Bundesgerichtshof Beschluss, 07. Okt. 2010 - 3 StR 375/10

bei uns veröffentlicht am07.10.2010

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 375/10
vom
7. Oktober 2010
in der Strafsache
gegen
wegen besonders schweren Raubes u.a.
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts
und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 7. Oktober 2010
gemäß § 349 Abs. 1 StPO beschlossen:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Osnabrück vom 15. Juni 2010 wird verworfen.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.

Gründe:

1
Das Landgericht hatte den Angeklagten mit Urteil vom 22. September 2009 wegen schweren Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung, Bandendiebstahls in zwei Fällen, Besitzes einer halbautomatischen Kurzwaffe in Tateinheit mit dem Besitz von Munition und wegen Verschaffens von falschen amtlichen Ausweisen in Tateinheit mit Verschaffen eines unechten aufenthaltsrechtlichen Papiers zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von acht Jahren und sechs Monaten verurteilt. Außerdem hatte es seine Unterbringung in der Sicherungsverwahrung angeordnet.
2
Auf die Revision des Angeklagten hat der Senat mit Beschluss vom 2. Februar 2010 - 3 StR 566/09 - den Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte statt des "schweren Raubes" des "besonders schweren Raubes" schuldig ist, den Maßregelausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben und im Umfang der Aufhebung die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. Die weitergehende Revision des Angeklagten hat er verworfen.
3
Mit Urteil vom 15. Juni 2010 hat die neu mit der Sache befasste Strafkammer von der Unterbringung des Angeklagten in der Sicherungsverwahrung abgesehen. Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit seiner auf die Rüge der Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützten Revision, mit der er Einwendungen gegen den Schuldspruch und den Strafausspruch erhebt. Das Rechtsmittel ist unzulässig.
4
Hierzu hat der Generalbundesanwalt ausgeführt: "Ein Angeklagter kann ein gegen ihn ergangenes Urteil nicht allein deswegen anfechten, weil gegen ihn (neben der Strafe) keine Maßregel der Besserung und Sicherung angeordnet worden ist. Denn die angeordnete Maßregel stellt grundsätzlich ein zusätzliches Übel neben der Freiheitsstrafe dar. Durch das Unterlassen der Maßregelanordnung ist ein Angeklagter daher nicht beschwert. Soweit ein Rechtsmittel die Nichtanordnung der Maßregel beanstandet, ist es mithin unzulässig (BGHSt 28, 327, 330 f.; 37, 5, 7; 38, 4, 7; BGHR StGB § 64 Ablehnung 11; Meyer-Goßner StPO 53. Auflage vor § 296 Rn. 10 m.w.N.). An dieser Bewertung ändert sich auch dadurch nichts, dass vorliegend der Verteidiger des Angeklagten im Rahmen der Revisionsbegründung ausgeführt hat, das Rechtsmittel richte sich 'nicht gegen die Aufhebung' (RB vom 21. Juni 2010) bzw. 'nicht gegen Fragen' (RB vom 19. Juli 2010) der Sicherungsverwahrung. Eine wirksame Revisionsbeschränkung kann hierin nicht liegen, da es unmöglich ist, die gesamte angefochtene Entscheidung vom Angriff eines Rechtsmittels auszunehmen. Die Revision verkennt, dass das Landgericht mit dem angegriffenen Urteil in der Hauptsache allein noch über die Frage der Maßregelanordnung befunden hat. Denn im Übrigen - hinsichtlich des Schuldspruchs und der verhängten Gesamtfreiheitsstrafe - ist die Verurteilung des Angeklagten vom 22. September 2009 aufgrund der Entscheidung des Senats vom 2. Februar 2010 bereits in Rechtskraft erwachsen und kann daher insoweit nicht mehr angefochten werden.
Folglich kann der Angeklagte im neuerlichen Revisionsverfahren auch nicht mehr mit seinen Einwendungen gegen den Schuldspruch sowie die Höhe der verhängten Strafe gehört werden."
5
Dem schließt sich der Senat an.
Becker Pfister von Lienen Schäfer Mayer

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Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

