Bundesgerichtshof Beschluss, 09. Okt. 2019 - 4 StR 207/19

bei uns veröffentlicht am09.10.2019

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 207/19
vom
9. Oktober 2019
in der Strafsache
gegen
wegen Beihilfe zur Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts
und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 9. Oktober 2019 gemäß § 349 Abs.
2 und 4, § 357 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Münster (Westf.) vom 16. Oktober 2018 mit der Maßgabe als unbegründet verworfen, dass die von dem Angeklagten und dem Mitangeklagten K. in dieser Sache in den Niederlanden erlittene Freiheitsentziehung im Verhältnis 1:1 anzurechnen ist.

2. Im Übrigen hat die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.
ECLI:DE:BGH:2019:091019B4STR207.19.0 Ergänzend zu der Antragsschrift des Generalbundesanwalts bemerkt der Senat : 1. Es kann dahingestellt bleiben, ob das Landgericht angesichts der zeitlichen Nähe der Taten zu II. 5 und II. 9 der Urteilsgründe gehalten gewesen wäre, bei den Haupttätern des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge das Vorliegen einer Bewertungseinheit zwischen diesen Taten zu erörtern. Zwar hätte dies aus Gründen der Akzessorietät der Teilnahme insoweit zur Annahme eines einheitlichen Beihilfedelikts des Angeklagten geführt (vgl. BGH, Beschluss vom 2. September 2008 – 5 StR 356/08, NStZ-RR 2008, 386), und wegen der Identität der zur Anwendung gebrachten Strafrahmen (§ 29a Abs. 2, § 30 Abs. 2 BtMG) wäre hier auch eine Verklammerung der hierzu jeweils tateinheitlich verwirklichten Beihilfe zur Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge durch die Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Betracht gekommen (vgl. BGH, Urteil vom 22. August 2012 – 2 StR 530/11, BGHR BtMG § 29 Abs. 1 Nr. 1 Konkurrenzen 13; Beschluss vom 25. September 2019 – 4 StR 126/19). Der Senat kann aber in Anbetracht der verhängten Einzelstrafen und der Gesamtstrafe ausschließen, dass der Angeklagte durch die unterbliebene Annahme einer einheitlichen Beihilfetat beschwert wäre.
2. Die Bestimmung des Anrechnungsmaßstabs für die von dem Angeklagten in dieser Sache in den Niederlanden erlittene Freiheitsentziehung war gemäß § 357 StPO auf den nichtrevidierenden Angeklagten K. zu erstrecken (vgl. BGH, Beschlüsse vom 21. Mai 2019 – 2 StR 446/18, juris, Rn. 2; vom 1. September2009 – 3 StR 264/09, NStZ-RR 2010, 27; MüKo-StGB/Maier, 3. Aufl., § 51 Rn. 67).
Sost-Scheible Roggenbuck Bender Quentin Feilcke

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Betäubungsmittelgesetz - BtMG 1981 | § 29 Straftaten


(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer1.Betäubungsmittel unerlaubt anbaut, herstellt, mit ihnen Handel treibt, sie, ohne Handel zu treiben, einführt, ausführt, veräußert, abgibt, sonst in den Verkehr bringt,

Betäubungsmittelgesetz - BtMG 1981 | § 29a Straftaten


(1) Mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr wird bestraft, wer1.als Person über 21 JahreBetäubungsmittel unerlaubt an eine Person unter 18 Jahren abgibt oder sie ihr entgegen § 13 Abs. 1 verabreicht oder zum unmittelbaren Verbrauch überläßt oder2.

Strafprozeßordnung - StPO | § 357 Revisionserstreckung auf Mitverurteilte


Erfolgt zugunsten eines Angeklagten die Aufhebung des Urteils wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Strafgesetzes und erstreckt sich das Urteil, soweit es aufgehoben wird, noch auf andere Angeklagte, die nicht Revision eingelegt haben, so ist zu

Betäubungsmittelgesetz - BtMG 1981 | § 30 Straftaten


(1) Mit Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren wird bestraft, wer1.Betäubungsmittel unerlaubt anbaut, herstellt oder mit ihnen Handel treibt (§ 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1) und dabei als Mitglied einer Bande handelt, die sich zur fortgesetzten Begehung s

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BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL 2 StR 530/11 vom 22. August 2012 in der Strafsache gegen wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge u.a. Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 22.

