Bundesgerichtshof Beschluss, 05. Juli 2011 - 3 StR 211/11

bei uns veröffentlicht am05.07.2011

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 211/11
vom
5. Juli 2011
in der Strafsache
gegen
wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers
und des Generalbundesanwalts - zu 1. a) und 2. auf dessen Antrag -
am 5. Juli 2011 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO einstimmig beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Düsseldorf vom 16. Februar 2011 aufgehoben
a) in den Aussprüchen über die Einzelstrafen in den Fällen II. 11 bis 47 der Urteilsgründe und die Gesamtstrafe; die zugehörigen Feststellungen werden aufgehoben, soweit sie die Aufklärung des Tatbeitrags der Zeugin K. durch den Angeklagten betreffen, im Übrigen bleiben sie aufrechterhalten ,
b) mit den zugehörigen Feststellungen im Ausspruch über den Verfall von Wertersatz. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in 47 Fällen zu der Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt und zu seinen Lasten 4.177 € für verfallen erklärt. Die auf die Rüge der Verletzung sachlichen Rechts gestützte Revision des Angeklagten hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
2
1. Die Einzelstrafen in den Fällen II. 11 bis 47 der Urteilsgründe haben keinen Bestand. Der Generalbundesanwalt hat hierzu in seiner Antragsschrift ausgeführt: "Das Landgericht hat zwar eine Strafmilderung nach § 31 Nr. 1 BtmG geprüft , jedoch nur hinsichtlich der Angaben des Angeklagten zu dem Amphetaminlieferanten der gesondert verfolgten Zeugin K. (UA S. 21, 22), die zu keinem Aufklärungserfolg führten. Es hat jedoch nicht erörtert, ob eine Strafmilderung nach den vorgenannten Vorschriften deshalb in Betracht kam, weil ausweislich der Urteilsgründe der Angeklagte vor der Eröffnung des Hauptverfahrens bei seiner polizeilichen Vernehmung hinsichtlich der Taten Ziffern 11 bis 47 Angaben zu einer Tatbeteiligung durch seine Mittäterin K. gemacht hat (UA S. 15). … Namentlich wegen des Umstandes, dass die Mittäterin K. ausweislich der Urteilsgründe im Ermittlungsverfahren ihren eigenen Tatbeitrag herunterspielte (UA S. 15 oben), ist nicht auszuschließen, dass aufgrund der Angaben des Angeklagten im Ermittlungsverfahren eine genauere und zuverlässigere Kenntnis von den Tatbeiträgen der Zeugin K. gewonnen werden konnte (BGHR BtmG § 31 Nr. 1 Aufdeckung 4, 25, 27 mwN). Der Aufhebung der Feststellungen bedarf es nur, soweit sie die Frage eines Aufklärungserfolges im Sinne von § 31 Abs. 1 Nr. 1 BtmG betreffen."
3
Dem folgt der Senat. Der Wegfall der genannten Einzelstrafen führt zur Aufhebung des Urteils auch im Ausspruch über die Gesamtstrafe.
4
2. Die Anordnung des Verfalls von Wertersatz (§ 73a StGB) begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
5
Die in den Fällen II. 1 bis 10 der Urteilsgründe vom Angeklagten vereinnahmten und für seine Lebensführung verbrauchten Kaufpreiszahlungen belie- fen sich auf insgesamt 8.000 €. Die Höhe der an die Mittäterin geflossenen Er- löse in den Fällen II. 11 bis 46 der Urteilsgründe, die der Angeklagte in Absprache mit dieser zum Teil ebenfalls für seinen Lebensunterhalt verwendete, hat das Landgericht nicht ermitteln können. "Um dem Angeklagten den Neustart nach seiner Haftentlassung nicht unnötig zu erschweren", hat es sich "zur Vermeidung einer unbilligen Härte" mit der Anordnung des Wertersatzverfalls in Höhe von 4.177 € "begnügt".
6
Dies hält revisionsgerichtlicher Überprüfung nicht stand. Zum einen bleibt offen, weshalb das Landgericht eine unbillige Härte (§ 73c Abs. 1 Satz 1 StGB) lediglich in einer 4.177 € übersteigenden Verfallsanordnung sieht und auf welcher tatsächlichen Grundlage die Ermittlung dieses Betrages beruht.
Zum anderen hat das Landgericht nicht bedacht, dass gemäß § 73c Abs. 1 Satz 2 StGB über die Anordnung des Verfalls nach tatrichterlichem Ermessen zu entscheiden ist, soweit - wie hier - der Wert des Erlangten im Vermögen des Betroffenen nicht mehr vorhanden ist; auf eine unbillige Härte kommt es dabei nicht an.
Becker von Lienen RiBGH Dr. Schäfer befindet sich im Urlaub und ist daher gehindert zu unterschreiben. Becker Mayer Menges