Strafgesetzbuch - StGB | § 64 Unterbringung in einer Entziehungsanstalt


Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb

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Bundesgerichtshof Beschluss, 02. Feb. 2010 - 3 StR 566/09

bei uns veröffentlicht am 02.02.2010

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 3 StR 566/09 vom 2. Februar 2010 in der Strafsache gegen wegen besonders schweren Raubes u. a. Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers und des Generalbundesanwalts - zu 2. auf de

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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 566/09
vom
2. Februar 2010
in der Strafsache
gegen
wegen besonders schweren Raubes u. a.
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers
und des Generalbundesanwalts - zu 2. auf dessen Antrag - am 2. Februar
2010 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO einstimmig beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Osnabrück vom 22. September 2009 wird
a) der Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte statt des "schweren Raubes" des "besonders schweren Raubes" schuldig ist;
b) die Liste der angewendeten Vorschriften um die §§ 276 Abs. 1, 276 a StGB ergänzt;
c) der Maßregelausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schweren Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung, Bandendiebstahls in zwei Fällen, Be- sitzes einer halbautomatischen Kurzwaffe in Tateinheit mit dem Besitz von Munition und wegen Verschaffens von falschen amtlichen Ausweisen in Tateinheit mit Verschaffen eines unechten aufenthaltsrechtlichen Papiers zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von acht Jahren und sechs Monaten verurteilt. Außerdem hat es seine Unterbringung in der Sicherungsverwahrung angeordnet. Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit seiner Revision, mit der er das Verfahren beanstandet und die Verletzung sachlichen Rechts rügt.
2
Die Überprüfung des Urteils aufgrund der Revisionsrechtfertigung hat zum Schuld- und Strafausspruch aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben (§ 349 Abs. 2 StPO). Jedoch war der Schuldspruch dahingehend zu ändern , dass der Angeklagte statt des "schweren Raubes" des "besonders schweren Raubes" schuldig ist, weil die von § 260 Abs. 4 Satz 1 StPO geforderte rechtliche Bezeichnung der Straftat die Kennzeichnung der vom Angeklagten verwirklichten Qualifikation des § 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB verlangt (BGHR StPO § 260 Abs. 4 Satz 1 Urteilsformel 4; Meyer-Goßner, StPO 52. Aufl. § 260 Rdn. 25). Weiterhin war die Liste der angewendeten Vorschriften zu ergänzen.
3
Die Anordnung der Sicherungsverwahrung hat keinen Bestand. Zwar hat die Strafkammer die formellen und materiellen Voraussetzungen von § 66 Abs. 2 StGB ohne Rechtsfehler bejaht. Den Urteilsgründen lässt sich jedoch schon nicht entnehmen, ob sie sich bewusst war, dass die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung nach dieser Vorschrift im pflichtgemäßen Ermessen des Tatrichters liegt. Die Formulierung "Die Unterbringung des Angeklagten in der Sicherungsverwahrung war gemäß § 66 Abs. 2 StGB anzuordnen" (UA S. 17) lässt besorgen, dass sie von einer zwingenden Anordnung ausgegangen sein könnte.
4
Auch hat die Strafkammer nicht dargelegt, aus welchen Gründen sie von ihrer Entscheidungsbefugnis im Sinne einer Anordnung Gebrauch gemacht hat (BGHR StGB § 66 Abs. 2 Ermessensentscheidung 4 und 5). Dies ergibt sich auch nicht von selbst, weil der Angeklagte überwiegend Einbruchsdiebstähle beging, bei denen keine außergewöhnlich hohen Schäden entstanden sind und er zudem eine lange Gesamtfreiheitsstrafe zu verbüßen hat.
Becker von Lienen Hubert Schäfer Mayer

Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt, weil ihre Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, so soll das Gericht die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt anordnen, wenn die Gefahr besteht, dass sie infolge ihres Hanges erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird. Die Anordnung ergeht nur, wenn eine hinreichend konkrete Aussicht besteht, die Person durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt innerhalb der Frist nach § 67d Absatz 1 Satz 1 oder 3 zu heilen oder über eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten, die auf ihren Hang zurückgehen.