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BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 4 StR 126/19 vom 25. September 2019 in der Strafsache gegen 1. 2. wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge u.a. ECLI:DE:BGH:2019:250919B4STR126.19.0 Der 4. Strafsenat des Bundesgerich

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Erfolgt zugunsten eines Angeklagten die Aufhebung des Urteils wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Strafgesetzes und erstreckt sich das Urteil, soweit es aufgehoben wird, noch auf andere Angeklagte, die nicht Revision eingelegt haben, so ist zu erkennen, als ob sie gleichfalls Revision eingelegt hätten. § 47 Abs. 3 gilt entsprechend.

(1) Mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr wird bestraft, wer

1.
als Person über 21 JahreBetäubungsmittel unerlaubt an eine Person unter 18 Jahren abgibt oder sie ihr entgegen § 13 Abs. 1 verabreicht oder zum unmittelbaren Verbrauch überläßt oder
2.
mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge unerlaubt Handel treibt, sie in nicht geringer Menge herstellt oder abgibt oder sie besitzt, ohne sie auf Grund einer Erlaubnis nach § 3 Abs. 1 erlangt zu haben.

(2) In minder schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren.

(1) Mit Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren wird bestraft, wer

1.
Betäubungsmittel unerlaubt anbaut, herstellt oder mit ihnen Handel treibt (§ 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1) und dabei als Mitglied einer Bande handelt, die sich zur fortgesetzten Begehung solcher Taten verbunden hat,
2.
im Falle des § 29a Abs. 1 Nr. 1 gewerbsmäßig handelt,
3.
Betäubungsmittel abgibt, einem anderen verabreicht oder zum unmittelbaren Verbrauch überläßt und dadurch leichtfertig dessen Tod verursacht oder
4.
Betäubungsmittel in nicht geringer Menge unerlaubt einführt.

(2) In minder schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
2 StR 530/11
vom
22. August 2012
in der Strafsache
gegen
wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer
Menge u.a.
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 22. August
2012, an der teilgenommen haben:
Richter am Bundesgerichtshof
Prof. Dr. Fischer
als Vorsitzender,
die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Appl,
Prof. Dr. Schmitt,
Prof. Dr. Krehl,
die Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Ott,
Staatsanwältin
als Vertreterin der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Köln vom 18. Juli 2011 wird verworfen. Der Angeklagte trägt die Kosten seines Rechtsmittels.

Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in 11 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und sechs Monaten verurteilt und ihn im Übrigen freigesprochen. Seine auf die Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision ist aus den im Antrag des Generalbundesanwalts genannten Gründen offensichtlich unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO). Der Erörterung bedarf nur die konkurrenzrechtliche Beurteilung des Landgerichts.
2
1. Nach den Urteilsfeststellungen unternahm der in beengten finanziellen Verhältnissen lebende Angeklagte in der Zeit zwischen Juli 2009 und September 2010 11 Kurierfahrten mit Betäubungsmitteln von den Niederlanden in die Bundesrepublik Deutschland. Dies geschah in drei Fällen für eine Verkäuferin namens "T. " (Fälle 1-3), in den übrigen Fällen für einen namentlich nicht bekannten Mann "X" (Fälle 4-11), der auch an den Vorgeschäften bereits beteiligt war. Das Rauschgift, Amphetamin in Mengen zwischen 10 und 30 kg, wurde in allen Fällen dem Käufer, dem Zeugen K. , überbracht; hierfür erhielt der Angeklagte einen Kurierlohn von jeweils 500 €, entweder vom Käufer oder vom Verkäufer. In den Fällen 1-3 bezahlte der Zeuge K. "T. " entsprechend einer mit ihr getroffenen Vereinbarung die Hälfte des gelieferten Rauschgifts sofort, die andere Hälfte nach Veräußerung jeweils bei der nächsten Lieferung (UA S. 5), wobei der Angeklagte in den Zahlvorgang nicht eingebunden war. In gleicher Weise erfolgte auch, allerdings unter Einschaltung des Angeklagten , der die Ware überbrachte und gleichzeitig das Geld entgegennahm, die Bezahlung in den Fällen 7-10 (UA S. 11). Zur Bezahlung der letzten Lieferung am 20. September 2010 kam es nicht mehr, nachdem der bereits mit den Drogen nach Deutschland eingereiste Angeklagte nach vorangegangener Festnahme des Zeugen K. vor Abwicklung des Geschäfts festgenommen worden war (Fall 11).
3
2. Das Landgericht hat die 11 Kurierfahrten jeweils als rechtlich selbständige Taten angesehen und 11 tatmehrheitliche Fälle angenommen. Dies begegnet keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
4
Zwar werden verschiedene Rauschgiftgeschäfte zu einer einzigen Tat des Handeltreibens verbunden, wenn sie in einem Handlungsteil zusammen treffen. Dies ist nach bisheriger Rechtsprechung des Senats auch der Fall, wenn sich, etwa bei Kommissionsgeschäften, Zahlungsvorgänge hinsichtlich mehrerer Geschäfte überschneiden (vgl. BGHR BtMG § 29 Abs. 1 Nr. 3 Konkurrenzen 5; § 29 Strafzumessung 29; Senatsbeschlüsse vom 2. Oktober 2002 - 2 StR 294/02, vom 11. August 2004 - 2 StR 184/04, vom 17. Oktober 2007 - 2 StR 376/07 und vom 9. Januar 2008 - 2 StR 527/07). Dies könnte jedenfalls hinsichtlich der Taten 1-3, aber auch bezogen auf die Verkaufsvorgänge durch "X" in den Fällen 4-10 dazu führen, dass insoweit, auch bezogen auf den Angeklagten , jeweils nur eine Tat gegeben ist. Zu berücksichtigen ist hier allerdings, dass der Angeklagte als Kurier, der das Rauschgift aus den Niederlanden nach Deutschland einführte, sich lediglich wegen Beihilfe zum Handeltreiben von Betäubungsmitteln und weitergehend zugleich auch wegen täterschaftlicher Einfuhr in 11 tatmehrheitlichen Fällen strafbar gemacht hat. In einem solchen Fall ist es ausgeschlossen, dass das minderschwere Delikt der Beihilfe zum Handeltreiben die Einfuhrhandlungen zu einer Tat im Rechtssinne verbindet. Es liegen insoweit 11 selbständige Einfuhren vor, die ihrerseits mit einer Beihilfe zum Handeltreiben in Tateinheit stehen. Ob das bei einem Zusammentreffen von täterschaftlichem Handeltreiben und Einfuhr möglich wäre (vgl. BGH NStZ 1997, 136), braucht der Senat nicht zu entscheiden.
Fischer Appl Schmitt Krehl Ott

(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer

1.
Betäubungsmittel unerlaubt anbaut, herstellt, mit ihnen Handel treibt, sie, ohne Handel zu treiben, einführt, ausführt, veräußert, abgibt, sonst in den Verkehr bringt, erwirbt oder sich in sonstiger Weise verschafft,
2.
eine ausgenommene Zubereitung (§ 2 Abs. 1 Nr. 3) ohne Erlaubnis nach § 3 Abs. 1 Nr. 2 herstellt,
3.
Betäubungsmittel besitzt, ohne zugleich im Besitz einer schriftlichen Erlaubnis für den Erwerb zu sein,
4.
(weggefallen)
5.
entgegen § 11 Abs. 1 Satz 2 Betäubungsmittel durchführt,
6.
entgegen § 13 Abs. 1 Betäubungsmittel
a)
verschreibt,
b)
verabreicht oder zum unmittelbaren Verbrauch überläßt,
6a.
entgegen § 13 Absatz 1a Satz 1 und 2 ein dort genanntes Betäubungsmittel überlässt,
6b.
entgegen § 13 Absatz 1b Satz 1 Betäubungsmittel verabreicht,
7.
entgegen § 13 Absatz 2
a)
Betäubungsmittel in einer Apotheke oder tierärztlichen Hausapotheke,
b)
Diamorphin als pharmazeutischer Unternehmer
abgibt,
8.
entgegen § 14 Abs. 5 für Betäubungsmittel wirbt,
9.
unrichtige oder unvollständige Angaben macht, um für sich oder einen anderen oder für ein Tier die Verschreibung eines Betäubungsmittels zu erlangen,
10.
einem anderen eine Gelegenheit zum unbefugten Erwerb oder zur unbefugten Abgabe von Betäubungsmitteln verschafft oder gewährt, eine solche Gelegenheit öffentlich oder eigennützig mitteilt oder einen anderen zum unbefugten Verbrauch von Betäubungsmitteln verleitet,
11.
ohne Erlaubnis nach § 10a einem anderen eine Gelegenheit zum unbefugten Verbrauch von Betäubungsmitteln verschafft oder gewährt, oder wer eine außerhalb einer Einrichtung nach § 10a bestehende Gelegenheit zu einem solchen Verbrauch eigennützig oder öffentlich mitteilt,
12.
öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten eines Inhalts (§ 11 Absatz 3 des Strafgesetzbuches) dazu auffordert, Betäubungsmittel zu verbrauchen, die nicht zulässigerweise verschrieben worden sind,
13.
Geldmittel oder andere Vermögensgegenstände einem anderen für eine rechtswidrige Tat nach Nummern 1, 5, 6, 7, 10, 11 oder 12 bereitstellt,
14.
einer Rechtsverordnung nach § 11 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 oder § 13 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1, 2a oder 5 zuwiderhandelt, soweit sie für einen bestimmten Tatbestand auf diese Strafvorschrift verweist.
Die Abgabe von sterilen Einmalspritzen an Betäubungsmittelabhängige und die öffentliche Information darüber sind kein Verschaffen und kein öffentliches Mitteilen einer Gelegenheit zum Verbrauch nach Satz 1 Nr. 11.