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Referenzen - Gesetze

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Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

Strafgesetzbuch - StGB | § 73c Einziehung des Wertes von Taterträgen


Ist die Einziehung eines Gegenstandes wegen der Beschaffenheit des Erlangten oder aus einem anderen Grund nicht möglich oder wird von der Einziehung eines Ersatzgegenstandes nach § 73 Absatz 3 oder nach § 73b Absatz 3 abgesehen, so ordnet das Gericht

Strafgesetzbuch - StGB | § 73a Erweiterte Einziehung von Taterträgen bei Tätern und Teilnehmern


(1) Ist eine rechtswidrige Tat begangen worden, so ordnet das Gericht die Einziehung von Gegenständen des Täters oder Teilnehmers auch dann an, wenn diese Gegenstände durch andere rechtswidrige Taten oder für sie erlangt worden sind. (2) Hat sich de

Betäubungsmittelgesetz - BtMG 1981 | § 31 Strafmilderung oder Absehen von Strafe


Das Gericht kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 des Strafgesetzbuches mildern oder, wenn der Täter keine Freiheitsstrafe von mehr als drei Jahren verwirkt hat, von Strafe absehen, wenn der Täter1.durch freiwilliges Offenbaren seines Wissens wesentlich d

Referenzen

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

Das Gericht kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 des Strafgesetzbuches mildern oder, wenn der Täter keine Freiheitsstrafe von mehr als drei Jahren verwirkt hat, von Strafe absehen, wenn der Täter

1.
durch freiwilliges Offenbaren seines Wissens wesentlich dazu beigetragen hat, daß eine Straftat nach den §§ 29 bis 30a, die mit seiner Tat im Zusammenhang steht, aufgedeckt werden konnte, oder
2.
freiwillig sein Wissen so rechtzeitig einer Dienststelle offenbart, daß eine Straftat nach § 29 Abs. 3, § 29a Abs. 1, § 30 Abs. 1, § 30a Abs. 1 die mit seiner Tat im Zusammenhang steht und von deren Planung er weiß, noch verhindert werden kann.
War der Täter an der Tat beteiligt, muss sich sein Beitrag zur Aufklärung nach Satz 1 Nummer 1 über den eigenen Tatbeitrag hinaus erstrecken. § 46b Abs. 2 und 3 des Strafgesetzbuches gilt entsprechend.

(1) Ist eine rechtswidrige Tat begangen worden, so ordnet das Gericht die Einziehung von Gegenständen des Täters oder Teilnehmers auch dann an, wenn diese Gegenstände durch andere rechtswidrige Taten oder für sie erlangt worden sind.

(2) Hat sich der Täter oder Teilnehmer vor der Anordnung der Einziehung nach Absatz 1 an einer anderen rechtswidrigen Tat beteiligt und ist erneut über die Einziehung seiner Gegenstände zu entscheiden, berücksichtigt das Gericht hierbei die bereits ergangene Anordnung.

Ist die Einziehung eines Gegenstandes wegen der Beschaffenheit des Erlangten oder aus einem anderen Grund nicht möglich oder wird von der Einziehung eines Ersatzgegenstandes nach § 73 Absatz 3 oder nach § 73b Absatz 3 abgesehen, so ordnet das Gericht die Einziehung eines Geldbetrages an, der dem Wert des Erlangten entspricht. Eine solche Anordnung trifft das Gericht auch neben der Einziehung eines Gegenstandes, soweit dessen Wert hinter dem Wert des zunächst Erlangten zurückbleibt.