Bundesgerichtshof Beschluss, 15. März 2001 - 3 StR 542/00

15.03.2001

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 542/00
vom
15. März 2001
in der Strafsache
gegen
wegen Beteiligung an einer Schlägerei u.a.
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 15. März 2001 beschlossen
:
1. Dem Nebenkläger S. wird für die Revisionsinstanz
Rechtsanwalt J. aus K. als Beistand bestellt.
2. Dem Nebenkläger Ka. wird in der Revisionsinstanz
Prozeßkostenhilfe für die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts
bewilligt. Ihm wird Rechtsanwalt J . aus
K. beigeordnet.

Gründe:


1. Der Antrag des Nebenklägers S. , ihm auch in der Revisionsinstanz Prozeßkostenhilfe für die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts zu bewilligen und ihm Rechtsanwalt J . beizuordnen, ist dem in § 300 StPO zum Ausdruck gebrachten allgemeinen Rechtsgedanken zufolge als Antrag auf Bestellung eines Beistandes nach § 397 a Abs. 1 Satz 1 StPO i.V.m. § 395 Abs. 1 Nr. 2 StPO auszulegen. Die Bewilligung von Prozeßkostenhilfe gemäß § 397 a Abs. 2 StPO, die unter anderem eine zusätzliche Bedürftigkeitsprüfung voraussetzt und daher für den Nebenkläger ungünstiger ist, kommt nur dann in Betracht, wenn die Voraussetzungen für die Bestellung eines Beistandes nicht vorliegen (BGH NJW 1999, 2380).
Der Angeklagte hat nach den Feststellungen des angefochtenen Urteils u.a. dem Nebenkläger S. in den Bauch geschossen. Das Landgericht hat den Schuß als durch Notwehr gerechtfertigt angesehen und den Angeklagten nur wegen der Beteiligung an einer Schlägerei und wegen "uner-
laubten Besitzes" einer halbautomatischen Selbstladekurzwaffe verurteilt. Der Nebenkläger erstrebt mit seiner Revision insoweit die Verurteilung des Angeklagten wegen versuchten Totschlags. Für die Nebenklagebefugnis reicht die - wenn auch nur geringe - Möglichkeit aus, daß der Angeklagte eine nebenklagefähige Katalogtat begangen hat (Hilger in Löwe/Rosenberg, StPO 25. Aufl. Rdn. 13). Deshalb liegt eine Nebenklagebefugnis nach § 395 Abs. 1 Nr. 2 StPO vor.
2. Der Nebenkläger Masum Ka. erstrebt die Verurteilung des Angeklagten wegen Totschlags seines Sohnes Seyfettin Ka. . Diesen hat der Angeklagte nach den Feststellungen des angefochtenen Urteils durch einen Schuß in die Brust getötet. Auch diesen Schuß hat das Landgericht als durch Notwehr gerechtfertigt angesehen. Hier ergibt sich, weil die Möglichkeit gegeben ist, daß in der Tat des Angeklagten im weiteren Verlauf des Strafverfahrens eine rechtswidrige Tötung gesehen werden wird, die Nebenklagebefugnis aus § 395 Abs. 2 Nr. 1 StPO. Die Voraussetzungen für eine Beistandsbestellung liegen damit zwar nicht vor, jedoch ist dem Nebenkläger, da die Sach- und
Rechtslage schwierig ist und auch die anderen Voraussetzungen vorliegen, für die Revisionsinstanz die beantragte Prozeßkostenhilfe für die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts zu bewilligen und ein Rechtsanwalt beizuordnen (§ 397 a Abs. 2 StPO).
Kutzer Miebach Winkler Pfister Becker

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Referenzen - Gesetze

Bundesgerichtshof Beschluss, 15. März 2001 - 3 StR 542/00 zitiert 3 §§.

Strafprozeßordnung - StPO | § 300 Falschbezeichnung eines zulässigen Rechtsmittels


Ein Irrtum in der Bezeichnung des zulässigen Rechtsmittels ist unschädlich.

Strafprozeßordnung - StPO | § 395 Befugnis zum Anschluss als Nebenkläger


(1) Der erhobenen öffentlichen Klage oder dem Antrag im Sicherungsverfahren kann sich mit der Nebenklage anschließen, wer verletzt ist durch eine rechtswidrige Tat nach 1. den §§ 174 bis 182, 184i bis 184k des Strafgesetzbuches,2. den §§ 211 und 212

Referenzen

Ein Irrtum in der Bezeichnung des zulässigen Rechtsmittels ist unschädlich.

(1) Der erhobenen öffentlichen Klage oder dem Antrag im Sicherungsverfahren kann sich mit der Nebenklage anschließen, wer verletzt ist durch eine rechtswidrige Tat nach

1.
den §§ 174 bis 182, 184i bis 184k des Strafgesetzbuches,
2.
den §§ 211 und 212 des Strafgesetzbuches, die versucht wurde,
3.
den §§ 221, 223 bis 226a und 340 des Strafgesetzbuches,
4.
den §§ 232 bis 238, 239 Absatz 3, §§ 239a, 239b und 240 Absatz 4 des Strafgesetzbuches,
5.
§ 4 des Gewaltschutzgesetzes,
6.
§ 142 des Patentgesetzes, § 25 des Gebrauchsmustergesetzes, § 10 des Halbleiterschutzgesetzes, § 39 des Sortenschutzgesetzes, den §§ 143 bis 144 des Markengesetzes, den §§ 51 und 65 des Designgesetzes, den §§ 106 bis 108b des Urheberrechtsgesetzes, § 33 des Gesetzes betreffend das Urheberrecht an Werken der bildenden Künste und der Photographie, § 16 des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb und § 23 des Gesetzes zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen.

(2) Die gleiche Befugnis steht Personen zu,

1.
deren Kinder, Eltern, Geschwister, Ehegatten oder Lebenspartner durch eine rechtswidrige Tat getötet wurden oder
2.
die durch einen Antrag auf gerichtliche Entscheidung (§ 172) die Erhebung der öffentlichen Klage herbeigeführt haben.

(3) Wer durch eine andere rechtswidrige Tat, insbesondere nach den §§ 185 bis 189, 229, 244 Absatz 1 Nummer 3, Absatz 4, §§ 249 bis 255 und 316a des Strafgesetzbuches, verletzt ist, kann sich der erhobenen öffentlichen Klage mit der Nebenklage anschließen, wenn dies aus besonderen Gründen, insbesondere wegen der schweren Folgen der Tat, zur Wahrnehmung seiner Interessen geboten erscheint.

(4) Der Anschluss ist in jeder Lage des Verfahrens zulässig. Er kann nach ergangenem Urteil auch zur Einlegung von Rechtsmitteln geschehen.

(5) Wird die Verfolgung nach § 154a beschränkt, so berührt dies nicht das Recht, sich der erhobenen öffentlichen Klage als Nebenkläger anzuschließen. Wird der Nebenkläger zum Verfahren zugelassen, entfällt eine Beschränkung nach § 154a Absatz 1 oder 2, soweit sie die Nebenklage betrifft.