Bundesgerichtshof Beschluss, 07. Okt. 2010 - 3 StR 346/10
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
a) im Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte der Beihilfe zur Einfuhr von und zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge schuldig ist;
b) im Rechtsfolgenausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.
Gründe:
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- Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und drei Monaten verurteilt. Die auf die allgemeine Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten hat den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg.
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- 1. Die Annahme täterschaftlich begangener Einfuhr hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
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- Nach den Feststellungen begleitete der Angeklagte den Mitangeklagten auf einer Fahrt in die Niederlande nach Amsterdam. Dieser wollte, wie der Angeklagte von Anfang an wusste, dort Drogen kaufen, in die Bundesrepublik Deutschland einführen und hier sodann zum überwiegenden Teil gewinnbringend weiterveräußern. Er erwarb in Amsterdam ca. zehneinhalb Kilo Cannabis und versteckte sie in dem Wagen, den er durchgängig selbst steuerte. Er hatte den Angeklagten gebeten, ihn auf der Reise zu begleiten, weil er sich dadurch beim Transport des Kaufgeldes, bei dem Erwerb der Betäubungsmittel und bei deren anschließendem Rücktransport sicherer fühlte. Der Angeklagte fuhr mit, weil ihm der Mitangeklagte dafür eine kleinere Menge Cannabis sowie die Übernahme aller Kosten in Aussicht gestellt hatte. Unmittelbar nach dem Grenzübertritt wurden beide kontrolliert und festgenommen.
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- Diese Feststellungen tragen nicht die Verurteilung des Angeklagten wegen mittäterschaftlich begangener unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln. Besteht die Mitwirkung eines Beteiligten allein darin, dass er den Täter bei der Einfuhr - wie hier als Beifahrer - begleitet, etwa um diesem dadurch das Gefühl der Sicherheit zu vermitteln, rechtfertigt dies nicht bereits die Annahme von Mittäterschaft (vgl. BGH, Beschluss vom 30. März 1994 - 3 StR 726/93, BGHR BtMG § 29 Abs. 1 Nr. 1 Einfuhr 33 mwN). Zwar ist in einem solchen Fall die Annahme mittäterschaftlichen Handelns nicht generell ausgeschlossen, sie be- darf jedoch besonderer Rechtfertigung durch weitere Gesichtspunkte von Gewicht , beispielsweise durch einen bestimmenden Einfluss bei der Vorbereitung der Tat oder durch ein erhöhtes Tatinteresse (BGH, Beschluss vom 11. November 2008 - 4 StR 434/08, NStZ-RR 2009, 121). Wie der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift zutreffend ausgeführt hat, reicht das auf der Erwartung der Kostenübernahme und einer kleineren Rauschgiftmenge beruhende Interesse des Angeklagten an der Tatausführung nicht aus, um das Fehlen jedes die Tatherrschaft begründenden Umstandes ausgleichen zu können.
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- Da weitere Feststellungen nicht zu erwarten sind, hat der Senat den Schuldspruch entsprechend § 354 Abs. 1 StPO geändert. Dies führt zur Aufhebung des Strafausspruchs.
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- 2. Durchgreifende Rechtsbedenken bestehen darüber hinaus gegen die Begründung, mit der das Landgericht davon abgesehen hat, gegen den Angeklagten die Unterbringung in der Entziehungsanstalt anzuordnen. Die Strafkammer schließt sich dem gehörten Sachverständigen an, der es für zweifelhaft gehalten hat, "ob die Gefahr bestehe, dass der Angeklagte infolge seines Hanges erhebliche rechtswidrige Taten begehe". Insoweit ist zu besorgen, dass das Landgericht die grundlegende Aufteilung der Zuständigkeit und Verantwortlichkeit zwischen dem Sachverständigen und dem Richter außer Acht gelassen hat. Im Rahmen der Gefährlichkeitsprognose ist es Aufgabe des Sachverständigen festzustellen, wie groß die Wahrscheinlichkeit ist, dass der Angeklagte erneut Straftaten begehen wird, welcher Art diese Straftaten sind und welche Häufigkeit und welchen Schweregrad sie haben werden. Ob sich aus der Wahrscheinlichkeitsaussage über das zukünftige Legalverhalten des Angeklagten die Gefahr erheblicher rechtswidriger Taten im Sinne von § 64 StGB ergibt, ist hingegen eine vom Richter zu treffende normative Entscheidung (vgl. hierzu Boet- ticher u.a., NStZ 2006, 537, 539 f.). Um dem Revisionsgericht deren rechtliche Nachprüfung zu ermöglichen, sind im Urteil die Grundlagen jener gutachterlichen Wahrscheinlichkeitsaussage - und nicht nur die Meinung des Gutachters über das Vorliegen eines normativen Tatbestandsmerkmals - mitzuteilen.
