Bundesgerichtshof Beschluss, 08. Mai 2008 - 3 StR 48/08
Bundesgerichtshof
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
Gründe:
- 1
- Der Antrag der Nebenklageberechtigten L. vom 14. März 2008, ihr "Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt B. zu gewähren", ist als Anschlusserklärung (§ 396 Abs. 1 Satz 1 StPO) in Verbindung mit einem Antrag auf Bestellung eines Beistandes gemäß § 397 a Abs. 1 Satz 1 StPO auszulegen (§ 300 StPO): Eine Anschlusserklärung, die Voraussetzung sowohl für die Prozesskostenhilfe (§ 397 a Abs. 2 StPO) als auch für die Beistandsbestellung (§ 397 a Abs. 1 StPO) ist, war bislang noch nicht abgegeben worden. Die Bestellung eines Beistandes geht der Prozesskostenhilfe vor, denn sie ist für den Antragsteller günstiger, da sie unabhängig von seinen wirtschaftlichen Verhältnissen vorzunehmen ist. So liegt es hier; die Antragstellerin war als Geschädigte einer sexuellen Nötigung (§ 177 Abs. 1 Nr. 1 StGB) nach § 395 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a StPO anschlussberechtigt, so dass an sich grundsätzlich auch die Voraussetzungen für die Bestellung eines Beistandes gemäß § 397 a Abs. 1 Satz 1 StPO vorlagen.
- 2
- Dennoch bleibt der Antrag ohne Erfolg, da die Geschädigte L. sich der öffentlichen Klage nicht mehr wirksam als Nebenklägerin angeschlossen hat. Ihre Anschlusserklärung ist erst am 5. April 2008 beim Bundesgerichtshof als dem mit der Sache befassten und damit für die Entscheidung über die Anschlussbefugnis (§ 396 Abs. 2 Satz 1 StPO; s. Meyer-Goßner, StPO 50. Aufl. § 396 Rdn. 8 m. w. N.) und die Beistandsbestellung (§ 397 a Abs. 3 Satz 1 StPO; s. Meyer-Goßner aaO § 397 a Rdn. 12 m. w. N.) zuständigen Gericht eingegangen. Zu diesem Zeitpunkt war das Strafverfahren hinsichtlich der Tat zum Nachteil der Geschädigten L. aber bereits rechtskräftig abgeschlossen, da die Revision des Angeklagten insoweit schon mit Urteil des Senats vom 3. April 2008 verworfen worden war. Damit war ein Anschluss als Nebenklägerin nicht mehr möglich (vgl. BGH NStZ-RR 1997, 136; StraFO 2005, 513).
- 3
- Auch die Bestellung eines Beistandes gemäß § 397 a Abs. 1 Satz 1 StPO war nach rechtskräftigem Abschluss des Verfahrens nicht mehr zulässig. Eine rückwirkende Bestellung ist grundsätzlich nicht statthaft (Meyer-Goßner aaO § 397 a Rdn. 15 m. w. N.). Die Antragstellerin hatte wegen des verspäteten Eingangs ihres Antrages beim Bundesgerichtshof auch nicht rechtzeitig alles ihrerseits für die Bestellung Erforderliche getan, so dass ihrem Antrag auch nicht ausnahmsweise nachträglich stattzugeben war (vgl. BVerfG NStZ-RR 1997, 69). Außerdem setzt die Bestellung eines Beistandes voraus, dass zum Zeitpunkt der Bescheidung des Antrags eine wirksame Anschlusserklärung vorliegt (Senge in KK-StPO 5. Aufl. § 397 a Rdn. 1 b). Dies war nicht der Fall, da nach rechtskräftigem Verfahrensabschluss ein Anschluss als Nebenklägerin nicht mehr zulässig war (s. oben). Die bis zum rechtskräftigen Verfahrensabschluss reichende Zeitspanne, innerhalb derer der Anschluss zulässig ist, stellt auch keine Frist dar, gegen deren Säumnis - gegebenenfalls von Amts wegen - Wiedereinsetzung in den vorigen Stand möglich wäre (BGH NStZ-RR 1997, 136).
ra.de-Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Beschluss, 08. Mai 2008 - 3 StR 48/08
Urteilsbesprechung schreiben0 Urteilsbesprechungen zu Bundesgerichtshof Beschluss, 08. Mai 2008 - 3 StR 48/08
Referenzen - Gesetze
(1) Die Anschlußerklärung ist bei dem Gericht schriftlich einzureichen. Eine vor Erhebung der öffentlichen Klage bei der Staatsanwaltschaft oder dem Gericht eingegangene Anschlußerklärung wird mit der Erhebung der öffentlichen Klage wirksam. Im Verfahren bei Strafbefehlen wird der Anschluß wirksam, wenn Termin zur Hauptverhandlung anberaumt (§ 408 Abs. 3 Satz 2, § 411 Abs. 1) oder der Antrag auf Erlaß eines Strafbefehls abgelehnt worden ist.