(2) In den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 1, 2, 5 oder 6 Buchstabe b ist der Versuch strafbar.

(3) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter

1.
in den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 1, 5, 6, 10, 11 oder 13 gewerbsmäßig handelt,
2.
durch eine der in Absatz 1 Satz 1 Nr. 1, 6 oder 7 bezeichneten Handlungen die Gesundheit mehrerer Menschen gefährdet.

(4) Handelt der Täter in den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 1, 2, 5, 6 Buchstabe b, Nummer 6b, 10 oder 11 fahrlässig, so ist die Strafe Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe.

(5) Das Gericht kann von einer Bestrafung nach den Absätzen 1, 2 und 4 absehen, wenn der Täter die Betäubungsmittel lediglich zum Eigenverbrauch in geringer Menge anbaut, herstellt, einführt, ausführt, durchführt, erwirbt, sich in sonstiger Weise verschafft oder besitzt.

(6) Die Vorschriften des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 1 sind, soweit sie das Handeltreiben, Abgeben oder Veräußern betreffen, auch anzuwenden, wenn sich die Handlung auf Stoffe oder Zubereitungen bezieht, die nicht Betäubungsmittel sind, aber als solche ausgegeben werden.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 126/19
vom
25. September 2019
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer
Menge u.a.
ECLI:DE:BGH:2019:250919B4STR126.19.0

Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts und nach Anhörung der Beschwerdeführer am 25. September 2019 gemäß § 349 Abs. 2 StPO beschlossen:
Die Revisionen der Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Münster (Westf.) vom 31. Oktober 2018 werden als unbegründet verworfen; die Revision des Angeklagten H. mit der Maßgabe, dass er der unerlaubten Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in fünf Fällen, jeweils in Tateinheit mit Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, schuldig ist. Jeder Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten R. wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in fünf Fällen, jeweils in Tateinheit mit Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und den Angeklagten H. wegen Beihilfe zur unerlaubten Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in fünf Fällen, jeweils in Tateinheit mit Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Die gegen dieses Urteil gerichteten Revisionen der Angeklagten sind unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO. Die Revision des Angeklagten H. führt jedoch zu einer Berichtigung des Schuldspruchs.
2
1. Nach den Feststellungen des Landgerichts brachte der Angeklagte R. bei fünf Kurierfahrten zwischen dem 23. Februar 2018 und dem 13. März 2018 diverse Postsendungen, die verschiedene Betäubungsmittel im (teils mehrfachen) Kilogrammbereich enthielten, aus den Niederladen über die Grenze nach Deutschland und gab sie bei verschiedenen Postfilialen auf. Die Betäubungsmittel waren von Kunden aus allen Teilen der Welt, zum Großteil aus Deutschland, über eine Onlineverkaufsplattform im sog. "Darknet" bestellt und in einer Wohnung in E. zum Versand verpackt worden. Nachdem der Angeklagte R. sich weigerte, weitere Fahrten durchzuführen, wurde der nicht revidierende Angeklagten Ho. für den Transport der Postsendungen angeworben, der zunächst mit dem gesondert Verfolgten L. und danach, vom 5. Mai 2018 bis zum 16. Mai 2018, mit dem Angeklagten H. weitere fünf Kurierfahrten durchführte. Ho. besaß keine Fahrerlaubnis. Die Tätigkeit des Angeklagten H. beschränkte sich auf das Führen des Fahrzeugs. Jegliche Kommunikation und Absprache mit den Auftraggebern sowie die Aufgabe der Postsendungen erfolgte durch Ho. .
3
2. Der Schuldspruch hinsichtlich des Angeklagten H. hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand und war deshalb zu berichtigen.
4
Das rechtsfehlerfrei festgestellte Verhalten des Angeklagten erfüllt die Voraussetzungen der Täterschaft in Bezug auf den Tatbestand der Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge gemäß § 30 Abs. 1 Nr. 4 BtMG. Wer Betäubungsmittel selbst – hier durch Führen des Fahrzeugs – über die Grenze verbringt, ist grundsätzlich auch dann Täter der unerlaubten Einfuhr von Betäubungsmitteln , wenn er nur unter dem Einfluss und in Gegenwart eines Mittäters in dessen Interesse handelt (BGH, Urteil vom 22. Juli 1992 – 3 StR 35/92, BGHSt 38, 315).
5
3. Im Übrigen hat die sachlich-rechtliche Überprüfung des Urteils keinen Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten ergeben (§ 349 Abs. 2 StPO).
6
Es kann dahingestellt bleiben, ob das Landgericht angesichts der festgestellten Umstände, nämlich eines umfangreichen Handels mit verschiedenen Betäubungsmitteln über das "Darknet" und der zeitlich dichten Abfolge der Kurierfahrten , bei denen jeweils Sendungen mit verschiedenen Betäubungsmitteln im teils mehrfachen Kilogrammbereich zu deutschen Postfilialen gebracht wurden , das Vorliegen einer Bewertungseinheit bei den Haupttätern des Handeltreibens hätte erörtern müssen. Angesichts der gehandelten Rauschgiftmengen und der teils täglichen, teils im Abstand weniger Tage erfolgten Kurierfahrten lag hier nahe, dass die Lieferungen ganz oder teilweise aus einem Gesamtvorrat der jeweiligen von den Haupttätern zum Handeln vorrätig gehaltenen Betäubungsmittel erfolgten, so dass die einzelnen Lieferungen möglicherweise materiell -rechtlich als Teilakte einer auf einen einheitlichen Güterumsatz bezogenen Bewertungseinheit anzusehen waren (vgl. Weber, BtMG, 5. Aufl., Vor §§ 29 ff. Rn. 593 ff.). Aus Gründen der Akzessorietät der Teilnahme stellten dann auch die Gehilfentätigkeiten ein einheitliches Beihilfedelikt dar (vgl. BGH, Beschluss vom 2. September 2008 – 5 StR 356/08, NStZ-RR 2008, 386; Urteil vom 13. Dezember 2012 – 4 StR 99/12, NStZ-RR 2013, 147, 148).
7
Eine einheitliche Beihilfetat der Angeklagten könnte allerdings als minderschweres Delikt die jeweils fünf Einfuhrhandlungen nicht zu einer Tat im Rechtssinne verbinden (BGH, Urteil vom 22. August 2012 – 2 StR 530/11, BGHR BtMG § 29 Abs. 1 Nr. 1 Konkurrenzen 13). Soweit der Senat in seinem Urteil vom 13. Dezember 2012 – 4 StR 99/12 – aaO) eine andere Rechtsauffassung vertreten hat, hält er daran nicht fest.
Sost-Scheible Roggenbuck Bender
Feilcke Paul

Erfolgt zugunsten eines Angeklagten die Aufhebung des Urteils wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Strafgesetzes und erstreckt sich das Urteil, soweit es aufgehoben wird, noch auf andere Angeklagte, die nicht Revision eingelegt haben, so ist zu erkennen, als ob sie gleichfalls Revision eingelegt hätten. § 47 Abs. 3 gilt entsprechend.

2
Gemäß § 357 StPO war die Entscheidung auch auf den Mitangeklagten M. zu erstrecken, der seine Revision zurückgenommen hatte (vgl. BGH, Beschluss vom 1. September 2009 – 3 StR 264/09, NStZ-RR 2010, 27).