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- Soweit der Sachverständige darüber hinaus die hinreichend konkrete Erfolgsaussicht einer Abstinenztherapie verneint hat, weil der Alkohol- und Drogenkonsum des Angeklagten auf dessen "Persönlichkeitsstruktur" beruhe, weswegen "er persönliche Krisen nicht ohne Rauschmittel bewältigen könne" und er daher eine Therapie benötige, "die seine Verhaltensmuster verändere", gilt Folgendes: Dass der Süchtige die Bewältigung von Spannungssituationen durch die Zuführung von Suchtmitteln erreichen will, anstatt sich aktiv mit seiner Umwelt auseinanderzusetzen, gehört zu den Kernproblemen der Sucht. Der Versuch, die Affekttoleranz des Abhängigen zu stärken, ist deshalb ein wichtiges Ziel jeder tiefgreifenden Therapie. Dies gilt auch für die Behandlung im Maßregelvollzug nach § 64 StGB (vgl. Schalast in Kröber/Dölling/Leygraf/Sass, Handbuch der Forensischen Psychiatrie, Band 3, 2006, S. 326, 333, 342 f.). Ein Fehlen der Erfolgsaussicht kann daher allein mit dem Hinweis auf diese Persönlichkeitsproblematik nicht belegt werden.
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- 3. Über den gesamten Rechtsfolgenausspruch muss deshalb - nahe liegend unter Hinzuziehung eines anderen Sachverständigen - erneut entschieden werden.
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Annotations
(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.
(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.
(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.
(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.
(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.
(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer
- 1.
Betäubungsmittel unerlaubt anbaut, herstellt, mit ihnen Handel treibt, sie, ohne Handel zu treiben, einführt, ausführt, veräußert, abgibt, sonst in den Verkehr bringt, erwirbt oder sich in sonstiger Weise verschafft, - 2.
eine ausgenommene Zubereitung (§ 2 Abs. 1 Nr. 3) ohne Erlaubnis nach § 3 Abs. 1 Nr. 2 herstellt, - 3.
Betäubungsmittel besitzt, ohne zugleich im Besitz einer schriftlichen Erlaubnis für den Erwerb zu sein, - 4.
(weggefallen) - 5.
entgegen § 11 Abs. 1 Satz 2 Betäubungsmittel durchführt, - 6.
entgegen § 13 Abs. 1 Betäubungsmittel - a)
verschreibt, - b)
verabreicht oder zum unmittelbaren Verbrauch überläßt,
- 6a.
entgegen § 13 Absatz 1a Satz 1 und 2 ein dort genanntes Betäubungsmittel überlässt, - 6b.
entgegen § 13 Absatz 1b Satz 1 Betäubungsmittel verabreicht, - 7.
entgegen § 13 Absatz 2 - a)
Betäubungsmittel in einer Apotheke oder tierärztlichen Hausapotheke, - b)
Diamorphin als pharmazeutischer Unternehmer
- 8.
entgegen § 14 Abs. 5 für Betäubungsmittel wirbt, - 9.
unrichtige oder unvollständige Angaben macht, um für sich oder einen anderen oder für ein Tier die Verschreibung eines Betäubungsmittels zu erlangen, - 10.
einem anderen eine Gelegenheit zum unbefugten Erwerb oder zur unbefugten Abgabe von Betäubungsmitteln verschafft oder gewährt, eine solche Gelegenheit öffentlich oder eigennützig mitteilt oder einen anderen zum unbefugten Verbrauch von Betäubungsmitteln verleitet, - 11.
ohne Erlaubnis nach § 10a einem anderen eine Gelegenheit zum unbefugten Verbrauch von Betäubungsmitteln verschafft oder gewährt, oder wer eine außerhalb einer Einrichtung nach § 10a bestehende Gelegenheit zu einem solchen Verbrauch eigennützig oder öffentlich mitteilt, - 12.
öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten eines Inhalts (§ 11 Absatz 3 des Strafgesetzbuches) dazu auffordert, Betäubungsmittel zu verbrauchen, die nicht zulässigerweise verschrieben worden sind, - 13.
Geldmittel oder andere Vermögensgegenstände einem anderen für eine rechtswidrige Tat nach Nummern 1, 5, 6, 7, 10, 11 oder 12 bereitstellt, - 14.
einer Rechtsverordnung nach § 11 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 oder § 13 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1, 2a oder 5 zuwiderhandelt, soweit sie für einen bestimmten Tatbestand auf diese Strafvorschrift verweist.
(2) In den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 1, 2, 5 oder 6 Buchstabe b ist der Versuch strafbar.
(3) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter
- 1.
in den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 1, 5, 6, 10, 11 oder 13 gewerbsmäßig handelt, - 2.
durch eine der in Absatz 1 Satz 1 Nr. 1, 6 oder 7 bezeichneten Handlungen die Gesundheit mehrerer Menschen gefährdet.
(4) Handelt der Täter in den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 1, 2, 5, 6 Buchstabe b, Nummer 6b, 10 oder 11 fahrlässig, so ist die Strafe Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe.
(5) Das Gericht kann von einer Bestrafung nach den Absätzen 1, 2 und 4 absehen, wenn der Täter die Betäubungsmittel lediglich zum Eigenverbrauch in geringer Menge anbaut, herstellt, einführt, ausführt, durchführt, erwirbt, sich in sonstiger Weise verschafft oder besitzt.
(6) Die Vorschriften des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 1 sind, soweit sie das Handeltreiben, Abgeben oder Veräußern betreffen, auch anzuwenden, wenn sich die Handlung auf Stoffe oder Zubereitungen bezieht, die nicht Betäubungsmittel sind, aber als solche ausgegeben werden.
(1) Erfolgt die Aufhebung des Urteils nur wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen, so hat das Revisionsgericht in der Sache selbst zu entscheiden, sofern ohne weitere tatsächliche Erörterungen nur auf Freisprechung oder auf Einstellung oder auf eine absolut bestimmte Strafe zu erkennen ist oder das Revisionsgericht in Übereinstimmung mit dem Antrag der Staatsanwaltschaft die gesetzlich niedrigste Strafe oder das Absehen von Strafe für angemessen erachtet.
(1a) Wegen einer Gesetzesverletzung nur bei Zumessung der Rechtsfolgen kann das Revisionsgericht von der Aufhebung des angefochtenen Urteils absehen, sofern die verhängte Rechtsfolge angemessen ist. Auf Antrag der Staatsanwaltschaft kann es die Rechtsfolgen angemessen herabsetzen.
(1b) Hebt das Revisionsgericht das Urteil nur wegen Gesetzesverletzung bei Bildung einer Gesamtstrafe (§§ 53, 54, 55 des Strafgesetzbuches) auf, kann dies mit der Maßgabe geschehen, dass eine nachträgliche gerichtliche Entscheidung über die Gesamtstrafe nach den §§ 460, 462 zu treffen ist. Entscheidet das Revisionsgericht nach Absatz 1 oder Absatz 1a hinsichtlich einer Einzelstrafe selbst, gilt Satz 1 entsprechend. Die Absätze 1 und 1a bleiben im Übrigen unberührt.
(2) In anderen Fällen ist die Sache an eine andere Abteilung oder Kammer des Gerichtes, dessen Urteil aufgehoben wird, oder an ein zu demselben Land gehörendes anderes Gericht gleicher Ordnung zurückzuverweisen. In Verfahren, in denen ein Oberlandesgericht im ersten Rechtszug entschieden hat, ist die Sache an einen anderen Senat dieses Gerichts zurückzuverweisen.
(3) Die Zurückverweisung kann an ein Gericht niederer Ordnung erfolgen, wenn die noch in Frage kommende strafbare Handlung zu dessen Zuständigkeit gehört.
Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt, weil ihre Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, so soll das Gericht die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt anordnen, wenn die Gefahr besteht, dass sie infolge ihres Hanges erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird. Die Anordnung ergeht nur, wenn eine hinreichend konkrete Aussicht besteht, die Person durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt innerhalb der Frist nach § 67d Absatz 1 Satz 1 oder 3 zu heilen oder über eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten, die auf ihren Hang zurückgehen.