Bundesgerichtshof Beschluss, 20. Mai 2014 - 4 StR 133/14

bei uns veröffentlicht am20.05.2014

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 S t R 1 3 3 / 1 4
vom
20. Mai 2014
in der Strafsache
gegen
wegen versuchter räuberischer Erpressung u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts
und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 20. Mai 2014 gemäß
§ 349 Abs. 2 und 4, § 354 Abs. 1 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten H. wird das Urteil des Landgerichts Halle vom 6. November 2013
a) im Schuldspruch dahin abgeändert, dass dieser Angeklagte der Beihilfe zur versuchten räuberischen Erpressung in Tateinheit mit Beihilfe zur gefährlichen Körperverletzung schuldig ist;
b) im diesen Angeklagten betreffenden Strafausspruch mit den Feststellungen aufgehoben. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Jugendkammer des Landgerichts Halle zurückverwiesen. 3. Die weiter gehende Revision wird verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten H. wegen versuchter räuberischer Erpressung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung unter Einbeziehung eines Urteils des Amtsgerichts Halle vom 13. Januar 2011 zu einer Einheitsjugendstrafe von einem Jahr und sechs Monaten verurteilt und deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt. Hiergegen richtet sich die auf eine Verfahrens- und die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten. Letztere hat zum Rechtsfolgenausspruch Erfolg.
2
Der Generalbundesanwalt hat hierzu in der Antragsschrift vom 4. April 2014 unter anderem ausgeführt: "Die Feststellungen tragen nur den Schuldspruch einer Beihilfe zur versuchten räuberischen Erpressung in Tateinheit mit Beihilfe zur gefährlichen Körperverletzung, nicht einer täterschaftlichen Begehung. Mittäterschaft hätte vorausgesetzt, dass der Angeklagte auf der Grundlage gemeinsamen Wollens einen die Tatbestandsverwirklichung fördernden Beitrag leistet, welcher sich nach seiner Willensrichtung nicht als bloße Förderung fremden Tuns, sondern als Teil der Tätigkeit aller darstellt und der dementsprechend die Handlungen der anderen als Ergänzung seines eigenen Tatanteils erscheinen lässt (BGH, Beschluss vom 22. Dezember 2011 - 3 StR 371/11 in: NStZ-RR 2012, 120 Rn. 3, 4). Der Tatbeitrag des Angeklagten im Fall II.1 erschöpft sich darin, dass er Fahrer des Tat- und Fluchtfahrzeugs war und sich während der Tatbestandsverwirklichung fünf Meter vom Geschehen entfernt aufhielt (UA Bl. 11). Feststellungen zu einem gemeinsamen Tatplan und einer beabsichtigten Beuteteilung, die ein eigenes Tatinteresse begründen könnten, fehlen. Die Angeklagten haben sich nicht zur Sache eingelassen (UA Bl. 14) und auch aus den Aussagen der Zeugen W. und T. (UA Bl. 14, 25) ist nur der den Feststellungen zugrunde gelegte Tatbeitrag zu entnehmen. Der bloße Transport der Mitangeklagten und des Opfers zum Tatort und das Bereithalten des PKWs zur Flucht ist für das Gesamtgeschehen von untergeordneter Bedeutung und deshalb nur als Beihilfe zu werten (vgl. BGH, Beschluss vom 22. Dezember 2011, a.a.O. Rn. 3, 4). Der Senat wird hinsichtlich der rechtlichen Würdigung auf eine Zurückverweisung verzichten und selbst entscheiden können. Die Kammer hat im Rahmen der Beweisaufnahme die Beweismittel ausgeschöpft, so dass nach einer Zurückverweisung keine weitergehenden Erkenntnisse zu erwarten sind."
3
Dem verschließt sich der Senat nicht und verweist ergänzend darauf, dass er - mit dem Generalbundesanwalt - einen Einfluss der Schuldspruchänderung auf die Ahndung nicht ausschließen kann, auch wenn die ausgesprochene , zur Bewährung ausgesetzte Strafe unter Berücksichtigung des einbezogenen Urteils bereits sehr milde ist. Eines Hinweises auf die Änderung des Schuldspruchs bedurfte es nicht, da der Senat ausschließt, dass sich der Angeklagte erfolgreicher als geschehen hätte verteidigen können.
4
Die Verfahrensrüge und die weitergehende Sachrüge haben aus den vom Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift dargelegten Gründen keinen Erfolg. Sost-Scheible Roggenbuck Cierniak Mutzbauer Bender

ra.de-Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Beschluss, 20. Mai 2014 - 4 StR 133/14

Urteilsbesprechung schreiben

0 Urteilsbesprechungen zu Bundesgerichtshof Beschluss, 20. Mai 2014 - 4 StR 133/14

Referenzen - Gesetze

Bundesgerichtshof Beschluss, 20. Mai 2014 - 4 StR 133/14 zitiert 2 §§.

Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

Strafprozeßordnung - StPO | § 354 Eigene Entscheidung in der Sache; Zurückverweisung


(1) Erfolgt die Aufhebung des Urteils nur wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen, so hat das Revisionsgericht in der Sache selbst zu entscheiden, sofern ohne weitere tatsächliche Erört

Referenzen - Urteile

Urteil einreichen

Bundesgerichtshof Beschluss, 20. Mai 2014 - 4 StR 133/14 zitiert oder wird zitiert von 1 Urteil(en).

Bundesgerichtshof Beschluss, 20. Mai 2014 - 4 StR 133/14 zitiert 1 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Bundesgerichtshof Beschluss, 22. Dez. 2011 - 3 StR 371/11

bei uns veröffentlicht am 22.12.2011

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 3 StR 371/11 vom 22. Dezember 2011 in der Strafsache gegen wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts und nach Anh

Referenzen

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

(1) Erfolgt die Aufhebung des Urteils nur wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen, so hat das Revisionsgericht in der Sache selbst zu entscheiden, sofern ohne weitere tatsächliche Erörterungen nur auf Freisprechung oder auf Einstellung oder auf eine absolut bestimmte Strafe zu erkennen ist oder das Revisionsgericht in Übereinstimmung mit dem Antrag der Staatsanwaltschaft die gesetzlich niedrigste Strafe oder das Absehen von Strafe für angemessen erachtet.

(1a) Wegen einer Gesetzesverletzung nur bei Zumessung der Rechtsfolgen kann das Revisionsgericht von der Aufhebung des angefochtenen Urteils absehen, sofern die verhängte Rechtsfolge angemessen ist. Auf Antrag der Staatsanwaltschaft kann es die Rechtsfolgen angemessen herabsetzen.

(1b) Hebt das Revisionsgericht das Urteil nur wegen Gesetzesverletzung bei Bildung einer Gesamtstrafe (§§ 53, 54, 55 des Strafgesetzbuches) auf, kann dies mit der Maßgabe geschehen, dass eine nachträgliche gerichtliche Entscheidung über die Gesamtstrafe nach den §§ 460, 462 zu treffen ist. Entscheidet das Revisionsgericht nach Absatz 1 oder Absatz 1a hinsichtlich einer Einzelstrafe selbst, gilt Satz 1 entsprechend. Die Absätze 1 und 1a bleiben im Übrigen unberührt.

(2) In anderen Fällen ist die Sache an eine andere Abteilung oder Kammer des Gerichtes, dessen Urteil aufgehoben wird, oder an ein zu demselben Land gehörendes anderes Gericht gleicher Ordnung zurückzuverweisen. In Verfahren, in denen ein Oberlandesgericht im ersten Rechtszug entschieden hat, ist die Sache an einen anderen Senat dieses Gerichts zurückzuverweisen.

(3) Die Zurückverweisung kann an ein Gericht niederer Ordnung erfolgen, wenn die noch in Frage kommende strafbare Handlung zu dessen Zuständigkeit gehört.

