Bundesgerichtshof Beschluss, 08. Juni 2011 - 3 StR 49/11

bei uns veröffentlicht am08.06.2011

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 49/11
vom
8. Juni 2011
in der Strafsache
gegen
wegen Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge u.a.
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts
und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 8. Juni 2011 einstimmig

beschlossen:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Kleve vom 29. September 2010 wird als unbegründet verworfen, da die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben hat (§ 349 Abs. 2 StPO).
Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.

Zu der Verfahrensrüge, das Landgericht habe einen Beweisantrag auf Vernehmung des Zeugen L. rechtsfehlerhaft abgelehnt, bemerkt der Senat ergänzend: Die auf die Annahme der Prozessverschleppungsabsicht nach § 244 Abs. 3 Satz 2 StPO gestützte Zurückweisung des Antrags ist jedenfalls unter dem Gesichtspunkt des § 244 Abs. 5 Satz 2 StPO nicht zu beanstanden. Hierzu gilt: Ein Beweisantrag kann dann wegen Verschleppungsabsicht nach § 244 Abs. 3 Satz 2 StPO abgelehnt werden, wenn die begehrte Beweiserhebung nach der Überzeugung des Gerichts objektiv nichts Sachdienliches zu Gunsten des Antragstellers zu erbringen vermag, dieser sich dessen bewusst ist und mit seinem Antrag daher keine legitimen, auf die Aufklärung des wahren Sachver- halts gerichtete Anliegen, sondern eine Verzögerung des Verfahrens und gegebenenfalls weitere rechtsmissbräuchliche Zwecke verfolgt (vgl. LR/Becker, StPO, 26. Aufl., § 244 Rn. 270); nach bisheriger Rechtsprechung muss die Erhebung des Beweises außerdem geeignet sein, das Verfahren wesentlich zu verzögern. Nach § 244 Abs. 5 Satz 2 StPO darf die Ladung eines Zeugen im Ausland zurückgewiesen werden, wenn das Gericht aufgrund hinreichender Anhaltspunkte die sichere Überzeugung erlangt, dass durch die beantragte Einvernahme eine weiterführende und bessere Sachaufklärung nicht zu erwarten ist. Daher umfasst die Annahme der Prozessverschleppung im Sinne des § 244 Abs. 3 Satz 2 StPO die Ablehnung eines Antrags auf Vernehmung eines Auslandszeugen nach § 244 Abs. 5 Satz 2 StPO (BGH, Beschluss vom 22. März 1994 - 5 StR 8/94, StV 1994, 635), ohne dass es insoweit entscheidungserheblich darauf ankommt, ob der Antragsteller subjektiv das Verfahren ausschließlich bewusst verzögern wollte und die begehrte Beweiserhebung zu einer wesentlichen Verfahrensverzögerung führen konnte.
Die Strafkammer hat hier unter Würdigung des bisherigen Beweisergebnisses rechtsfehlerfrei dargetan, dass die beantragte Beweiserhebung nach ihrer Überzeugung unter keinem Gesichtspunkt tatsächlich etwas Sachdienliches zu Gunsten des Antragstellers erbringen konnte. Sie hat damit ohne Rechtsfehler eine objektive Voraussetzung der Verschleppungsabsicht und zugleich dargelegt, dass die begehrte Beweiserhebung nach § 244 Abs. 5 Satz 2 StPO unterbleiben durfte.
Es kann deshalb insbesondere dahin stehen, ob im Rahmen der Verschleppungsabsicht an dem Erfordernis der wesentlichen Verfahrensverzögerung festzuhalten ist (vgl. schon BGH, Beschlüsse vom 9. Mai 2007 - 1 StR 32/07, BGHSt 51, 333, 338 f.; vom 19. September 2007 - 3 StR 354/07, StV 2008, 9, 10) und ob das Landgericht dieses gegebenenfalls mit ausreichender Begründung bejaht hat.
Becker von Lienen Schäfer Mayer Menges

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Bundesgerichtshof Beschluss, 08. Juni 2011 - 3 StR 49/11 zitiert 3 §§.

Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

Strafprozeßordnung - StPO | § 244 Beweisaufnahme; Untersuchungsgrundsatz; Ablehnung von Beweisanträgen


(1) Nach der Vernehmung des Angeklagten folgt die Beweisaufnahme. (2) Das Gericht hat zur Erforschung der Wahrheit die Beweisaufnahme von Amts wegen auf alle Tatsachen und Beweismittel zu erstrecken, die für die Entscheidung von Bedeutung sind.

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Bundesgerichtshof Beschluss, 09. Mai 2007 - 1 StR 32/07

bei uns veröffentlicht am 09.05.2007

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 1 StR 32/07 vom 9. Mai 2007 Nachschlagewerk: ja BGHSt: ja (nur I 1 c) Veröffentlichung: ja _____________________________ StPO § 244 Abs. 2, Abs. 3 Satz 2 Var. 6, § 245 Abs. 2 Satz 3 Var. 5, § 246 Abs. 1 1. Bei der Ab

Bundesgerichtshof Beschluss, 19. Sept. 2007 - 3 StR 354/07

bei uns veröffentlicht am 19.09.2007

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 3 StR 354/07 vom 19. September 2007 in der Strafsache gegen wegen Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge u. a. Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts und nach Anh

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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

(1) Nach der Vernehmung des Angeklagten folgt die Beweisaufnahme.

(2) Das Gericht hat zur Erforschung der Wahrheit die Beweisaufnahme von Amts wegen auf alle Tatsachen und Beweismittel zu erstrecken, die für die Entscheidung von Bedeutung sind.

(3) Ein Beweisantrag liegt vor, wenn der Antragsteller ernsthaft verlangt, Beweis über eine bestimmt behauptete konkrete Tatsache, die die Schuld- oder Rechtsfolgenfrage betrifft, durch ein bestimmt bezeichnetes Beweismittel zu erheben und dem Antrag zu entnehmen ist, weshalb das bezeichnete Beweismittel die behauptete Tatsache belegen können soll. Ein Beweisantrag ist abzulehnen, wenn die Erhebung des Beweises unzulässig ist. Im Übrigen darf ein Beweisantrag nur abgelehnt werden, wenn

1.
eine Beweiserhebung wegen Offenkundigkeit überflüssig ist,
2.
die Tatsache, die bewiesen werden soll, für die Entscheidung ohne Bedeutung ist,
3.
die Tatsache, die bewiesen werden soll, schon erwiesen ist,
4.
das Beweismittel völlig ungeeignet ist,
5.
das Beweismittel unerreichbar ist oder
6.
eine erhebliche Behauptung, die zur Entlastung des Angeklagten bewiesen werden soll, so behandelt werden kann, als wäre die behauptete Tatsache wahr.

(4) Ein Beweisantrag auf Vernehmung eines Sachverständigen kann, soweit nichts anderes bestimmt ist, auch abgelehnt werden, wenn das Gericht selbst die erforderliche Sachkunde besitzt. Die Anhörung eines weiteren Sachverständigen kann auch dann abgelehnt werden, wenn durch das frühere Gutachten das Gegenteil der behaupteten Tatsache bereits erwiesen ist; dies gilt nicht, wenn die Sachkunde des früheren Gutachters zweifelhaft ist, wenn sein Gutachten von unzutreffenden tatsächlichen Voraussetzungen ausgeht, wenn das Gutachten Widersprüche enthält oder wenn der neue Sachverständige über Forschungsmittel verfügt, die denen eines früheren Gutachters überlegen erscheinen.

