Bundesgerichtshof Beschluss, 19. März 2013 - 3 StR 56/13
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
Gründe:
- 1
- Das Landgericht hat den Angeklagten wegen besonders schwerer räuberischer Erpressung sowie gefährlicher Körperverletzung zu der Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren verurteilt. Mit seiner Revision rügt der Angeklagte die Verletzung sachlichen und formellen Rechts. Das Rechtsmittel hat auf die Sachrüge den aus der Beschlussformel ersichtlichen Erfolg; im Übrigen ist es unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).
- 2
- Die durch die Sachrüge veranlasste Nachprüfung des Urteils hat zum Schuld- und Strafausspruch keinen durchgreifenden Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben. Auch die Verfahrensrüge hat sich als unbegründet erwiesen.
- 3
- Die Ablehnung einer Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt hält hingegen rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
- 4
- Die sachverständig beratene Strafkammer hat von einer Anordnung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt schon deshalb abgesehen, weil ein Hang zum übermäßigen Konsum von Rauschmitteln nicht vorliege. Zwar habe der Angeklagte "in der Vergangenheit" häufig Alkoholmissbrauch betrieben. Es fehle aber an einer "fortgeschrittenen Abhängigkeit von Substanzen". Bis zur Aufnahme in die Justizvollzugsanstalt und danach sei weder eine Suchtbehandlung erforderlich gewesen noch seien ihm Medikamente zur Behandlung etwaiger Suchterscheinungen verordnet worden.
- 5
- Diese Ausführungen lassen besorgen, dass das Landgericht bei der Prüfung der Anordnungsvoraussetzungen einen unzutreffenden Maßstab angelegt hat. Ein Hang im Sinne des § 64 Satz 1 StGB ist nicht nur - wovon die Strafkammer ersichtlich ausgegangen ist - im Falle einer chronischen, auf körperlicher Sucht beruhenden (erheblichen) Abhängigkeit zu bejahen; vielmehr genügt bereits eine eingewurzelte, auf psychischer Disposition beruhende oder durch Übung erworbene intensive Neigung, immer wieder Rauschmittel im Übermaß zu sich zu nehmen (BGH, Beschlüsse vom 13. Juni 2007 - 3 StR 194/07, juris Rn. 8; vom 13. Januar 2011 - 3 StR 429/10, juris Rn. 4 und vom 4. August 2011 - 3 StR 235/11, juris Rn. 10). Dass eine derartige Neigung beim Angeklagten besteht, liegt nach den getroffenen Feststellungen nahe. Danach konsumierte der Angeklagte bereits als Jugendlicher ab und zu Alkohol, bei Feiern auch größere Mengen, teilweise bis zum sogenannten Filmriss. In den letzten Jahren stieg sein Alkoholkonsum an; solche Feiern fanden nun bis zu vier- oder fünfmal in der Woche statt. Ähnlich verhielt es sich mit dem Konsum illegaler Drogen (Kokain, Amphetamin, Ecstasy), den er praktizierte, "um länger feiern zu können". Im Vollzug der zur Zeit vollstreckten Freiheitsstrafe unterzieht sich der Angeklagte einer Alkoholtherapie.
- 6
- Außerdem hat die Strafkammer die Anordnungsvoraussetzungen des § 64 StGB für nicht gegeben erachtet, weil die Taten des Angeklagten nicht aus einer Substanzproblematik bzw. Abhängigkeitserkrankung "resultieren". Eine Begründung hierfür enthalten die Urteilsausführungen nicht. Diesen kann insbesondere nicht entnommen werden, ob sich die Strafkammer bewusst war, dass ein symptomatischer Zusammenhang auch dann zu bejahen ist, wenn der Hang zum Rauschmittelgenuss - neben anderen Umständen - mit dazu beigetragen hat, dass der Täter erhebliche rechtswidrige Taten begangen hat (BGH, Beschluss vom 9. Juni 2009 - 4 StR 164/09, juris Rn. 12). Dass ein möglicherweise vorliegender Hang zum übermäßigen Rauschmittelkonsum für die Taten zumindest mitursächlich gewesen sein kann, ist aber jedenfalls nicht auszuschließen. Zwar konnte die Strafkammer das Vorliegen einer durch Drogen oder Alkohol bedingten erheblichen Einschränkung der Schuldfähigkeit des Angeklagten zum Tatzeitpunkt nicht feststellen. Sie ist jedoch davon ausgegangen , dass der Angeklagte, der auch früher abgeurteilte Körperverletzungen unter Alkoholeinfluss begangen hatte, bei den Taten aufgrund Alkohol- und Drogenkonsums enthemmt war. Für die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt kommt es aber nicht darauf an, dass eine verminderte Schuldfähigkeit gemäß § 21 StGB besteht (BGH, Beschluss vom 8. Oktober 2002 - 4 StR 383/02, NStZ-RR 2003, 41; Fischer, StGB, 60. Aufl., § 64 Rn. 14).
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- Über die Frage einer Unterbringung in einer Entziehungsanstalt muss deshalb neu verhandelt und entschieden werden. Dass nur der Angeklagte Revision eingelegt hat, hindert die Nachholung der Unterbringungsanordnung nicht (BGH, Urteil vom 10. April 1990 - 1 StR 9/90, BGHSt 37, 5). Der Beschwerdeführer hat die Nichtanwendung des § 64 StGB durch den Tatrichter auch nicht vom Rechtsmittelangriff ausgenommen (BGH, Urteil vom 7. Oktober 1992 - 2 StR 374/92, BGHSt 38, 362).
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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.
(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.
(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.
(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.
(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.
Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt, weil ihre Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, so soll das Gericht die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt anordnen, wenn die Gefahr besteht, dass sie infolge ihres Hanges erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird. Die Anordnung ergeht nur, wenn eine hinreichend konkrete Aussicht besteht, die Person durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt innerhalb der Frist nach § 67d Absatz 1 Satz 1 oder 3 zu heilen oder über eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten, die auf ihren Hang zurückgehen.
Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.
Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt, weil ihre Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, so soll das Gericht die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt anordnen, wenn die Gefahr besteht, dass sie infolge ihres Hanges erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird. Die Anordnung ergeht nur, wenn eine hinreichend konkrete Aussicht besteht, die Person durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt innerhalb der Frist nach § 67d Absatz 1 Satz 1 oder 3 zu heilen oder über eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten, die auf ihren Hang zurückgehen.