahr 1999 von Ekam S. den Auftrag, jeweils zwei Inder von Deutschland nach Dänemark auszuschleusen. Der Angeklagte gewann daraufhin Kai H. dafür, die Fahrten durchzuführen. Vor der dänischen Grenze mußten die indischen Personen jeweils in den Kofferraum des von H. gemieteten Pkw steigen. H. ließ die Inder in beiden Fällen in der nächsten Stadt in Dänemark heraus.
Das Landgericht hat in beiden Fällen eine Strafbarkeit des Angeklagten nach § 92 a Abs. 1, 2 Nr. 1 i.V.m. § 92 Abs. 1 Nr. 1 AuslG angenommen, obwohl "der genaue ausländerrechtliche Status der geschleusten Personen nicht mehr festgestellt" werden konnte. Das Landgericht meint, darauf komme es jedoch nicht an, denn "aus deren Verhalten (Verstecken im Kofferraum eines Fahrzeugs)" ergebe sich, "daß sie ein mögliches Asylverfahren nicht mehr weiter verfolgen und konkludent zurückgenommen haben, da sich aus den Umständen ergibt, daß allein eine Schleusung nach Dänemark begehrt worden ist" (UA 18). Dem kann nicht gefolgt werden.
bb) Allerdings erfaßt nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs die Strafvorschrift des § 92 a Abs. 1 i.V.m. § 92 Abs. 1 Nr. 1 AuslG über das Einschleusen von Ausländern auch das Durchschleusen von Ausländern, die sich auf dem Wege in ein Drittland vorübergehend in Deutschland illegal - im Fall des § 92 Abs. 1 Nr. 1 AuslG ohne Aufenthaltserlaubnis oder Duldung -
aufhalten (BGHSt 45, 103; BGH, Urteil vom 9. Juni 1999 - 3 StR 88/99). Er- schöpft sich dagegen die Tathandlung darin, einem Ausländer in dem Bemühen Hilfe zu leisten, Deutschland zu verlassen, erfüllt dies - sofern nicht die Voraussetzungen des die sog. Schengen-Staaten betreffenden § 92 a Abs. 4 AuslG erfüllt sind - keinen Straftatbestand (BGHR AuslG § 92 a Einschleusen 4; in diesem Sinne auch Klesczewski StV 2000, 364, 365 f.), ohne daß es auf den "ausländerrechtlichen Status" der zu schleusenden Personen im Inland ankäme.
Eine Strafbarkeit des Angeklagten nach § 92 a Abs. 4 AuslG scheidet aus. Diese - vom Landgericht nicht erörterte - Vorschrift, die das entgeltliche und das gewerbsmäßige Schleusen von Drittausländern in die sog. SchengenStaaten unter Strafe stellt, fand in Bezug auf das Königreich Dänemark im Tatzeitraum noch keine Anwendung. Allerdings ist das Königreich Dänemark durch Übereinkommen vom 19. Dezember 1996 (BGBl 2000 II 1108) dem in § 92 a Abs. 4 genannten Schengener Übereinkommen vom 19. Juni 1990 (SDÜ; BGBl 1993 II 1010; 1994 II 631; 1996 II 242) beigetreten. Doch ist das Beitrittsübereinkommen erst am 1. Mai 1999 in Kraft getreten (Bekanntmachung vom 27. Februar 2002 über das Inkrafttreten des Übereinkommens, BGBl 2002 II 627). Zu Gunsten des Angeklagten ist davon auszugehen, daß die Taten in den Fällen II. 1 und 2 der Urteilsgründe vor diesem Zeitpunkt vollendet worden sind.
