Bundesgerichtshof Beschluss, 04. Aug. 2011 - 3 StR 236/11
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.
Gründe:
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- Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Einfuhr von Betäubungsmitteln in Tateinheit mit Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in jeweils nicht geringer Menge zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt, die Einziehung der sichergestellten 20.894,8 Gramm Marihuana sowie eines Mobiltelefons angeordnet und 500 € für verfallen erklärt. Mit seiner Revision beanstandet der Angeklagte die Verletzung materiellen Rechts.
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- Die Nachprüfung des angefochtenen Urteils hat zum Schuld- und Strafausspruch keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben. Das Urteil hat jedoch keinen Bestand, soweit das Landgericht es abgelehnt hat, die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt gemäß § 64 StGB anzuordnen. Die Strafkammer hat dies im Wesentlichen damit begründet, der Angeklagte habe "auf entsprechende Nachfrage durch seinen Verteidiger ausdrücklich erklärt, dass kein Hang bestehe und sich - nach anwaltlicher Beratung - ausdrücklich gegen eine Unterbringung nach § 64 StGB ausgesprochen, so dass die daraus ersichtliche Therapieunwilligkeit gegen die Erfolgsaussichten einer Unterbringung spricht". Dies begegnet in mehrfacher Hinsicht durchgreifenden Bedenken:
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- 1. Das Vorliegen eines Hanges stellt eine Rechtsfrage dar, die nicht im Belieben des Angeklagten steht. Sie ist vielmehr vom Tatgericht aufgrund einer Gesamtschau der getroffenen Feststellungen selbst zu beurteilen. Nach den Feststellungen konsumierte der Angeklagte in der Vergangenheit über mehrere Jahre hinweg Heroin. Er wurde im Jahre 1998 wegen einer Straftat verurteilt, die er aufgrund seiner Betäubungsmittelabhängigkeit begangen hatte. Im Jahr 2010 begann er erneut, Kokain und Marihuana zu konsumieren. Er steigerte seinen Betäubungsmittelkonsum auf ein Gramm Kokain täglich und verschuldete sich in Höhe von insgesamt 3.600 €, um die daraus entstehenden Kosten zu finanzieren. Bei der Tat im August 2010 stand er unter Einwirkung von Kokain und Cannabis. Mit all diesen Umständen hätte sich das Landgericht näher auseinandersetzen müssen.
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- 2. Im Übrigen ist nicht genügend dargetan, dass die Anordnung der Maßregel mangels Erfolgsaussicht unterbleiben musste. Hierfür reicht die Erwägung nicht aus, der Angeklagte habe sich in der Hauptverhandlung therapieunwillig gezeigt. Vielmehr lässt sich nur aufgrund einer - hier unterbliebenen - Gesamtwürdigung der Täterpersönlichkeit und aller sonstigen maßgeblichen Umstände beurteilen, ob der Mangel an Therapiebereitschaft den Schluss auf das Fehlen einer hinreichend konkreten Erfolgsaussicht der Maßregel rechtfertigt. Das Tatgericht hat dabei auch zu prüfen, ob die konkrete Aussicht besteht, dass die Therapiebereitschaft für eine Erfolg versprechende Behandlung in der Maßregel geweckt werden kann (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschluss vom 21. Januar 2010 - 3 StR 502/09, NStZ-RR 2010, 141 dort nur Leitsatz).
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- 3. Da die Anordnung der Unterbringung auch aus anderen Gründen nicht von vornherein ausscheidet, ist hierüber - unter Hinzuziehung eines Sachverständigen (§ 246a StPO) - neu zu verhandeln und zu entscheiden. Dass nur der Angeklagte Revision eingelegt hat, hindert die Nachholung der Unterbringungsanordnung nicht (§ 358 Abs. 2 Satz 3 StPO); er hat die unterbliebene Anordnung nicht von seinem Rechtsmittelangriff ausgenommen.
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- Der Strafausspruch wird von dem aufgezeigten Rechtsfehler nicht berührt ; denn es ist auszuschließen, dass das Landgericht bei Anordnung der Unterbringung auf eine niedrigere Strafe erkannt hätte.
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Annotations
(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.
(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.
(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.
(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.
(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.
Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt, weil ihre Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, so soll das Gericht die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt anordnen, wenn die Gefahr besteht, dass sie infolge ihres Hanges erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird. Die Anordnung ergeht nur, wenn eine hinreichend konkrete Aussicht besteht, die Person durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt innerhalb der Frist nach § 67d Absatz 1 Satz 1 oder 3 zu heilen oder über eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten, die auf ihren Hang zurückgehen.
(1) Kommt in Betracht, dass die Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus oder in der Sicherungsverwahrung angeordnet oder vorbehalten werden wird, so ist in der Hauptverhandlung ein Sachverständiger über den Zustand des Angeklagten und die Behandlungsaussichten zu vernehmen. Gleiches gilt, wenn das Gericht erwägt, die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt anzuordnen.
(2) Ist Anklage erhoben worden wegen einer in § 181b des Strafgesetzbuchs genannten Straftat zum Nachteil eines Minderjährigen und kommt die Erteilung einer Weisung nach § 153a dieses Gesetzes oder nach den §§ 56c, 59a Absatz 2 Satz 1 Nummer 4 oder § 68b Absatz 2 Satz 2 des Strafgesetzbuchs in Betracht, wonach sich der Angeklagte psychiatrisch, psycho- oder sozialtherapeutisch betreuen und behandeln zu lassen hat (Therapieweisung), soll ein Sachverständiger über den Zustand des Angeklagten und die Behandlungsaussichten vernommen werden, soweit dies erforderlich ist, um festzustellen, ob der Angeklagte einer solchen Betreuung und Behandlung bedarf.
(3) Hat der Sachverständige den Angeklagten nicht schon früher untersucht, so soll ihm dazu vor der Hauptverhandlung Gelegenheit gegeben werden.
(1) Das Gericht, an das die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung verwiesen ist, hat die rechtliche Beurteilung, die der Aufhebung des Urteils zugrunde gelegt ist, auch seiner Entscheidung zugrunde zu legen.
(2) Das angefochtene Urteil darf in Art und Höhe der Rechtsfolgen der Tat nicht zum Nachteil des Angeklagten geändert werden, wenn lediglich der Angeklagte, zu seinen Gunsten die Staatsanwaltschaft oder sein gesetzlicher Vertreter Revision eingelegt hat. Wird die Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus aufgehoben, hindert diese Vorschrift nicht, an Stelle der Unterbringung eine Strafe zu verhängen. Satz 1 steht auch nicht der Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus oder einer Entziehungsanstalt entgegen.