(5) Ein Beweisantrag auf Einnahme eines Augenscheins kann abgelehnt werden, wenn der Augenschein nach dem pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts zur Erforschung der Wahrheit nicht erforderlich ist. Unter derselben Voraussetzung kann auch ein Beweisantrag auf Vernehmung eines Zeugen abgelehnt werden, dessen Ladung im Ausland zu bewirken wäre. Ein Beweisantrag auf Verlesung eines Ausgangsdokuments kann abgelehnt werden, wenn nach pflichtgemäßem Ermessen des Gerichts kein Anlass besteht, an der inhaltlichen Übereinstimmung mit dem übertragenen Dokument zu zweifeln.

(6) Die Ablehnung eines Beweisantrages bedarf eines Gerichtsbeschlusses. Einer Ablehnung nach Satz 1 bedarf es nicht, wenn die beantragte Beweiserhebung nichts Sachdienliches zu Gunsten des Antragstellers erbringen kann, der Antragsteller sich dessen bewusst ist und er die Verschleppung des Verfahrens bezweckt; die Verfolgung anderer verfahrensfremder Ziele steht der Verschleppungsabsicht nicht entgegen. Nach Abschluss der von Amts wegen vorgesehenen Beweisaufnahme kann der Vorsitzende eine angemessene Frist zum Stellen von Beweisanträgen bestimmen. Beweisanträge, die nach Fristablauf gestellt werden, können im Urteil beschieden werden; dies gilt nicht, wenn die Stellung des Beweisantrags vor Fristablauf nicht möglich war. Wird ein Beweisantrag nach Fristablauf gestellt, sind die Tatsachen, die die Einhaltung der Frist unmöglich gemacht haben, mit dem Antrag glaubhaft zu machen.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 32/07
vom
9. Mai 2007
Nachschlagewerk: ja
BGHSt: ja (nur I 1 c)
Veröffentlichung: ja
_____________________________
StPO § 244 Abs. 2, Abs. 3 Satz 2 Var. 6, § 245 Abs. 2 Satz
3 Var. 5, § 246 Abs. 1
1. Bei der Ablehnung eines zum Zweck der Prozessverschleppung
gestellten Beweisantrags hält es der Senat für angezeigt
, das objektive Kriterium, dass die zu erwartende Verfahrensverzögerung
zusätzlich wesentlich sein muss, deutlich
restriktiver auszulegen, wenn nicht gar aufzugeben.
2. Zum Nachweis der Absicht der Prozessverschleppung.
BGH, Beschluss vom 9. Mai 2007 - 1 StR 32/07 - LG Landshut
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen zu 1.: Mordes
zu 2.: Beihilfe zum Mord u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 9. Mai 2007 beschlossen:
Die Revisionen der Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Landshut vom 4. August 2006 werden als unbegründet verworfen. Jeder Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten S. wegen Mordes zu lebenslanger Freiheitsstrafe, den Angeklagten Sc. wegen gefährlicher Körperverletzung und Beihilfe zum Mord zur Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren verurteilt. Die Angeklagten sowie der frühere Mitangeklagte So. hatten am 1. Mai 2004 zunächst den Geschädigten W. in einer Wohnung misshandelt. Sodann verbrachten sie ihn mit einem vom früheren Mitangeklagten F. gesteuerten Pkw in ein Waldstück, um ihn zu töten; dort legten S. und So. ihrem Opfer - nach weiteren Misshandlungen, an denen auch Sc. mitwirkte - eine Jacke um den Hals und zogen jeder mit einer Hand bis zum Atemstillstand zu.
2
Die jeweils auf verschiedene Verfahrensrügen und die näher ausgeführte Sachrüge gestützten Revisionen der Angeklagten sind aus den vom Generalbundesanwalt in seinen Antragsschriften vom 7. und 8. Februar 2007 dargelegten Gründen unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO. Der Senat sieht hinsichtlich folgender Rügen Anlass zu ergänzenden Ausführungen:

I.