cc) Der Senat kann aber nicht in der Sache selbst entscheiden und den Angeklagten insoweit freisprechen. Denn das Landgericht hat den Sachverhalt nicht erschöpfend geprüft. Ergibt sich nämlich, daß der Angeklagte über die bislang getroffenen Feststellungen hinaus an dem gesamten Schleusungsvor-
gang der Inder aus dem Ausland durch das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland beteiligt war, könnten ihm im Rahmen der zur Täterschaft verselbständigten Beihilfehandlung nach § 92 a Abs. 1 und 2 AuslG (vgl. BGHSt 45, 103, 107) auch eine illegale Einschleusung der Inder in die Bundesrepublik Deutschland und deren – zumindest zunächst – illegaler Aufenthalt im Inland zugerechnet werden. Daß der Angeklagte möglicherweise an dem Einschleusungsvorgang selbst nicht unmittelbar beteiligt war, würde dem nicht entgegenstehen , so wie auch eine feste Einbindung des Angeklagten in die Schleuserorganisation nicht vorausgesetzt wird. Vielmehr genügt, daß der Täter die Schleusungsaktion in ihren wesentlichen Merkmalen erkennt und er seinen Beitrag als Teil der Durchschleusungsaktion zur selbständigen Erledigung übernimmt (vgl. BGHSt aaO).
Dabei käme es für eine Strafbarkeit der Hilfestellung durch den Angeklagten nach § 92 a AuslG nicht darauf an, ob den unerlaubt eingereisten Indern der persönliche Strafaufhebungsgrund gemäß Art. 31 Abs. 1 des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (Genfer Flüchtlingskonvention) zur Seite gestanden hat (BGH StV 1999, 382; Westphal/Stoppa Ausländerrecht für die Polizei, 2. Aufl. S. 538 ff., 542, 554 f. m.w.N.). Unerheblich wäre auch, ob eine Aufenthaltsberechtigung der Schleusungswilligen in der Bundesrepublik Deutschland - wie das Landgericht meint – selbst für den Fall zu verneinen sei, daß Asylgesuche mit der Folge des § 55 Asylverfahrensgesetz gestellt worden seien, weil die Inder ein Asylgesuch „letztlich nur zum Schein“ (UA 9) gestellt oder jedenfalls durch die konspirativen Umstände ihrer Ausschleusung einen Asylantrag konkludent zurückgenommen hätten (UA 18 a.E.; vgl. dazu die Erwägung des 3. Strafsenats des Bundesgerichtshofs NJW 1999, 2827, 2828, in BGHSt 45, 103 nicht mit abgedruckt). Denn die Strafbarkeit nach § 92
a AuslG ist unabhängig davon, ob die Eingeschleusten Asylanträge stellen und ob diese als mißbräuchlich zu gelten haben oder nicht (vgl. Kloesel /Christ/Häußer Deutsches Ausländerrecht 45. Lfg. AuslG § 92 a Rdn. 8).

b) Zu Fall II. 4 der Urteilsgründe
aa) Insoweit hat das Landgericht festgestellt, daß der Angeklagte am 14. Dezember 2000 einen Klein-Lkw mietete, mit dem er in Absprache mit Tarsem S. 21 indische Sikhs von Duisburg zu einem britischen Lkw nach Mülheim /Ruhr brachte, von wo aus die Inder durch die Benelux-Staaten und Frankreich nach Großbritanninen geschleust werden sollten. Kurz nach Antritt der Fahrt des britischen Lkw griff die Polizei zu, so daß schon die Ausschleusung aus der Bundesrepublik Deutschland scheiterte. Sieben der indischen Personen hielten sich im Bundesgebiet "ohne jegliche Aufenthaltsgestattung" auf, die übrigen verfügten über eine "vorläufige Aufenthaltsgestattung nach Asylverfahrensgesetz" (UA 11).
