Bundesgerichtshof Beschluss, 08. Nov. 2011 - 3 StR 317/11
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
a) im Schuldspruch, soweit der Angeklagte wegen sexuellen Missbrauchs einer Jugendlichen (Fall II.2.b. der Urteilsgründe ) verurteilt worden ist,
b) im Ausspruch über die Gesamtstrafe.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels und die der Nebenklägerin dadurch entstandenen notwendigen Auslagen, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.
Gründe:
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- Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Vergewaltigung in zwei Fällen , dabei in einem Fall in Tateinheit mit schwerem sexuellen Missbrauch eines Kindes, sowie wegen sexuellen Missbrauchs einer Jugendlichen zu einer Ge- samtfreiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt. Mit seiner hiergegen gerichteten Revision rügt der Angeklagte die Verletzung formellen und sachlichen Rechts. Das Rechtsmittel führt zur Aufhebung des Urteils im Schuldspruch, soweit der Angeklagte wegen sexuellen Missbrauchs einer Jugendlichen (Fall II.2.b. der Urteilsgründe) verurteilt worden ist; im Übrigen ist es aus den zutreffenden Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).
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- 1. Nach den Feststellungen zum Fall II.2.b. der Urteilsgründe griff der 21 Jahre alte Angeklagte mit beiden Händen in die Hose der 15 Jahre alten Nebenklägerin und führte gegen deren Willen einen Finger für kurze Zeit und nicht sehr tief in die Scheide ein, während er die Jugendliche mit seinem anderen Arm festhielt, bis diese sich aus seinem Griff befreien konnte. Anschließend rieb die Nebenklägerin kurz mit einer Hand entsprechend einer Aufforderung des Angeklagten an dessen erigierten Penis.
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- 2. Diese Feststellungen tragen den Schuldspruch wegen sexuellen Missbrauchs einer Jugendlichen gemäß § 182 Abs. 1 Nr. 1 StGB nicht. Nach dieser Vorschrift macht sich ein Täter nur strafbar, wenn er bei den sexuellen Handlungen die fehlende Fähigkeit des Opfers zur sexuellen Selbstbestimmung ausnutzt. Zu diesem Tatbestandsmerkmal verhalten sich die Urteilsgründe nicht. Es lässt sich auch nicht dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe mit hinreichender Sicherheit entnehmen. Insbesondere die Feststellung, dem Angeklagten sei bewusst gewesen, dass die Nebenklägerin im Alter von 13 Jahren mit ihm ihren ersten Geschlechtsverkehr ausgeübt und deshalb entsprechend unerfahren gewesen sei, belegt nicht zweifelsfrei ihre fehlende Fähigkeit zur sexuellen Selbstbestimmung zum Tatzeitpunkt.
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- Der Senat hat davon abgesehen, auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen den Schuldspruch dahin zu ändern, dass der Angeklagte der Vergewaltigung schuldig ist. Zwar belegen diese die Anwendung von geringfügiger Gewalt zur Überwindung des Widerstands der Geschädigten. Einer Schuldspruchänderung steht jedoch § 265 StPO entgegen, weil die Tat als sexueller Missbrauch von Jugendlichen angeklagt und der Angeklagte auf die in Betracht kommende Verurteilung wegen Vergewaltigung nicht hingewiesen worden ist. Deshalb hatte er keine Gelegenheit, sich gegen diesen Tatvorwurf zu verteidigen.
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- 3. Die Aufhebung des Schuldspruchs im Fall II.2.b. der Urteilsgründe hat die Aufhebung des Ausspruchs über die Gesamtstrafe zur Folge.
Mayer Menges
Annotations
(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.
(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.
(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.
(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.
(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.
(1) Wer eine Person unter achtzehn Jahren dadurch missbraucht, dass er unter Ausnutzung einer Zwangslage
- 1.
sexuelle Handlungen an ihr vornimmt oder an sich von ihr vornehmen lässt oder - 2.
diese dazu bestimmt, sexuelle Handlungen an einem Dritten vorzunehmen oder von einem Dritten an sich vornehmen zu lassen,
(2) Ebenso wird eine Person über achtzehn Jahren bestraft, die eine Person unter achtzehn Jahren dadurch missbraucht, dass sie gegen Entgelt sexuelle Handlungen an ihr vornimmt oder an sich von ihr vornehmen lässt.
(3) Eine Person über einundzwanzig Jahre, die eine Person unter sechzehn Jahren dadurch mißbraucht, daß sie
- 1.
sexuelle Handlungen an ihr vornimmt oder an sich von ihr vornehmen läßt oder - 2.
diese dazu bestimmt, sexuelle Handlungen an einem Dritten vorzunehmen oder von einem Dritten an sich vornehmen zu lassen,
(4) Der Versuch ist strafbar.
(5) In den Fällen des Absatzes 3 wird die Tat nur auf Antrag verfolgt, es sei denn, daß die Strafverfolgungsbehörde wegen des besonderen öffentlichen Interesses an der Strafverfolgung ein Einschreiten von Amts wegen für geboten hält.
(6) In den Fällen der Absätze 1 bis 3 kann das Gericht von Strafe nach diesen Vorschriften absehen, wenn bei Berücksichtigung des Verhaltens der Person, gegen die sich die Tat richtet, das Unrecht der Tat gering ist.
(1) Der Angeklagte darf nicht auf Grund eines anderen als des in der gerichtlich zugelassenen Anklage angeführten Strafgesetzes verurteilt werden, ohne daß er zuvor auf die Veränderung des rechtlichen Gesichtspunktes besonders hingewiesen und ihm Gelegenheit zur Verteidigung gegeben worden ist.
(2) Ebenso ist zu verfahren, wenn
- 1.
sich erst in der Verhandlung vom Strafgesetz besonders vorgesehene Umstände ergeben, welche die Strafbarkeit erhöhen oder die Anordnung einer Maßnahme oder die Verhängung einer Nebenstrafe oder Nebenfolge rechtfertigen, - 2.
das Gericht von einer in der Verhandlung mitgeteilten vorläufigen Bewertung der Sach- oder Rechtslage abweichen will oder - 3.
der Hinweis auf eine veränderte Sachlage zur genügenden Verteidigung des Angeklagten erforderlich ist.
(3) Bestreitet der Angeklagte unter der Behauptung, auf die Verteidigung nicht genügend vorbereitet zu sein, neu hervorgetretene Umstände, welche die Anwendung eines schwereren Strafgesetzes gegen den Angeklagten zulassen als des in der gerichtlich zugelassenen Anklage angeführten oder die zu den in Absatz 2 Nummer 1 bezeichneten gehören, so ist auf seinen Antrag die Hauptverhandlung auszusetzen.
(4) Auch sonst hat das Gericht auf Antrag oder von Amts wegen die Hauptverhandlung auszusetzen, falls dies infolge der veränderten Sachlage zur genügenden Vorbereitung der Anklage oder der Verteidigung angemessen erscheint.