3
Der Generalbundesanwalt hat hierzu ausgeführt: "Eine Tätigkeit, die sich im bloßen Transport von Betäubungsmitteln erschöpft , wird nach den für die Abgrenzung von Täterschaft und Teilnahme auch im Betäubungsmittelrecht geltenden Grundsätzen des allgemeinen Strafrechts (dazu BGH, Urteil vom 5. Mai 2011 - 3 StR 445/10 - Rn. 22 m.w.N.) ungeachtet faktischer Handlungsspielräume hinsichtlich der Art und Weise des Transports zumeist nur von untergeordneter Bedeutung innerhalb des gesamten Umsatzgeschäfts und deshalb als Beihilfe zu diesem zu bewerten sein (BGH aaO Rn. 23 m.w.N.). Besondere Umstände, die gleichwohl die Annahme täterschaftlichen Handelns rechtfertigen würden (dazu BGH aaO Rn. 23 m.w.N.) hat das Landgericht indes nicht festgestellt. …. Durch seine ernsthafte und verlässliche Zusage, den Transport der Drogen aus Griechenland in die Bundesrepublik Deutschland zu übernehmen (UA S. 11, 14), und seine nachfolgende, auf die Planung und die Durchführung dieses Transports gerichteten Tätigkeiten (UA S. 12 ff.) hat der Angeklagte die Herbeiführung des Taterfolgs durch die Hintermänner objektiv gefördert (vgl. bereits BGH aaO Rn. 17, 18), weil er diesen damit die Sicherheit verschaffte, dass sie ihren Tatplan wie vorgesehen umsetzen können, und sie diesbezüglich weiterge- hender Maßnahmen enthob. … Der Angeklagte ist aufgrund der getroffenen Feststellungen darüber hinaus schuldig, sich tateinheitlich zur Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge bereit erklärt zu haben (§ 30 Abs. 1 Nr. 4 BtMG i. V. m. § 30 Abs. 2 StGB). Die ernsthafte und verlässliche Zusage des Angeklagten, den Transport der Betäubungsmittel zu übernehmen (UA S. 11, 14), war auf eine spätere (mit-)täterschaftliche Beteiligung an deren Verbringung in die Bundesrepublik Deutschland gerichtet. Der Tatbestand der unerlaubten Einfuhr von Betäubungsmitteln verlangt nicht deren eigenhändiges Verbringen in die Bundesrepublik; Mittäter kann deshalb auch derjenige sein, der Betäubungsmittel von anderen Personen über die Grenze transportieren lässt. Voraussetzung ist allerdings, dass der Betreffende auf der Grundlage gemeinsamen Wollens einen die Tatbestandsverwirklichung fördernden Beitrag leistet, welcher sich nach seiner Willensrichtung nicht als bloße Förderung fremden Tuns, sondern als Teil der Tätigkeit aller darstellt, und der dementsprechend die Handlungen der anderen als Ergänzung seines eigenen Tatanteils erscheinen lässt (BGH, Urteil vom 16. Oktober 1990 - 4 StR 414/90, BGHR BtMG § 29 Abs. 1 Nr. 1 Einfuhr 19 m.w.N.). Ob das der Fall ist, ist in wertender Betrachtung zu beurteilen. Wesentliche Anhaltspunkte können der Grad des eigenen Interesses am Erfolg, der Umfang der Tatbeteiligung, die Tatherrschaft oder der Wille zur Tatherrschaft sein, so dass Durchführung und Ausgang der Tat maßgeblich vom Willen des Betreffenden abhängen (BGH aaO). Hieran gemessen wäre der Angeklagte - für den Fall der erfolgreichen Umsetzung des Plans - nicht lediglich als Gehilfe, sondern als Mittäter bei der Einfuhr anzusehen gewesen. Nach den Feststellungen des Landgerichts war der Angeklagte 'ausschließlich für den Transport zuständig' und wurde gerade dafür von den Hintermännern bezahlt (UA S. 11). Die insoweit unternommenen Anstrengungen des Angeklagten belegen, dass er die Organisationsherrschaft für diesen Teil des Umsatzgeschäfts inne- und maßgeblichen Einfluss auf die Tatausführung in dieser Hinsicht hatte: Nachdem der zunächst vom Angeklagten für die Durchführung des Transports vorgesehene Fahrer S. ausgefal- len war (UA S. 12), beauftragte er den Zeugen C. , sich umgehend nach Gelegenheiten umzuhören, eine Transportfirma zu erwerben oder sich eine solche nutzbar zu machen (UA S. 13). Diesbezügliche Vorgespräche wurden in seinem Namen geführt (UA S. 14). Die wesentlichen Verhandlungen hinsichtlich einer Beteiligung an dem Transportgeschäft der ehemaligen Mitangeklagten A. und Sa. P. führte der Angeklagte selbst (UA S. 15); der organisatorische wie materielle Aufbau des Transportgeschäfts als logistische Plattform für die Abwicklung des Betäubungsmitteltransports … wurde vom An- geklagten gesteuert, der sich dazu des Zeugen C. als 'Sachwalter' und Mittler für seine Anweisungen bediente (UA S. 17). Für den weiteren Ausbau des Unternehmens stellte der Angeklagte erheb- liche finanzielle Mittel zur Verfügung (UA S. 19). … … Ein Rücktritt vom Versuch der Beteiligung … liegt … nicht vor. Die Feststellungen lassen ein freiwilliges und ernsthaftes Bemühen des Angeklagten, die Einfuhr zu verhindern, nicht erkennen. Dieser hat vielmehr bis zuletzt auf die Durchführung des Transports hingearbeitet. … Der Schuldspruch ist entsprechend § 354 Abs. 1 StPO zu berichtigen; § 265 Abs. 1 StPO steht nicht entgegen, weil sich der Angeklagte nicht anders als geschehen hätte verteidigen können. Die Änderung des Schuldspruchs führt zur Aufhebung des Strafausspruchs. Die zugrunde liegenden Feststellungen können jedoch aufrecht erhalten bleiben, weil der Rechtsfehler allein die rechtliche Bewertung der Tat betrifft."