Bundesgerichtshof Beschluss, 21. Juni 2018 - 4 StR 184/18
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers und des Generalbundesanwalts am 21. Juni 2018 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
2. Es wird festgestellt, dass das Verfahren unter Verstoß gegen Art. 6 Abs. 1 Satz 1 MRK verzögert worden ist.
3. Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels sowie die der Nebenklägerin im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.
Gründe:
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- Das Landgericht hat den Angeklagten wegen sexueller Nötigung zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt. Die auf die Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten führt zur Feststellung eines Verstoßes gegen Art. 6 Abs. 1 Satz 1 MRK; im Übrigen ist das Rechtsmittel unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
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- 1. Die Nachprüfung des Urteils aufgrund der Revisionsrechtfertigung hat weder zum Schuldspruch noch zum Strafausspruch Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben. Insoweit wird auf die zutreffenden Ausführungen des Generalbundesanwalts in seiner Zuschrift an den Senat vom 30. April 2018 Bezug genommen.
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- 2. Zutreffend ist allerdings der Einwand der Revision, das Verfahren sei unter Verletzung des Rechts des Angeklagten auf Entscheidung innerhalb angemessener Frist (Art. 6 Abs. 1 Satz 1 MRK) geführt worden.
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- a) Zwar muss der Revisionsführer nach inzwischen gefestigter Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs regelmäßig eine Verfahrensrüge erheben, wenn er die unterbliebene oder unzureichende Kompensation einer konventionswidrigen Verfahrensverzögerung geltend machen will, sofern diese bis zum Ablauf der Revisionsrechtfertigungsfrist eingetreten ist (vgl. nur BGH, Beschluss vom 17. Dezember 2003 – 1 StR 445/03, BGHR MRK Art. 6 Abs. 1 Satz 1 Verfahrensverzögerung 19; Urteil vom 25. November 2004 – 2 StR 274/04, NStZ-RR 2005, 81 [Ls], jeweils mwN; Fischer, StGB, 65. Aufl., § 46 Rn. 127). Dies gilt aber ausnahmsweise dann nicht, wenn sich die Umstände, die die Verfahrensverzögerung und ihre Konventionswidrigkeit belegen, in für das Revisionsgericht nachvollziehbarer Weise bereits aus den Gründen des angefochtenen Urteils und den von Amts wegen zu berücksichtigenden Aktenbestandteilen ergeben (BGH, Urteil vom 25. November 2004 aaO). So liegt der Fall hier. Dem Senat steht insoweit eine hinreichende Beurteilungsgrundlage zur Verfügung. Das Landgericht hat in den Urteilsgründen detaillierte Feststellungen zum Ablauf des Verfahrens insgesamt getroffen und dabei insbesondere die nicht zeitgerechte , den Strafverfolgungsbehörden zuzurechnende Sachbehandlung nach Wiedereinreise des Angeklagten in die Bundesrepublik Deutschland im Jahr 2014 eingehend nachvollzogen (UA 12/14).
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- b) Die im landgerichtlichen Urteil näher dargelegte mangelhafte Förderung des Verfahrens nach Erteilung des Auftrags zur Erstellung eines DNAGutachtens an das Landeskriminalamt N. am 1. Juli 2014 begründet einen Verstoß gegen Art. 6 Abs. 1 Satz 1 MRK, den der Senat hiermit ausdrücklich feststellt.
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- Eine weiter gehende Kompensation rechtfertigt das Gewicht der Verzögerung im vorliegenden Fall jedoch nicht. Zwar erfolgte die erste Sachstandsanfrage der Staatsanwaltschaft beim Landeskriminalamt erst mit Verfügung vom 16. September 2016 und deshalb, wie das Landgericht zutreffend angenommen hat, mit Blick auf das Datum des Gutachtenauftrags (1. Juli 2014) unvertretbar spät. Der verstrichene Zeitraum ist jedoch schon angesichts der auch bei zeitgerechter Verfahrensförderung in Ansatz zu bringenden Bearbeitungszeit nicht mit einer konventionswidrigen Verfahrensverzögerung von entsprechender Dauer gleichzusetzen und damit deutlich geringer zu bemessen. Es kommt hinzu , dass das Landgericht die Dauer des Verfahrens schon bei der Strafzumessung in besonderem Maße ausdrücklich zu Gunsten des Angeklagten berücksichtigt und eine angesichts des verwirklichten Unrechts äußerst milde Freiheitsstrafe verhängt hat. Weitere, besondere Belastungen des zu keinem Zeitpunkt inhaftierten Angeklagten sind nicht ersichtlich.