3
Revision des Angeklagten S. :
4
1. Rüge der rechtsfehlerhaften Ablehnung eines Beweisantrags wegen Prozessverschleppungsabsicht (§ 244 Abs. 3 Satz 2 Var. 6 StPO):
5
Die Kammer hat den Beweisantrag des Verteidigers Rechtsanwalt Sch. vom 24. Juli 2006, ein medizinisches Sachverständigengutachten dazu einzuholen, dass der Angeklagte S. nicht in der Lage war, mit seiner rechten Hand für die Tötungshandlung - das Strangulieren mittels Ziehens an der Jacke - erforderliche starke Handgreifkräfte aufzubringen, mit Beschluss vom 3. August 2006 abgelehnt, weil er zum Zweck der Prozessverschleppung gestellt worden sei.
6
a) Die Revision trägt folgendes Verfahrensgeschehen vor:
7
In dieser Sache fand eine erste Hauptverhandlung gegen die Angeklagten sowie die früheren Mitangeklagten So. , der während dieser Hauptverhandlung verstarb, und F. an 15 Verhandlungstagen vom 18. Mai bis zum 10. November 2005 statt. Am 15. Verhandlungstag stellten sowohl der Verteidiger Rechtsanwalt Sch. für den Angeklagten S. als auch der Verteidiger Schw. für den Angeklagten Sc. einen Beweisantrag auf Einholung eines psychiatrischen Sachverständigengutachtens zur Beeinträchtigung der Schuldfähigkeit der beiden Angeklagten. Daraufhin wurde die erste Hauptverhandlung ausgesetzt. Als die Gutachten vorlagen, fand eine zweite Hauptverhandlung - nach Abtrennung des Verfahrens gegen den Mitangeklagten F. nur noch - gegen die Angeklagten wiederum an 15 Hauptverhandlungstagen vom 5. April bis zum 4. August 2006 statt, wobei der gegenständliche Beweisantrag am 13. Verhandlungstag gestellt wurde.
8
Bei seiner ersten polizeilichen Vernehmung im Ermittlungsverfahren am 19. Mai 2004 hatte der Angeklagte S. unter anderem folgende Angaben gemacht:
9
"Ich habe ihn (den Geschädigten W. ) auch zweimal geschlagen, aber nicht stark, weil meine rechte Hand gebrochen war. Ich bin am Daumengelenk operiert worden im Herbst 2003 und ich habe mir auch den Handgelenkknochen des Mittelfingers gebrochen, weshalb ich aber nicht beim Arzt war. Das war 1994. Ich hatte Angst, dass, wenn ich zu fest zuschlage, das wieder kaputt geht."
10
Auf den Widerspruch des Angeklagten S. hat die Kammer hinsichtlich dieser Aussage ein auf § 136 Abs. 1 StPO gestütztes Beweisverwertungsverbot angenommen, was sie den Verfahrensbeteiligten bereits während der Hauptverhandlung mitteilte.
11
Am 10. Verhandlungstag der zweiten Hauptverhandlung, dem 10. Juli 2006, ließ sich der Angeklagte S. über seinen Verteidiger zur Sache ein. Er bekundete unter anderem:
12
In der Wohnung "schlug (ich) ihm mit einem Tablett aus Leichtmetallblech von oben auf den Kopf. … (In dem Waldstück) schlug (ich) zunächst nicht auf ihn ein, da ich bei Schlägen mit der blanken Hand bis heute erhebliche Schmerzen in der rechten Hand habe, die von einem Unfallereignis im November 2003 herrühren. Seit einer Operation im Klinikum Landshut am 10.11.2003 befinden sich noch Metallschienen in meiner rechten Hand. Aufgrund der Verletzungsfolgen ist der Gebrauch meiner rechten Hand seit November 2003 insoweit deutlich eingeschränkt, als ich mit ihr weder kraftvoll Zug noch Druck ausüben kann. … Als Herr W. auf einmal aufstand und sich entfernen wollte , schlug ich ihm eine gefüllte Bierflasche auf den Kopf, die dabei zerbrach. Da Herr W. weiter weg wollte, habe ich eine weitere volle Bierflasche auf seinem Kopf zerschlagen."
13
Die Kammer hat in der zweiten Hauptverhandlung die Zeugen Dr. N. , Hausarzt des Angeklagten, und Wi. , Vorgesetzter des Angeklagten , im Hinblick auf Funktionsstörungen der rechten Hand vernommen. Ferner haben der psychiatrische und der rechtsmedizinische Sachverständige, Dr. O. und Prof. Dr. P. , Angaben hierzu gemacht.
14
b) Die Rüge ist jedenfalls unbegründet. Auf die vom Generalbundesanwalt dargelegten etwaigen Mängel im Revisionsvortrag (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO) kommt es daher nicht an.
15
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. nur Senat NJW 2001, 1956 m.zahlr. N.; ferner Sander NStZ 1998, 207) hat die Ablehnung eines Beweisantrags wegen Verschleppungsabsicht nach § 244 Abs. 3 Satz 2 Var. 6 StPO in objektiver Hinsicht zwei Voraussetzungen: Die verlangte Beweiserhebung kann nichts Sachdienliches zugunsten des Antragstellers erbringen; darüber hinaus muss sie geeignet sein, den Abschluss des Verfahrens wesentlich hinauszuzögern. In subjektiver Hinsicht muss sich der Antragsteller der Nutzlosigkeit der Beweiserhebung bewusst sein und mit dem Antrag ausschließlich die Verzögerung des Verfahrensabschlusses bezwecken.
16
Hat ein Verteidiger den Beweisantrag gestellt, so gilt: Es kommt darauf an, ob dieser in Verschleppungsabsicht handelt oder sich die Verschleppungsabsicht des Angeklagten zu eigen macht. Der Tatrichter kann seine Überzeugung auf der Grundlage aller dafür erheblichen Umstände gewinnen. Das Verbot der Beweisantizipation gilt dabei nicht. Die Überzeugungsbildung hat namentlich unter Beachtung des Verhaltens des Angeklagten und des Verteidigers in und außerhalb der Hauptverhandlung, aber auch schon im Ermittlungs- verfahren zu erfolgen; der Tatrichter kann ferner den bisherigen Verfahrensverlauf berücksichtigen.
17
Der späte Zeitpunkt der Antragstellung für sich allein ist kein ausreichendes Anzeichen für ein Bewusstsein von der Nutzlosigkeit der beantragten Beweiserhebung. Die maßgeblichen Gründe für die Ablehnung muss der Tatrichter in dem Beschluss - regelmäßig nach Art eines Indizienbeweises - darlegen. Hat der Tatrichter sich eine entsprechende Überzeugung von der Prozessverschleppungsabsicht gebildet und diese unter Würdigung aller maßgeblichen Umstände im Ablehnungsbeschluss dargelegt, prüft das Revisionsgericht nur, ob die Erwägungen in tatsächlicher Hinsicht tragfähig und rechtlich zutreffend sind. Auf die hypothetische Erwägung, ob das Revisionsgericht selbst den Beweisantrag abgelehnt hätte, kommt es nicht an.
18
Gemessen an diesen Anforderungen ist gegen den vom Beschwerdeführer beanstandeten Ablehnungsbeschluss revisionsrechtlich nichts zu erinnern.
19
