Bundesgerichtshof Beschluss, 06. Okt. 2005 - 3 StR 323/05

published on 06/10/2005 00:00
Bundesgerichtshof Beschluss, 06. Okt. 2005 - 3 StR 323/05
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Gericht


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 323/05
vom
6. Oktober 2005
in der Strafsache
gegen
wegen schwerer Verunglimpfung des Staates u. a.
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts
und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 6. Oktober 2005 gemäß
§ 349 Abs. 2 StPO einstimmig beschlossen:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 6. April 2005 wird verworfen. Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.

Gründe:

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen
- schwerer Verunglimpfung des Staates in 16 Fällen, - Volksverhetzung in vier Fällen, - Beschimpfung von Religionsgemeinschaften, - schwerer Verunglimpfung des Staates (in Tateinheit) mit Beleidigung, - schwerer Verunglimpfung des Staates (in Tateinheit) mit Volksverhetzung in vier Fällen, - schwerer Verunglimpfung des Staates (in Tateinheit) mit Volksverhetzung (in) zwei tateinheitlichen Fällen in fünf Fällen sowie - schwerer Verunglimpfung des Staates (in Tateinheit) mit Volksverhetzung und mit Beleidigung in vier tateinheitlichen Fällen
zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und neun Monaten verurteilt. Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit seiner Revision, mit der er das Verfahren beanstandet und die Verletzung sachlichen Rechts rügt. Die Nachprüfung des Urteils aufgrund der Revisionsrechtfertigung hat aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts zum Schuldspruch keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben. Bei der Auslegung der Tatbestandsmerkmale des § 90 a StGB hat das Landgericht die erforderliche Abwägung mit dem Grundrecht der Meinungsäußerungsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 GG) vorgenommen. Aus dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe ergibt sich, dass sich der Angeklagte durch seine die Bundesrepublik Deutschland verunglimpfenden Äußerungen absichtlich f ür Bestrebungen eingesetzt hat, den Verfassungsgrundsatz des Ausschlusses jeder Gewalt- und Willkürherrschaft zu untergraben (§ 90 a Abs. 3, § 92 Abs. 2 Nr. 6, Abs. 3 Nr. 3 StGB).
Soweit das Landgericht im Rahmen der Strafzumessung bei den Vergehen der schweren Verunglimpfung des Staates nicht nochmals ausdrücklich die wertsetzende Bedeutung des Grundrechts der Meinungsäußerungsfreiheit erwähnt hat (vgl. BGHR StGB § 90 a Strafzumessung 1), beruht darauf das Urteil nicht. Denn der überwiegende Teil der Äußerungen ist so ausfällig und überzogen , dass die Grenze zur Schmähkritik überschritten ist, bei der nicht mehr die Auseinandersetzung in der Sache, sondern die Diffamierung im Vordergrund steht. Im Übrigen sind die verhängten Einzelstrafen und die daraus gebildete
Gesamtstrafe im Hinblick auf die Intensität und die Häufigkeit der beschimpfenden und herabwürdigenden Äußerungen angemessen (§ 354 Abs. 1 a Satz 1 StPO).
Winkler Miebach Pfister von Lienen Becker
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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

Annotations

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

(1) Im Sinne dieses Gesetzes beeinträchtigt den Bestand der Bundesrepublik Deutschland, wer ihre Freiheit von fremder Botmäßigkeit aufhebt, ihre staatliche Einheit beseitigt oder ein zu ihr gehörendes Gebiet abtrennt.

(2) Im Sinne dieses Gesetzes sind Verfassungsgrundsätze

1.
das Recht des Volkes, die Staatsgewalt in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung auszuüben und die Volksvertretung in allgemeiner, unmittelbarer, freier, gleicher und geheimer Wahl zu wählen,
2.
die Bindung der Gesetzgebung an die verfassungsmäßige Ordnung und die Bindung der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung an Gesetz und Recht,
3.
das Recht auf die Bildung und Ausübung einer parlamentarischen Opposition,
4.
die Ablösbarkeit der Regierung und ihre Verantwortlichkeit gegenüber der Volksvertretung,
5.
die Unabhängigkeit der Gerichte und
6.
der Ausschluß jeder Gewalt- und Willkürherrschaft.

(3) Im Sinne dieses Gesetzes sind

1.
Bestrebungen gegen den Bestand der Bundesrepublik Deutschland solche Bestrebungen, deren Träger darauf hinarbeiten, den Bestand der Bundesrepublik Deutschland zu beeinträchtigen (Absatz 1),
2.
Bestrebungen gegen die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland solche Bestrebungen, deren Träger darauf hinarbeiten, die äußere oder innere Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland zu beeinträchtigen,
3.
Bestrebungen gegen Verfassungsgrundsätze solche Bestrebungen, deren Träger darauf hinarbeiten, einen Verfassungsgrundsatz (Absatz 2) zu beseitigen, außer Geltung zu setzen oder zu untergraben.

(1) Wer öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten eines Inhalts (§ 11 Absatz 3) den Bundespräsidenten verunglimpft, wird mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.

(2) In minder schweren Fällen kann das Gericht die Strafe nach seinem Ermessen mildern (§ 49 Abs. 2), wenn nicht die Voraussetzungen des § 188 erfüllt sind.

(3) Die Strafe ist Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren, wenn die Tat eine Verleumdung (§ 187) ist oder wenn der Täter sich durch die Tat absichtlich für Bestrebungen gegen den Bestand der Bundesrepublik Deutschland oder gegen Verfassungsgrundsätze einsetzt.

(4) Die Tat wird nur mit Ermächtigung des Bundespräsidenten verfolgt.