Das Landgericht hat hier eine vollendete Tat nach § 92 a Abs. 1, 2 Nr. 1 und Abs. 4 i.V.m. § 92 Abs. 1 Nrn. 1 und 6 AuslG angenommen, weil, obwohl es zu einer Ausreise der Inder aus der Bundesrepublik nicht gekommen sei, der "Tatbeitrag des Angeklagten, nämlich seine Hilfeleistung, ... beendet" gewesen sei (UA 19).
bb) Die Anwendung von § 92 a Abs. 4 AuslG auf den hier festgestellten Fall des (beabsichtigten Schleusens) der Inder über die gemeinsamen Binnengrenzen der sog. Schengen-Staaten hinweg ist zutreffend (BGHR AuslG § 92 a Einschleusen 3). Dagegen trifft die Auffassung, die Tat sei vollendet, nicht zu. Zwar erfaßt die Vorschrift des § 92 a AuslG besondere Formen der zur Täterschaft verselbständigten Anstiftung und Beihilfe zu den darin genannten Vergehen nach § 92 AuslG (vgl. BGHSt 45, 103, 107; Senge in Erbs/Kohlhaas 138. ErgLfg. AuslG § 92 a Rdn. 3). Doch setzt die Strafbarkeit wegen vollen-
deter Schleusungstätigkeit die Vollendung der "Haupttat" nach § 92 AuslG voraus. Dies folgt schon daraus, daß in § 92 a Abs. 1 nur § 92 Abs. 1 und Abs. 2 AuslG, nicht aber die Versuchsvorschrift des § 92 Abs. 2 a AuslG in Bezug genommen ist. Schleusertätigkeit, die nicht zu dem in § 92 AuslG vorausgesetzten Erfolg führt, ist deshalb nur als Versuch nach § 92 a Abs. 3 AuslG erfaßt (vgl. BGH StV 1999, 382; BGH NStZ 2002, 33, 34; Stoppa in Huber, Handbuch des Ausländer- und Asylrechts, Bd. II , Stand 1. Februar 2002, AuslG § 92 a Rdn. 100).
cc) Der Senat sieht aber davon ab, in diesem Fall den Schuldspruch von sich aus zu ändern. Denn er schließt nicht aus, daß sich ergänzende Feststellungen treffen lassen, die nach dem oben zu den Fällen II. 1 und 2 der Urteilsgründe Gesagtem (s.o. 2. a cc) eine Verurteilung wegen vollendeter Schleusung tragen.

c) Zu Fällen II. 5 und 6 der Urteilsgründe
aa) Hierzu hat das Landgericht festgestellt, daß der Angeklagte am 28. Oktober 2000 den "illegal im Bundesgebiet aufhältigen Hardip S. gemeinsam mit zwei Indern, die über ein gültiges Schengen-Visum verfügten, von Hamburg aus per Pkw nach Dänemark zu schleusen" beabsichtigte (UA 12). Zwar traf sich der Angeklagte am Hamburger Hauptbahnhof mit den schleusungswilligen Personen. Die Schleusungsfahrt "scheiterte jedoch", da die Ausländer beim Verlassen des Hauptbahnhofs kontrolliert wurden (Fall II. 5).
Noch am selben Abend bat Ekam S. den Angeklagten, zwei Personen nach Dänemark zu schleusen, "wobei es sich möglicherweise um die Per-
sonen vom gescheiterten Unternehmen am Hamburger Hauptbahnhof handelte" (UA 12). Der Angeklagte gewann daraufhin Thomas N. für die Durchfüh- rung der Fahrt. N. nahm die beiden Inder am 3. November 2000 in Hamburg auf. Bei der Kontrolle am Grenzübergang Ellund wurden die beiden im Kofferraum des Pkw versteckten Inder entdeckt (Fall II. 6).
Das Landgericht hat beide Fälle als selbständige Handlungen des Durchschleusens von Ausländern nach § 92 a i.V.m. § 92 Abs. 1 Nrn. 1 und 2 AuslG, einen Versuch jedoch nur im Fall II. 5 angenommen.