aa) Die Kammer hat tragfähig ihre Überzeugung dargelegt, dass die am 13. Hauptverhandlungstag der Neuverhandlung beantragte Einholung des medizinischen Sachverständigengutachtens nichts Sachdienliches erbracht hätte, vielmehr der Angeklagte S. im Gebrauch der rechten Hand nicht in der behaupteten Art und Weise eingeschränkt war. Rechtsfehlerfrei führt der Ablehnungsbeschluss folgende, die Überzeugungsbildung tragende Umstände an: – Der rechtsmedizinische Sachverständige Prof. Dr. P. hat erläutert, dass eine Metallplatte in der Hand grundsätzlich keine Funktionsbeeinträchtigung mit sich bringe. – Der psychiatrische Sachverständige Dr. O. hat ausgesagt , dass der Angeklagte bei der Exploration von der Fraktur mit anschließender Operation berichtet habe; darauf beruhende anhaltende Beschwerden habe er demgegenüber nicht er- wähnt. Das Revisionsvorbringen, dass die Angaben des Sachverständigen "zur Aufklärung der Beweistatsache auch nicht das Mindeste beitragen" könnten, da es bei der Exploration "wohl insbesondere um die Klärung psychologischer und psychiatrischer … und nicht … orthopädischer Fragen" gegangen sei, trifft schon deshalb nicht zu, weil der Angeklagte im Übrigen von anderen - vergleichsweise geringfügigen - Beschwerden wie etwa gelegentlichem Sodbrennen oder Nasenbluten berichtete. – Der Zeuge Dr. N. , der Hausarzt des Angeklagten S. , hatte diesen im Zusammenhang mit der Fraktur der rechten Hand allgemein-medizinisch betreut. Nach den Angaben des Zeugen hätten am 17. November 2003 Röntgenaufnahmen nach der Operation eine korrekte Stellung der Fraktur mit implantierter Metallplatte gezeigt. Der Angeklagte habe die Daumenrinne nach der Operation selbstständig entfernt. Er habe sich am 24. November 2003 letztmals zur Kontrolle in die Praxis des Zeugen begeben; anschließend sei keine weitere Behandlung erfolgt. – Nach Angaben des Zeugen Wi. , der mehr als ein halbes Jahr bis zum 30. April 2004 vorgesetzter Facharbeiter des Angeklagten beim Diakonischen Werk im Rahmen des Programms "Arbeit statt Sozialhilfe" war, verrichtete dieser zur Zufriedenheit leichte bis zu sehr schweren Arbeiten im Landschaftsbau wie auch Malerarbeiten. Nach seiner Krankschreibung bis zum 28. November 2003 sei er uneingeschränkt einsatzfähig gewesen. Der Einwand des Beschwerdeführers, dem Zeugen fehle es an medizinischen Fachkenntnissen und an - für die Kommunikation mit dem Angeklagten erforderlichen - russischen Sprachkenntnissen, greift nicht durch, da die Wahrnehmung, dass der Angeklagte tatsächlich derartige Arbeiten verrichtete, solche Kenntnisse nicht voraussetzt. – Schließlich hat sich der Angeklagte selbst dahingehend eingelassen , er habe mit einem Leichtmetalltablett und mit vollen Bierflaschen auf den Kopf des Geschädigten geschlagen. Anders als die Revision meint, durfte die Kammer diese Einlassung als Indiz heranziehen, auch wenn der Angeklagte hierbei keine Angaben dazu machte, mit welcher Hand die Schläge erfolgten , zumal er selbst bei der Exploration für das psychiatrische Gutachten erklärte, er sei Rechtshänder.
20
bb) Die Kammer hat rechtsfehlerfrei dargelegt, dass die Einholung des beantragten medizinischen Sachverständigengutachtens den Abschluss des Verfahrens auch wesentlich hinausgezögert hätte.
21
Dem Kriterium, dass die zu erwartende Verfahrensverzögerung zusätzlich wesentlich sein muss, hat die Rechtsprechung bisher keine hinreichend klaren Konturen gegeben. Die Formulierung, es müsse eine "Verzögerung des Verfahrensabschlusses auf unbestimmte Zeit bezweckt" sein (BGHSt 21, 118, 121; BGH VRS 38 [1970] 58 [jew. nichttragend]), verwendet der Bundesgerichtshof in neueren Entscheidungen nicht mehr. Eine relevante Verfahrensverzögerung ist in Fällen angenommen worden, in denen eine Aussetzung der Hauptverhandlung unvermeidbar geworden wäre oder ernsthaft zu befürchten war (vgl. BGH NStZ 1992, 551; GA 1968, 19). Umgekehrt hat der Bundesgerichtshof eine wesentliche Verzögerung verneint, wenn der beantragte Zeugenbeweis noch innerhalb der Frist nach § 229 Abs. 1 StPO (so NStZ 1982, 391 [zur Zehn-Tages-Frist]) oder im allein für die Schlussvorträge vorgesehenen Folgetermin, der eine Woche nach der Antragstellung stattfand (so StV 1986, 418, 420), hätte erhoben werden können. Gleiches gilt, wenn die Beweiserhebung "in kurzer Zeit" hätte erfolgen können, was "insbes. bei ortsansässigen Zeugen" zutreffe (BGH NJW 1958, 1789).
22
Die Einholung des beantragten medizinischen Sachverständigengutachtens hätte schon deswegen im vorliegenden Verfahren zu einer relevanten Verfahrensverzögerung geführt, weil zumindest eine - länger als drei Wochen dau- ernde - Unterbrechung nach § 229 Abs. 2 StPO, wenn nicht gar die erneute Aussetzung der Hauptverhandlung erforderlich geworden wäre. So hatte der Verteidiger Rechtsanwalt Sch. bereits am 18. Juli 2006 mitgeteilt, er befinde sich in der Zeit vom 7. bis zum 28. August 2006 in Urlaub. Hierzu führt der Ablehnungsbeschluss nachvollziehbar aus, dass bei einer Terminierung in Abwesenheit des Verteidigers Rechtsanwalt Sch. "mit erheblichem Widerstand" seinerseits zu rechnen gewesen wäre. Unbeschadet dessen war der Beweisstoff zum Zeitpunkt der Antragstellung erschöpft; nach dem Verhandlungsplan der Kammer sollte an diesem Tag mit den Schlussvorträgen begonnen werden. Auf sog. "Schiebetermine" (vgl. dazu BGH NJW 1996, 3019 m. Anm. Wölfl NStZ 1999, 43; BGH NStZ-RR 1998, 335; StV 1998, 359; JR 2007, 38 m. Anm. Gössel) hat sich die Kammer zu Recht nicht eingelassen.
23
cc) Schließlich zeigt sich die Kammer in dem Ablehnungsbeschluss überzeugt, dass Verteidiger Rechtsanwalt Sch. mit dem Bewusstsein handelte, das beantragte Sachverständigengutachten werde eine dem Angeklagten S. günstige Wendung des Verfahrens nicht herbeiführen können , und dass der Antrag ausschließlich eine Verzögerung des Verfahrens bezweckte.
24
Entgegen der - nur - insoweit missverständlichen Formulierung in der Antragsschrift des Generalbundesanwalts rechtfertigt der bloße Verdacht, der Beweisantrag sei in der Absicht der Prozessverschleppung gestellt worden, nicht die Ablehnung. Der Verdacht muss sich vielmehr zur subjektiven Gewissheit des Tatrichters verfestigt haben. Wie jede sog. "innere Tatsache" kann sich die Absicht der Prozessverschleppung entweder aus eigenen Äußerungen des Antragstellers oder durch Rückschlüsse aus sonstigen Indizien ergeben (vgl. hierzu BGH NJW 1991, 2094; NStZ 2003, 596; 2004, 35, 36). Nach aller forensi- scher Erfahrung wird ein Antragsteller nur selten klar zum Ausdruck bringen, dass sein Antrag nicht der Erforschung der Wahrheit dient. Ausgeschlossen ist dies aber nicht, wie das vorliegende Verfahren beispielhaft belegt. Hier hatte der Verteidiger Rechtsanwalt Schw. des Angeklagten Sc. der insoweit unwidersprochenen dienstlichen Stellungnahme des Vorsitzenden zufolge diesem gegenüber fernmündlich geäußert, "er müsse jetzt Beweisanträge stellen, da er sich mit der Staatsanwaltschaft noch nicht ganz einig geworden sei". Damit brachte er klar zum Ausdruck, dass es ihm nicht um die Erforschung der Wahrheit ging, sondern darum, die übrigen Verfahrensbeteiligten dadurch zu einer verfahrensbeendenden Absprache zu veranlassen, dass er anderenfalls durch immer neue Beweisanträge den Abschluss des Verfahrens auf unabsehbare Zeit hinauszögern werde (vgl. Senat NStZ 2005, 45).