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- 3. Der geringfügige Erfolg des Rechtsmittels rechtfertigt es nicht, den Beschwerdeführer von einem Teil der Verfahrenskosten freizustellen (§ 473 Abs. 4 StPO).
Quentin Feilcke
Annotations
(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.
(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.
(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.
(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.
(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.
(1) Die Kosten eines zurückgenommenen oder erfolglos eingelegten Rechtsmittels treffen den, der es eingelegt hat. Hat der Beschuldigte das Rechtsmittel erfolglos eingelegt oder zurückgenommen, so sind ihm die dadurch dem Nebenkläger oder dem zum Anschluß als Nebenkläger Berechtigten in Wahrnehmung seiner Befugnisse nach § 406h erwachsenen notwendigen Auslagen aufzuerlegen. Hat im Falle des Satzes 1 allein der Nebenkläger ein Rechtsmittel eingelegt oder durchgeführt, so sind ihm die dadurch erwachsenen notwendigen Auslagen des Beschuldigten aufzuerlegen. Für die Kosten des Rechtsmittels und die notwendigen Auslagen der Beteiligten gilt § 472a Abs. 2 entsprechend, wenn eine zulässig erhobene sofortige Beschwerde nach § 406a Abs. 1 Satz 1 durch eine den Rechtszug abschließende Entscheidung unzulässig geworden ist.
(2) Hat im Falle des Absatzes 1 die Staatsanwaltschaft das Rechtsmittel zuungunsten des Beschuldigten oder eines Nebenbeteiligten (§ 424 Absatz 1, §§ 439, 444 Abs. 1 Satz 1) eingelegt, so sind die ihm erwachsenen notwendigen Auslagen der Staatskasse aufzuerlegen. Dasselbe gilt, wenn das von der Staatsanwaltschaft zugunsten des Beschuldigten oder eines Nebenbeteiligten eingelegte Rechtsmittel Erfolg hat.
(3) Hat der Beschuldigte oder ein anderer Beteiligter das Rechtsmittel auf bestimmte Beschwerdepunkte beschränkt und hat ein solches Rechtsmittel Erfolg, so sind die notwendigen Auslagen des Beteiligten der Staatskasse aufzuerlegen.
(4) Hat das Rechtsmittel teilweise Erfolg, so hat das Gericht die Gebühr zu ermäßigen und die entstandenen Auslagen teilweise oder auch ganz der Staatskasse aufzuerlegen, soweit es unbillig wäre, die Beteiligten damit zu belasten. Dies gilt entsprechend für die notwendigen Auslagen der Beteiligten.
(5) Ein Rechtsmittel gilt als erfolglos, soweit eine Anordnung nach § 69 Abs. 1 oder § 69b Abs. 1 des Strafgesetzbuches nur deshalb nicht aufrechterhalten wird, weil ihre Voraussetzungen wegen der Dauer einer vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis (§ 111a Abs. 1) oder einer Verwahrung, Sicherstellung oder Beschlagnahme des Führerscheins (§ 69a Abs. 6 des Strafgesetzbuches) nicht mehr vorliegen.
(6) Die Absätze 1 bis 4 gelten entsprechend für die Kosten und die notwendigen Auslagen, die durch einen Antrag
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auf Wiederaufnahme des durch ein rechtskräftiges Urteil abgeschlossenen Verfahrens oder - 2.
auf ein Nachverfahren (§ 433)
(7) Die Kosten der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand fallen dem Antragsteller zur Last, soweit sie nicht durch einen unbegründeten Widerspruch des Gegners entstanden sind.