bb) Die rechtliche Wertung des Landgerichts begegnet durchgreifenden Bedenken. Soweit der Angeklagte nach den bisher getroffenen Feststellungen seine Tätigkeit überhaupt erst entfaltete, als sich die Inder bereits in der Bundesrepublik Deutschland aufhielten, wären seine auf die Ausschleusung, und damit auf die Beendigung des (illegalen?) Aufenthalts in der Bundesrepublik gerichteten Bemühungen nach dem oben zu den Fällen II. 1 und 2 der Urteilsgründe Gesagten (s.o. 2. a bb) – vorbehaltlich der vom Landgericht nicht in den Blick genommenen Strafbarkeit nach § 92 a Abs. 4 AuslG (dazu nachfolgend dd) – straflos. Für eine Einbindung des Angeklagten in die Schleuserorganisation dergestalt, daß sich sein Tatbeitrag als Förderung des (illegalen) Aufenthalts der schleusungswilligen Personen in der Bundesrepublik Deutschland darstellt und er sich deshalb nach den dazu von der Rechtsprechung entwikkelten Grundsätzen (BGHSt 45, 103) wegen vollendeten "Durchschleusens" strafbar gemacht hat, fehlt es bislang an den erforderlichen Feststellungen.
cc) Davon abgesehen könnte die Verurteilung in diesen Fällen auch aus weiteren Gründen nicht bestehen bleiben:
Zum einen sind die Feststellungen, was den "ausländerrechtlichen Status" der Inder anlangt, widersprüchlich bzw. unklar. Denn einerseits stellt das Landgericht zu Fall II. 6 der Urteilsgründe fest, daß die beiden schleusungswilligen Personen "ohne Aufenthaltsgenehmigung für die Bundesrepublik Deutschland" waren (UA 15); andererseits handelte es sich - wie bereits erwähnt - "möglicherweise um die Personen vom gescheiterten Unternehmen am Hamburger Hauptbahnhof", von denen aber zwei Inder "über ein gültiges Schengen-Visum verfügten" (UA 12 zu Fall II. 5 der Urteilsgründe). Welcher Art die Schengen-Visa waren und welche Berechtigung sich daraus für die betreffenden Inder ergab (vgl. dazu Westphal ZAR 1998, 175 ff.), teilt das Urteil nicht mit.
Des weiteren hat das Landgericht im Fall II. 5 die sich aufdrängende Abgrenzung zwischen unbeendetem Versuch, von dem der Angeklagte gemäß § 24 Abs. 1 StGB durch bloßes Aufgeben der weiteren Tatausführung strafbefreiend zurückgetreten sein könnte, und fehlgeschlagenem Versuch nicht vorgenommen. Dieser Frage nachzugehen, bestand schon deshalb Anlaß, weil der Angeklagte wegen der Kontrolle am Hauptbahnhof lediglich "für diesen Tag" das Unternehmen für gescheitert ansah (UA 12). Dies läßt zugleich die Annahme zu, daß sich der Fall II. 6 lediglich als Fortsetzung des vorangehenden abgebrochenen Versuchs darstellt. Dies gilt umso mehr, als das Landgericht nicht ausschließt, daß es sich - wovon zu Gunsten des Angeklagten auszugehen ist - "möglicherweise um die Personen vom gescheiterten Unternehmen am Hamburger Hauptbahnhof handelte", womit naheliegend nur die zwei der im Fall II. 5 bezeichneten schleusungswilligen Inder gemeint sein können. Dann stellt sich aber das Vorgehen des Angeklagten im Fall II. 5 als nicht selbständiger Teil des Schleusungsvorgangs dar, der nach den in der Rechtspre-
chung zur tatbestandlichen Handlungseinheit (vgl. Tröndle/Fischer StGB 50. Aufl. vor § 52 Rdn. 2 d m.N.) entwickelten Grundsätzen die Fälle II. 5 und 6 zu einer Tat im Rechtssinne verbindet.