25
Derartige oder damit vergleichbare Äußerungen des Verteidigers Rechtsanwalt Sch. im Zusammenhang mit dem in Rede stehenden Beweisantrag ("Handgreifkräfte") liegen nicht vor. Die Kammer hat ihre Überzeugung von der Absicht der Prozessverschleppung hier - über die Nutzlosigkeit der verlangten Beweiserhebung hinaus - rechtsfehlerfrei mittels folgender Indizien begründet:
26
Den gegenständlichen Beweisantrag stellte der Verteidiger am 13. Hauptverhandlungstag der Neuverhandlung, für den, wie den Verfahrensbeteiligten bekannt war, die Beendigung der Beweisaufnahme und der Beginn der Schlussvorträge vorgesehen waren. Kurz zuvor hatte er mitgeteilt, in Kürze für drei Wochen urlaubsabwesend zu sein, damit in dieser Zeit keine Termine angesetzt würden. Während der ersten Hauptverhandlung sei eine Funktionsbeeinträchtigung der rechten Hand weder behauptet noch sonst ersichtlich gewesen. Der Verteidiger hatte bereits am 15. Verhandlungstag der ersten Hauptverhandlung , an dem diese geschlossen werden sollte, beantragt, ein psychiat- risches Sachverständigengutachten zur Beeinträchtigung der Schuldfähigkeit des Angeklagten einzuholen, das die Beweisbehauptung aber nicht bestätigte.
27
Zwar ist der späte Zeitpunkt der Antragstellung - für sich allein - im Hinblick auf den Ablehnungsgrund der Prozessverschleppungsabsicht unschädlich. Wenn aber - wie hier - der Antrag erst nach einer umfangreichen Beweisaufnahme gestellt wird und die verlangte Beweiserhebung längere Zeit in Anspruch nehmen würde, andererseits der Beweisstoff für den Antragsteller erkennbar erschöpft ist und ein nachvollziehbarer Anlass für die späte Antragstellung weder dargetan noch sonst ersichtlich ist, kann alledem eine maßgebliche Indizwirkung zukommen.
28
Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers drängte die gerichtliche Aufklärungspflicht nach § 244 Abs. 2 StPO zuvor nicht zur Einholung des medizinischen Sachverständigengutachtens, und zwar schon deshalb nicht, weil die Kammer das Beweisthema mit anderen Beweismitteln aufgeklärt hat. Unbeschadet dessen bestand aufgrund der polizeilichen Aussage des Angeklagten vom 19. Mai 2004, er habe zweimal "nicht stark" zugeschlagen, da er sich in den Jahren 1994 und 2003 Frakturen an der rechten Hand zugezogen und er deswegen befürchtet habe, dass "das", wenn er zu fest zuschlage, wieder "kaputt" gehe, kein Anlass, ein Gutachten dazu einzuholen, ob er mit seiner rechten Hand die für das Ziehen an der Jacke erforderlichen Handgreifkräfte aufbringen konnte. Denn der Angeklagte hatte überhaupt keine Funktionsbeeinträchtigung beim Zugreifen, vielmehr das Risiko eines erneuten Aufbrechens alter Verletzungen beim Zuschlagen geltend gemacht; dies hinderte ihn nach seiner Aussage nicht am weniger starken Zuschlagen.
29
Selbst wenn der Inhalt der Aussage die Einholung des Gutachtens nahe gelegt hätte, wäre zu berücksichtigen, dass die Kammer infolge des Wider- spruchs des Angeklagten ein - für den Angeklagten disponibles - Beweisverwertungsverbot wegen Verstoßes gegen § 136 Abs. 1 StPO angenommen hat. Die Revision kann hier nicht innerhalb einer Rüge hinsichtlich ein und derselben Bekundung des Angeklagten (Zuschlagen mit rechts) erfolgreich geltend machen , einerseits sei seine Einlassung für die Beweisbehauptung unergiebig, weil er niemals verwertbare Angaben dazu gemacht habe, mit welcher Hand Schläge seinerseits erfolgt seien (vgl. oben I 1 b aa), andererseits hätte sich aufgrund der bekundeten Schläge mit der rechten Hand eine bestimmte Beweiserhebung aufgedrängt.
30
Die Kammer durfte daneben auch die späte Beweisantragstellung durch den Verteidiger Rechtsanwalt Sch. am letzten Verhandlungstag der ersten Hauptverhandlung berücksichtigen. Hierfür kommt es entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers nicht darauf an, ob die erste Hauptverhandlung - zumindest auch - aufgrund dieses Beweisantrags oder - allein - aufgrund des zeitnah von Rechtsanwalt Schw. gestellten Beweisantrags ausgesetzt worden war (vgl. UA S. 105). Maßgeblich ist nur, dass dem Antragsteller bekannt gewesen war, dass die verlangte Beweiserhebung nach im Übrigen beendeter Beweisaufnahme gemäß § 229 Abs. 4 StPO voraussichtlich eine Aussetzung zur Folge haben würde. Auch die Aufklärungspflicht hatte hier nicht die frühere Einholung des psychiatrischen Sachverständigengutachtens geboten. Dass, wie der Beschwerdeführer meint, "beim Vorwurf vorsätzlicher Tötungsverbrechen obligatorisch schon vor Beginn der Hauptverhandlung die Einholung solcher forensisch-psychiatrischer Sachverständigengutachten (zu) veranlassen" wäre, trifft nicht zu.
31
c) Zu den beiden Voraussetzungen des Ablehnungsgrunds der Prozessverschleppungsabsicht (§ 244 Abs. 3 Satz 2 Var. 6 StPO), dass - objektiv - der Beweisantrag geeignet sein muss, den Verfahrensabschluss "wesentlich" hin- auszuzögern, und der Antragsteller - subjektiv - in Kenntnis der Nutzlosigkeit der Beweiserhebung ausschließlich die Verfahrensverzögerung bezweckt, sieht der Senat Anlass zu folgenden Erwägungen:
32
aa) Der Senat hält es für angezeigt, das objektive Kriterium, dass die Verfahrensverzögerung zusätzlich wesentlich sein muss, deutlich restriktiver auszulegen, wenn nicht gar aufzugeben.
33
Auch bei präsenten Beweismitteln erlaubt § 245 Abs. 2 Satz 3 Var. 5 StPO mit der wortgleichen Formulierung die Ablehnung von Beweisanträgen wegen Verschleppungsabsicht. Auf die Frage, wie schnell sich weitere Beweismittel beschaffen lassen, kann es hier naturgemäß nicht ankommen. Eine wesentliche Verfahrensverzögerung, die überhaupt nur in den Fällen der Benennung der Gerichtsmitglieder als Zeugen und der verlangten Einführung massenhaft präsenter Beweismittel in Betracht kommt, ist für § 245 Abs. 2 Satz 3 Var. 5 StPO nicht erforderlich (vgl. Alsberg/Nüse/Meyer, Der Beweisantrag im Strafprozeß 5. Aufl. S. 829 f.; Meyer-Goßner, StPO 49. Aufl. § 245 Rdn. 27: "Verschleppungsabsicht iwS"). Gleiches gilt für die Verwerfung eines Ablehnungsgesuchs wegen Verschleppungsabsicht nach § 26a Abs. 1 Nr. 3 StPO. Stichhaltige Argumente dafür, dass die gleichen Rechtsbegriffe - zumal in den systematisch zusammenhängenden Vorschriften der §§ 244, 245 StPO - unterschiedliche Bedeutungen haben, sind nicht ersichtlich (ebenso Fahl, Rechtsmißbrauch im Strafprozeß 2004 S. 469; Herdegen in KK 5. Aufl. § 244 Rdn. 87, jew. m. w. N.).