(2) Das Gericht entscheidet über die Berechtigung zum Anschluß als Nebenkläger nach Anhörung der Staatsanwaltschaft. In den Fällen des § 395 Abs. 3 entscheidet es nach Anhörung auch des Angeschuldigten darüber, ob der Anschluß aus den dort genannten Gründen geboten ist; diese Entscheidung ist unanfechtbar.
(3) Erwägt das Gericht, das Verfahren nach § 153 Abs. 2, § 153a Abs. 2, § 153b Abs. 2 oder § 154 Abs. 2 einzustellen, so entscheidet es zunächst über die Berechtigung zum Anschluß.
Ein Irrtum in der Bezeichnung des zulässigen Rechtsmittels ist unschädlich.
(1) Wer gegen den erkennbaren Willen einer anderen Person sexuelle Handlungen an dieser Person vornimmt oder von ihr vornehmen lässt oder diese Person zur Vornahme oder Duldung sexueller Handlungen an oder von einem Dritten bestimmt, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.
(2) Ebenso wird bestraft, wer sexuelle Handlungen an einer anderen Person vornimmt oder von ihr vornehmen lässt oder diese Person zur Vornahme oder Duldung sexueller Handlungen an oder von einem Dritten bestimmt, wenn
- 1.
der Täter ausnutzt, dass die Person nicht in der Lage ist, einen entgegenstehenden Willen zu bilden oder zu äußern, - 2.
der Täter ausnutzt, dass die Person auf Grund ihres körperlichen oder psychischen Zustands in der Bildung oder Äußerung des Willens erheblich eingeschränkt ist, es sei denn, er hat sich der Zustimmung dieser Person versichert, - 3.
der Täter ein Überraschungsmoment ausnutzt, - 4.
der Täter eine Lage ausnutzt, in der dem Opfer bei Widerstand ein empfindliches Übel droht, oder - 5.
der Täter die Person zur Vornahme oder Duldung der sexuellen Handlung durch Drohung mit einem empfindlichen Übel genötigt hat.
(3) Der Versuch ist strafbar.
(4) Auf Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr ist zu erkennen, wenn die Unfähigkeit, einen Willen zu bilden oder zu äußern, auf einer Krankheit oder Behinderung des Opfers beruht.
(5) Auf Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr ist zu erkennen, wenn der Täter
- 1.
gegenüber dem Opfer Gewalt anwendet, - 2.
dem Opfer mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben droht oder - 3.
eine Lage ausnutzt, in der das Opfer der Einwirkung des Täters schutzlos ausgeliefert ist.
(6) In besonders schweren Fällen ist auf Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren zu erkennen. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn
- 1.
der Täter mit dem Opfer den Beischlaf vollzieht oder vollziehen lässt oder ähnliche sexuelle Handlungen an dem Opfer vornimmt oder von ihm vornehmen lässt, die dieses besonders erniedrigen, insbesondere wenn sie mit einem Eindringen in den Körper verbunden sind (Vergewaltigung), oder - 2.
die Tat von mehreren gemeinschaftlich begangen wird.
(7) Auf Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren ist zu erkennen, wenn der Täter
- 1.
eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug bei sich führt, - 2.
sonst ein Werkzeug oder Mittel bei sich führt, um den Widerstand einer anderen Person durch Gewalt oder Drohung mit Gewalt zu verhindern oder zu überwinden, oder - 3.
das Opfer in die Gefahr einer schweren Gesundheitsschädigung bringt.
(8) Auf Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren ist zu erkennen, wenn der Täter
- 1.
bei der Tat eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug verwendet oder - 2.
das Opfer - a)
bei der Tat körperlich schwer misshandelt oder - b)
durch die Tat in die Gefahr des Todes bringt.
(9) In minder schweren Fällen der Absätze 1 und 2 ist auf Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu drei Jahren, in minder schweren Fällen der Absätze 4 und 5 ist auf Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren, in minder schweren Fällen der Absätze 7 und 8 ist auf Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren zu erkennen.
(1) Die Anschlußerklärung ist bei dem Gericht schriftlich einzureichen. Eine vor Erhebung der öffentlichen Klage bei der Staatsanwaltschaft oder dem Gericht eingegangene Anschlußerklärung wird mit der Erhebung der öffentlichen Klage wirksam. Im Verfahren bei Strafbefehlen wird der Anschluß wirksam, wenn Termin zur Hauptverhandlung anberaumt (§ 408 Abs. 3 Satz 2, § 411 Abs. 1) oder der Antrag auf Erlaß eines Strafbefehls abgelehnt worden ist.
(2) Das Gericht entscheidet über die Berechtigung zum Anschluß als Nebenkläger nach Anhörung der Staatsanwaltschaft. In den Fällen des § 395 Abs. 3 entscheidet es nach Anhörung auch des Angeschuldigten darüber, ob der Anschluß aus den dort genannten Gründen geboten ist; diese Entscheidung ist unanfechtbar.
(3) Erwägt das Gericht, das Verfahren nach § 153 Abs. 2, § 153a Abs. 2, § 153b Abs. 2 oder § 154 Abs. 2 einzustellen, so entscheidet es zunächst über die Berechtigung zum Anschluß.