dd) Zudem hat das Landgericht es unterlassen, die Strafbarkeit des Angeklagten in den Fällen II. 5 und 6 der Urteilsgründe nach § 92 a Abs. 4 AuslG zu prüfen. Das Landgericht hat diese Vorschrift außer Betracht gelassen, obwohl - wie ausgeführt (s.o. 2 a bb) - das Übereinkommen über den Beitritt des Königreichs Dänemark zum Schengener Durchführungsübereinkommen seit dem 1. Mai 1999 in Kraft ist (Bekanntmachung BGBl 2002 II 627). Mit dem Inkrafttreten des Beittrittsabkommens ist nach Art. 2 Abs. 1 Unterabsatz 1 Satz 1 des „Protokolls zur Einbeziehung des Schengen-Besitzstands in den Rahmen der Europäischen Union“ (BGBl 1998 II 429) der Schengen-Besitzstand für Dänemark für sofort anwendbar erklärt worden. Deshalb war Dänemark im Tatzeitraum bereits Vertragsstaat im Sinne der genannten Strafvorschrift. Dies entspricht nach einer vom Senat eingeholten Auskunft auch der Auffassung der Bundesregierung. Daß das Inkrafttreten erst nachträglich bekannt gemacht wurde (BGBl 2002 II 627, ausgegeben am 14. März 2002), steht der Anwendbarkeit von § 92 a Abs. 4 AuslG nicht entgegen (vgl. BayObLGSt 1999, 113, 117 f.; Senge in Erbs/Kohlhaas aaO Rdn. 19).
Der Anwendung der Strafbestimmung des § 92 a Abs. 4 AuslG steht auch nicht entgegen, daß der sog. Schengen-Besitzstand nach der in der Schlußakte zu den zum Beitrittsübereinkommen aufgenommenen Erklärung (BGBl 2000 II 1110) durch Beschluß des Rates der Europäischen Union vom 1. Dezember 2000 – 2000/777/EG (Abl EG L 309/24 vom 9. Dezember 2000) für Dänemark erst zum 25. März 2001 (und damit nach der Tatbegehung) in Kraft
gesetzt worden ist (Bekanntmachung vom 27. Februar 2002, BGBl 2002 II 627, 628). Der Zeitpunkt der Inkraftsetzung des Vertrages ist für die Geltung der (nationalen) Strafbestimmung des § 92 a Abs. 4 AuslG ohne Bedeutung (Stoppa aaO Rdn. 92; ebenso Westphal/Stoppa aaO S. 566; a.A. noch, aber ohne nähere Begründung, Westphal in Huber Handbuch des Ausländer- und Asylrechts , Band II, Vorbem. Schengen II B 651 Rdn. 8).
Für diese Auslegung spricht schon der Wortlaut des Art. 8 des Gesetzes zu dem Schengener Übereinkommen vom 19. Juni 1990 betreffend den schrittweisen Abbau der Kontrollen an den gemeinsamen Grenzen vom 15. Juli 1993 (BGBl II 1010). Denn nach Art. 8 Abs. 1 des Gesetzes trat (auch) die Strafvorschrift des § 92 Abs. 4 a.F. AuslG an dem Tage in Kraft, „an dem das Übereinkommen nach seinem Artikel 139 sowie die Schlußakte und das Protokoll in Kraft tr(a)ten“. Der Gesetzgeber hat in Bezug auf das Übereinkommen den Begriff des Inkrafttretens auch nicht etwa „untechnisch“ verwendet und ihn inhaltlich mit der Inkraftsetzung gleichgesetzt. Denn für die Bekanntgabe der maßgeblichen Zeitpunkte ist in Art. 8 Abs. 2 des Gesetzes ausdrücklich zwischen dem Tag des Inkrafttretens und dem „Zeitpunkt der Inkraftsetzung“ des Übereinkommens unterschieden. Auch die Einzelbegründung zu Art. 4 Nr. 3 des Gesetzentwurfs knüpfte für die Anwendung der Strafvorschrift des § 92 Abs. 4 a.F. AuslG an die „gewerbliche Mitwirkung bei der illegalen Einreise in das Gebiet der Staaten“ an, „in denen das Übereinkommen in Kraft getreten“ ist (BTDrucks. 12/2453 S. 9, Hervorheb. durch den Senat; in diesem Sinne auch BayObLGSt 1999, 113, 116).