34
Die Änderung der Rechtsprechung zum Kriterium der wesentlichen Verfahrensverzögerung ist auch vor dem Hintergrund der neueren strengen Kammerrechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zum Beschleunigungsgrundsatz geboten. Insbesondere in Haftsachen, die einen großen Teil der erst- instanzlichen Strafverfahren vor den Landgerichten ausmachen, zwingt der Beschleunigungsgrundsatz dazu, dass die Hauptverhandlung so bald und so schnell wie möglich durchgeführt wird (vgl. nur BVerfG NJW 2006, 672, 676; 2006, 1336, 1337 f.). Hat die Haft schon geraume Zeit angedauert, ist von Verfassungs wegen eine straffe Terminierung mit durchschnittlich jedenfalls deutlich mehr als einem Verhandlungstag pro Woche geboten (vgl. BVerfG NJW 2006, 668, 670; 2006, 672, 676; NStZ 2006, 460, 461; Beschluss vom 29. Dezember 2005 - 2 BvR 2057/05 - Rdn. 64). Wird die Hauptverhandlung nicht straff genug durchgeführt, kann eine der Justiz anzulastende und damit kompensationspflichtige Verfahrensverzögerung gegeben sein. Die Kammerrechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts stellt dabei eine nicht ausreichende Verfahrensförderung insbesondere auch mittels statistischer Errechnung der durchschnittlichen Anzahl der Verhandlungstage und der durchschnittlichen Verhandlungsdauer fest und scheint nicht nach Verfahrensgegenständen und Verhandlungsinhalten - ebenso wenig danach, ob Beweisanträge gebündelt oder gestaffelt gestellt werden, oder danach, in welchem Zeitraum sich beantragte weitere Beweismittel bei im Übrigen abgeschlossener Beweisaufnahme beschaffen lassen - zu differenzieren (vgl. Eschelbach in KMR 44. Lfg. § 229 Rdn. 5; Schmidt NStZ 2006, 313, 314 f.). Vor dem Hintergrund der verfassungsrechtlich gebotenen straffen Durchführung der Hauptverhandlung liegt es nahe, dass auch die Anordnung einer vergleichsweise kurzen Unterbrechung nach § 229 Abs. 1 StPO mit Blick auf den Beschleunigungsgrundsatz eine relevante Verfahrensverzögerung bedeuten kann, zumal durch weitere Beweiserhebungen dem Tatgericht Arbeitszeit für andere - ebenfalls in angemessener Zeit abzuschließende - Verfahren verloren geht.
35
Nach alledem kann jedenfalls für die Wesentlichkeit der Verfahrensverzögerung nicht mehr der Maßstab des § 229 Abs. 1 StPO zugrunde gelegt werden. Soweit dieser Maßstab bisher herangezogen wurde (vgl. BGH NStZ 1982, 391; Meyer-Goßner, StPO 49. Aufl. § 244 Rdn. 67 m.w. N.), kann daran nicht mehr festgehalten werden, nachdem das 1. JuMoG vom 24. August 2004 (BGBl I 2198) die regelmäßige Unterbrechungsfrist auf drei Wochen verlängert hat.
36
bb) Soweit der Tatrichter die Überzeugung von der inneren Tatsache, dass es dem Antragsteller auch subjektiv darum ging, den Prozess zu verschleppen , durch Rückschlüsse aus äußeren Tatsachen zu gewinnen hat, können sich signifikante Indizien etwa aus folgender Fallgestaltung ergeben:
37
Nach Abschluss der vom Gericht nach dem Maßstab der Aufklärungspflicht (§ 244 Abs. 2 StPO) für geboten gehaltenen Beweiserhebungen kann der Vorsitzende die übrigen Verfahrensbeteiligten unter Fristsetzung auffordern, etwaige Beweisanträge zu stellen. Dies gilt namentlich bei länger dauernden Verfahren im Sinne von § 229 Abs. 2 StPO, also solchen mit einer Hauptverhandlung , die mindestens zehn Verhandlungstage umfasst. Werden Anträge nicht innerhalb der gesetzten Frist gestellt, dann hat der Antragsteller die Gründe hierfür substantiiert darzulegen. Besteht nach der Überzeugung des Gerichts kein nachvollziehbarer Anlass für die verfristete Antragstellung, so kann es - falls nicht die Aufklärungspflicht nach § 244 Abs. 2 StPO gleichwohl zur Beweiserhebung drängt - grundsätzlich davon ausgehen, dass der Antrag nichts anderes als die Verzögerung des Verfahrens bezweckt. Denn es ist nicht erkennbar , warum ein Antragsteller, dem es möglich ist, innerhalb der gesetzten Frist Beweisanträge zu stellen, nicht bestrebt sein sollte, rechtzeitig seinem Anliegen dienliche Beweiserhebungen zu verlangen, will er nicht seinen Interessen zuwider handeln.
38
Dieser Auslegung von § 244 Abs. 3 Satz 2 StPO steht § 246 Abs. 1 StPO nicht entgegen, weil die Ablehnung eines Beweisantrags weiterhin nicht allein an die verspätete Antragstellung geknüpft ist; sie erleichtert dem Tatrichter lediglich den Nachweis der Absicht der Prozessverschleppung. Auch an der Pflicht des Gerichts zur Entgegennahme und Verbescheidung von Beweisanträgen ändert sich nichts (vgl. insoweit bei "extrem gelagerten Fällen" des Rechtsmissbrauchs BGH NJW 2005, 2466).
39
2. Rüge der Mitwirkung der wegen Ablehnung eines Beweisantrags abgelehnten Kammermitglieder (§ 338 Nr. 3, §§ 24 ff. StPO):
40
Der Verteidiger Rechtsanwalt Sch. hat namens des Angeklagten S. sämtliche Mitglieder der Kammer mit Gesuch vom 3. August 2006 abgelehnt. Das Gesuch beanstandet im Wesentlichen die Ablehnung des Beweisantrags auf Einholung des medizinischen Sachverständigengutachtens wegen Prozessverschleppungsabsicht (siehe oben Ziff. 1); zudem habe "die Kammer vor Erlaß ihres Beschlusses keinerlei Versuch gemacht, Hrn. S. oder seine Verteidigung nochmals anzuhören und ihnen Gelegenheit zu geben, den Vorwurf der Verschleppungsabsicht zu entkräften". Die Vertreterkammer hat das Ablehnungsgesuch mit Beschluss noch vom selben Tag als unbegründet verworfen.
41
Hierzu bemerkt der Senat:
42
Das Verhalten der Kammermitglieder konnte die Besorgnis der Befangenheit aus der Sicht eines verständigen Angeklagten (vgl. Senat NJW 2006, 3290, 3295 m.w.N.; NStZ 2007, 161, 163) nicht begründen. Es mag dahinstehen , inwieweit prozessual fehlerhaftes Verhalten überhaupt Anlass zur Besorgnis der Befangenheit geben könnte (Senat NStZ 2007, 163, 164). Dem braucht der Senat hier nicht nachzugehen. Denn nicht nur die Ablehnung des Beweisantrags erfolgte rechtsfehlerfrei; es bedurfte hierzu auch nicht der vorherigen Anhörung zur beabsichtigten Entscheidung. Durch die Verkündung des Ableh- nungsbeschlusses vor der abschließenden Urteilsberatung wird dem Antragsteller rechtliches Gehör gewährt; hierdurch wird ihm Gelegenheit gegeben, den Vorwurf, er habe den Beweisantrag nur in Prozessverschleppungsabsicht gestellt, zu entkräften oder die ihm sonst infolge der Ablehnung des Beweisantrags notwendig erscheinenden Maßnahmen zu treffen (st. Rspr.; vgl. nur BGHR StPO § 244 Abs. 3 Satz 2 Prozessverschleppung 4; BGH NStZ 1998, 207, jew. m.w.N.).