Mag auch mit dem Auseinanderfallen von Inkrafttreten und Inkraftsetzen im Verhältnis der Vertragsstaaten untereinander eine „unerfreuliche Rechtsun-
sicherheit“ eingetreten sein (Grotz in Grützner/Pötz Internationale Rechtshilfe in Strafsachen 2. Aufl. Bd. 4 SDÜ Art. 139, dort Fußnote 97), hat der bundesdeutsche Gesetzgeber jedenfalls in europa- und verfassungsrechtlich unbedenklicher Weise die Strafbarkeit nach § 92 Abs. 4 a.F. AuslG (jetzt § 92 a Abs. 4 AuslG) in Erfüllung der Verpflichtung aus Art. 27 SDÜ an den Zeitpunkt des Inkrafttretens des (Beitrittsübereinkommens zum) SDÜ geknüpft (so auch der Wortlaut der Begründung des Gesetzentwurfs, BTDrucks. 12/2453 S. 9). Daß nach der Gemeinsamen Erklärung zu Art. 139 SDÜ zum Inkrafttreten des Übereinkommens dessen Inkraftsetzen hinzukommen muß (Schomburg in Schomburg/Lagodny Internationale Rechtshilfe in Strafsachen 3. Aufl. SDÜ Art. 139 Rdn. 1), steht in Zusammenhang mit der durch Exekutivakt der Europäischen Union zu treffenden bzw. getroffenen Feststellung, daß „die Voraussetzungen der Anwendung des Übereinkommens bei den Unterzeichnerstaaten gegeben sind und die Kontrollen an den Außengrenzen tatsächlich durchgeführt werden“ (BTDrucks 12/2453 S. 84) bzw. – bezogen auf den Beitritt Dänemarks – „die als notwendig erachteten Regeln für die wirksamen Kontrollen an den Außengrenzen ... Anwendung finden und wirksam sind“ (Gemeinsame Erklärung zu Art. 7 des Übereinkommens über den Beitritt des Königreichs Dänemark zum Schengen-Übereinkommen, BGBl II 2000 1110). Dies berührt indes nicht die Befugnis des einzelnen Mitgliedstaates, in eigener Zuständigkeit schon vor der Inkraftsetzung Sanktionen einzuführen, die der wirksamen Durchsetzung der Vertragsbestimmungen dienen (vgl. Erwägungen 4 und 5 zum Beschluß des Rates der Europäischen Union vom 20. Mai 1999, 1999/436/EG, Abl EG L 176/17). Dazu fehlt es auch nicht an einem legitimierenden Anknüpfungspunkt für die damit begründete Ausdehnung der (bundesdeutschen ) Strafgewalt (vgl. hierzu Franke in GK-AuslR – Stand Januar 2000 –
AuslG § 92a Rdn. 19 m.N.), wenn – wie hier – die Tat durch einen Deutschen im Inland begangen wird.
Auch die weitere Voraussetzung des § 92 a Abs. 4 AuslG, daß die Tat gegen Rechtsvorschriften des betreffenden Vertragsstaates über die Einreise und den Aufenthalt von Drittausländern verstoßen hat, die den in § 92 Abs. 1 Nr. 1 oder 6 oder Abs. 2 Nr. 1 AuslG bezeichneten Handlungen entsprechen, kommt naheliegend in Betracht. Nach einer über die Bundesregierung eingeholten Mitteilung der Botschaft der Bundesrepublik in Kopenhagen sind die illegale Einreise in das Königreich Dänemark und der ungenehmigte Aufenthalt dort sowie die vorsätzliche Hilfeleistung dazu in § 59 des Dänischen Ausländergesetzes (udlændingeloven) grundsätzlich unter Strafe gestellt. Die Vorschrift lautet danach (in nicht-amtlicher Übersetzung) in ihrer seit dem 1. Juni 2000 – und damit auch im Tatzeitpunkt geltenden – Fassung, soweit hier von Interesse, wie folgt:
Abs. 1
Mit Geldstrafe oder Gefängnis bis zu sechs Monaten wird der Ausländer bestraft, der
(1) unter Umgehung der Passkontrollen oder außerhalb der Öffnungszeiten der Grenzübergangsstellen in das Land ... einreist ... . Satz 1 gilt nicht bei der Einreise aus ... einem Land des Schengenabkommens, wenn nicht ausnahmsweise eine Kontrolle an einer solchen Grenze stattfindet gemäß Art. 2 Abs. 2 der Schengenkonvention,...