II.

43
Revision des Angeklagten Sc. :
44
1. Rüge der Mitwirkung des wegen eines Hinweises abgelehnten Vorsitzenden (§ 338 Nr. 3, §§ 24 ff. StPO):
45
a) Der Rüge, an dem Urteil habe der Vorsitzende Richter M. mitgewirkt , nachdem ein gegen ihn gerichtetes Ablehnungsgesuch wegen eines von ihm erteilten Hinweises mit Unrecht verworfen worden sei, liegt folgendes Verfahrensgeschehen zugrunde:
46
Am siebten Verhandlungstag der ersten Hauptverhandlung, dem 27. Juli 2005, wurde die im Ermittlungsverfahren tätige Dolmetscherin und Übersetzerin T. als Zeugin vernommen. Sie sagte aus, dass sie keine Prüfung als Dolmetscherin oder Übersetzerin abgelegt habe und nicht allgemein vereidigt sei; sie komme allerdings aus Moskau und habe dort Germanistik studiert. Daraufhin widersprachen die Verteidiger der Angeklagten und des damaligen Mitangeklagten F. der Verwertung sämtlicher - noch in die Hauptverhandlung einzuführender und bereits eingeführter - Vernehmungen, an denen die Zeugin als Sprachmittlerin mitgewirkt habe. Der Vorsitzende erteilte unterdessen folgenden Hinweis: "Der Vorsitzende wies darauf hin, dass die soeben vernommene Zeugin T. in der jetzigen Vernehmung die deutsche Sprache ohne jeden grammatikalischen Fehler beherrschte und ihre Muttersprache russisch ist, wie sie erklärte."
47
Die Verteidigung widersprach dieser Feststellung. Die Revision behauptet , der Vorsitzende habe, noch bevor die Widersprüche vollständig protokolliert gewesen seien, unter Anordnung einer Unterbrechung bis zum nächsten Tag den Sitzungssaal verlassen und sei später zur Rückkehr bewegt worden. Am folgenden Verhandlungstag, dem 28. Juli 2005, stellte der Verteidiger Rechtsanwalt Sch. namens des Angeklagten S. ein Befangenheitsgesuch , dem sich sämtliche Verteidiger, auch Rechtsanwalt Schw. für den Angeklagten Sc. , anschlossen. Mit Beschluss vom 1. August 2005 sind die Gesuche als unbegründet verworfen worden.
48
b) Der Beschwerdeführer meint, dass der Vorsitzende mit dem Hinweis "rechtliche Erwägungen im Bezug auf die Rolle von Frau T. vorgenommen" habe, "was die Besorgnis der Befangenheit begründe(…)". Der Vorsitzende habe den Eindruck vermitteln wollen, § 73 Abs. 2 StPO sei hier nicht anwendbar. Zudem habe er die der Kammer obliegende Beweiswürdigung vorweggenommen ; es handele sich um den "Versuch …, eine (nicht zwingende) Feststellung, die seiner persönlichen Wertung entspricht, … als unumstößlich ins Protokoll aufzunehmen"; diese "unzulässige Vorwegwürdigung" habe "die Folge, die weiteren Kammermitglieder zu präjudizieren".
49
c) Bei verständiger Würdigung war ein Misstrauen in die Unvoreingenommenheit und Unparteilichkeit des Vorsitzenden nicht gerechtfertigt.
50
Die Revision verkennt bereits, dass das geltende Recht ein Beweisverwertungsverbot aufgrund der Heranziehung eines nicht öffentlich bestellten und allgemein beeidigten Dolmetschers oder Übersetzers nicht kennt. Bei einem Dolmetscher handelt es sich schon nicht um einen Sachverständigen (Senge in KK 5. Aufl. vor § 72 Rdn. 9), so dass § 73 Abs. 2 StPO insoweit nicht einschlägig ist; im Übrigen hat ein Verstoß gegen die Sollvorschrift des § 73 Abs. 2 StPO ohnehin kein Verwertungsverbot zur Folge. Auch aus den sonstigen im Ablehnungsgesuch zitierten Vorschriften (§ 185 Abs. 1 GVG; Bayerisches Dolmetschergesetz ; Nr. 181 Abs. 1 RiStBV) ergibt sich ein solches Verwertungsverbot nicht.
51
Die Annahme der Besorgnis der Befangenheit in der Person des Vorsitzenden liegt aber insbesondere deswegen fern, weil der protokollierte Hinweis von seiner Befugnis zur Verhandlungsleitung nach § 238 Abs. 1 StPO gedeckt war. Ist nämlich über ein Beweiserhebungs- und -verwertungsverbot, wie dies hier von der Verteidigung (zu Unrecht) geltend gemacht worden war, zu entscheiden , so kann der Vorsitzende darüber im Rahmen der Sachleitung befinden. Die ein derartiges Verbot möglicherweise begründenden Umstände sind dabei gegebenenfalls freibeweislich zu ermitteln. Eine durch den Vorsitzenden aufgrund eigener Wertung angeordnete Beweisaufnahme können die Verfahrensbeteiligten beanstanden und somit einen Beschluss nach § 238 Abs. 2 StPO herbeiführen (vgl. BGHSt 51, 1, 4). Denn gerade im Fall eines Beurteilungsspielraums des Vorsitzenden oder eines gesetzlich eröffneten Ermessens obliegt es dem Verfahrensbeteiligten, der sich durch die Anordnung beschwert fühlt, die Verantwortung des Spruchkörpers zu aktivie-ren (BGH NJW 2007, 384, 387, zur Veröffentlichung in BGHSt 51, 144 bestimmt).
52
Gemessen daran ist das Verhalten des Vorsitzenden nicht zu beanstanden. Denn hiernach durfte er im Rahmen seiner Sachleitungsbefugnis die Richtigkeit der Übersetzung der im Ermittlungsverfahren tätigen Dolmetscherin und Übersetzerin wertend beurteilen.
53
2. Rüge der Mitwirkung des wegen der Terminierung abgelehnten Vorsitzenden (§ 338 Nr. 3, §§ 24 ff. StPO):
54
Zum Befangenheitsgesuch vom 25. Januar 2006, das sich im Kern darauf stützt, der Vorsitzende Richter M. habe für die Neuverhandlung eine zu kurzfristige und straffe Terminierung beabsichtigt, um den vom Angeklagten Sc. akzeptierten Pflichtverteidiger Rechtsanwalt Schw. "auszuschalten" , wird auf die Senatsentscheidungen vom 20. Juni 2006 - 1 StR 169/06 (abgedr. in NStZ 2006, 513) und vom 29. August 2006 - 1 StR 285/06 (abgedr. in NStZ 2007, 163) verwiesen.
55
Im Übrigen bemerkt der Senat:
56
Einen allgemeinen Rechtssatz des Inhalts, dass bei der Bestimmung der Termine - zumal bei einer ausgesetzten Hauptverhandlung - "der übliche Vorlauf von 2 - 3 Monaten" einzuhalten sei, gibt es nicht; nichtsdestotrotz hat der Vorsitzende ausweislich der Urteilsfeststellungen (UA S. 105) später sogar einem entsprechenden Terminsverlegungsantrag des Verteidigers Rechtsanwalt Schw. Folge geleistet. Auch die fernmündliche Äußerung des Vorsitzenden jenem gegenüber, "es könne nicht sein, dass er am Schluss die Haftbefehle aufheben müsse, weil die Verteidiger keine Zeit hätten", kann hier - nicht einmal im Ansatz - die Besorgnis der Befangenheit begründen.
57
3. Rüge der überlangen Verfahrensdauer und rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung (Art. 5 Abs. 3 Satz 1 Halbs. 2, Art. 6 Abs. 1 Satz 1 MRK):
58
a) Im Rahmen der Strafzumessung hat die Kammer ausdrücklich davon abgesehen, eine überlange Verfahrensdauer oder rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung zugunsten des Angeklagten Sc. zu berücksichtigen, da Verhandlung und Entscheidung innerhalb angemessener Zeit erfolgt seien (UA S. 104 ff. d.A.). Das Urteil führt im Wesentlichen dazu aus, dass die Verfahrensdauer - die Anklageschrift datiert auf den 26. Oktober 2004 - ihre Ursache in Terminsabstimmungen mit den Verteidigern zunächst von vier, später von zwei Angeklagten hatte. Die Aussetzung der Hauptverhandlung sei aufgrund eines Beweisantrags des Verteidigers Rechtsanwalt Schw. auf Einholung eines psychiatrischen Sachverständigengutachtens erforderlich geworden; mit dem Antrag sei vorgetragen worden, der Angeklagte Sc. habe bei zwei Motorradunfällen in den Jahren 1988 und 1989 massive Kopfverletzungen erlitten.
59
b) Die Sachrüge, mit der der Beschwerdeführer diese Erwägungen angreift , kann den Bestand des Urteils nicht gefährden.
60
Will der Beschwerdeführer die Verletzung des Beschleunigungsgebots geltend machen, erfordert dies grundsätzlich die Erhebung einer Verfahrensrüge (BGHSt 49, 342; BGH, Beschluss vom 14. Februar 2007 - 1 StR 618/06; vgl. auch BVerfG, Kammerbeschluss vom 27. September 2006 - 2 BvR 1377/06). Ein Ausnahmefall, für den der Bundesgerichtshof angenommen hat, das Revisionsgericht habe wegen eines Erörterungsmangels auf die Sachrüge hin einzugreifen (vgl. BGHSt aaO; NStZ-RR 2007, 71; Beschluss vom 17. April 2007 - 5 StR 541/06), liegt hier nicht vor. Denn das Urteil legt nachvollziehbar dar, dass und weshalb die lange Verfahrensdauer nicht der Justiz anzulasten ist. Eine "minutiös genaue" Darstellung des Verhandlungsgangs ist dabei nicht erforderlich. Von den Urteilsfeststellungen abweichender oder darüber hinausgehender Sachvortrag kann im Rahmen der Sachrüge keine Berücksichtigung finden. Die Auslegung oder Umdeutung der Beanstandung im Rahmen der Sachrüge als bzw. in eine zulässige Verfahrensrüge (vgl. Senat NJW 2007, 92, 95 f.) kommt schon deshalb nicht in Betracht, weil die Darlegungen erst nach Ablauf der Revisionsbegründungsfrist (§ 345 Abs. 1 Satz 1 StPO) erfolgten.
61
Der Senat braucht daher nicht zu entscheiden, welche Spielräume zur Förderung des Verfahrens der Kammer verblieben, ob etwa der Vorsitzende bei der Terminierung unter Verletzung des Beschleunigungsgebots in zu weit reichendem Umfang den Terminswünschen der Verteidiger nachkam und inwieweit dies hätte eine Strafmilderung zugunsten des Beschwerdeführers bewirken können. Nack Wahl Boetticher Kolz Hebenstreit