(2) in das Land entgegen einem Einreiseverbot oder ein im Zusammenhang mit früheren ausländerrechtlichen Bestimmungen ergangenes Verbot in das Land einreist.
(3) sich im Land ohne erforderliche Genehmigung aufhält oder hier arbeitet.
(4) .......
Abs. 5
Wer einem Ausländer vorsätzlich dazu Hilfe leistet, unerlaubt einzureisen oder sich unerlaubt im Land aufzuhalten, wird mit Geldstrafe oder Gefängnis bis zu zwei Jahren verurteilt. ...
Der Senat kann die Frage, ob die Tathandlung des Angeklagten in den Fällen II. 5 und 6 der Urteilsgründe hiernach im Tatzeitpunkt Zuwiderhandlungen gegen die genannten dänischen Vorschriften im Sinne des § 92 a Abs. 4 Nr. 1 AuslG „entsprochen“ hat, aber nicht abschließend beantworten, weil es dazu an den erforderlichen Feststellungen zur rechtlichen und tatsächlichen Situation der Kontrolle an der dänischen Grenze zur Tatzeit unter Beachtung der Bestimmungen des SDÜ fehlt. Im übrigen kommt nach dem oben zu Fall II. 4 der Urteilsgründe Gesagten (s.o. 2. b) eine Strafbarkeit des Angeklagten ohnedies nur wegen versuchter Einschleusung nach § 92 a Abs. 4 i.V.m. Abs. 3 AuslG in Betracht, wenn – wozu sich das angefochtene Urteil nicht verhält – die schleusungswilligen Personen dänisches Hoheitsgebiet nicht erreicht haben, sondern die Ausschleusung schon auf deutscher Seite der Grenze gescheitert war (vgl. zur entsprechenden Fragestellung bei der Einfuhr von Betäubungsmitteln BGHR BtMG § 29 Abs. 1 Nr. 1 Einfuhr 25, 30, 38). Auch in diesem Fall würde es nicht schon an einer § 92 a Abs. 3 AuslG entsprechenden , nämlich auch die versuchte Tat erfassenden Rechtsvorschrift in Dänemark fehlen; denn § 21 des dänischen Strafgesetzes (straffeloven) in der zur Tatzeit geltenden Fassung bestimmte, soweit hier von Interesse (Cornils/Greve Das dänische Strafgesetz, 1997, S. 21):
Abs.1
Handlungen, die darauf abzielen, die Ausführung einer Straftat zu fördern oder zu bewirken , werden, wenn die Straftat nicht zur Ausführung gelangt, als Versuch bestraft.
Abs. 3
Sofern nichts anderes bestimmt ist, wird der Versuch nur bestraft, wenn für die Straftat eine höhere Strafe als Haft vorgesehen ist.
[In der seit dem 1. Juli 2001 geltenden Fassung lautet der 2. Halbsatz: „..., wenn für die Straftat eine Strafe verhängt werden kann, die 4 Monate Gefängnis übersteigt“. (Cornils/Greve Das dänische Strafgesetz 2. Aufl., 2001, S. 29).]
Die Sache bedarf deshalb aber auch insoweit weiterer Aufklärung durch den neuen Tatrichter.
3. Die Aufhebung des Urteils in den Fällen II. 1 und 2 sowie 4 bis 6 der Urteilsgründe entzieht dem Gesamtstrafenausspruch die Grundlage. Auch der Maßregelausspruch nach §§ 69, 69 a StGB kann nicht bestehen bleiben; denn
das Landgericht hat die Entziehung der Fahrerlaubnis auch auf die von der Aufhebung betroffene Tat im Fall II 4 gestützt.
Tepperwien Maatz Kuckein
Ernemann