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 354/07
vom
19. September 2007
in der Strafsache
gegen
wegen Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge u. a.
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts
und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 19. September 2007
einstimmig beschlossen:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Osnabrück vom 24. Mai 2007 wird als unbegründet verworfen, da die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben hat (§ 349 Abs. 2 StPO). Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.
Ergänzend bemerkt der Senat: Die Verteidigung hatte den Antrag gestellt , über die vom sachverständigen Zeugen Dr. B. als Stichproben zum Wirkstoffgehalt analysierten 10 % der sichergestellten HeroinPäckchen hinaus alle weiteren Päckchen sachverständig untersuchen zu lassen ; dies werde ergeben, dass in diesen überhaupt kein Heroin enthalten sei. Das Landgericht hat den Antrag als Beweisermittlungsantrag angesehen, weil ihm eine bloße Vermutung zu Grunde liege, die aufs Geratewohl geäußert worden sei; die Aufklärungspflicht gebiete nicht, diesem Antrag nachzugehen. Die hiergegen gerichtete Verfahrensrüge bleibt ohne Erfolg. Dabei kann der Senat offen lassen, ob an der Rechtsprechung festzuhalten ist, dass einem Antrag, mit dem zum Nachweis einer bestimmten Beweistatsache ein konkretes Beweismittel bezeichnet wird, dennoch die Eigenschaft eines Beweisantrags fehlt, wenn es sich bei der Beweistatsache um eine ohne jede tatsächliche und argumentative Grundlage aufs Geratewohl, ins Blaue hin- ein aufgestellte Behauptung handelt (vgl. BGH NStZ 1992, 397; StV 1993, 3; 1997, 567). Hiergegen könnte sprechen, dass der einen Beweisantrag voraussetzende Ablehnungsgrund der Verschleppungsabsicht (§ 244 Abs. 3 Satz 2, § 245 Abs. 2 Satz 3 StPO) nur Anwendung findet, wenn der Antragsteller um die Unrichtigkeit seiner Beweisbehauptung weiß (vgl. BGHSt 21, 118; 29, 149, 151; BGH NStZ 1984, 230; 1986, 519; 1998, 207), und es daher nicht stimmig erscheint, dass einem Beweisbegehren schon dann der Charakter eines Beweisantrags ermangeln soll, wenn zwar nach der sonstigen Beweislage und auch einer etwaigen Begründung des Antragstellers für sein Begehren nichts für die Richtigkeit seiner Behauptung spricht, ihm jedoch nach den Umständen nicht argumentativ belegt werden kann, dass er die Unrichtigkeit seiner Beweisbehauptung kennt. Entschieden werden muss auch nicht, ob das Landgericht nach den Maßstäben der bisherigen Rechtsprechung die Beweisbehauptung der Verteidigung zu Recht als aufs Geratewohl aufgestellt angesehen oder nicht vielmehr verfahrensfehlerhaft deren Befugnis eingeschränkt hat, auch solche Tatsachen zum Gegenstand eines Beweisantrags zu machen, deren Richtigkeit sie lediglich für möglich hält (vgl. BGHSt 21, 118, 125; BGHR StPO § 244 Abs. 6 Beweisantrag 2, 15, 25). Denn die Rüge ist jedenfalls deswegen unbegründet , weil das Urteil nicht auf der etwaigen fehlerhaften Behandlung des Antrags beruht (s. § 337 StPO). Das Landgericht hat in seinem Ablehnungsbeschluss die Vorgehensweise des sachverständigen Zeugen bei der Wirkstoffuntersuchung im Einzelnen dargestellt und es auf deren Grundlage - dem sachverständigen Zeugen folgend - für tragfähig erachtet, von dem Wirkstoffgehalt der analysierten Teilmenge auf denjenigen der Gesamtmenge des eingeführten Heroins hochzurechnen. Es hat damit der Sache nach den Antrag auch gestützt auf die ihm zum Analyseverfahren vermittelte eigene Sachkunde zurückgewiesen (§ 244 Abs. 4 Satz 1 StPO). Hiergegen ist nichts zu erinnern. Nachdem sich das Landgericht aufgrund der Darlegungen des sachverständigen Zeugen davon überzeugt hatte , dass es sich bei den von diesem gezogenen und analysierten Stichproben um einen repräsentativen Anteil der insgesamt sichergestellten ca. 17,5 kg Heroin handelte, durfte es von diesem im Wege der Schätzung auf die Gesamtwirkstoffmenge hochrechnen. Derartige Schätzungen bilden in aller Regel eine im Rahmen der freien richterlichen Beweiswürdigung (§ 261 StPO) hinreichende Grundlage für die Feststellung des Wirkstoffs sichergestellter Betäubungsmittel. Die Zulässigkeit von Schätzungen zur Ermittlung von Wirkstoffgehalten aufgrund vorliegender Indizien ist selbst für die Fälle anerkannt, in denen das Rauschgift, mit dem der Täter in strafbarer Weise umgegangen ist, nicht sichergestellt werden konnte (vgl. BGHSt 32, 162, 164; 33, 8, 15; BGHR BtMG § 30 Abs. 1 Nr. 4 nicht geringe Menge 7; BGHR BtMG § 29 a Abs. 1 Nr. 2 Menge 7; BGH, Beschl. vom 10. Mai 1985 - 2 StR 191/85 bei Schoreit NStZ 1986, 56). Ist es in die Hände der Ermittlungsbehörden gelangt und sogar in repräsentativen Stichproben analysiert worden, so kann in der Regel nichts anderes gelten; insbesondere bei der Sicherstellung größerer Betäubungsmittelmengen müsste ansonsten ein unverhältnismäßiger Untersuchungsaufwand getrieben werden, der weder für den Schuldspruch (Ermittlung der nicht geringen Menge; s. etwa § 29 a Abs. 1 Nr. 2, § 30 Abs. 1 Nr. 4 BtMG) noch für die Zumessung der angemessenen Strafe geboten ist. So lag es auch hier. Die deutliche Überschreitung des Grenzwerts der nicht geringen Menge war schon wegen des gleichzeitig eingeführten Kokains sowie des analysierten Teils des sichergestellten Heroins nicht zweifelhaft. Die Verteidigung und der Angeklagte konnten ihre weitere Verfahrensführung auf die - insoweit rechtlich nicht zu beanstandenden - Darlegungen im Zurückweisungsbeschluss ausrichten; es ist auszuschließen, dass sie andere Verteidigungsmöglichkeiten gehabt hätten, wenn das Landgericht den Antrag auch formal nicht nach den Maßstäben der Aufklärungspflicht (§ 244 Abs. 2 StPO), sondern nach denen des Beweisantragsrechts (§ 244 Abs. 4 Satz 1 StPO) abgelehnt hätte. Das Urteil beruht daher nicht auf der möglicherweise rechtlich unzutreffenden Einordnung des Antrags. Abschließend weist der Senat noch auf Folgendes hin: Wäre das Landgericht aufgrund etwaig vorhandener Indizien zu der Überzeugung gelangt, dass die Beweisbehauptung unrichtig war und der Antragsteller dies auch wusste , so hätte es - auch - in Betracht ziehen können, den Antrag wegen Verschleppungsabsicht zurückzuweisen. Der Senat neigt mit dem 1. Strafsenat der Auffassung zu, dass an der bisherigen Rechtsprechung nicht mehr festzuhalten ist, wonach dieser Ablehnungsgrund nur Anwendung finden kann, wenn die Erhebung des beantragten Beweises das Verfahren erheblich verzögern würde (vgl. BGH NJW 2007, 2501). Becker RiBGH Miebach befindet sich Pfister in Urlaub und ist daher gehindert zu unterschreiben. Becker von Lienen Schäfer